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Mythos
Vvardenfell-Distrikt, Westspalte, Balmora, Herberge „Acht Teller“
Man hatte noch einige Feuerkorbe aufgestellt. Im Schatten einer Säule konnte er jemanden in einer Robe entdecken. Er konnte spüren, wie sich Magie im Raum auflud. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. „Wahrscheinlich soll er die Körbe sich plötzlich entzünden lassen“: dachte er. Er musste zugeben, dass dies ein recht beeindruckender Trick war. Plötzlich verstummten die Melodien und ein Dunmer mit nacktem Oberkörper trat aus dem Quintett auf der Bühne hervor. Einige Tätowierungen zierten seine Armee und schlangen sich von den Händen bis zum Hals hinauf. Ansonsten war die Lederhose, die er trug, mit einem Flammenmuster bestickt. Wenn er sich bewegte, dann schien es wirklich so, als ob sie brannte. „Guten Abend BALMORA!“: rief er eine Begrüßung in die Menge. Es brandete kurzer Jubel auf. Tarrior schaute interessiert zu. „Bürger und Bettler, Bauern und Minenarbeiter, Stadtwächter und Händler, Magier und Priester, alle Reisenden und natürlich die hart arbeitenden Ratsherren seid Willkommen. Wir präsentieren den geschätzten Herrschaften voller Stolz die einzigartigen und weltbekannten, zwischen Hier und Dort berühmten, gut aussehenden und stets fähigen Spielleute von DEUS INFERNUM!“: fuhrt er mit der Begrüßung fort und stellte das Quintett vor. „Er hat eine laute Stimme“: stellte Tarrior fest. „Ja das stimmt. Ansonsten könnte er das wohl nicht machen. Obwohl es mit dem Nord noch besser war. Ihn konnte man auch über das lauteste Spielen und den lautesten Jubel hören“: merkte der Wirt an, der immer noch neben ihm stand. „Welcher Nord?“: fragte er nun interessiert. „Ihr müsst wissen, ich kenne die Jungs schon seit sie damit angefangen haben und nur einfache Volkslieder zum Besten gaben, also bevor sie berühmt wurden. Da waren sie noch zu sechst und hatten einen Nord in ihrer Truppe. Den Kerl der da vorn auf der Bühne steht nennen sie die Drachenzunge. Er und der Nord waren die beiden Sänger der Gruppe. Sie wechselten sich oft ab, da es für einen oft zu anstrengend wurde. Als sie dann aber berühmt wurden, hat man ihn heraus geworfen. Das Publikum hier in Morrowind reagierte immer recht verhalten auf den Nordsänger“: erzählte der Wirt, während er einige Becher und Gläser mit seiner Schürze putzte.
Tarrior stellte sich dabei vor, wie das Ganze wohl mit der sonoren schmetternden Stimme eines Nord geklungen hätte. Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Seiner Meinung nach hätte das gut gepasst. Aber natürlich war man immer von den Zuschauern abhängig, die nach der Vorstellung Geld auf die Bühne warfen, wenn es ihnen gefallen hatte, oder es unterließen, wenn es ihnen missfallen hatte. Und wenn man in Morrowind keinen Nord auf der Bühne sehen wollte, dann war das halt so. Als der laute Jubel, der auf die Begrüßung gefolgt war verebbte, fuhr der Dunmer, den der Wirt Drachenzunge genannt hatte, fort. „Dieser Abend soll unter dem Zeichen „Spielen und Tanzen gegen Sorgen, Nöte und Verzweiflung“ stehen. Also werden wir unsere wildesten Melodaien zum Besten geben, auf das die Erde erbeben möge und wir den Deadra zeigen, dass dieses Land noch Kraft und Stärke hat! Und ich hoffe ihr werdet uns tatkräftig unterstützen. So dann denn, MÖGE ES BEGINNEN!“: kündigte er an und für einen Moment verdrängten Jubel und Applaus alles andere. Eilig räumten einige der Gäste ihre Tische vor der Bühne weg und einige Artisten sprangen herbei. Sie jonglierten mit Fackeln und andere spuckten Feuer. Da der Schankraum nicht sehr groß war, lief alles auf engem Raum ab, war aber nicht weniger eindrucksvoll. In diesem Moment fand Tarrior es fast schon schmerzlich, das Balmora keine große Arena, wie die in Vivec oder eine Bühne, wie die in Gramfeste, besaß. Im Takt von Trommeln und Sackpfeifen räumte man immer mehr Tische zur Seite. Die Leute standen und jubelten, während die Musik einfach frei und wild vor sich hin spielte. „Deswegen sollte ich mich wohl auch hier her setzen“: dachte Tarrior, als ihm die Worte des Minenverwalters wieder einfielen. Als es dann mit dem Stück zu Ende ging, verklang die Musik. Ohne es wirklich zu wollen, waren seine Füße im Takt mitgewippt. „Geneigte Herrschaften. Ich weis diese Räumlichkeiten bieten unseren sonstigen opulenten nicht genügend Raum. Doch verstehen wir, dass es in einer großartigen Stadt, wie dieser, natürlich kein Raum sein kann für eine Bühne. Die Stadtväter, allesamt gescheit, bauten Häuser für die intelligenten Leut, die sich hier hatten niederlassen wollen. So spielen wir hier, wie auch mancherorts, in kleinen gemütlichen Hallen und bringen die Grundfesten der prächtigen Städte ins Wanken, denn unser Spiel ist für jedermann, DER AUCH DAZU TANZEN KANN!“: verkündete Drachenzunge wieder und das nächste Stück begann.
