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Legende
Südöstliche Grenzgebiete Cyrodiils
Sie waren knapp zwei Tage nach Süden unterwegs. Am Vormittag des zweiten Tages erreichten sie die dichten Wälder, welche noch weiter südlich in die Sümpfe von Schwarzmarsch übergingen. Es war bereits dunkel, als sie vor sich zwischen den relativ licht stehenden Bäumen, ein großes Jagdhaus aus dem Wald auftauchen sahen. Eine massige Hütte, mit einem etwas kleineren Schuppen, nur wenige Meter weiter. Das Gebäude war ohne Brunk und Zierde und hatte nur ein Erdgeschoss. Das Dach war aus dunklen, hölzernen Schindeln und etwas flacher aufgesetzt. Dunkle Fenster und eine breite Tür waren in der Front zu erkennen. Als Arranges und Jurano näher kamen, erkannten sie etwas entfernt, nahe einem Dickicht im Wald, zwei Pferde stehen. Sahen sie noch genauer hin, konnten sie einige Meter weiter, nochmal ein Pferd sehen. Alles recht stattliche Tiere. 'Wir sind also nicht die Ersten...' Bemerkte Jurano.
Sie saßen vor dem Haus ab und ließen die Tiere vorerst einfach stehen. Die Tür war nicht abgesperrt, sodass sie einfach eintreten konnten. Drinnen eröffnete sich ihnen ein großer Raum. An einer Wand war eine Art Garderobe eingerichtet. Lange Bänke stützten sich an die Holzwand, alle paar Meter wurde sie von einem größeren, offenen Schrank unterbrochen. Links der Eingangstüre führte eine breite Steintreppe nach unten zu einer zweiflügeligen Tür. Auf der rechten Seite des Raums stand ein etwas größerer Tisch an der Wand. An diesem saß mit dem Rücken zu den beiden Neuankömmlingen, eine leicht über die Tischplatte gebeugte Gestalt, gekleidet in eine graublaue Robe. Erleuchtet wurde der ganze Raum von einem ausladenden Kerzenleuchter, welcher an einer massiven Kette von der Decke hing. Die Person an dem Tisch hob den Kopf, als sie die beiden hereinkommen hörte. Der Kopf war von einer Kapuze bedeckt. Dann schob die Gestalt den Stuhl zurück und stand auf. Jetzt erkannte man an der Statur, dass es sich wohl um eine Frau handeln musste. 'Haltet euch zurück, sie ist noch nicht sehr lange dabei... am besten ihr haltet komplett den Mund.' Flüsterte Jurano Arranges zu. Die Frau drehte sich zu ihnen um und kam die wenigen Schritte auf sie zu. Was zum Teufel...?! Der Kaiserliche musste sich für einen Moment beherrschen, um nicht überrascht zu schauen. Links und rechts fielen goldene Haarsträhnen aus der Kapuze. Die voll roten Lippen waren so perfekt geschwungen, als hätte man sie gemalt. Die Haut glich reinster Seide. Eine zierliche Nase fand sich zwischen den tiefbraunen Augen wieder. Der restliche Körper war soweit ebenfalls ohne Makel, zumindest konnte man das aufgrund der Umrisse und Konturen sagen, welche durch die wollene Robe zu erkennen waren, nicht zu üppig, aber auch nicht zu dürr. Ich wusste gar nicht, dass die Gathering neuerdings Wert auf das Äußere der neuen Schüler und Novizen legt... Grinste Arranges innerlich. 'Seid gegrüßt Meister Jurano. Auch ihr Mentor Arranges, seid willkommen!' Ihre Stimme war in etwa das, was man sich von dem Klang einer wohl gespielten Flöte oder Laute versprach, schön und zum Träumen einladend. Arranges zuckte etwas zusammen, als sie ihn mit seinem Titel ansprach. Er mochte diese Anrede nicht. Nur diejenigen, die von ihren Meistern anerkannt wurden, wurden aus dem Stand des Lernenden zum Mentor erhoben und konnten sich zur Verfügung stellen, neue Schüler und Novizen unter dem Leitfaden der Meister, an die Nekromantie und ihre Grundlagen heranzuführen. Arranges wurde zwar von Jurano hoch gelobt und auch einige aus der Gathering zollten ihm regelmäßig ihren Respekt, aber er versucht dies grundsätzlich nicht so zu sehen, wie es tatsächlich gemeint war. Er war in seinen eigenen Augen noch lange nicht so gut, wie man ihm immer sagte. Er versuchte die Gathering und Jurano grundsätzlich zu verdrängen, wenn er nicht gerade direkt mit ihnen sprach oder im Auftrag selbiger unterwegs war. Dies war wichtig, denn so konnte er sich praktisch parteilos unter Gleichgesinnten in Cyrodiil bewegen.
'Seid mir ebenfalls gegrüßt Vaiolenna!' Antwortete Jurano. 'Wie ich sehe, habt ihr euch inzwischen zum Schreiber durchgerungen, meinen Glückwunsch... Sagt, wer ist denn schon alles da?'
'Nun, danke... Bis auf den Meister aus Hammerfell und die Meisterin aus Schwarzmarsch sind schon alle da, aber es gibt zu Beginn erst noch eine traurige Nachricht, die man euch später mitteilen wird... Man erwartet die beiden noch heute zur späten Stunde... Die Gathering ist allerdings gestern schon vollzählig gewesen...' Sie sah mit einem undeutbaren Blick zu Arranges, dann blickte sie wieder zu Jurano. 'Holt eure Sachen rein und begebt euch schonmal nach unten in eure Gemächer, ich werde dann Bescheid geben, wenn die Letzten ebenfalls eingetroffen sind.' Vaiolenna senkte kurz ihren Kopf und wandte sich dann wieder ihrem Tisch zu.
