Mit einer noch nie zuvor verspürten Leichtigkeit setzte Arranges einen Fuß vor den anderen. Feinster Pulverschnee federte seinen Schritt sobald er auftrat. Er sog die frische, eisige Luft, welche ihn umgab wie eine klare Nebelwolke, tief in seine Lungen und ließ den Blick über die saftig grünen Grasmatten unter blättertreibenden Baumgruppen rings um ihn herum auf dem leicht nach Süden hin abfallenden Hang schweifen, ohne dabei jedoch von seiner Richtung abzukommen. Knirschend zerbarst das Gras vor seinen Füßen, während sich wie von selbst in wenigen Schritten voraus auf seinem Weg Schneeflocken zwischen den Halmen aus dem Boden schoben, links und rechts des eisigen Pfades von gen Himmel ragenden, scharfkantigen Eiszapfen gerahmt und hinter ihm eine Schneiße der Unglaublichkeit zurückließ. Ein brauner Riss teilte die sonst blühende Landschaft. Braunes, zernichtetes Grün, wie es sonst nur nach verfrühtem Herbstfrost zu sehen gewesen wäre, kombiniert mit grotesken Furchen, in welchen sich das Tauwasser des schmelzenden Eispfades sammelte.

Den genialen Einfall den abstoßend warmen Boden mit Frostmagie annehmbar zu machen, hatte er vor einem Tag von Erynn gesagt bekommen. Auch wenn er anfänglich noch etwas verwundert war über die unverblümte Logik der Elfe, musste er sich jetzt fragen, warum sein Genie nicht vorher schon darauf gekommen war. Frostmagie war wohl die nützlichste Sache der Welt und er hatte sich Jahrelang eingeredet, Feuerzauber verkörperten wahre Macht...

Die Dunmer schien auch immer lebendiger zu werden, jedenfalls war sie mittlerweile mehr bei Bewusstsein, als ohnmächtig. Auch wenn sie sich doch etwas verändert zu haben schien, aber Arranges wusste auch nicht, was die Gathering mit ihr gemacht haben mochten. Aber die ganzen Meister und Großmeister würden in jedem Fall dafür bezahlen, das zumindest hatte sich der Kaiserliche geschworen.

Die Baumgruppen wurden alsbald dichter und weiteten sich zu kleinen Wäldchen aus. Seltsam auffällig war die komplette Abwesenheit von Tieren. Normalerweise hörte man in dieser praktisch unbesiedelten Ecke des Herzlandes viele Vögel und sah dann und wann auch mal Wild durchs Unterholz springen, aber um den Kaiserlichen herum war es totenstill.
Doch Arranges hatte nicht zu viel Zeit sich darüber zu wundern, denn vor ihm erspähte er jetzt einen unregelmäßigen Holzbau, welcher die Größe eines kleinen Bauernhofes hatte. Umgeben von einer überraschend massiven Palisade, erkannte Arranges in dem Gebäude das zu Hause von Bruder Marbell. 'Wir sind da Erynn... bald wirst du wieder bei vollen Kräften sein.' Sagte er halblaut. Ihr Kopf regte sich an seiner Schulter. 'Ich möchte stehen.' Flüsterte sie. Sie waren keine hundert Meter mehr von dem Anwesen entfernt, Arranges ging etwas in die Knie und ließ Erynn von seinem Rücken gleiten. etwas wacklig kam die Elfe zum Stehen, hielt sich aber noch mit einer Hand an seiner Schulter fest.
Eine große Tür, welche ins Schloß fiel war zu hören und einen Augenblick später trat jemand aus einem Durchgang in der Palisade außerhalb des Blickfeldes der beiden Ankömmlinge. Ein großer Mann gekleidet in eine abgetragene Wollkutte.

'Arranges?'
Erst jetzt fiel dem Kaiserlichen auf, dass der Mönch einen ebenmäßigen kaum verkennbaren Kampfstock in einer Hand hielt.
'Ihr tretet mir bewaffnet gegenüber? Ist diese Gegend gefährlicher geworden seit ich das letzte Mal hier war?'
'Nein. Zumindest nicht bis heute morgen, bis ihr gekommen seid.'
Arranges zog verwirrd die Augenbrauen zusammen. 'Ich bringe euch jemanden zur Heilung, eine treue Begleitung von mir, möglicherweise erinnert ihr euch an Erynn?'
'Ja, ich erinnere mich an sie, jedenfalls habt ihr sie einmal erwähnt und ich meine sie sogar einmal gesehen zu haben, als ihr euch auf ins Kloster in den Bergen machtet vor... sehr vielen Monden mittlerweile... und ich stelle erschrocken fest, ihr habt nicht nur gefunden wonach ihr damals gesucht habt, sondern auch dumm oder gierig wie ihr nunmal seid, euch mit Mächten eingelassen, die wir versucht haben zu konservieren. Das da,' der Mönch deutete auf die Gestalt neben Arranges, 'ist jedenfalls nicht Erynn.'
Arranges, völlig irritiert, drehte den Kopf und blickte Erynn an. 'Was bitte redet ihr? Natürlich ist das Erynn.'
Du musst ihn zerschmettern, er ist der Feind.
Nein, Bruder Marbell ist ein Freund, er wird Erynn helfen.
Ich kann sie übrigens hören...
Wen hören?
Isanda.
Misch dich nicht ein, Mönch!
Einmischung ist meine Aufgabe...
Worin einmischen?

