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ᵵ Ghost Rider ᵵ
Goldstraße -> Skingrad
Beim Erreichen der Straße verschwand soeben die Sonne hinter dem Horizont, und Raccan versuchte sich in der eintretenden Dämmerung zu orientieren. Leider hatte er die Karte seiner gelaufenen Strecke nur ansatzweise im Kopf und konnte deswegen nur vage vermuten, wo er sich jetzt befand. Vielleicht irrte sich der Rothwardon auch; laut seiner Vermutung musste er sich jetzt nordöstlich von Skingrad befinden, wenn es so wäre, müsste ihm die Umgebung hier bekannt vorkommen. Andererseits wäre es auch möglich, dass er sich südlich der Stadt aufhielt, dann würde ihm auch das Wiedererkennen von Wegmerkmalen nicht helfen, denn dort war er ebenfalls schon entlanggekommen, wenn auch er mit den dort vorhandenen Wäldern schon etwas mehr Erfahrung hatte. Ja, diese Assassine spukte ab und an immer noch durch seine Gedanken. Egal, da ist später noch genug Zeit dafür. Der Ritualassassine saß von seinem Hengst ab und führte ihn an den Zügeln hinter sich her, als er ein paar Schritte den Weg entlang ging, er hatte sich dafür entschieden, dass Skingrad südwestlich seiner Position liegt.
Kurze Zeit später war es beinahe schon vollständig dunkel, als er vor sich plötzlich ein Lichtschein erkannte, offensichtlich von einem Lagerfeuer. Wer macht so nahe an der Reiseroute ein Lagerfeuer? Sein Gefühl lag selten falsch, und so führte er sein Pferd in ein Gebüsch und band es an dem Gestrüpp fest, um sich dann abseits des Weges an das Licht anzuschleichen. Das Terrain erhob sich leicht, es stellte sich heraus, dass sich das Lager direkt vor einem Höhleneingang befand, welcher direkt am Wegesrand lag. Raccan kroch den Hang hinauf und spähte über die Kante durch das Gras hinunter. Um das Feuer herum saßen drei Personen, allesamt bewaffnet, und mit schäbig aussehender Kleidung. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass es sich hierbei um Banditen handelte. Einer von ihnen, ein grobschlächtig anmutender Ork, rülpste laut und grinste in die Runde, aber die anderen beiden reagierten nicht einmal ansatzweise. Stattdessen lehnte sich einer von ihnen, ein Waldelf, der seinen Langbogen neben sich an den Baumstamm gelehnt hatte, nach vorn und stützte dabei die Ellenbogen auf den Oberschenkeln auf, um dann mit einem Stock in der lodernden Glut herumzustochern.
„Ich finde das hier Zeitverschwendung, heute Nacht ist es viel zu kalt, um irgendwelchen Händlern aufzulauern. Der Boss sitzt drin im Warmen und vergnügt sich wahrscheinlich mit Odessa, und wir frieren uns hier draußen den Arsch ab.“. Für einen Bosmer hatte der Bandit eine recht raue Stimme. Wahrscheinlich der Alkohol. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten.
„Dann geh doch rein und sag ihm das. Ich näh dich aber nicht wieder zusammen“, blaffte der Kaiserliche, welcher direkt vor dem Höhleneingang saß, trocken als Antwort zurück, woraufhin die Grünhaut das eben getrunkene Bier mit einem dumpfen Glucksen und Lachen wieder ausspuckte.
„Was ist los, Matschgesicht, schmeckt das Gesöff nicht?“, setzte der Kaiserliche nach. Der Ork verzerrte wütend das Gesicht und wollte sich schon erheben und nach seiner Axt greifen, da fuhr im der Bosmer in die Parade.
„Reiß dich zusammen, Balik; nicht schon wieder, du weißt doch wie er ist…“, woraufhin sich Balik etwas beruhigte und wieder niederließ. Allerdings war es nun an dem Unruhestifter, weiterzusticheln.
„Na, wie bin ich denn, du Baummade, sprich dich nur aus“. Meine Güte, diesem Stinkstiefel merkt man seine Laune aber wirklich an, dachte Raccan während er sich flach auf den Boden presste und lauschte. Der Waldelf jedoch ließ sich nicht provozieren und setzte sich ebenfalls wieder, ohne dem Kommentar irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken. Stille, welche nur durch das Prasseln des Feuers unterbrochen wurde, trat ein. Dann räusperte sich wieder der Waldelf, ganz offensichtlich war er an einem Gespräch interessiert um die Langeweile zu überbrücken.