Und der Mann da vorne hatte durchaus Recht gehabt, fand Tarrior. Er konnte spüren wie die Sorgen von ihm abfielen. Eine Energie schien jeden im Raum zu erfassen. Irgendwie vergaß man alles, man konzentrierte sich nur auf die Musik. Wie im Rausch fieberte er die nächsten drei Stücke mit, ohne auch nur zu bemerken, wie die Zeit verflog. Erst als Drachenzunge eine Pause verkündete, erwachte er wieder. Einige Leute die getanzt hatten, kamen verschwitzt an den Tresen und orderten Alkohol oder Wasser. In der Zwischenzeit hatte man restlos alle Tische, Stühle und Bänke entfernt und an den Rand geräumt. Wildes Geplapper war zu vernehmen. Das einzige Gesprächsthema waren DEUS INFERNUM. Er konnte sehen, wie Drachenzunge einige Münzen von der Bühne aufsammelte und dann, wie der Rest des Quintetts, in einem Nebenraum verschwand. „Noch hat nur ein recht kleiner Teil getanzt“: merkte der Wirt an, scheinbar schien er zu glauben Tarrior, wäre ein Fan. „Dann werden sie wahrscheinlich jetzt die richtig wilden Tanzmelodien im zweiten Teil des Abend schmettern“: vermutete er. „Noch wilder?“: zweifelte er selbst. „Ja. Das was sie bisher gespielt hatten, waren Melodien zu denen sie sonst auch noch singen, die sind noch etwas vielschichtiger und nicht ganz so rasch zu spielen. Sie haben den Text vermutlich weggelassen, weil es heute ja um den Tanz gegen die Krise geht. Jetzt bringen sie vermutlich die reinen Melodien, zu denen nie gesungen wird. Sie sind einfach, schnell, bringen aber das Blut richtig zum Kochen“: versprach der Wirt, welcher die Truppe wirklich gut zu kennen schien. „So kann es kommen. Noch vor ein paar Jahren versoffen sie hier die paar Draken, die sie eingenommen hatten und nun stehen sie wieder auf der Bühne und werden heiß umjubelt“: schwelgte er in Erinnerungen, während er Sujamma, Mazte, Bier und anderes Alkoholisches ausschenkte. „Ja es ist erstaunlich, wie sich manche Leben einfach so wandeln können“: sagte Tarrior leicht abwesend und dachte dabei an sein Eigenes.