Arranges und Jurano gingen derweil wieder hinaus. Sie sattelten die Pferde ab, brachten die Satteltaschen nach drinnen und das Zaumzeug in den kleinen Schuppen. Mit den Satteltaschen gingen sie nach unten und bezogen ihre Zimmer. Es war mehr als nur ein Keller unter dem Haus, es war eigentlich ein vor Jahrhunderten planmäßig angelegtes Höhlensystem, welches in den Boden aus Fels und Sandstein gehauen worden war. Dort waren Zimmer für alle Meister aus Tamriel, für einige Schüler und für die Gathering. Daneben gab es dort noch eine Art Ratshalle, eine recht großzügige Küche, eine Höhle, welche nur Ritenhalle genannt wurde und einen großen Speisesaal. Es gab noch weiter Räumlichkeiten, von deren Existenz zwar jeder, auch die Schüler, wusste, zu denen aber ausschließlich die Gathering Zugang hatte. Der Raum, welcher hinter der großen Tür lag, war allerdings als Trophäen- und Speisekammer getarnt. Schließlich blieb so eine große Jagdhütte wohl kaum unbemerkt von Wanderern oder Kundschaftern. Man konnte eines der breiten Regale wie eine Tür aufziehen, dahinter lagen nun die Höhlen. Nichts war irgendwie natürlich belassen worden. Die Gänge wie mit Steinen gebaut, eben und waagerecht, sowohl der Boden, als auch die Wände. In regelmäßigem Abstand waren Fackeln angebracht und tauchten so die Gänge in ein gleichmäßiges Licht. Alle paar Meter zweigte ein Gang nach rechts oder links ab. Sie mussten nicht sehr lange gehen, da die Höhlen logistisch recht kompakt angelegt worden waren. Nach wenigen Minuten schob Arranges die Tür zu seinem Zimmer auf, welches ihm vor knapp 6 Jahren zugeteilt wurde, als er das erste Mal vor der Gathering gesprochen hatte. Der Raum war recht groß. Ein edles Doppelbett stand an einer Wand, an der anderen ein großer Schrank und der Tür gegenüber ein großer Schreibtisch. Der Boden in der Mitte war mit einem großen Teppich ausgelegt. Von der Decke hing ein vierarmiger Leuchter. Alle Jahre wieder... Seufzte der Kaiserliche in Gedanken. Er legte seine Rüstung ab und verstaute die Sachen, damit sie nicht ungünstig herumlagen. Wieder in der blauen, weiten Kniehose und der grauen Tunika, an den Füßen nun mit halb über die Waden geschnürten Sandalen, trat er aus dem Zimmer und machte sich auf den Weg zum Speisesaal, welcher auch noch als Aufenthaltsraum fungierte. Dort saß schon Jurano, jetzt wieder in der bequemeren Kleidung, ohne Rüstung. Arranges setzte sich zu dem Dunmer an den Tisch. Beide schwiegen sich einige Minuten an und schienen ihren Gedanken nachzuhängen, als Vaiolenna den Saal betrat. 'Die beiden Letzten sind gerade angekommen und schon auf dem Weg zur Gathering, ihr solltet euch auch dort hinbegeben.' Arranges atmete einmal tief ein und aus, dann erhob er sich. Und zusammen mit Jurano begab er sich auf den Weg zu der großen Halle, welche im Grunde nichts anderes war, als eine Ratshalle, aber von der Ausstattung und Gesamtgestaltung her eher einem Gerichtssal glich. Nur wenige Minuten später standen beide vor zwei Türen. Einer der Beiden Eingänge bestand nur aus einer kleinen, einfachen Tür, der andere zeichnete sich durch ein recht niedriges Tor mit flachem Bogen aus. Jurano legte Arranges eine Hand auf die Schulter. 'Dir kann nichts passieren, du kennst alle aus der Gathering und du weisst, wie du ihnen zu antworten hast... mach es einfach wie immer und wir sind bald wieder weg von ihnen.' Ja, ich segne einfach alles mit meiner Zustimmung ab, dann bin ich wohl morgen früh wieder hier heraus... Der Dunkelelf zog seine Hand zurück und schritt durch die kleine Tür neben dem Tor. Hinter dieser führte eine kleine Treppe hinauf zu einer Art Tribüne, welche sich über dem Tor, durch welches Arranges treten wird, befand. Der Kaiserliche wartete noch einen Moment, dann trat er durch das Tor.
Arranges stand nun am unteren Ende der gestuften Tribüne, deren vorderste Reihe über dem Tor lag. Die Tribüne bot Platz für alle Meister, ein paar wenige Schüler, welche hier Gast sein durften, während sie gelehrt wurden und theoretisch für alle Mentoren, aber von diesen kam nur seltenst die volle Zahl, im Schnitt waren es ihrer fünf. Normalerweise saß Arranges selbst dort oben, es war jetzt gerade erst das dritte Mal, dass er selbst vor der Gathering vorsprechen musste. Alles hätte er sich im Moment gewünscht, nur nicht hier stehen zu müssen. Vor ihm baute sich ein Halbkreis auf einem hufeisenförmigen Podest auf, welches nicht sehr hoch war. Auf diesem Halbkreis waren insgesamt dreizehn hölzerne Stühel, welche an schlichte Throne erinnerten. Eigentlich war nur die Lehne etwas erhöht, aber sonst waren es einfache und normale Stühle. Auf jedem dieser Stühle saß jemand. Die Mitglieder der Gathering waren in samtene, schwarze Roben gekleidet, die Kapuzen zurückgeschlagen, sodass man den Blickkontakt mit ihnen aufnehmen konnte, wenn man zu ihnen sprach. Arranges begab sich zur Mitte des Halbkreises und wartet einen Moment.
'Seid gegrüßt und uns allen willkommen Mentor Arranges Moryn.' Sagte ein Kaiserlicher, welcher ihm genau gegenüber auf einem Stuhl saß.
'Es freut mich ebenfalls hier zu sein Großmeister.'
'Nun, bevor wir uns anhören, was ihr zu erzählen habt, gibt es eine Nachricht, die bekanntgegeben werden will.' Der Kaiserliche erhob sich und deute auf einen Sitz in dem Halbkreis.
