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Thema: Also...liest sonst noch jemand Geschichtsbücher?

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  1. #1
    Zitat Zitat von Ianus Beitrag anzeigen
    Kann ich nicht verstehen. Die Physik brauche ich als Physiker, mit der historischen Entwicklung des Männlichkeitsbildes, dem Postmodernismus und dem Problem der Simulation hingegen werde ich jeden Tag konfrontiert. Ich lebe in diesen. Die Transformation der Sozialdemorkatie und der konservativen politischen Parteien genauso wie die Veränderungen durch den Populismus betreffen mich jeden Tag.
    Also dass du's nicht verstehen kannst, enttäuscht mich etwas. Vor allem mit dem Gegenargument.
    Ich meine, die Schwerkraft, z.B., betrifft dich ja wohl auch jeden Tag, im Gegensatz zu obigem sogar nachts. Im Endeffekt ist es bloß eine Frage des Interesses, ob man sich jetzt im täglichen Leben eher "Warum sind das Männlichkeitsbild, der Postmodernismus und die Sozialdemokratie so wie sie sind?" oder "Warum stehe ich auf dem Boden, warum scheint die Sonne?" fragt.

  2. #2
    Aber an Postmoderne, Sozialdemokratie und Männlichkeitsbild kannst du was ändern - an Schwerkraft und Sonnenschein nicht. Oberes befasst sich mit dem Sinn des Lebens, mit der Essenz des Menschen (warum ist er Nihilist geworden? Warum organisiert er sich in Staaten und warum sehen sie so aus wie sie sind? Warum wurden von Frauen unterdrückt?). Naturwissenschaften ist eher Erforschung von Fakten, die immer mit oberem verknüpft werden müssen. Durch die Frage ob ein Lichtstrahl nun ein Strahl ist oder nicht erfährst du nichts über die Essenz des Menschen. Wenn du Goethe liest hingegen schon.

    Edit: Wobei ein Kompromiss aus "geistigem" Wissen und naturwissenschaftlichem Wissen natürlich nötig ist.

  3. #3
    Na gut, jetzt vermanscht du aber ein bisschen was, Goethe ist ja kein Geschichtsbuch. o_O Goethe habe ich sehr wohl gelesen, wenn auch teils schulisch diktiert, und der interessiert mich auch mehr, genau wie das, was du die "Essenz des Menschen" nennst (falls ich den Ausdruck richtig interpretiere). Allerdings nicht, wie sie historisch gewachsen ist bzw. sich gewandelt hat.
    Und im Endeffekt erfährt man durch Naturwissenschaften auch einiges über den Menschen, von Evolution über Entstehung unseres Sonnen- und Ökosystems bis hin zur Auflösung der philosophischen Frage nach Determinismus und freiem Willen. Und die Natur eines Lichtstrahls interessiert mich eben auch, selbst wenn ich nichts daran ändern kann. Wobei ich Postmoderne, Sozialdemokratie und Männlichkeitsbild als einzelner wohl auch nur wenig mehr beeinflussen könnte.

  4. #4
    Wobei du durch Postmoderne, Männlichkeitsbild und Sozialdemokratie deine menschliche Umwelt und dich selbst besser verstehen könntest.

    Aber was ich ganz dezidiert sagen möchte:

    Man braucht ein gewisses naturwissenschaftliches und historisches Wissen. Zudem braucht man ein philosophisches Wissen. Meine These ist: Das naturwissenschaftliche und historische Wissen wird ab einem gewissen Detailgrad für das Leben eines Nicht-Natuwissenschaftler und Nicht-Historiker sinnlos. Vielleicht interessant aber außer diesem Wert nicht weiter sinnvoll. Genau wie das Fußball Spielen: Es macht Spaß, man bleibt dadurch fitt, aber eigentlich ist es sinnlos, es ist eben Zeitvertreib. Während die Philosophie (dazu kann man auch die gute Literatur zählen) diesen Punkt nicht so schnell erreicht, weil man Fragen der Ethik, Erkenntnistheorie, Anthropologie etc. kaum ausreizen kann. Sie gehen jeden was an, denn sowas wie einen Nicht-Philosophen kann es eigentlich nicht geben, denn niemand weiß, wo er herkommt, niemand weiß, wie er handeln soll, niemand weiß, wo er hingeht und niemand weiß, wie frei er ist. (@ DruMo: Du hattest die Determinismus-Debatte angesprochen: Kennst du da eigentlich neuere Ergebnisse? Bin da kaum auf dem laufenden.) Erst in dem Moment in dem Naturwissenschaften für diese Fragen eine Rolle spielen, werden sie auch wieder interessant. Man muss die Geistes- und Naturwissenschaften zur Philosophie führen können, sonst find ich sie hobbyhaft. Und die Philosophie muss natürlich auch zur Naturwissenschaft gehen.

