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Um das bei einem bestimmten Thema erleben zu können, muss man aber schon eine ganze Menge darüber wissen bzw. gelesen haben. Nicht jeder ist mit genug Neugier beschenkt, um die eigene Trägheit zu überwinden und überhaupt bis zu einem solchen Punkt zu kommen.
Nicht unbedingt. Der Sprung von Null auf eins ist immer sehr groß.

Zitat Zitat von drunken monkey Beitrag anzeigen
Keine Ahnung, nein, ja, halb unzutreffend, ganz sicher nicht.
Ich lese ebenfalls gern Fachbücher und genieße sicher den Fortschritt der Erkenntnis als Selbstwert, wie du es ausdrückst. Allerdings gibt es an Geschichte null das mich fesselt, es interessiert mich einfach nicht. Es ist vergangen und bezieht sich nur auf einen winzigen Bereich eines winzigen Bereichs im Universum - ich bin da mehr an allgemeingültigerem Wissen interessiert.
Kann ich nicht verstehen. Die Physik brauche ich als Physiker, mit der historischen Entwicklung des Männlichkeitsbildes, dem Postmodernismus und dem Problem der Simulation hingegen werde ich jeden Tag konfrontiert. Ich lebe in diesen. Die Transformation der Sozialdemorkatie und der konservativen politischen Parteien genauso wie die Veränderungen durch den Populismus betreffen mich jeden Tag.
Zitat Zitat von RPG-Man
Hin und wieder mal schaue ich mal in eins rein aber das Meiste kennt man schon wenn man sich schon immer dafür interessiert hat. So dieses Fachliches wird irgendwann trocken und dann nimmt man sich öfter mal was fiktives. Biographien sind aber auch immer interessant weil diese Legenden in der Geschichte immer etwas Besonderes bzw. einzigartige Eigenschaften haben die man bei nur ganz wenigen Menschen wiederfinden kann. Sonst interessiert mich eher die Lebensweise der früheren Menschen bzw. auch diese Aktionen in den Medien, wo Menschen unserer Zeit für ein paar Wochen die Zeit nachahmen.
Nicht etwa die Steinzeit-Serie? Das Buch habe ich gelesen und ich frage mich, warum sie ein ganzes Kapitel über "Gewährsdenken" lamentieren mussten? Man hat den Teilnehmern alles beigebracht, was man der Organisatoren Meinung nach als Steinzeitmenschen wissen müsste und kreidet es ihnen dann an, wenn sie nicht wissen, dass Schilfdächer steiler als 45 Grad sein sollten? nton: Wieso wussten die Organisatoren das nicht? Das bringt man uns während der Ausbildung bei, und keiner von uns wird je ein Schilfdach bauen.

Die Reise nach Italien war auch mehr als Spekulativ. Die gängige Meinung ist, dass die Handelsrouten aufgesplittert waren und die Güter durch viele Hände gingen. Es wäre dementsprechend wohl am ehesten so gewesen, dass sie ihre Güter über der Baumgrenze mit den dortigen Hirten getauscht hätten. Die haben die Möglichkeit, das Zeugs hinauf zu tragen und den Anlass zu tauschen. Der Handel befreit sie davon, ständig wieder wegen jedem Scheiß ins Tal hinunter zu latschen. Auf den Pässen findet man Wehrbauten, die mindestens bis auf die Bronzezeit zurück gehen, von den Felszeichnungen ganz zu schweigen.

Biograpien stehe ich eher spektisch gegenüber. Ich habe Mein Kampf gelesen, musste aber über ein anderes Buch ein weiteres finden, um die Theorien von Hitlers "Lehrern" nachlesen zu können. Über österreichisch-ungarischen Judenhass bin ich immer noch nicht genügend informiert. Die Biographie schweigt sich dazu ja aus. Ähnlich ging es mir mit den Biographien über die Beat-Bewegung, die ich kürzlich gelesen habe. Keine einzige erwähnt die Verbindungen Burroughs zum Pulp, obwohl sie geradezu offensichtlich im Text liegen. Über die Zeit, welche sie formte erfuhr ich auch so gut wie nichts aus den Lebensberichten.

Zitat Zitat von Stan
Fachliteratur lese ich sonst nur, wenn die Erschließung der Kultur ihr Thema ist, also Sekundärliteratur zu Romanen oder Werke wie James Monacos "Film Verstehen" (den btw schon Fassbinder in einem seiner ersten Kurzfilme in der Hand hatte).
Solche Bücher lese ich ebenfalls.

Zitat Zitat von Stan
Zwar sammel ich auch viel Wissen an, aber doch bei weitem nicht so vieles, so spezielles wie du. Wenn ich Philosophie oder Literatur lese, geht es mir - neben der einmaligen Freude - darum, das Leben im Ganzen besser zu verstehen. Ich will die Geschichte besser verstehen, ich will verstehen, warum ich mein Geld nicht Kindern in Afrika spende, ich will verstehen, warum es immer Krieg gab. Ich finde es aufregend, wenn Nietzsche die christliche Moral als Ressentiment entlarvt und spannend, wenn Sloterdijk schreibt, dass die Ideologiekritik erst aus der Verneinung des Diskurses entstanden ist. Aber Hieb und Stichwaffen im China des 7ten und 8ten Jahrhunderts? Hat das was mit meinem Leben zu tun? Ist das wirklich von Belang?
Im speziellen, wie den von dir genannten Waffen, geht es mir blos um einen ganz groben Überblick. Wenn man verrückt genug ist, kann man solche Sachen bis auf zehn Jahre eingrenzen. Mir genügt eine Präzision von 100-500 Jahren, sofern dies überhaupt möglich ist.
Es sind Werkzeuge und wie will ich verstehen, wie sie ihr Leben meisterten, wenn ich nicht weiß, was für Werkzeuge sie dafür verwendeten? Aus der materiellen Geschichte dieser Werkzeuge treten dann oft auch die überregionalen Verknüpfungen und Trends hervor, die in der sich rein auf Chroniken berufenden Geschichtsschreibung nicht berücksichtigt werden. Über den Krieg und über die Architektur kam ich dann in letzter Zeit immer mehr zur Staatstheorie. Es ist mächtig interessant, wenn man den Zusammenhang zwischen den Fünf Klassikern und der Kriegsführung dargelegt bekommt oder aufgezeigt wird, wie die hindische Staatstheorie die Kriegsführung reguliert hat. Nach solchen Sachen durchsuche ich die Bücher hauptsächlich - nach Fällen, in denen die Theorie in die Praxis hinein greift. Gewisse Fälle, wie die Theorien der tribalen Kriegsführung lässt sich auch auf heutige Konflikte anwenden, sofern man die ökonomischen Bewegungen im Hintergrund freilegen kann. Ich hänge an dem griechischen Sentenz, dass der Konflikt der Vater aller Dinge ist.