Raccan sagte den gesamten Weg über kein Wort und ließ sich von Adya im übertragenen Sinne eigentlich die ganze Zeit über mitschleifen; er war froh, dass er es noch geschafft hatte, sein Pferd aus den Ställen zu holen, denn weitere Tage hätte er es nicht dort lassen können, sein Geld war nun vollendens aufgebraucht. So gingen sie also vom östlichen Stadttor aus nach Süden, bogen jedoch noch vor der Schlossbrücke nach Westen auf einen etwas schmaleren Seitenweg ab, welcher zwischen der Felswand des Schlosses und der Stadtmauer entlangführte. Breit genug für einen Wagen, aber zwei würden wohl kaum nebeneinander passen.
Der Weg führte sie noch einen kleinen Fußmarsch lang durch den dichten Wald, als sich dieser plötzlich lichtete und er sich mit Adya vor einem großen Eisentor wiederfand, von dem aus sich in beide Richtungen eine hohe Steinmauer erstreckte, nicht mal ebenso im Vorbeigehen zu überklettern. Neben dem Tor standen zwei Wächter mit Speeren, ihre Gesichter waren von dem Helmvisier verdeckt, aber Raccan spürte ihre Blicke auf sich liegen.
"Er gehört zu mir", flötete Adya fröhlich und lächelte dem Rothwardonen zu. Die Wächter unterdessen zögerten, tauschten Blicke, einer von ihnen zuckte mit den Schultern, woraufhin der andere an das Tor trat und es nach innen aufschwenken ließ.
"Dankeschön", freute sich die Waldelfe und zog Raccan mitsamt Pferd hinter sich her durch das Tor, welches kurz darauf hinter ihnen wieder geschlossen wurde. Und jetzt erst sah der Wüstenkrieger wirklich, wo er hier gelandet war.

In einiger Entfernung baute sich ein beeindruckendes, steinernes Herrenhaus auf. Die schwarzen Dachziegel schimmerten matt in der Sonne, die grauen naturbelassenen Mauersteine wurden an einigen Stellen von Efeu überzogen und verliehen dem Gebäude, welches von der Anzahl der Fensterreihen abgeleitet drei Stockwerke besaß, ein Aussehen wie aus dem Bilderbuch. Davor schlängelte sich ein breiter Schotterweg auf Adya und Raccan zu, welcher schließlich an dem Eisentor endete. Etwas abseits zweigte ein kleinerer Weg ab und führte zu einem hölzernen Nebengebäude, höchstwahrscheinlich die Ställe. Die Umgebung des Herrenhauses war von grünem Naturrasen bewachsen, ohne jedoch verwildert zu wirken. Raccan konnte nur erahnen, was sich hinter dem Gebäude befinden würde, aber anhand der Aussicht, die er auf die zerklüftete Landschaft Valenwalds hinter dem Fluss Strid von hier aus hatte, würde er beinahe darauf wetten, dass es sich um eine Terrasse oder ähnliches handelte.
Auf den zweiten Blick entpuppte sich das Anwesen als nicht mehr so einladend, denn vor dem Herrenhaus entdeckte er Wachen. Viele Wachen. Auch vor dem Stall stand ein kleines Grüppchen in voller Montur, desweiteren entdeckte der Rothwardon in der Ferne mitten auf der Wiese eine kleine Patrouille, welche wohl ihre Kreise um das Haus drehte. Und zum Abschluss lief direkt an der Mauer auch noch ein Zweiergrüppchen entlang.
Erst jetzt bemerkte Raccan, dass Adya ihn interessiert und mit amüsierten Gesichtsausdruck musterte, denn er war unbewusst stehengeblieben um die Szene zu mustern; wahrscheinlich sah er aber mittlerweile so aus wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal die Kaiserstadt gesehen hatte.
"So überrascht? Man könnte meinen, du hättest noch nie ein großes Haus gesehen", kicherte sie.
Raccan schwieg zunächst und verfolgte weiter die Wachen mit den Augen. Adya folgte seinem Blick, drehte sich dann wieder zu dem Rothwardonen und lachte.
"Achso, ich verstehe. Der böse, grimmige Krieger mustert die Feinde". Aus ihrem Mund klang das spöttisch. Geradezu herablassend.
"Die sind nur hier wegen der Oblivion-Krise. Vater geht kein Risiko ein, mir gefällt dieser Auflauf auch nicht, aber wenn er meint". Sie verdrehte dabei die Augen, nahm die Hand des Assassinen und zog ihn ein Stück weiter, um ihn zum Weitergehen zu animieren; widerwillig folgte Raccan, die Wachen nicht aus den Augen lassend.