    @ Ianus: Jetzt wo du dein Interesse erklärt hast, kann ich es viel besser nachvollziehen. Es geht dir also quasi um den Übergang von praktischem Leben und Theorie, wenn ich dich richtig verstanden habe?

  5. #5
    Zitat Zitat von Stan Beitrag anzeigen
    @ DruMo: Du hattest die Determinismus-Debatte angesprochen: Kennst du da eigentlich neuere Ergebnisse? Bin da kaum auf dem laufenden.
    Ich wüsste nicht, welche. Was ich meinte, war bloß die Erkenntnis vor knapp hundert Jahren (also auch nicht wirklich aktuell XD), dass auf Quantenniveau, und daher automatisch auch auf makroskopischem Niveau, ein gewisses Maß an Zufall reagiert, es daher keinen absoluten Determinismus gibt und dort wohl auch freier Wille anzusiedeln ist.
    Was jetzt Profi-Philosophen daraus gemacht haben, weiß ich auch nicht. ^^''

    Ansonsten klingen deine Ausführungen jedenfalls eigentlich einleuchtend, ich denke, da kann ich dir großteils zustimmen. ^^
    Ein anderes philosophisch interessantes Gebiet der Physik wäre btw imo noch die Allgemeine Relativitätstheorie. Schließlich verwenden wir zwar weiterhin die alten Begriffe "Raum" und "Zeit", aber eigentlich bedeuten sie seit knapp hundert Jahren etwas anderes, und konsequenterweise hätte man sie damals wohl umbenennen müssen. So schwingt in den Worten eigentlich immer eine gewisse Begriffsunklarheit mit.
    Aber eigentlich gehört das ja in den anderen Thread, etwas OT hier. ^^''

  6. #6
    Zitat Zitat von drunken monkey Beitrag anzeigen
    Ich wüsste nicht, welche. Was ich meinte, war bloß die Erkenntnis vor knapp hundert Jahren (also auch nicht wirklich aktuell XD), dass auf Quantenniveau, und daher automatisch auch auf makroskopischem Niveau, ein gewisses Maß an Zufall reagiert, es daher keinen absoluten Determinismus gibt und dort wohl auch freier Wille anzusiedeln ist
    Dazu gibt es eine nette Theorie von Richard Dawkins

    Die Memthorie unterminiert nach eigener Aussage die Illusion von individueller Identität und Persönlichkeit. Diese Memtheorie, ist eine Erweiterung der Evolutionstheorie, die ja bekannter Weise, schon seit geraumer Zeit an ihre Grenzen gestoßen ist. Es dreht sich hierbei um einen eigenständigen selektiven Replikator neben den Genen. Sehr interessant, aber auch nur bedingt ernst zunehmen....

    Offizielle Definition von Mem:
    Ein Element einer Kultur, das offenbar auf nicht genetischem Weg, insbesondere durch Imitation, weitergegeben wird.

    Hier etwas Literatur dazu:

    Das egoistische Gen von Richard Dawkins
    und die am besten ausgearbeitete Version Die Macht der Meme von Susan Blackmore

  7. #7
    Zitat Zitat von .Macabre. Beitrag anzeigen
    Dazu gibt es eine nette Theorie von Richard Dawkins
    Ein drogensüchtiger Schriftsteller hat ihm die Zukunft der Menschheit offenbart! Die früheste amerikanische Erwähnung der Sprache-als-Virus Theorie habe ich bei Burroughs gefunden. Die Quelle der These ist ein Scifi-Autor.