„Was glaubt ihr, was er mit Odessa anstellt?“, und der Bosmer grinste verschlagen. Der Ork lachte kurz auf, biss ein Stück aus der Fleischkeule zu seinen Füßen und sinnierte kauend:
„Ihr aus einem Buch vorlesen wohl kaum…“, und beide brachen in Gelächter aus. Der Bandit an der Höhle stieß jedoch entnervt und betont laut die Luft aus, woraufhin die beiden anderen verstummten.
„Er macht das mit ihr worauf sie sich mit euch beiden nichtmal einlassen würde, wenn ihr die letzten Männchen in der gesamten scheiß Welt wärt. Lieber würde sie versuchen, mit einem verdammten Troll Nachkommen zu zeugen, anstatt es mit einem von euch Idioten zu treiben.“. Kawumm, dieser Kommentar hatte gesessen, und giftige Blicke trafen den Kaiserlichen, was ihm aber nichts ausmachte; er schien froh über die nun endgültig eintretende Stille zu sein. Raccan unterdessen fixierte, an den Grashalmen vorbei, den Ork. Irgendwie sahen sie alle gleich aus, und diesem ominösen Ko’Luk, der ihm am See eine Abreibung im Auftrag des Banditenchefs verabreicht hatte, sah er schon recht ähnlich. Aber nein, das hier war ein gewisser Balik. Insgeheim hatte sich der Rothwardon gewünscht, er hätte jene Banditen vor sich, das wäre interessant geworden. So aber war es nur ein einfaches Lager voller Gesinde, und es lohnte sich nicht, dieses auszuräuchern, erst recht nicht ohne jeglichen Rückhalt. Lautlos zog sich der Assassine zurück und schlich zu seinem Pferd, um dann dessen Zügel loszubinden und es tiefer in den Wald und im großen Bogen auf der rückwärtigen Seite um die Höhle herumzuführen. Nachdem er wieder auf den Weg angelangt war, blickte er sich noch einmal prüfend um und setzte seinen Weg fort.
Seine Reise durch die Dunkelheit Richtung Skingrad verlief ereignislos, abgesehen davon dass er wieder an einer dieser seltsamen magischen Quellen und einer verlassenen Mine vorbeikam, und schließlich tauchten die Lichter der Stadt und des Schlosses in der Nacht auf. Wieder drängte sich der Gedanke in den Vordergrund, welcher ihm schon einmal seit der Erfüllung seines Auftrags in den Sinn gekommen war. Eigentlich hatte er hier nichts mehr zu schaffen in Cyrodiil und im Grunde sollte er zurückkehren; allerdings hatte er bei seiner Reise genug Gründe gesammelt, um hier so schnell nicht mehr verschwinden zu können. Dazu kam noch der Raub seines Schwertes und die Tatsache, dass er hier quasi mittellos durch die Gegend zog. Im Moment wünschte er sich wirklich die Goldmünzen zurück, mit welchen er bei seinem allerersten Besuch in Skingrad bezahlt hatte. Aber als er unter der Brücke, welche über die Hauptstraße gebaut wurde und zum Schloss führte, hindurchging, schwenkten seine Gedanken wieder zu der frechen Waldelfe. Nüchtern betrachtet hatte sie Assassinen gründlich hereingelegt, denn im Grunde wusste sie gar nichts über den Khajiiten, und dass die Bettler etwas wussten, das hätte Raccan früher oder später auch selbst herausbekommen. Er kam sich vor wie ein armer Tropf, der ein Pferd gekauft, jedoch eine Packratte erhalten hatte. Seltsam genug, dass ihm diese Erkenntnis erst jetzt kam, noch dazu wusste er nicht einmal, wie lange sein Gespräch mit der Waldelfe her war; ehe er sich darüber jedoch weiter den Kopf zerbrechen konnte, war er schon bei den Stallungen, die vor den Stadttoren der Weinstadt errichtet waren, angekommen und hatte sein Pferd und Gepäck für 5 Septime sicher verwahrt. Die Stadtwache ließ den Rothwardonen ebenfalls wortlos passieren, jedoch nicht ohne einen skeptischen Blick auf den Krummsäbel an seinem Gürtel zu werfen.