Sie bogen Richtung Ställe ab, vorbei an dem kleinen Trupp Soldaten, der sie mürrisch musterte. Erst jetzt von Nahem fiel Raccan die geringe Körpergröße der Krieger auf, und bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass es sich ausschließlich um Waldelfen handelte.
Kurios.
Adya trat in den Hauptgang des Stalls und schaute sich um. Sie schien etwas oder jemanden zu suchen.
"Shan, wo bist du, komm her!". Der Tonfall klang alles andere als freundlich, im Gegenteil, eigentlich hätte nur noch gefehlt, dass sie 'du Stück Dreck' hinzufügte. Raccan nahm eine Bewegung rechts in einer der Boxen wahr. Die Tür schwang auf und zum Vorschein kam ein in ein grünes Gewand gehüllter, schmächtiger Khajiit. Geschwind eilte er herbei und blickte Adya unterwürfig und fragend an.
"Was glotzt du so? Los, kümmer dich um das Pferd. Das Gepäck schaffst du in's Haus.". Ohne eine Sekunde zu zögern, machte sich die Katze an's Werk, nahm Raccan die Zügel aus der Hand.
"Danke", erwiderte dieser daraufhin freundlich, woraufhin der Khajiit inne hielt und ihn mit riesigen Augen anschaute; auch Adya hatte sich zu ihm gedreht und blickte ihn ungläubig an. Shan fing sich aber gleich wieder, schaute zum Boden und führte das Pferd hinfort.
"Warum bedankst du dich? Ist doch nur ne Katze?". Desinteresse und Verachtung schwang in ihrer Stimme mit. Raccan schwieg, ihm wurde so langsam aber sicher sehr unwohl hier. Adya hingegen war ganz offensichtlich bester Laune und verließ mit Raccan den Stall Richtung Herrenhaus, wo wieder ein paar Wachen herumstanden; abermals Waldelfen. Aber noch ehe der Rothwardon darüber nachdenken konnte, waren sie auch schon an der Treppe angekommen und die Eingangstür schwang auf. Heraus trat, welch Überraschung, eine weitere Waldelfe, die sich als Hausmädchen herausstellte, in etwa in Adyas Alter und mit einem fein geschnittenen Gesicht. Soso, in's kostbare Haus auf den teuren Teppich darf der Khajiit wohl nicht. Das war mehr oder weniger nur Galgenhumor, denn Raccan erinnerte sich nicht, wann er sich das letzte Mal so unbehaglich wie in diesem Moment gefühlt hatte. Vorsicht, Raccan, eine Steigerung gibt's immer.
"Lady Adya, willkommen zuhaus...", aber beim Anblick des Rothwardonen stutzte sie.
"Hallo, Bianja. Das ist Raccan, meine Begleitung für den Empfang", antwortet Adya fröhlich und führte (oder vielmehr schob) den Rothwardonen durch die Eingangstür an der Waldelfe vorbei, welche zögerlich die Tür schloss und nicht so recht wusste, was sie davon halten sollte. Während sich Bianja flüsternd an Adya wandte, schaute der Assassine sich ein wenig um.