'Erst vor wenigen Tagen ist ein geschätzter Großmeister von uns gegangen.' Arranges folgte dem Zeig des Kaiserlichen und sah, dass auf dem Stuhl auf welchem normalerweise ein Bretone sitzen sollte, ein Nord saß. Ähh... der war ja auch schon älter, aber warum dieser Nachfolger? Der Nord war einer der zwei Meister in Himmelsrand gewesen und jetzt wohl das neue Mitglied und der Nachfolger des Bretonen. 'Wir haben uns entschieden, dass Meister Jacoll seine Nachfolge antreten wird.' Die Begrüßung erfolgte stumm. Dann sprach der Kaiserliche weiter: 'Nun zu euch Arranges. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einige Beobachtungen gemacht, die uns etwas seltsam erschienen. Dabei fällt so manche Frage unter eine solch gewaltige Unverständnis, dass wir zu dem Entschluss gekommen sind, euch herkommen zu lassen. Aber vielleicht ist es ja besser und verständlicher, wenn ihr ohne Vorbelastung ersteinmal erzählt, wo ihr überhaupt ward, als unsere Botschafter euch nichtmehr auffinden konnten und das nirgends in Tamriel über einen Zeitraum von gut drei Wochen.' Der Kaiserliche hatte den Posten des Sprechers inne, seine Stimme war angenehm und klang mit keiner Silbe vorwurfsvoll. Jetzt erzählte Arranges von seinen Erlebnissen auf den Inseln. Teilweise wurden seine Worte von Raunen auf der Tribüne begleitet, als er geendet hatte, herrschte zunächst für ein paar Minuten das Schweigen - er hatte nichts davon erwähnt, dass Meryann ebenfalls eine Nekromantin war. Plötzlich erhob ein Hochelf seine Stimme, im Halbkreis links von Arranges: 'Ihr habt also ohne großes Überlegen die Bretonin angesprochen? Warum? Seit wann braucht der hochgeschätzte Mentor Arranges die Gesellschaft einer Frau?' Arranges drehte sich zu dem Hochelfen um. 'Nun, ich hatte einen langen und beschwerliche Ritt hinter mir nach Bravil, ich suchte einfach das Gespräch.'
'Das ist nicht das Problem, ihr habt ihre anschließende Begleitung noch immer geduldet. Warum?'
'Die Tatsache, dass ich mich in unbekanntes Terrain vorwagte, ließ mich überlegen, ob es nicht vielleicht ganz sinnvoll wäre, dort mit Begleitung hinzugehen.'
'Einer der besten und ergeizigsten Schüler braucht plötzlich eine Begleitung um seine Vorhaben zu meistern? Ich frage mich, warum ihr den Titel eines Mentors tragt...' Kam es von hinter Arranges. Dieser drehte sich um und sah sich einem Argonier gegenüber, der ihn nun fixierte und auf eine Antwort wartete. Ich frage mich, was eine Kreatur wie du in der Gathering verloren hat... 'Nun, wie ich bereits sagte, wollte ich sie auf dem Weg zu der Insel in der Nibeneisenke schon... neutralisieren, aber ihre Künste in der Schule der Illsuion haben mich beeindruckt und im Enfeffekt waren sie auf den Inseln recht nützlich. Daher habe ich ihre Gesellschaft angenommen.' Das war wohl Antwort genug für den Argonier und er sagte nichtsmehr darauf. Stattdessen erhob wieder der Hochelf seine Stimme: 'Das glauben euch wohl nur die wenigsten Arranges... Was war da tatsächlich? Habt ihr sie... geliebt?' Der Nekromant schwieg. Er konnte auf diese Frage nicht antworten, da er es selbst nicht wusste. Klar war seine Sympathie für die Bretonin recht groß gewesen, aber war das schon Liebe? Arranges glaubte nicht an soetwas wie Liebe, er tappte hier selbst im Ungewissen und tat die Frage als eine reine Fangfrage ab. 'Nun, es ist schon merkwürdig, dass ein Mentor, welcher das Kaltblutritual mit einem herausragenden Ergebnis abgeschlossen hat, auf eine solch klare Frage nicht antworten kann... für mich ist die Sache eindeutig würde ich meinen.' Damit lehnte sich der Hochelf in seinem Stuhl zurück und schwieg. 'Arranges?' Jetzt wurde er von einer Kaiserlichen, direkt neben dem Hochelfen angesprochen, sie wartete noch kurz, bis er zu ihr sah, dann sprach sie weiter: 'Bevor ihr euch das zweite Mal zu dem Portal in der Nibenbucht begeben habt, wurde euer Pferd verletzt und ihr habt es zurückgelassen. Darf man fragen warum?' Diese Frage war hart für den Kaiserlichen und er überlegte einen Moment fieberhaft, was er der Großmeisterin als ernsthafte Antwort verkaufen könnte. 'Ich habe es zurückgelassen, um den Händen der Legion zu entgehen und um auf die Inseln zu gelangen.'
'Mit der Bretonin?'
'Ja, mit der Bretonin.'
'Ihr habt also indirekt die Frau eurem Pferd vorgezogen?'
'Nein, ich musste es zurücklassen, um nicht jetzt im Kerker der Legion zu verfaulen.'
'Also habt ihr die Frau der Gefangenschaft vorgezogen?'
Was für eine dämliche Frage, natürlich, das hätte jeder andere auch getan... 'Was hättet ihr getan?'
'Arranges, ihr wisst, dass es euch untersagt ist, der Gathering Fragen zu stellen, wenn sie es nicht wünscht!' Sagte der kaiserliche Großmeister drohend.
'Ja.' Beantwortete Arranges die Frage.
'Gut, damit ist für mich auch alles recht klar.' Gab die Kaiserliche zurück. Arranges wurde von der unterschwelligen Mentalität der Großmeister fast erschlagen, aber dieses Verhör musste er über sich ergehen lassen, auch wenn er zunehmend daran zweifelte, hinterher noch gut dazustehen. 'Wie hat sie es geschafft euch an sich zu binden?' Ein alter Bretone neben dem Sprecher begann nun damit seine Fragen zu stellen. Arranges nahm den Blickkontakt zu ihm auf. 'Wie hat sie es geschafft, dass ihr anders als früher, kein eindeutiges nein von euch gegeben habt, euer Pferd liegen lasst und mit ihr auf die wahnwitzige Reise zu einer Oblivionebenen geht? Was hat sie euch geboten? Ihren Schoß, dafür, dass ihr euch als Schild und Schwert für sie gebt?'
'Weder noch, ich habe das alles aus freien Stücken auf mich genommen.' Ein lautes Raunen ging durch die Tribüne. 'Ihr habt euch doch nicht etwa irgendwelche Hoffnungen gemacht?' Setzte der Alte nach.
'Nein, ich bin vorrangig aus eigenem Interesse auf die Inseln gegangen...'