Der Assassine steuerte zielstrebig die „Zwei-Schwestern-Taverne“ an, also jene, bei welcher er schon das letzte Mal genächtigt hatte. Die 10 oder 15 Septime, die es kostete, mussten einfach investiert werden, denn so kurz vor dem Ziel fühlte sich Raccan, als wäre er einmal zu Fuß quer durch die Alik'r-Wüste gelaufen. Die Straßen Skingrads waren zu so später Stunde zum Glück verlassen (abgesehen von den Stadtwachen), und so erreichte er ohne Umschweife besagtes Gasthaus.
Zu seiner Überraschung fand er wieder die Hochelfen-Nachtwache von seinem letzten Besuch hier vor, er hätte fast wetten können, dass sie keine Dauerlösung darstellte, aber anscheinend hatte er falsch gedacht. Als die Altmer den Assassinen erblickte, legte sie ihr allgegenwärtiges Buch weg und erhob sich, um den Zimmerwunsch des Gastes aufzunehmen.
„Ein Zimmer für eine Nacht…“, erwiderte Raccan auf den fragenden Blick von Elda, der Hochelfe, und ließ 15 Septime auf den Tresen klimpern, das würde das Frühstück mit einschließen. Die Frau musterte den Assassinen zögerlich und schrieb dann in das Gästebuch, während sie mir ruhiger Stimme sprach:
„Mit Verlaub, ihr saht auch schonmal besser aus; zumindest seit eurem letzten Besuch scheint ihr ein bisschen was durchgemacht zu haben?“.
Raccan setzte einen etwas perplexen Gesichtsausdruck auf; was hatte diese Frau für ein Interesse daran, was er erlebt hatte? Auch wenn der Assassine zugeben musste, dass er einen alles andere als guten Eindruck machte, denn die Wunden des Überfalls waren noch nicht vollständig verheilt, so stand dieser Hochelfe nicht das Recht zu, ihn darüber auszufragen. Dennoch antwortete er mit ruhiger Stimme.
„Es gab ein paar Zwischenfälle, danke der Nachfrage.“. Punkt. Dabei beließ es Raccan, und die Rezeptionistin schien sehr wohl zu bemerken, dass sie aus ihrem Gegenüber wohl nichts mehr herausbekommen würde.
„Dasselbe Zimmer wie letztes Mal. Die Treppe hinauf und die erste Tür rechts“, und damit legte sie den Schlüssel auf den Tresen, welchen Raccan sogleich aufnahm und sich mit schwerem Gang über den Holzboden Richtung Zimmer bewegte. Als er sich nochmal umschaute, war Elda verschwunden. Musste sie keine Nachtwache mehr halten? Ach was soll’s, mir egal. Schlafen. Nachdem er die Treppe hinaufgestiegen war, schloss er die Tür auf, schlurfte in’s Zimmer und ließ den Schlüssel von innen stecken nachdem er abgeschlossen hatte. Zügig legte er seinen Säbel, den Dolch, die Pfeile und den Langbogen auf das kleine Tischchen und entledigte sich dann seiner Rüstung, welche er auf den Boden neben das Bett platzierte. Nur noch mit der Unterhose bekleidet stellte er sich vor den schmalen Standspiegel und betrachtete sich selbst darin. Die blauen Flecken hatten eine hellere Farbe angenommen, und auch von den gebrochenen Rippen war dank des Heiltranks nicht mehr viel zu sehen außer ein paar dunkler Blutergüsse. Sein Gesicht zeigte ebenfalls noch ein paar Schwellungen, besonders an seinem linken Auge erkannte man noch die Spuren des Angriffs. In ein paar Tagen hat sich das wieder gegeben und die Schwellungen sind verschwunden, ist schließlich nicht meine erste Verletzung dieser Art. In der Tat fühlt sich Raccan an ein Ereignis in seiner Jugend erinnert, bei dem er einen Vorsprung an einer Felswand stabiler eingeschätzt hatte als dieser tatsächlich gewesen war; das Resultat waren einige Knochenbrüche, etliche Prellungen und ein Gesicht, als habe er bei drei Boxturnieren zeitgleich teilgenommen. Schulterzuckend wandte er sich von dem Spiegel ab und fixierte das Bett. Schlafen, das war der einzige Gedanke, den er jetzt noch hatte, und so verwunderte es nicht, dass der Assassine, kaum dass er sich hingelegt hatte, in einen traumlosen Schlaf fiel.