Bis heute konnte er nicht verstehen, wie Reichtum glücklich machen konnte; und wenn er an die paar Paläste und großen Häuser in Hammerfell dachte, die er bereits gesehen hatte, reizte ihn das absolut nicht. Dieses Haus hier war allerdings ein ganz anderes Kaliber, soviel stand fest. In der großen Empfangshalle führte mittig eine breite, mit Teppich ausgelegte Treppe nach oben, wobei sich diese im oberen Drittel zweiteilte und separat in geschwungenen Bögen je nach links und rechts in's Obergeschoss schlängelte. Hier im Erdgeschoss war neben dem obligatorischen roten Teppich, auf dem sich Raccan wie auf einer Wolke vorkam, alle Wände holzvertäftelt, Gemälde hingen hier, Statuen standen da, kostbar aussehende Holzmöbel waren dort. An der Decke hing ein silberner Kronleuchter und überall tauchten edel anmutende Kerzen die Halle in ein helles Licht. Ja, er konnte sich jetzt langsam vorstellen, dass man sich hier wohlfühlen konnte, auch wenn ihm der Gedanke, irgendwo 'angekettet' in Form eines festen Wohnsitzes zu sein, nicht so recht zusagte. Aber andere Provinzen, andere Sitten. Gut, sei's drum. Er hatte genug gesehen und konzentrierte sich wieder auf die beiden Frauen, welche arg am Diskutieren waren.
"Müsst ihr denn euren Vater immer so herausfordern?"
"Ich bin kein kleines Kind mehr, Bianja."
"Ihr wisst doch genau, wie das endet."
"Ja."
"Adya, ihr..."
"Genug, Bianja, du bist nicht meine Mutter! Vater sagte, ich solle mir endlich eine Begleitung für den Empfang suchen, hier ist sie!", und ihre Hand zeigte ausladend auf Raccan. Ein herrischer Tonfall ergriff die Waldelfe, sie erinnerte in diesem Moment mehr an ein bockiges Mädchen als an die elegante, immer fröhliche und sorgenlose Frau.
"Aber..."
"Nichts Aber. Ich werd es ihm schon sagen, ist nicht deine Sache, Bianja. Und jetzt richte das Gästezimmer oben her."
Eine kleine Pause folgte.
"Wie ihr wünscht, Adya", antwortete das Hausmädchen schließlich, sichtlich eingeschüchtert, warf Raccan noch einen mitleidigen Blick zu (zumindest interpretierte er das so) und verschwand dann die Treppe nach oben. Das ungute Gefühl verstärkte sich als Adya sich wie ausgewechselt zu Raccan herumdrehte, keine Spur mehr von der gerade noch befehlenden Art und Weise; im Gegenteil, die gute Laune war in das Gesicht der Elfe zurückgekehrt, als wäre nichts passiert.
"Und, gefällt's dir hier?", strahlte sie den Rothwardonen an, trat auf ihn zu und schmiegte sich, für Raccans Geschmack etwas zu aufdringlich, an seine Seite. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und tippte die kleine goldene Waage auf der Kommode, die neben ihnen stand, leicht an, sodass sie in eine wippende Bewegung verfiel.
"Doch, ja, schon recht schön", antwortete er ausweichend.
"Recht schön...", äffte sie ihn grinsend nach.
"Wegen dem Empfang...", setzte Raccan an und überging abermals den beißenden Spott Adyas, aber sie fiel ihm in's Wort.
"Jetzt fang du nicht auch noch an. Du hast es mir versprochen...", sie änderte dabei ihren freudigen Gesichtsausdruck nicht, jedoch lag etwas in der Stimme der Waldelfe, was den Assassinen stutzen ließ.
Sonst wird es mir leidtun, vervollständigte er Adyas Aussage in Gedanken. Ja, auf den ersten Blick wirkte diese Waldelfe naiv. Auf den Zweiten arrogant. Und auf den dritten Blick unglaublich hinterlistig und verschlagen, und der Rothwardon dachte zurück an die Situation, wie sie es überhaupt geschafft hatte, ihn für diesen Empfang zu 'verpflichten'.
Raccan seufzte.
"Ja, das habe ich", sagte er und hielt mit dem Finger die kleine Waage von ihrer Pendelbewegung ab.
Adya ließ sich nicht beirren, zog den Assassinen von der goldenen Dekoration weg und setzte ihr 'Gespräch' mit Raccan unbeirrt fort.
"Ich zeig dir jetzt mal das Haus, damit du dich nicht verläufst", kicherte sie und öffnete die Flügeltüren in den nächsten Raum.

[...]