'Und was hat euch dieser Ausflug nun gebracht? Außer einem Zauber, den ihr für nichts bekommen habt und der Lichbeschwörung, die ihr euch seit drei Jahren versucht zu erarbeiten und erst seit knapp einem halben Jahr den Ansatz eines Fortschritts zeigtet und jetzt, innerhalb einer Handvoll Tage den König der Untoten fast aus dem Ärmel schüttelt... nachdem ihr mit dieser Frau zusammen unterwegs ward?! Ich glaube, die Ungereimtheiten dürften eindeutig gewesen sein und alle Zweifel beseitigt!' Der alte Bretone erntete zustimmendes Nicken von einigen. Es folgte ein kurzes Schweigen, während dem der Sprecher mit jedem Großmeister einen kurzen Blickwechsel hatte, bevor er wieder Arranges ansah. 'Arranges,' begann er freundlich, 'ihr habt uns eine recht klare Vorstellung davon geliefert, wie es wohl seit einigen Tagen in eurem Bewusstsein aussehen muss. Ihr seid einer unserer besten Schüler gewesen, ihr seid ein mächtiger Mentor und vor allem seid ihr ergeizig und das schätzen wir an euch. Damals, als ihr Falanu Hlaalu mehr als nur einmal zurückgewiesen habt, dachten viele, dass ihr das Kaltblutritual gar nicht nötig haben werdet und doch haben wir es euch durchführen lassen. Das Ergebnis war eines der besten, welches wir je hatten. Aber die Art und Weise eures Handelns in letzter Zeit und damit spreche ich von dem letzten halben Jahr und noch der Zeit davor, steht in völligem Kontrast zu den Jahren davor... Wir können uns das nicht so ganz erklären, haben aber ähnliches schon bei anderen beobachtet... die Wiederholung des Rituals zeigte deutliche Wirkung und danach hatten wir mit diesen Mentoren keinerlei seltsame Vorkommnisse mehr...'
'Ich bin mir sicher Großmeister, dass dies nur eine vorübergehende Sache ist... ich habe trotz der letzten Begleitungen und Gesellschaften stets taktisch und nie unüberlegt gehandelt.'
'Das ist richtig und im Grunde sehen wir bei euch im Kampf genau das, was wir uns auch bei eurem sonstigen Verhalten wünschen würden, aber wir wünschen seit mehr als einem halben Jahr vergebens fürchte ich, so kann das nicht weitergehen Arranges, ihr müsst wieder zu eurer Spur zurückfinden.'
'Ich werde diesem Wunsch nachkommen!' Sagte Arranges fest entschlossen.
'Das ist lobenswert, aber wir müssen befürchten, dass das, so ernst ihr das auch meint, nicht eintreten wird... Wir haben uns entschieden, euch nochmal das Kaltblutritual machen zu lassen. Wenn ihr euch dann dafür rüsten würdet und dann ohne Zeitverzug in die Ritenhalle kommen würdet? Wir erwarten euch dort.' Dann erhob sich die Gathering und ging geschlossen durch eine Tür hinter dem Halbkreis. Arranges war nicht ganz in der Lage einen sinnvollen Gedanken zu fassen, er wusste nur, dass er das Ritual nicht mochte, er hatte es damals schon nicht gemocht, aber komischerweise hatte ihm die ganze Sache vor den Jahren irgendwie nichts ausgemacht, er tat es einfach. Arranges drehte sich um. Auf der Tribüne herrschte Schweigen, alle sahen ihn entweder aufmunternd oder mitleidig an. Jurano stand als Erster auf und verschwand von der Tribüne. Arranges verließ nun ebenfalls die Ratshalle. Draussen traf er auf Juran, der ihn schweigend in Richtung Ritussaal begleitete. Vor der massigen Eingastür angekommen, bogen beide nach rechts ab und standen in einem kleineren Raum. Die folgenden Handgriffe bedurften keiner Verständigung, schließlich kannten beide schon alles. Arranges zog die Tunika und die Hose aus, ebenso, wie die Sandalen. Er streifte sich ein graues Gewand über, welches bis knapp über die Lenden reichte, dann schlüpfte er noch in Orkbeinschienen, welche den Bereich vom Knie aufwärts bis fast zum Bauchnabel schützten. 'Ich wünsche euch gutes Gelingen.' Sagte Jurano tonlos, klopfte dem Kaiserlichen auf die Schulter und blieb dann allein in dem kleinen Vorbereitungsraum zurück, während Arranges durch die Tür zum Ritensaal trat und diese sorgfältig hinter sich verschloss, indem er einen groben Metallriegel vorschob.
Er stand jetzt auf einem kleinen, runden Platz, der etwa sechs Meter im Durchmesser hatte. Die steinerne Fläche wurde von einer Mauer umgeben, die gut und gerne zwei Meter nach oben reichte und oben mit nach vorr gebogenen Eisendornen gespickt war. Über dem Ganzen saßen am Rande nun die Großmeister und konnten den ganzen Schauplatz einsehen. 'Arranges, Mentor in Cyrodiil, Schüler unter Jurano, ihr seid hergekommen, um das Kaltblutritual durchzuführen.' Sagte der Sprecher feierlich. Arranges drehte sich zu dem Kaiserlichen um und blickte zu ihm auf. Auf der gegenüberligenden Seite befand sich ebenfalls eine Tür, die sich jetzt öffnete. Durch die Öffnung trat ein etwas abgemagerter Bretone, nur mit einer ledernen Reiterhose bekleidet. Hinter diesem wurde die Tür wieder geschlossen. Der Man blickte sich verwirrd um, schwieg aber. 'Arranges, wenn ihr bereit seid, beginnen wir.' Arranges nickte nur und einen Moment später bemerkte er, wie ihn ein Zauber traf und seinen Körper von Magie durchflutet wurde. Auch der Bretone wurde von einem Zauber getroffen und schimmerte kurz auf. 'Arranges, beginne mit dem Ritual.'