Ein unbeständiges Pochen auf Holz riss ihn aus einem tiefen Schlaf. Zunächst dachte er, es würde sich um den klopfenden Regen auf das Dach handeln, je wacher Raccan jedoch wurde, desto mehr drang das Geräusch in sein Bewusstsein, und ihm wurde klar, dass es sich mitnichten um fallende Wassertropfen handeln konnte. Er schlug die Augen auf, hob langsam den Kopf und blickte zur Tür. Nein, von da kam das Geräusch nicht. Sein Blick zuckte suchend umher und blieb schließlich an den geschlossenen Fensterläden hängen. Wieder ein Klopfen, drei Mal an der Zahl, und dann wieder Stille. Langsam erhob sich der Assassine von dem Bett und runzelte die Stirn. Wurde er jetzt verrückt? Da, wieder ein schnell aufeinanderfolgendes Pochen. Entschlossen schritt er zu den Holzbrettern, welche das Fenster verschlossen, öffnete sie nach kurzem Zögern mit einem Ruck und blickte nach draußen. Nichts war zu sehen außer Dunkelheit. Aber was war das für ein Geräusch? Lange konnte er nicht darüber nachdenken, da landete ein großer Schatten auf der Fensterbank und blickte ihn mit seinen stechend gelben Augen an. Raccan war ein Stück zurückgesprungen und sein Herzschlag setzte einen Moment lang aus, dann aber erkannte er den Falken wieder.
"Jail, ich habe dir doch gesagt, lass diese dramatischen Auftritte...", meinte der Rothwardon resigniert, ging langsam auf das Tier zu und strich ihm über den gefiederten Rücken. Er besah sich den Vogel von oben bis unten, etwas dreckig war er schon, aber immerhin trug er den Tornister immer noch am Fußgelenk.
"Hast du eine Antwort von Sahi für mich?", fragte Raccan den Falken, was dieser mit einem starren Blick kommentierte. Geschickt löste er den Knoten, mit dem das Metallröhren befestigt war, und nahm es an sich. Jail unterdessen drehte sich, kaum dass der Fremdkörper entfernt war, auf der Stelle um, stieß sich ab und flog aus dem Fenster. Ja, war auch schön, Zeit mit dir verbracht zu haben, dachte Raccan zynisch und schloss das Fenster. Dann ließ er sich wieder auf der Bettkante nieder, löste den Deckel des Röhrchens und pfriemelte umständlich das Stück eng zusammengerolltes Pergament aus dem Behältnis. Überraschenderweise glitt es recht leicht heraus, aber Sahi hatte schon immer mehr Ahnung als er selbst gehabt, Briefe in dieses winzige Transportmittel zu verstauen. Wenn sie wöllte, bekäme sie bestimmt auch ein Stück Fleisch von der Größe eines Tellers hier hinein. Lächelnd rollte er vorsichtig das Pergament auseinander, strich es auf der Matratze ein paarmal glatt, sodass es sich nicht mehr einrollte, und begann zu lesen.
Lieber Raccan,
es tut wirklich gut, von dir zu lesen, lebe ich doch seit deinem vergangenen Auftrag in ständiger Angst, dir könnte wieder etwas zugestoßen sein. Auch ist es schön, dass du dein Ziel bereits vor Augen hast, aber gib trotzdem weiter auf dich Acht, schließlich weiß Hawa'ajala, dass der Stamm mit Verrätern nicht nachsichtig umgeht, ganz zu schweigen von Zalanu.
Ich wusste, dass du eine Frau kennenlernen wirst, du bist schließlich ein hübscher Mann; dass sie dich auf ein Fest eingeladen hat, sollte doch Fingerzeig genug sein, Satakal meint es gut mit dir.
Nur zu gern würde ich diese fremden Dinge, welche du beschreibst, mit eigenen Augen sehen, aber im Gegensatz zu dir würde ich in der Fremde gar nicht zurechtkommen. Pass bitte auf, wenn dir wirklich etwas geschieht, würde ich das wohl nicht überleben.