Eine gefühlte Ewigkeit später saß Raccan allein auf dem weichen Doppelbett des Gästezimmers und ließ die Führung noch einmal gedanklich für sich ablaufen. Es wurden ihm soviele Zimmer und Räume gezeigt, dass er Mühe hatte, überhaupt noch alle zusammen zu bekommen. Der Speisesaal zu Anfang war sogleich beeindruckend, wirkte doch die riesige gedeckte Tafel in der Mitte immer noch zu klein für diesen großen Raum. 'Hier würde der Empfang stattfinden' hatte ihm Adya erzählt, aber im Grunde würden sich die Gäste im gesamten Haus frei bewegen können, mit Ausnahme des Obergeschosses. Das hatte die Waldelfe auch bei ihrer Führung ausgespart mit der Begründung, dass das die Gemächer ihrer Eltern seien. Nichtsdestotrotz waren die restlichen Örtlichkeiten trotzdem beeindruckend. Neben dem Speisesaal befand sich im Erdgeschoss ebenfalls ein großer Wohnbereich mit Kamin und der Ausgang zur Terrasse, welche sich wie vermutet hinter dem Haus befand. Die erste Etage beinhaltete vorrangig Gästezimmer, welche jedoch offensichtlich nur für gehobene Gäste gedacht waren, denn wenn sich Raccan hier so umschaute, konnte er sich nicht vorstellen, dass die Soldaten hier einquartiert wurden. Alles war aus bestem Material, wie in jedem der Räume, die er gesehen hatte. Der Höhepunkt der Führung war schlussendlich das Badezimmer, welches sich in derselben Etage wie die Gästezimmer befand. Weißer Marmor zierte Wände und Boden, und in Letzteren eingelassen war eine Art große Wanne, jedoch leer. 'Wenn du baden willst, dann sag Bianja Bescheid, sie leitet alles in die Wege', und Adya erklärte irgendetwas von einem ausgeklügelten System zur Beschaffung von warmen Wasser aus dem Keller bis hierher; Raccan verstand nicht so wirklich, was sie da erklärte, letztendlich schleppten sie wohl auch nur das Wasser irgendwie hier herauf.
All das konnte den Wüstenkrieger jedoch nur kurzzeitig von seinem Gefühl ablenken. Er wusste es nicht einzuordnen, ob es nun eher Skepsis oder eine böse Vorahnung war; vielleicht fühlte er sich auch einfach nicht wohl in dieser feinen Umgebung, auch das war möglich.
Der Blick zum Fenster verriet Raccan, dass es bereits dunkel geworden war, und er ging zu der verglasten Balkontür und schaute hinaus. Die auf dem Rasen entlanglaufenden Patrouillen waren von hier aus nur als Fackelpunkte erkennbar, und über den Baumkronen erhob sich in der Ferne die Stadt Skingrad. All das wirkte furchtbar idyllisch, wenn nicht sogar schon wieder zu sehr; der Rothwardon strich sich mit beiden Händen durch die Haare während er sich streckte und mit den Augen die kleinen Lichtquellen auf der Wiese verfolgte. Das werden lange Tage...

[...]

Während die streng aussehende Hochelfe das Gesicht des Assassinen betastete und mit einem Holzspatel einen seltsam riechenden Pflanzenbrei auf seine Wunden rieb, tigerte Adya in dem Zimmer auf und ab und schien recht nervös zu sein; Raccan freute sich zwar irgendwo über eine gewisse Art der Fürsorge, aber er hatte das Gefühl, dass diese nicht ihm galt. Die letzten Tage waren einfach so an ihm vorbeigezogen.
"Bis übermorgen muss das verschwunden sein. Wie soll das denn aussehen auf dem Empfang? Komplett entstellt", und sie deutete auf die kleine Schwellung an Raccans Schläfe, wo ihn Tage zuvor der gepanzerte Handschuh des Orkbanditen getroffen hatte. Entgegen der Einschätzung des Rothwardonen regenerierte sich das Gewebe nicht schnell genug, oder zumindest tat es das in den Augen der Waldelfe nicht.
"Morgen kommt mein Vater von seiner Reise zurück, und da kann ich ihm doch niemanden präsentieren, der aussieht, als hätte er an einer Hafenschlägerei teilgenommen", motzte Adya weiter, aber die Hochelfe erwiderte nichts und vollendete professionell ihre Arbeit.
"Solch eine Mühe...", murmelte die Frau und schüttelte leicht den Kopf. Raccan stutze, sagte jedoch nichts; anscheinend war die Elfe von Adya ziemlich genervt.
"Morgen lerne ich also deinen Vater kennen?", versuchte der Assassine das Thema aufzugreifen, erntete dafür aber nur einen verständnislosen Blick von Adya, ehe sie doch noch antwortete, diesmal etwas versöhnlicher.
"Ja. Aber du solltest mich reden lassen. Er kann ziemlich....aufbrausend sein".

[...]