Arranges bemerkte, wie langsam, ganz langsam, Wut, Zorn und Raserei in ihm auftsieg, aber noch nicht so, dass er direkte Aggressionen verspürte. Der Bretone hingegen schien etwas Schwierigkeiten zu haben sich zu beherrschen und kam auf Arranges zu. Allerdings alles andere als provozierend. Das änderte sich aber, als der Bretone begann irgendwelche Mätzchen zu machen. Arranges wusste nicht, was für ein Zauber man auf ihn geworfen hatte oder was für Drogen er im Vorfeld bekommen hatte. Er wusste nur, dass das dämliche Rumgehample des Bretonen vor ihm ihn langsam aber sicher nervte. Aber noch stand der Kaiserliche reglos da und verfolgte das seltsame Getänzel seines Gegenübers. Der Bretonen merkte wohl, dass etwas nicht stimmt und stellte sich ersteinmal nur ruhig vor Arranges und schaute diesen einen Moment an. Glotz nicht so dämlich, sonst kannst du deine Zähne bald an einer Halskette tragen... Dann tat der Bretone das, was der Zauber eigentlich bewirken sollte. Er tat noch einen Schritt auf Arranges zu und stand jetzt nur noch eine Handbreit vor der Kaiserlichen. Er hob die Hand und tätschelte Arranges etwas fester auf die Wange. 'He... mach was du feiges Schwein!' Raunzte der Bretone Arranges entgegen. Darauf kannst du wetten... du jedoch machts nachher nichts mehr! Der Zauber, welcher Arranges getroffen hatte, entfaltete jetzt seine Wirkung. Der Nekromant registrierte blitzschnell die genaue Standposition des Bretonen, welcher nur wenig größer war als er selbst. 'Stirb!' Knurrte Arranges diesem entgegen und zog dann ein Knie an. Ein Ruck ging durch den Körper des Bretonen, als die Oberschenkelplatte der Orkbeinschienen in die Weichteile des anderen schlug. Der Bretone taumelte zurück und japste nach Luft. Arranges kam direkt nach und trat den halb am Boden kauernden Bretonen einfach um. Dann ging er neben ihm in die Knie und griff in den Haarschopf. Er riss den Kopf nach hinten, sah in die vor Schmerz geweiteten Augen des Mannes und schlug dann den Kopf mit voller Wucht auf den Boden. Das wiederholte Arranges einige Male, bis die Nase komplett zertrümmert war, und der ein oder andere Zahn in dem zerschundenen Mund fehlte. Der Kaiserliche bearbeitete den Bretonen weiter mit bloßen Händen. Das Stroh und der Sand auf dem Boden sogen sich mit Blut voll. Die Wände waren Bald gespränkelt und Arranges sah nach kurzer Zeit aus, als wäre er hauptberuflich Schlachter und käme gerade von der Arbeit.
Das Ritual bewirkte, dass die Wahrnehmung, was Gefühl und Erbarmen oder gar Mitleid anging, total abgestumpft wurde. Man wurde so in Raserei versetzt, dass man zwar das komplette Bewusstsein behielt, aber nicht aufhören konnte, die arme Seele, welche eigens zu diesen Zwecken gefangen oder gelockt wurden, zu töten. Auch wenn das Opfer schon längst nichtmehr lebendig war, machte man einfach weiter und immer weiter. Emotionen, die sich ein Meuchelmörder entweder abtrainieren musste, oder nie hatte, wurde hier innerhalb weniger Stunden aus dem Verstand ausgeschlossen...
Arranges erwachte in einem weichen Bett. Er schlug die Augen auf und stellte fest, dass er sich in seinem Zimmer befand. Sofort kamen ihm wieder die Bilder in den Sinn, welche er aus dem Kampf... oder vielmehr der Hinrichtung, mitgenommen hatte, bevor er vor Entkräftung ohnmächtig wurde. Nachdem er das Gesicht des Bretonen auf dem Boden und an der Wand komplett zerstört hatte, drang er durch die Bauchdecke des Mannes, weidete ihn zur Hälfte aus und häutete ihn anschließend halbseitig. Danach trat er auf den Brustkorb ein, bis die Rippen nur noch ein großes Puzzle waren. Er hatte noch versucht, den Kopf irgendwie vom Rumpf zu trennen, aber bevor ihm das gelingen konnte - viel hätte es nicht mehr gebraucht - wurde er bewusstlos. Jetzt, da er so darüber nachdachte, störte ihn gar nicht, was er getan hatte, er reflektierte über das Kaltblutritual, als würde er über einen unterhaltsamen Roman nachdenken.
Er stand auf, zog seine Sachen an und ging raus auf den Gang. Er war auf dem Weg nach oben, unter einem Arm die Satteltaschen, als ihm Vaiolenna entgegenkam. 'Arranges, endlich seid ihr wach. Meister Jurano ist oben und wartet schon auf euch, er wollte unbedingt nochmal mit euch sprechen, bevor er wieder abreist.'
'Abreist? Wie lange habe ich denn geschlafen?'
'Gute zwei Tage.' Arranges stutzte. Folgte dann der Schülerin nach oben.
Oben angekommen, sah er Jurano schon auf der Bank sitzen und seine Glasstiefel anziehen, den Rest der Rüstung trug er bereits am Körper. 'So, ihr habt euch also selbst übertroffen... meinen Glückwunsch Arranges.' grinste der Dunkelelf.
'Nun, vielleicht hatte die Gathering Recht, wer weiss, auf jeden Fall habe ich das nun endlich hinter mir... Sind denn schon alle weg?'
'Ja, bis auf dich, mich und zwei Schüler ist keiner mehr da. Die Gathering fand dein Ritual so beeindruckend, dass alle zustimmten, es wäre alles gelaufen und es bedarf keiner weiteren Worte mehr.'
'So?'
'Ja, ich habe mich bei diesen Worten des Sprechers ebenfalls etwas gewundert, haben die dich ja noch davor ordentlich zusammengefaltet und waren so irgendwie gar nicht überzeugt von dir...'
Jurano bedeutete Arranges ihm nach draussen zu folgen, nachdem sie sich noch von Vaiolenna verabschiedet hatten. Vor dem Haus standen die beiden Pferde. Arranges sattelte seinen Rotfuchs und saß auf. Als beide auf ihren Rössern saßen, richtete Jurano nochmal das Wort an Arranges: 'Ich werde dich jetzt wieder verlassen und so wie ich dich kenne, werden wir uns für eine recht lange Zeit nicht mehr sehen... Ich wollte dir nur sagen, dass ich alt werde Arranges. Ich bin nicht mehr der, den du vor gut 10 Jahren kennegelernt hast, ich habe jetzt noch drei Schüler an der Hand, die ich lehren werde, aber danach werde ich keine mehr annehmen und mich als Berater zurückziehen... Ich brauche noch einen Nachfolger Arranges. Neben dir gibt es zwar noch einen weiteren Mentor, aber er, du kennst ihn ja, ist absolut ungeeignet... aber wir reden darübe, bei unserem nächsten Wiedersehen. Machs gut Arranges!' Damit preschte der Dunmer davon und ließ den Kaiserlichen allein zurück. Ich wollte nie Mentor werden, wie soll ich also der Nachfolger von Meister Jurano werden? Arranges schüttelte den Gedanken ab und ritt ebenfalls los.