„Das Schicksal kann schon seltsame Wege gehen“: dachte er. Er war ein Hlaalu-Ratsherr geworden und wohlhabend, dann hatte er sich dem Kult des Sechsten Hauses angeschlossen und geglaubt, dort seine Erfüllung gefunden zu haben. Dann hatte der Nerevarine alles zerstört. Er war vom Dagoth wieder zum Hlaalu geworden und nun hatte er sogar Bekannte, von denen er manche als Freunde bezeichnen würde, in Cyrodiil. Das Schicksal ging wirklich schon seltsame Wege. Seine Gedanken in dieser Richtung vergingen, als sich auf der Bühne wieder Aktivität regte. „Ich hoffe die werten Herrschaften haben sich gut erholen können. Denn jetzt möchten wir munter fortfahren, unsere Sackpfeifen, Trommeln, Lauten und Schellen erklingen lassen. Und diesmal möchten wir jedermann bitten. Schließt euch uns an. Tanzt, als ob es kein Gestern und Morgen gibt. Lebt den Moment und seiht frei von Sorgen. 1-2-3!“: beendete Drachenzunge die Pause und schon begann ohne Übergang das nächste Stück. Zunächst begann es langsam und leise, fast schon andächtig. Tarrior war, nach der großen Ankündigung des Wirtes, schon etwas enttäuscht, doch erkannte sogleich, das dies verfrüht gewesen war. Ohne Vorwarnung brach die ganze Kraft und Energie aus der Melodie hervor, als die Geschwindigkeit dramatisch anhob und die Musik für einen Moment die ständigen Ovationen der Tanzenden übertönte. „Sehr gelungen. Dieses Stück heißt „Tanz auf dem Roten Berg“. Eine perfekte Einleitung“: sagte der Wirt, als er sich über den Tresen lehnte, doch Tarrior hörte ihm schon gar nicht mehr zu, sondern ließ sich einfach mit den Tönen treiben. Er lehnte sich dabei weit zurück und schloss die Augen. Er sah noch das Lächeln des Wirtes, bevor seine Welt und Dunkelheit und das Schmettern von Trommeln und Sackpfeifen überging. Noch zwei weitere Stücke genoss er so im halben Liegen, doch dann hielt es ihn nicht mehr auf seinem Platz. Das Tanzen hatte er immer verabscheut, aber jetzt war irgendwie alles anders. Wie in Trance taumelte er hinüber zur improvisierten Tanzfläche und mischte sich unter die anderen Gäste. Der Wirt hatte Recht behalten. Fast alle gaben sich inzwischen der Musik hin. Von den Ratsherren bis hin zu den einfachen Bürgern genoss jeder den Augenblick. Und Tarrior war nun mittendrin.
Nach einigen unbeholfenen Anläufen ging er einfach mit dem Takt mit, auch wenn er nicht solche waghalsigen Verrenkungen wagte, wie manch andere, die sich neben ihm regelrecht verbogen. Und erneut verging die Zeit, wie im Fluge und ohne das er sie auch nur wahrnahm. Sie wiederholten noch zweimal „Tanz auf dem Roten Berg“ und brachten noch drei weitere Tänze. Tarrior stand der Schweiß auf der Stirn und seine Kleidung war an manchen Stellen schon durchgeweicht. Er musste zugeben er war erschöpft. Er hatte auch keine Ahnung, wie die das durchhalten, die schon seit den ersten Stücken mitgetanzt hatten. Somit war es eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung, bei der selbst nicht sagen konnte, was überwog, als Drachenzunge das letzte Stück ankündigte. „Werte Herrschaften ihr wart bisher ein wirklich schönes Publikum, seit recht herzlich bedankt dafür. Ihr seit wahrlich in unseren Melodaien aufgegangen und habt wahrhaftig die Erde erzittern lassen und gewiss die Deadra das fürchten gelehrt. Ich sehe Erschöpfung, den süßen Preis der Ekstase, in euren Augen. Doch nun möchte ich euch bitten, nehmet eure verbliebene Energie und Kraft zusammen und begleitet uns, während des letzten Stückes heute Abend. Manch einer mag es kennen, denn es war eines unserer Glanzstücke und entstand als Allheilmittel, gegen den allzu schweren Kopf. Jetzt wieder hier in Balmora gesungen, nur heute Abend, nur für euch – der „DANCA EKSTATE!““: leitete er ein.
Plötzlich verloschen alle Fackeln im Raum, selbst die der Feuerspucker. Ein Lichtzauber erschien über dem Kopf von Drachenzunge und er stimmte, scheinbar zur Einleitung, einen knappen Singsang des Kaiserlichen Kultes an, der von der Wirkung her gut in die Stimmung passte. Seine Augen hatte er geschlossen, doch als der Singsang den Höhepunkt erreicht, riss er sie auf. Ein Schrei entrang sich seiner Kehle und wie auf ein Signal hin ging alles in einander über. Zunächst entzündeten sich nun die Feuerkörbe mit hohen Stichflammen, sowie die Fackeln der Feuerspucker. Gemeinsam sorgten sie dafür, dass die Spielmänner hinter einer Wand aus Flammen verschwanden. Sorgsam achtete man darauf, dass nichts Feuer fing. Im gleichen Moment setzte dröhnend und fordernd die Musik ein. Eine Melodie, die dank ihrer Geschwindigkeit, sofort wieder zum Tanzen animierte. Plötzlich ebbte eine der Stichflammen ab und Drachenzunge war wieder zu sehen und wurde von unten vom Feuer beleuchtet. Dann begann er zu singen mit einer tiefen, aber geübten und melodischen Stimme:
So höret mir jetzt zu,
höret meiner Stimme Klang.