Das Pferd trägt keinen Namen, es würde sich jedoch bestimmt freuen, wenn du ihm einen geben würdest.
Ich werde Zalanu von deinen Fortschritten unterrichten, er wird erfreut sein, davon zu hören.
Satakal möge dich beschützen.
Sahi
Einen Moment lang dachte Raccan darüber nach, wie gottesfürchtig seine Schwester doch war, sie beide waren wirklich wie Feuer und Wasser, gegensätzlicher konnten zwei Geschwister nicht sein, und doch verband sie ein unsichtbares Band, welches sich niemals lösen würde. Kurz darauf zuckten seine Augen jedoch zu dem Satz „Pass bitte auf, wenn dir wirklich etwas geschieht, würde ich das wohl nicht überleben“. Wie Recht du doch hast, dachte der Rothwardone, denn so wie man diese Aussage im ersten Moment verstanden konnte, war sie nicht gemeint; vielmehr wies Sahi darauf hin, dass Raccans Tod wahrscheinlich auch ihren Tod bedeuten würde, denn dann gab es für Zalanu und seine Konsorten keinen Grund mehr, seine Schwester mit Samthandschuhen zu behandeln. Eilig wischte der Assassine diesen Gedanken beiseite, denn noch atmete er, und solange dies der Fall war, würde er für seine Schwester da sein.
Nun war die Frage, was er ihr antworten sollte; sicher, der Verräter war tot, aber sobald Zalanu dies erfuhr, würde er die Rückkehr des Assassinen einfordern, und ohne gesegnetes Schwert dort aufzutauchen war keine gute Idee. Leider hatte Raccan auch absolut keinen Schimmer, wo seine Waffe abgeblieben war, in diesem Land ein einzelnes gestohlenes Schwert zu finden würde sich als noch schwieriger herausstellen als es bei dieser Ratte Hawa'ajala der Fall gewesen war, und selbst hier musste der Rothwardon zugeben, dass er hier ebenfalls mehr Glück als normalerweise üblich gehabt hatte.
Mit einem langen Seufzer rollte er das Pergament wieder zusammen und legte es auf seine neben dem Bett befindliche Rüstung. Es brachte nichts, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, denn nun überkam den Rothwardonen die Müdigkeit, und er legte sich wieder in’s Bett und schlief sogleich ein.
Am nächsten Morgen schlug Raccan die Augen auf und stellte fest, dass so ein Bett doch einen recht großen Unterschied machte was den Schlaf anging, zumindest im Vergleich zum Nächtigen in freier Natur. So langsam gewöhn ich mich daran, dachte er, setzte sich auf die Bettkante und bewege ein wenig sein Rückgrat hin und her. Nein, es waren keine Schmerzen feststellbar. Rasch kleidete sich der Rothwardon an und unterzog bei der Gelegenheit seinen Waffen auch noch einer Blickprüfung. Im Grunde war das Einzige, was ihm nach dem Überfall noch geblieben war, das was er am Leib trug, abgesehen von den Decken, dem anderen Säbel und dem Ritualdolch bei seinem Pferd; selbst sein Geld reichte nicht für einen Einkauf von Heiltränken, geschweige denn für mehr als eine weitere Nacht hier in der Herberge. Seine zweite Reise nach Cyrodiil entpuppte sich immer mehr zu einem ironischen Trip; da hatte er während seines Gedächtnisschwunds mit Gold nur so um sich geworfen, und nun war er mittellos.
„Erstmal raus hier“, befand er und verließ sein Zimmer Richtung Schankraum.
Eigentlich hatte Raccan vorgehabt, die Herberge sogleich zu verlassen, aber soweit kam es nicht. Am Tresen hatte er die Person schon erkannt, die sich mit der Hochelfe angeregt unterhielt, obwohl sie ihm nur den Rücken zudrehte. Sonderlich schwer war dies nicht: ein tiefrotes Kleid, betonte Rundungen, lange, schwarze und perfekt hergerichtete Haare, dazu silberne Ringe an den Ohren. Elda wies in seine Richtung, und schon wandte sich die Waldelfe um und kam auf ihn zu. Von vorn war sie ein keineswegs schlechterer Anblick, denn das Kleid zeigte einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel, und Raccan kam nicht umhin, seinen Blick kurz schweifen zu lassen, bis die Elfe vor ihm stand und zu ihm aufschaute.