Nach Westen, immerzu nach Westen, bis er die ersten Ausläufer der Valusberge im Süden Cyrodiils erreicht hatte. Er ritt weiter die offiziellen Straßen entlang in Richtung Skingrad.
Geändert von weuze (13.02.2011 um 17:39 Uhr)
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Fossil
Zurück auf ihrem Zimmer verstaute Erynn zunächst die Botschaften in einer flachen Tasche, damit sie auf ihrer Reise keinen Schaden nähmen. Dann begann sie damit, ihre Lederrüstung akribisch auf ausgefranste Nähte und andere Schwachstellen zu überprüfen. Sie fand einige abgeschabte Stellen am Mittel- und Ringfinger des rechten Handschuhs, dort wo das Leder durch das Ziehen und Loslassen der Bogensehne stark beansprucht wurde. Seufzend begann sie, die schadhafte Naht auszubessern. Es erforderte einiges an Geduld, und geduldig war sie im Moment gar nicht. Hinter ihrer Stirn arbeitete es. Warum hat diese argonische Ziege so darauf herumgeritten, daß die Botschaften sicher ankommen müssen? Das ist doch selbstverständlich, oder etwa nicht? Entweder hatte sie in letzter Zeit Pech mit ihren Kurieren, oder sie hat mir nicht alles gesagt. Verdammt, wie ich diese Adelsheinis und ihre Spielchen hasse. Sie überlegte einen Augenblick, was sie über Bravil wußte: Ein Sumpfloch mit schlechter Luft und noch schlechterem Ruf. Über die Beziehungen zwischen Bravil und Skingrad wußte sie gar nichts. Mach dich nicht verrückt, Erynn, schimpfte sie mit sich selber. Vermutlich wollte sich dieses Weib nur beim einfachen Pöbel wichtig machen, weil sie sonst nicht viel zu melden hat.
Mit diesen Gedanken legte die Elfin sich hin und lauschte den Geräuschen im Gildenhaus, die gedämpft in ihre Kammer hinaufdrangen, bis ihr die Augen zufielen.
Als Erynn erwachte, war es, wie sie erwartet hatte, noch dunkel; vielleicht die achte Stunde der Nacht. Sie erhob sich und wusch ihr Gesicht mit kaltem Wasser, um die Müdigkeit zu vertreiben. Dann legte sie die Rüstung und Waffen an. Das Schwert hing schwer und beruhigend an ihrer linken Seite, der Köcher mit den neuen Pfeilen auf dem Rücken und der Dolch wie immer in dem Futteral im rechten Stiefel. Die Tasche mit den Botschaften ließ sie unter dem Lederharnisch verschwinden. Das würden die Schriftstücke vermutlich nicht ganz knitterfrei überstehen, aber es bestand auch nicht die Gefahr, daß sie verloren gingen oder gestohlen würden. Sie nickte entschlossen und griff nach dem Bogen, der entspannt auf der Kleidertruhe lag. Wahrscheinlich würde sie ihn nicht brauchen, aber man weiß ja nie...
Die Nachtluft war klar und kühl, als sie sich auf den Weg zu den Stallungen mache. Falchion begrüßte sie mit einem leisen, grollenden Wiehern. Kurz darauf waren sie unterwegs. Sie folgten der Goldstraße in einem weiten Bogen um Skingrad herum in die Richtung des großen Forstes. Noch immer war es dunkel, und die langsam im Westen versinkenden Zwillingsmonde warfen ihr Licht auf den Pfad vor ihr – der eine bleich und kalt wie der Tod, der andere warm und einladend wie das Leben selbst.
Als sie die Verlassene -und jetzt von Goblins besetzte- Mine erreichte, zügelte sie das Pferd und saß ab. Mißtrauisch sah sie sich um, lauschte angespannt auf irgendwelche verräterischen Geräusche, die auf das Vorhandensein der kleinen Mistviecher hindeuten konnten. Aber alles schien ruhig zu sein, keines der Wesen zeigte sich. Plötzlich fuhr sie herum und riß noch in der Drehung ihr Schwert aus der Scheide. Da war etwas, in den Büschen! Die Elfin verharrte reglos und lauschte, aber das Geräusch wiederholte sich nicht. Fünfzig Herzschläge später ging sie langsam auf das Gebüsch zu, das Schwert vorgestreckt, mit dem sie die Zweige auseinanderschob. Nichts. Kein Goblin, nicht einmal eine Ratte oder ähnliches.
Erynn schüttelte den Kopf. Scheinbar hatte ihr der Wind einen Strich gespielt.
Sie kehrte zu Falchion zurück und stieg wieder in den Sattel. Die dunkelste Stunde der Nacht war verstrichen, und der heraufziehende Tag ließ sich bereits erahnen. Wie auf ein geheimes Signal hin begannen Vögel zu zwitschern, einige wenige zunächst nur, doch schon nach wenigen Minuten piepste und zirpte es in allen Sträuchern der Westebene, als wollten sie mit ihrem Gesang die Sonne hinter dem Horizont hervorlocken. Erynn genoß ihr Konzert und die Morgendämmerung; wenngleich sie sich kaum noch an ihr Herkunftsland erinnerte wußte sie doch, daß die Dunmer eine besondere Beziehung zu Azura und dem Zwielicht hatten, das ihre Domäne war. In Momenten wie diesen fühlte sie einen tiefen Frieden, und im Stillen dankte sie der Daedrafürstin für das Geschenk des neuen Morgens.
