"Haben Spiele erzieherischen Wert?"
Nein, zuerst einmal nicht - Richtiger wäre die Frage: "Können Spiele einen erzieherischen Wert haben?" Hier würde meine Antwort "ja" lauten - allerdings eher nicht im Falle Columbine. In einem Fall wie diesem müsste es darum gehen, beim/im Spieler ein fehlendes bzw "fehlerhaftes" System von Werten und Moral zu erzeugen/verändern. Das kann aber mMn nicht wirklich funktionieren, da der Spieler nur die ihm genehmen Werte und Moralvorstellungen zu seiner Selbstbestätigung verwenden und den Rest geflissentlich ignorieren würde.
Für Columbine als Spiel würde ich daher sagen, dass sich hier kein erzieherisches Ziel unterbringen läßt. Wie gesagt: Moral- und Wertvorstellungen werden im persönlichen Umfeld gebildet. Wäre es anders, wäre ich längst ein kleines, pillenfressendes, gelbes Etwas, das begleitet von repetetiver Musik durch irgendwelche Labyrinthe tappt und nach Monstern Ausschau hält. Schließlich habe ich auch mal begeistert Pacman gespielt.
Anders gesagt: Ich glaube kaum, das jeder RPG-Spieler im wirklichen Leben permanent nach unverschlossenen Türen sucht um das (fremde) Haus im Erfolgsfalle nach Geld, Items und sonstigen Nützlichkeiten zu durchsuchen, während der Besitzer wortlos danebensteht. Warum würden sich wohl die Wenigsten hier sich so verhalten? Wieviele von euch rennen im wirklichen Leben umher und erledigen alles, was sich in den Weg stellt, mit der Waffe?
OK, es gibt solche Amokläufer, aber daran ist kein wie auch immer geartetes Spiel schuld; Amokläufer gab es auch schon lange bevor es Computer gab. Ein "erzieherisches" Spiel kann solche Katastrophen auch gar nicht verhindern, das kann nur das persönliche Umfeld dieser Leute - und Hier muss sich was ändern - und das ist ein gesellschaftliches und ein soziales Problem.
Wenn es einer kleinen Gruppierung wie zB in Columbine gelingt, sich so weit vom Rest der Gesellschaft zu isolieren, dass ihr Vorhaben nichteinmal bemerkt wird, bevor es zu spät ist, stimmt mit der Gesellschaft irgendwas nicht. In anderen Worten: es gab in Columbine keine "echte" Gesellschaft, - nur kleinere Gruppierungen von Individuen, von denen sich einige offensichtlich zu weit aus dem Weg gegangen sind. Computer können ein solches Problem nicht lösen, schon gar nicht Spiele oder zB Online-Communities.
Online-Communities sind nichts schlechtes per se, aber sie haben dasselbe Problem wie der Rest der Gesellschaft: "Ausgestoßene" werden weiter in die Vereinzelung getrieben. Zusätzlich bieten Nischen-Communities die Möglichkeit, dass Menschen, die sich ausgestoßen fühlen, sich zusammenfinden und gegenseitig in ihren Vorhaben bestärken können - ohne dass die Gesellschaft überhaupt eine Chance hätte, hier korrigierend einzugreifen.
Auch wenn ich selbst eher vom Typ "Lone Ranger" bin, denke ich, es wäre an der Zeit, sich auf den Weg zu machen - zurück von den Ansammlungen von Individuen, hin zu einer funktionsfähigen Gesellschaft, die bei extremen Auswüchsen eine Chance hat, rechzeitig korrigierend einzugreifen und auch gewillt ist, das zu tun.
OK, zurück zu "erzieherischen Spielen":
Vor Jahren gab es mal dieses "Anti-Nazi"-Spiel, großzügig gefördert von der Bundesregierung, der Name ist mir leider gerade entfallen. Es war kostenlos downloadbar und frei vertreibbar, wenn ich mich recht erinnere, und speziell auf jugendliche Klientel zugeschnitten. Jedenfalls konnte ich trotz der guten pädagogischen Inhalte keinerlei Wirkung auf die Entwicklung der Neo-Nazi-Szene in Deutschland beobachten. Ich glaube auch nicht, dass jemand der dieser Szene in irgendeiner Form nahesteht, es jemals gespielt hätte oder spielen würde. Es hätte einfach die falsche Message. Oder wie es manchmal auch heißt: Computer(programme) können keine Lösung für soziale Probleme bieten. Das könnte nur eine funktionierende Gesellschaft.
Von daher sollten Spieleentwickler sich bei der Integration von erzieherischen Inhalten darauf beschränken, Schulwissen zu vermitteln. Mathe, Physik, Chemie, vielleicht auch noch Geschichte, Politik oder was auch immer, aber die Vermittlung von moralischen Vorstellungen, sozialen Werten etc. wird weiterhin nur auf persönlicher Ebene zu vermitteln sein.
Whoah, was'n Text - ich weiß noch nicht, ob ich mich dafür schämen oder darauf stolz sein soll, aber vielleicht findet ja jemand etwas Verwertbares darin.