„Vorsicht, Raccan, sonst merke ich noch, wo du hinstarrst“, sprach ihn Adya grinsend an, aber sogleich verschwand ihr Lächeln, als sie den Rothwardonen genauer anblickte.
„Wie siehst du denn aus?“, stieß die Bosmerin entsetzt aus und musterte die noch leicht sichtbaren Wunden im Gesicht des Assassinen.
„Nichts, nur eine kleine Auseinandersetzung“, erwiderte der Rothwardon wortkarg und machte keine Anstalten, noch etwas hinzuzufügen. Dies schien Adya nicht sonderlich zu gefallen, aber sie bemerkte, dass ihr Gegenüber nichts weiter dazu sagen wollte.
„Naja, bis zum Empfang siehst du hoffentlich weniger mitgenommen aus“, fügte sie mit einem Augenzwinkern an und strich Raccan leicht über den Arm. Tja, was sollte er jetzt dazu noch sagen? Dass er auf diesen Empfang keine Lust hatte? Dass er nicht als Trophäe einer selbstverliebten Elfe herhalten wollte? Innerlich sträubte er sich dagegen, aber letztendlich hatte er noch nie sein Wort gebrochen, und das würde auch jetzt nicht passieren.
„Ja, ich freu mich schon drauf“, zwang er sich zu sagen und lächelte, allerdings wirkte dies leicht gequält.
„Gib dir keine Mühe, aber ich sorge schon dafür, dass es dir Spass machen wird“, ließ sich Adya die Laune nicht verderben und umschlang dabei seinen linken Arm kurz. Ob die Zweideutigkeit ihrer Worte beabsichtigt war, wusste der Rothwardon nicht, und zum Nachfragen kam er nicht mehr, denn in diesem Moment betrat eine kleine Gruppe aus drei Leuten die Herberge, gefolgt von einem großen, grimmig aussehenden Nord. Die Gruppe bestand aus drei Männern; einem Dunmer, ein Bretone und ein Kaiserlicher. Alle sahen so aus, als ob sie noch nicht allzu alt wären, noch dazu machten sie keinen Hehl aus ihrem Reichtum, der sich durch ihre teure Kleidung bemerkbar machte. Mit geübtem Blick stellte Raccan fest, dass es sich bei dem Nord im Hintergrund wohl um sowas wie einen Leibwächter handelte, denn aufgrund seines Intellekt, den man ihm schon irgendwie ansah, wäre er wohl kaum zu einer so prächtigen Stahlrüstung gekommen.
Die drei doch recht halbstark wirkenden Adligen hielten kurz inne, als sie Adya und den Rothwardonen entdeckten, flüsterten sich etwas zu, lachten dreckig und hielten schließlich vor den beiden an.
„Adya, schöne Adya, sind wir wieder auf der Jagd?“, und unverhohlen blickte der Dunkelelf auf den Ausschnitt der Waldelfe. Der Kaiserliche und der Bretone ließen ebenfalls ungeniert ihren Blick auf den Brüsten von Adya ruhen, aber dann musterten sie allesamt Raccan mürrisch.
„Hast du es jetzt schon so nötig, dass du dich mit deinem Leibwächter vergnügen musst?“, spöttelte der Kaiserliche, und die anderen beiden stimmten in das Gelächter ein; der Nord hingegen verzog keine Miene, Raccan zweifelte sogar daran, dass er überhaupt verstand, was hier gesprochen wurde.
„Nein, du Küchenschabe, er ist meine Begleitung für nächste Woche“, und Adya umschlang wieder den Arm des Assassinen und legte ihren Arm auf seinen Rücken.
Einen Moment lang herrschte Stille, dann prustete der Dunkelelf los, und seine Kumpanen stimmten mit ein. Nun sollte man meinen, dass die Waldelfe beleidigt sein würde, schnippisch reagiert oder gar resigniert. Aber ihre Reaktion überrasche sowohl Raccan als auch die drei Adligen. Adya legte die Hand auf Raccans Brust und schmiegte sich fest an ihn, während sie die drei vor sich überlegen anschaute.