Als die Sonne höher stieg, erreichte die Elfin den Rand des Großen Forstes und sah sich wachsam um. Direkt an dem Pfad gelegen gab es einige Höhlen, an denen sich manchmal seltsame und unberechenbare magische Kreaturen herumtrieben. Es würde besser sein, den Wald so schnell wie möglich zu durchqueren, um diese Wesen nicht mehr als nötig zu stören. Sie trieb Falchion zu einem flotten Trab und behielt während des ganzen Rittes ihre Umgebung im Auge. Mehrfach glaubte sie, daß unsichtbare Augen sie beobachteten, und langsam aber sicher wurde sie nervös, warf immer wieder Blicke über die Schulter, konnte aber nichts entdecken bis auf ein paar Rehe, die hinter ihr den Weg kreuzten und mit raschen Sprüngen wieder im Unterholz verschwanden.
Ungefähr auf halber Strecke durch den Wald holte sie einen Reiter der kaiserlichen Legion ein, parierte ihr Pferd und sprach den Kavalleristen an. „Seid gegrüßt, Soldat. Würdet Ihr mir erlauben, mich Euch anzuschließen? Zu zweit reist es sich sicherer durch diesen Wald als allein.“ Er musterte sie kurz und gab dann brummelnd, aber nicht unfreundlich seine Zustimmung. Er schien es gewohnt zu sein, Reisende durch den Forst zu eskortieren.
Ein bißchen dumm kam sie sich schon vor. Sie war ein Mitglied der Kriegergilde, in eine gute Rüstung gehüllt und ein Schwert an ihrer Seite, und hier war sie und bat um Begleitschutz. Jedoch wollte sie das Kribbeln im Nacken nicht einfach so abtun, das sie verspürte, seit sie Falchion in den Wald gelenkt hatte. ‚Ein Mer, der nicht auf seinen Instinkt hört, wird entweder ein ziemlich schlechter Jäger oder ein ziemlich toter Krieger sein’, pflegte ihr Vater zu sagen, und Erynn hatte nicht vor, diese Lebensweisheit jetzt auf die Probe zu stellen. Unauffällig tastete sie nach der Tasche mit den Briefen. Sie war noch da.
Schweigend ritten sie nebeneinander her, und als sie die alte Ayleidenstätte Ceyatatar passierten, atmete die junge Dunkelelfin auf. Jetzt hätten sie es fast geschafft.
Sie erreichten die Ringstraße am frühen Nachmittag. Der Soldat verabschiedete sich und wünschte ihr eine sichere Weiterreise; dann wandte er sich nach Norden, während Erynn den Weg nach Südosten einschlug, am Ufer des Rumaresees entlang. Auf ihrer Karte war etwa auf halber Strecke zwischen Skingrad und Bravil ein kleiner Ort mit Namen ‚Pells Tor’ eingezeichnet, in dem es auch eine Herberge geben sollte. Dort wollte sie rasten und am folgenden Tag nach Bravil weiterreisen.
Sie erreichte das Dorf noch bei Tageslicht, auch wenn die kümmerliche Ansammlung von Bretterbuden diese Bezeichnung kaum verdiente. Eine Herberge gab es, einen Stall allerdings nicht. Erynn betrat die Taverne, einen schummrigen Laden, dessen Luft rauchgeschwängert war. Jemand sollte sich dringend um den Abzug des Kamins kümmern, aber wenigstens wird hier geheizt, kommentierte sie in Gedanken. Sie sprach die ältliche Wirtin hinter dem Tresen an: „Seid gegrüßt. Ich hätte gern ein warmes Essen und ein Zimmer für die Nacht.“ „Das läßt sich einrichten“, erwiederte die Menschenfrau. „Es gibt Steinpilzsuppe, dazu Brot und Met oder Bier, je nachdem, was Euch lieber ist. Ihr könnt natürlich auch Wasser haben, billiger wird es dadurch allerdings nicht. Fünfzehn Septime für Essen und Übernachtung.“ Erynn nickte. „Einverstanden.“ Sie zählte die Münzen auf den Tresen. „Kann ich mein Pferd hier irgendwo unterstellen?“
Konnte sie nicht, denn es gab tatsächlich keinen Stall. Also pflockte sie Falchion auf der Wiese hinter der Herberge an. Für eine Nacht würde es schon gehen. Nachdem sie ihr Tier versorgt hatte, umrundete sie die Taverne wieder, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie drei Personen Pells Tor betraten. Sie wirkten etwas abgerissen, ihre Reisemäntel waren staubbedeckt und die Gesichter lagen im Schatten der Kapuzen, die sie sich übergestülpt hatten. Ziemlich viel Durchgangsverkehr hier, grübelte sie. Erstaunlich, daß die Bewohner dieses Kaffs nicht mehr Kapital daraus schlagen... Sie betrat die Taverne wieder, nahm jetzt auch wahr, daß der Schuppen offenbar ‚Zur schlafenden Stute’ hieß, jedenfalls behauptete das das verwitterte Schild über dem Eingang. Die Wirtin teilte Erynn mit, daß das Abendessen in einer halben Stunde fertig sei. Sie nickte zur Bestätigung und schleppte Falchions Sattel und Zaum auf ihr Zimmer, wo sie sich auch gleich ihrer Rüstung entledigte. Die Tasche mit den Botschaften befestigte sie an ihrem Gürtel. Auch wenn die Leute in Pells Tor wie einfache, anständige Menschen wirkten, würde sie nicht das Risiko eingehen, diese unbeaufsichtigt herumliegen zu lassen. Die Elfin stieg die Treppe wieder herab, und ihr Blick fiel auf die drei verstaubten Reisenden, die offensichtlich ebenfalls die Taverne entdeckt hatten. „... Zimmer habe ich leider keine mehr frei, aber wenn die Herren zum Abendessen bleiben wollen...“, hörte sie die Wirtin sagen. Sie wollten.
Erynn suchte sich einen Tisch nahe am Kamin. Zwar war es nicht wirklich kalt, aber der lange Ritt saß ihr durchaus in den Knochen und die Wärme half ihr dabei, die protestierenden Muskeln zu lockern. Ich war wirklich schon viel zu lange nicht mehr unterwegs. Die drei Gestalten setzten sich ebenfalls an einen Tisch. Seltsamerweise machte keiner von ihnen Anstalten, seinen Reisemantel abzulegen, ja, sie schlugen noch nicht einmal die Kapuzen zurück. Seltsames Völkchen, dachte Erynn und begann, das Trio verstohlen zu beobachten. In dem Moment kam die Wirtin mit ihrer Suppe und einem Krug Bier, so daß sie für den Augenblick abgelenkt war.