    Geändert von Ianus (10.04.2008 um 12:53 Uhr)

  8. #8

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    Zitat Zitat von Stan
    Man muss die Geistes- und Naturwissenschaften zur Philosophie führen können, sonst find ich sie hobbyhaft. Und die Philosophie muss natürlich auch zur Naturwissenschaft gehen.
    Ich glaube, du unterschätzt - wie so viele - die Naturwissenschaft doch etwas. Natürlich lässt sich durch die Reflexionsgesetze des Lichts schlecht etwas über das Wesen des Menschen aussagen, aber dafür gibt es ja auch andere Gebiete, wie zB die Biologie. Gerade diese hat im letzten Jahrhundert viele Themen, die vorher hauptsächlich in der Philosophie behandelt wurden, aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet und dadurch viele neue Erkenntnisse gewonnen.

    Um komplexe Systeme (und das ist ja der Mensch) zu verstehen muss man ihre Geschichte, ihren Werdegang nachvollziehen. Leider machen viele den entscheidenden Fehler zu glauben, dazu genüge allein die Kulturgeschichte, während das was den Menschen am meisten beeinflusst hat und bis heute (nach)wirkt - seine Naturgeschichte - als "überwunden" und sekundär abgetan wird.

    Doch eben durch die Erforschung seiner evolutionären Entwicklung haben Richtungen wie Anthropologie, Neurobiologie und Verhaltensbiologie einen tieferen Einblick in Themen wie Psyche, Bewusstsein, Sozialsysteme, Moral etc. ermöglicht.

    So gibt es zB Hinweise, dass der Mensch von Natur aus ein Kulturwesen ist. Dass, wie du selbst sagst, die Jugend mehr in Umbruchstimmung ist, während ältere Leute dagegen mehr die Neigung haben sich auf Traditionen, Bräuche und alte Werte zu besinnen scheint ein naturgegebener Verhaltensmechanismus zur Weiterentwicklung von Kultur zu sein (Variation durch die jüngere Generation - Aufrechterhaltung und Weitergabe angepasster Information durch die Älteren.)
    Oder man denke an Mode und Trends wo viele plötzlich - so unsinnig auch etwas ist - die Lust bekommen mitzumachen. Die neuen Ideen fallen schnell der kulturellen Selektion anheim, sodass nur ein Bruchteil der Modeerscheinungen Teil der bleibenden Kultur werden.
    (Allerdings würde ich die Werke von Dawkins mit Vorsicht genießen; der schießt gerne mal übers Ziel hinaus. Die Kulturethologie is da wohl seriöser).

    Äußerst empfehlenswerte Literatur:

    Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie de menschlichen Verhaltens - Grundriss der Humanethologie

    Wenn es dir darum geht, dich und deine Mitmenschen besser zu verstehen führt an diesem Buch eigentlich kein Weg vorbei^^.


    Antonio Damasio: Ich fühle, also bin ich - Die Entschlüsselung des Bewusstseins

    Der Orginaltitel ist nicht so plakativ wie der deutsche: The Feeling of What Happens: Body and Emotion in the Making of Consciousness. Sehr interessante Erkenntnisse über das Funktionieren des Bewusstseins und wie eng es eigentlich mit den Gefühlen zusammenhängt. Eine gute "Zusammenfassung" des Buches gibt es hier:

    Damasios Theorie über Bewusstsein

    BTW zu Willensfreiheit: Das hat wenig mit dem Zufallsverhalten der Quanten zu tun; "freier Wille" ist nur ein schwammiger Begriff für Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung. Und um sich entscheiden zu können braucht man erstmal Neigungen, deren Vorhandensein man sich ja nicht selbst aussucht.
    Allerdings zeigt die Verhaltensbiologie, dass die Fähigkeit zum Willkürverhalten auch entscheidend mit dem Spielverhalten höherer Tiere zusammenhängt...

    Geändert von cloud2003 (10.04.2008 um 14:49 Uhr)

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