„Ja, lacht ihr nur, aber ich stehe nunmal auf Männer, und nicht auf solche Schlappschwänze wie euch“. Abrupt verstummte das Lachen, die Jugendlichen fühlten sich anscheinend in ihrer Ehre gekränkt. Wie lächerlich, sich von so etwas einschüchtern zu lassen, befand Raccan, aber diese drei waren auch noch jung und reagierten auf solche Kommentare wohl besonders empfindlich, und das wusste Adya ganz offensichtlich.
„Ich sollte meinen Nord sich um dich kümmern lassen“, zischte der Kaiserliche giftig und bedrohlich, worauf Adya aber nur mit einem müden Lächeln reagierte.
„Dass du es dir nicht zutraust, es mir zu besorgen und das deinen Schoßhund machen lassen musst, kann ich verstehen“, säuselte sie zuckersüß und streichelte unschuldig weiter Raccans Brust. Sie ist schlagkräftig mit Worten. Der Rothwardon war sichtlich beeindruckt, die Waldelfe nahm diese Halbstarken verbal regelrecht auseinander. Es wurde einen Moment lang still, man stand sich regungslos gegenüber. Dann aber wandte sich der Dunmer ab und stapfte wütend aus der Herberge, die beiden anderen und der Nord folgten ihm, und die Tür schlug sehr laut in’s Schloss.
„Na, das war doch ganz witzig“, grinste sich Adya eins und löste sich von dem Rothwardonen. Er war sehr irritiert und machte daraus auch kein Geheimnis.
„Und wer war das?“, fragte der Assassine verwirrt, deutete auf den Tisch und setzte sich dann. Adya ließ sich ebenfalls umständlich nieder und lächelte Raccan keck an, während sie antwortete.
„Talbor, Ignaz und Olgar mit ihrem nordischen Schoßhündchen. Die Drei sind Söhne von den Freunden meines Vaters. Und sie geifern mir bei jeder Gelegenheit hinterher, aber diesen Zahn hab ich ihnen spätestens jetzt gezogen“, sie zwinkerte.
„Die sahen nicht sonderlich erfreut aus“, bemerkte Raccan skeptisch. Tatsächlich hatte er bei diesen Kerlen ein ungutes Gefühl, so wie sie Adya angestarrt hatten.
„Ach, die sind harmlos. Viel zu feige, um ihren Worten Taten folgen zu lassen, sie verstecken sich lieber hinter dem Reichtum und dem Einfluss ihrer Väter. Sie werden jetzt heulend zu ihnen rennen und verlauten lassen, wie böse und gemein ich bin, und vor allem werden sie meinem Vater mitteilen, dass ich beabsichtige, dich als Begleitung auf den Ball zu nehmen“. Dies sprach Adya so selbstverständlich aus als ob sie sich gerade über das Wetter monieren würde, aber Raccan stockte für einen Moment der Atem, ehe er antwortete.
„Heißt das, dein Vater weiß gar nicht, dass du mich mit zum Empfang nehmen willst? Wie hast du dir das vorgestellt?“, fragte er ungläubig.
„Immer mit der Ruhe, Süßer“, grinste die Waldelfe noch breiter und lehnte sich zurück, wobei sie provokativ ihren Vorbau herausstreckte. „Mein Vater wäre nur zufrieden, wenn ich mit einem stinkreichen Muttersöhnchen angesehenen Hauses antanzen würde, und diese sind absolut gar nicht mein Geschmack; jeder andere wäre meinem Vater zuwider, also was soll’s. Und wenn ich als Bonus auch noch jemanden mitbringe, der mir wirklich gut gefällt…umso besser“, und Adya zwinkerte wieder schelmisch ihrem Gegenüber zu.
Raccan war für diesen Moment erstmal bedient, nach außen hin gab er sich jedoch Mühe, sich das nicht anmerken zu lassen. Diese Naivität und Gleichgültigkeit der Waldelfe war ihm vollkommen unverständlich, noch dazu dieses bewusst provokante Art; dies alles war sehr gewöhnungsbedürftig für den Assassinen, aber irgendwie machte dieses auf Krawall gebürstete Verhalten von Adya den Charme der Waldelfe für Raccan aus, und dieser Punkt führte letztendlich dazu, dass er sich ihr geschlagen gab.
„Gut“, nickte er, „ich habe dir mein Wort gegeben, und ich werde es halten“.
„Ich hätte dir auch nichts anderes geraten, schließlich habe ich den drei Gnomen dich jetzt schon vorgestellt“, antwortete sie locker.