Während des Essens blickte sie aus dem Augenwinkel immer wieder zu den drei Männern, die sich sich über ihre Suppenschüsseln gebeugt hatten. Sie schienen es nicht eilig zu haben, sprachen jedoch kein Wort miteinander. Schließlich schob sie den Teller von sich fort und beschloß, noch einmal nach Falchion zu sehen bevor sie schlafen ging. Dem Pferd schien es gut zu gehen, es graste zufrieden hinter der Taverne. Erynn kehrte ins Haus zurück und stellte fest, daß die Männer verschwunden waren. Was waren das bloß für komische Galgenvögel? Ich bin bloß froh, hier noch ein Zimmer bekommen zu haben. Denen möchte ich nicht allein und im Dunkeln begegnen. Sie ging nach oben und ließ sich auf die Matratze fallen. Das Stroh darin war frisch, die Laken fadenscheinig aber sauber. Wenigstens etwas...
In der Nacht schlug das Wetter um; es regnete, als sie Pells Tor verließ. Sie folgte jetzt der Grünen Straße nach Süden, die bereits schlammig zu werden begann. Der Regen wurde stärker und sie beugte sich im Sattel etwas vor, um die Kapuze über den Kopf zu ziehen. Das rettete ihr wahrscheinlich das Leben. Der Pfeil, der sie wohl im Rücken hätte treffen sollen, durchschlug ihre Rüstung am Oberarm und hinterließ dort einen tiefen blutigen Kratzer, taumelte, aus der Flugbahn gebracht, an Falchions Kopf vorbei und verschwand aus ihrem Blickfeld. Das Pferd scheute, und mit einem scharfen Ruck an den Zügeln brachte die Elfin es zum Stehen. Sie ließ sich aus dem Sattel fallen, rollte sich ab und kam wieder auf die Beine. Im Aufstehen zog sie ihr Schwert.
Verflucht!
Einer der drei Kapuzenmänner stand hinter ihr auf dem Weg und hatte bereits einen weiteren Pfeil auf der Sehne, legte aber noch nicht an, da seine beiden Kumpane bereits mit gezogenen Waffen auf sie losstürmten. Dem Kerl, der ihr am nächsten war, war die Kapuze zurückgerutscht und sie konnte erkennen, daß es sich um einen Kaiserlichen mit dunkelblondem Haar handelte. Der dritte Angreifer folgte, durch schwere Rüstung behindert, etwas langsamer. Dann war der Kaiserliche heran und holte zu einem schräg nach oben geführten Rückhandhieb aus. Erynn blockte den Schlag, schloß mit einem schnellen Ausfallschritt den Abstand zu ihrem Gegner und ließ ihre Klinge an der des Widersachers herunterrutschen, bis sich beide Parierstangen ineinander verkeilten. Die Schneide ihres Schwertes lag jetzt seitlich am Hals des Halunken. Entschlossen riß sie ihre Waffe zurück; ein roter Nebel nahm ihr für einen Moment die Sicht, als der Kaiserliche stürzte.
Die kurze Orientierungslosigkeit kam sie teuer zu stehen, als der Schwergerüstete sich auf sie stürzte. Schon bei dem ersten, wuchtig geführten Hieb geriet sie hoffnungslos ins nach, blockte nur mit Mühe den Schlaghagel, der auf sie niederprasselte, indem sie ihr Schwert mit der einen Hand am Heft, mit der anderen kurz unter dem Ort gepackt hielt. Unnachgiebig trieb er sie vor sich her, während ihr nichts anderes übrig blieb als rückwärts zu stolpern. Ihr mußte etwas einfallen, und zwar schnell!
Ihr Feind holte zu einem neuerlichen Schlag aus, als Erynn sich fallen ließ. Sie rollte sie ihm entgegen und ihr Körper traf auf die Schienbeine des Gegners, während dieser sich in der Vorwärtsbewegung befand. Das Schwert kam ihr dabei abhanden, aber die überraschende Aktion erzielte den gewünschten Effekt. Der Angreifer verlor das Gleichgewicht, segelte über sie hinweg und schlug scheppernd der Länge nach in den Schlamm. Die Dunkelelfin wirbelte herum, kam auf die Füße und riß den Dolch aus dem Stiefelschaft. Sie sprang auf den Rücken des Mannes, der sich gerade wieder aufrappelte, und stach nach seinem Hals.
Einmal. Zweimal. Erneut spritzte ihr Blut ins Gesicht.
Noch immer auf der Leiche hockend, den Dolch halb erhoben, sah sie sich mit wildem Blick nach dem Schützen um. Der stand, wie versteinert, noch immer auf dem Weg und glotzte ungläubig. Dann ließ er seinen Bogen fallen und flüchtete ins Unterholz.
Mit unsicheren Bewegungen kletterte Erynn von dem toten Körper herunter, nur um drei Schritte weiter in die Knie zu brechen. Ihr war kotzübel.
Wahrhaftig, sie hatte getötet. Menschen getötet. Keine Goblins, Trolle oder tollwütige Wölfe. Zwar war ihr klar gewesen, daß es früher oder später so weit sein würde, allerdings hätte sie niemals geglaubt, daß sie in dieser Situation mutterseelenallein und in strömendem Regen auf einem matschigen Pfad hocken würde, blutbesudelt zwischen den Leichen ihrer Gegner.
Noch schlimmer als das war die Empfindung gewesen, als sie auf ihren zweiten Widersacher eingestochen hatte – die blinde, schiere Raserei. Sie hatte ihn töten wollen, zerfetzen wollen in dem roten Nebel ihrer ungezähmten Wut. Das war also der Blutrausch, über den selbst gestandene Krieger nur halb flüsternd und hinter vorgehaltener Hand sprachen, wenn sie es denn überhaupt taten.
Die Dunkelelfe schlug die Kapuze zurück, legte den Kopf in den Nacken und ließ den Regen auf ihr Gesicht fallen. Wie lange sie so dort gehockt hatte, im Innern völlig taub und leer, vermochte sie später niemals zu sagen. Endlich erhob sie sich steifbeinig, sammelte ihr Schwert auf, fing Falchion ein und setzte ihren Weg fort.
Sie schaute nicht zurück.
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