Verbannt sei nun die Ruh,
durch diesen wilden Sang.
Danca Ekstate,
wilde Weiber und verschlungene Leiber in dieser Nacht.
Danca Ekstate,
tanzt ekstatisch unterm Monde, bis der neue Tag erwacht.
Die Flammen schienen sich zusammen mit dem Klang der Musik zu verbiegen und zu verschmelzen. Sie bäumten sich auf und ebbten ab, flossen in einander oder sandten explosionsartig Feuerstöße aus.
Es gibt so viele Sorgen,
die man in der Seele spürt.
Vertreibt sie und denkt an einen neuen Morgen,
wenn unser Lied euren Geist berührt.
Danca Ekstate,
wilde Weiber und verschlungene Leiber in dieser Nacht.
Danca Ekstate,
tanzt ekstatisch unterm Monde, bis der neue Tag erwacht.
Langsam begannen die Flammen einen eigenen Tanz aufzuführen. An manchen Stellen lösten sich die Funken von den Feuerkörben und bildeten magisch geschaffene Szenen, wie Drachenkämpfe, rauschende Feste und große Schlachten. Und wie von Drachenzunge gefordert, legte jeder vollste Energie in diesen, den letzten Tanz. Tarrior ebenso, wie alle anderen.
Und so streitet nicht über das Für und Wider
und verbannt den Zweifel, der mit eurer Seele ringt.
Biegt lieber eure Glieder
und hört auf den Takt, der in euren Ohren klingt.
Danca Ekstate,
wilde Weiber und verschlungene Leiber in dieser Nacht.
Danca Ekstate,
tanzt ekstatisch unterm Monde, bis der neue Tag erwacht.
TANZT!
Die Flammen wechselten nur wild die Farben und das Lichterspiel zeigte noch einmal alle Facetten, während die Spielmänner die Melodie ohne Gesang nochmals wiederholten. Tarrior war erneut im Rausch gefangen. Wie eine Marionette an Fäden bewegte er sich ekstatisch im Gleichklang und Gleichtakt mit der Musik und den anderen Tanzenden. Dann schmetterte Drachenzunge nochmals mit aller Kraft den Refrain:
Danca Ekstate,
wilde Weiber und verschlungene Leiber in dieser Nacht.
Danca Ekstate,
tanzt ekstatisch unterm Monde, bis der neue Tag erwacht.
TANZT!
Beim Letzten Wort knallte es aus den Feuerkörben und sie erloschen, dafür gingen die Fackeln im Raum wieder an. Überschweifender Jubel und wahrhaft gewaltige Ovationen erfüllten alles. Das Klimpern von dutzenden von Münzen, die man auf die Bühne warf, war zu hören. Dann fiel man sich, noch ganz benebelt, in die Arme.
„Vielen Dank. Ihr ward ein wunderbares Publikum. So danken wir auch für die großzügigen Gaben, wir fühlen uns geehrt durch diesen wahrhaft überschäumenden Applaus. Hiermit verabschieden sich die Spielleute von „DEUS INFERNUM“ und wünschen noch eine gute Nacht, oder besser einen schönen Morgen. Und liebe Leute vergesst nicht die Lektion, die ihr lernen solltet. Eine Krise ist nur so schlimm, wie ihr sie in euren Köpfen Gestalt annehmen lasst. Denkt immer an eins, „vertreibt die Sorgen und denkt an einen neuen Morgen!““: warf die Drachenzunge noch zum Abschied ins Publikum und die Spielleute, ebenfalls sichtlich geschafft, kehrten in das Zimmer ein, welches sie scheinbar bewohnten. Langsam ebbte auch der Rausch in ihm ab und er fühlte eine tiefe Erschöpfung. Er war durchgeschwitzt und vollkommen ausgelaugt. „Na das war doch was“: sagte der Wirt, als Tarrior an ihm vorbei wankte. „Ihr seht geschafft aus. Ruht euch erstmal aus. Über die Zeche können wir ja morgen noch reden. Noch eine geruhsame Nacht“: verabschiedete ihn der Mann noch für etwas Schlaf. Tarrior schlurfte in sein Zimmer, schaffte es gerade noch so abzuschließen und sich auszuziehen und fiel dann wie ein Stein ins Bett. Er verfiel sofort in traumlosen Schlummer.
Geändert von KingPaddy (15.05.2009 um 18:55 Uhr)
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