„Wann genau ist der Empfang?“, fragte er nach einer kleinen Pause und drückte dabei die Fingerspitzen gegeneinander.
„In fünf Tagen, bis dahin hast du noch Zeit, dir etwas anderes als das da“, und sie deutete auf seine Rüstung, „zu besorgen“. Mit einem breiten Grinsen und den Kopf auf die Hände gestützt musterte sie dabei den Rothwardonen, ganz offensichtlich wartete sie nur darauf, um Hilfe gebeten zu werden. Bin ich wirklich so durchschaubar? Sieht man mir an, dass ich davon keine Ahnung habe und vor allem kein Geld?
„Nun, es wäre schön, wenn du mir dabei…“ und die Waldelfe fiel Raccan in’s Wort.
„…helfen könntest? Aber sicher doch, wir werden viel Spass haben!“, und sie stand auf, zog den Rothwardonen vom Stuhl hoch und führte ihn zur Tür. Auf was habe ich mich jetzt eingelassen, schoss ihm noch durch den Kopf, als er mit der Waldelfe nach draußen trat.
Die nun folgenden Stunden waren die definitiv ungewöhnlichsten und anstrengendsten Stunden in Raccans gesamten bisherigen Leben, abgesehen von der Zeit seines Gedächtnisverlustes, wobei diese Situation, die sich ihm jetzt darbot, schon relativ heftig an dem Thron rüttelte. Vergessen waren die Strapazen in der Schlangengrube; vergessen war der Irrweg durch die Wüste Hammerfells nur mit einem Messer bewaffnet; vergessen das mühselige und fast tödliche Herausklettern aus dem tiefen Canyon. Unzählige Anproben später entschied er (oder vielmehr Adya) sich für ein rotes, orientalisch angehauchtes Gewand, welches nach Meinung der Waldelfe am besten zu dem Eindruck ‚Der Fremde aus der Wüste‘ passte. Nachdem sie die Schneiderin verließen und vor der Tür standen, grinste Adya über beide Ohren.
„Na, das war doch toll, oder nicht?“.
„Ja, sehr außergewöhnlich, muss ich schon sagen“, bemerkte Raccan immer noch etwas geschockt und mit kühlem Unterton; diese Seite der Zivilisation hatte er bis jetzt nur von Weitem gesehen, jedoch mitten drin involviert zu sein hatte ihm jetzt eine Art kulturellen Schock versetzt, was die Frau neben ihm jedoch gekonnt herunterspielte.
„Ach was, du siehst darin wirklich bemerkenswert aus, dazu noch deinen Säbel, und du wirst auf diesem Empfang DER Blickfang sein“, und etwas freudiger fügte sie hinzu, „und noch dazu wirst du meine Freundinnen vor Neid platzen lassen“.
Und wieder kam sich Raccan wie eine Trophäe vor, anmerken ließ er sich aber wiederum nichts, schließlich war er hier an diesem Schlamassel im Grunde selbst schuld mit seiner leichtfertigen Einwilligung, als Begleitung zu fungieren. Er seufzte leise und betrachtete kurz das Paket unter seinem Arm, in dem sich die Kleidung befand.
„Und wo verbringst du jetzt die Zeit bis zum Empfang?“, fragte Adya plötzlich lauernd und blickte den Rothwardonen misstrauisch an.
„Ich denke, ich werde versuchen, ein wenig Geld zu verdienen bis dahin, 5 Tage sind eine Menge Zeit“, antwortete er vorsichtig.
„Ja, eine Menge Zeit um sich aus dem Staub zu machen oder sich zu verletzen? Hälst du es nicht für besser, noch etwas bei mir zu bleiben?“. Die Frage klang, als habe er eine Wahl, aber der Blick von Adya sprach mehr als tausend Worte, und im Grunde war die Entscheidung schon längst gefallen, es war jetzt nur noch die Frage, wie lange Raccan das Ganze hinauszögern würde. Der dominanten Ader der Waldelfe war der Assassine nicht gewachsen, zu sehr überforderte ihn diese bestimmende Art.
„Wenn du das für eine gute Idee hälst…“, antwortete Raccan schließlich ausweichend und ließ sich von der freudestrahlenden Adya etwas widerwillig die Straße Richtung Stadttor entlangführen…
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