'Arranges!'
'Wie...?'
'Tretet zur Seite, ich werde euch von ihr befreien. Isanda ist ein Geschöpf aus Zeiten, welche ihr euch nichteinmal vorstellen mögt.' Und deutete mit einem ungreifbar furchtsamen Blick auf die Eiskristalle, welche die Füße des Kaiserlichen umgaben.
'Welches Geschöpf?'
'Töte ihn Arranges, er macht mir Angst... er wird mich nicht heilen, er will mir etwas antun.'
'Nein, er wird dir helfen...'
'Arranges, Isanda ist eu-'
'SCHWEIG! Mönch! Nur einmal habt ihr es geschafft, mich festzuhalten, aber euer Orden ist nichts mehr, korrumpiert habe ich euch, von innen heraus zerfressen mit dem einfachsten Trick, den man sich denken kann. Alle Mönche lieben Bücher...' Es war ein Rauschen, welches Worte formte und überraschenderweise mit unnachvollziehbarer Kraft aus Erynns Kehle drang.
'Tretet zurück Arranges, bevor es zu spät ist.' Marbell begann mit von zuckender Statik eingehüllten Händen auf Erynn zu zielen.
'Hilf mir Arranges...' Flehte Erynn mit dünner Stimme.
'Ihr werdet Erynn nichts tun!'
Das Gesicht des Magiers verzog sich zu einer Fratze des Teufels. Der Boden schüttelte sich, Bruder Marbell verlor das Gleichgewicht und versuchte sich tänzelnd auf den Beinen zu halten. Die Muskeln in Arranges Armen schwollen an, während seine Füße einen breiteren Stand suchten. Die Finger zu steifen Klauen geformt, vollführte Arranges mit beiden Armen eine Bewegung, als würde er etwas sehr Schweres aus einem Brunnenschacht neben sich wuchten wollen. Ein Riss, mehrere Armlängen, knackte die Erde neben ihm unter lähmendem Getöse auf. Schwere, weißlich schimmernde Grabeskälte waberte aus dem tiefblauen Höllenschlund heraus. Eine von aus Frost, kristallen geformten Dornen gespickte Pranke erhob sich aus dem Riss, alleine große genug, ein Pferd ohne Mühe zerquetschen könnend. Eine zweite folgte und beide drückten sie mit ohrenbetäubendem Knirschen den zuvor schon riesenhaften Spalt im Erdreich auseinander. Arranges wuchtete weiter und weiter, als würde er Masser selbst aus dem Innern Tamriels emporheben wollen. Ein von abwerwitzig langen Eiszapfen gekrönter, riesiger Totenschädel erhob sich aus der Öffnung. Arranges führte seine Bewegung zu Ende, indem er eine unheimlich schwere, aber unsichtbare Last Richtung Marbell warf. Der Mönch konnte nur noch laut aufschreien. Kreischend spuckte die Frostbestie einen Strom aus flüssigem Eis. Ein Sturm unvorstellbarer Stärke ergoß sich über das Anwesen und hüllte für einen Augenblick die gesamte Lichtung in nicht zu beschreibendes Getöse...
Knackend und ächzend verflog die eiskalte Luftmasse. Das Monstrum aus Eis hatte sich mit dem Sturm aufgelöst wie es schien. Arranges blinzelte in die plötzliche Blendung durch Sonnenlicht aus allen Richtungen. Alles vor ihm, das Anwesen, einige Bäume, der Boden, alles war in eine daumendicke Eisschicht gehüllt und spiegelte die Sonne am klaren Himmel wieder. Vor sich konnte Arranges die eisige Gestalt mit zur verzweifelten Abwehr hochgerissenen Armen, eines Mönchs erkennen, bevor er selbst das Bewusstsein verlor und zusammensackte.

Leises Windheulen weckte den Magier. Er fühlte harten, steinigen Untergrund. Nur schwer ließen sich seine Augen öffnen. Das kommt mir irgendwie bekannt vor... Und tatsächlich, er lag in einer von Schnee und Regen ausgehöhlten Kule. Vorsichtig setzte er sich auf und versuchte sich zu orientieren. Ohne Zweifel befand er sich irgendwo im Herzland, im Südosten konnte er den Weißgoldturm erkennen.
'Keine Sorge, wir sind nicht wieder auf Sheogorath.' Hörte er Erynn neben sich sagen.