"Sehr geehrte Gäste, ich begrüße sie in meinem bescheidenen Haus...". Während der etwas untersetzt wirkenden Waldelf am Kopfende der großen Tafel sich vor seinem mit Samt bespannten Lehnstuhl postiert hatte und begann, die Eröffnungsrede zu halten, blickte Raccan unauffällig in dem Speisesaal umher, musterte die Anwesenden und dachte über die letzten Tage nach, während Adya zufrieden lächelnd neben ihm saß und der Ansprache ihres Vaters lauschte. Es war eine skurrile und äußerst unangenehme Situation, in der sich der Rothwardon gerade befand, denn erst gestern hatte er erlebt, was Adya mit 'aufbrausend' gemeint hatte. Er lernte ihren Vater Trálír kennen, und dieser hatte daraufhin einen Wutanfall erlitten, in dem er sogar damit gedroht hatte, die Feierlichkeiten abzusagen. Nur dem guten Zureden seiner Frau und Adyas Mutter war es zu verdanken, dass der in ein prächtiges Gewand gehüllte Besitzer des Anwesens nun gute Miene zum bösen Spiel machte und mit einem leicht gequälten und aufgesetzt wirkenden Lächeln gerade etwas von dem wichtigen Status philosophierte, welchen der Adel in Skingrad einnahm und dass ohne sein Zutun die Stadt quasi nur ein Dorf wäre. Die Tatsache, dass er einer der wenigen Nicht-Elfen in diesem Raum war (tatsächlich entdeckte er außer sich nur noch zwei Kaiserliche und drei Bretonen, von denen ihm bereits die beiden Halbstarken aus der Taverne bekannt waren; bei dem Rest handelte es sich ausschließlich um Wald-, Dunkel- oder Hochelfen) machte es ihm nicht unbedingt leichter sich zu entspannen und den Abend zu genießen. Von der Seite blickte er in Adyas fein geschnittenes Gesicht und beugte sich leicht zu ihr herüber.
"Ich fühl mich irgendwie fehl am Platz...", flüsterte er kaum hörbar und blickte abermals in die Runde.
Ohne den Blick von ihrem Vater zu nehmen oder das Dauerlächeln einzustellen antwortete sie.
"Du hast es mir versprochen, vergiss das nicht.".
Wo werd ich denn, du wirst ja nicht müde, es zu erwähnen.
Der Kopf von Trálír ruckte in Raccans Richtung und fixierte den potentiellen 'Eindringling', während der Mann weitersprach: "...und welche Steine uns auch in den Weg gelegt werden, und welche unangenehmen Überraschungen das Schicksal für uns bereithält...", und er löste die Augen wieder von dem Assassinen, der es sich durch diese indirekte Zurechtweisung nun sparte, weiter mit Adya zu diskutieren und nun darauf konzentrierte, nicht aufzufallen. Gut, jetzt bist du hier, lässt sich nicht ändern. Wirst du schon schaffen.

Auf die Rede folgte das Abendmahl, welches keine sonderlich großen Überraschungen bereithielt. Raccan beschränkte sich darauf, gelegentlich auf Adyas Einlassungen und Fragen zu reagieren und verzehrte dabei die Rehkeule, welche zugegebenermaßen wirklich sehr gut schmeckte, obwohl der Rothwardon dieser seltsamen Zubereitung mit grünen Blättern und einer bräunlichen Soße optisch zunächst nicht sonderlich viel abgewinnen konnte. Mit seinem direkten Nachbarn rechts neben sich, ein Dunmer, wechselte er kein einziges Wort, wobei dieser sich sowieso alle Mühe gab, den einen Kopf größeren Raccan neben sich bewusst zu ignorieren. Auf den Hauptgang folgte eine Nachspeise, und nachdem auch diese überstanden war, ging die Allgemeinheit zum Klatsch und Tratsch über, während im Hintergrund eine für Raccans Ohren ungewöhnlich klingende Musik vor sich hinträllerte. Adya war anscheinend zum Plaudern aufgelegt, erhob sich und forderte den Rothwardonen auf, sie zu begleiten. Selbstverständlich hakte sie sich bei ihm ein und führte ihn zu einer Gruppe Frauen, allesamt Waldelfen und Adya in Sachen Aussehen keineswegs überlegen.
"Alién, Eire, Liloé, darf ich euch meine Begleitung vorstellen", säuselte sie vergnügt und kuschelte sich an die Seite des Rothwardonen, während dieser sich den musternden Blicken der Frauen ausgesetzt sah.
"Beeindruckend, Adya. Wie heißt er denn?", fragte die Kleinste der Elfen, Eire, ebenfalls wie Adya schwarzhaarig, mit schlanker Figur und giftgrünen Augen, während sie den Assassinen von oben bis unten musterte und ihre Haare mit dem rechten Zeigefinger aufwickelte. Raccan wollte gerade antworten, da fiel Adya ihm in's Wort.
"Raccan, ich hab ihn in der Stadt getroffen und er konnte mir nicht wiederstehen...", kicherte die Elfe und ihre Freundinnen stimmten mit ein, ehe die Brünette, Alién, nachsetzte.
"Wo kommt er denn her", und dabei ließ sich unschwer erkennen, dass sie den Rothwardonen quasi mit den Augen auszog.
Abermals wollte Adya antworten, doch diesmal fuhr der Assassine ihr in die Parade.
"Er kommt aus Hammerfell und kann auch sehr gut für sich selbst sprechen", bemerkte Raccan mit einem Seitenblick auf Adya, legte den Arm um sie und musterte dann nacheinander die drei Frauen vor sich, die ihn erstaunt anblickten wie als wollten sie 'Oh, es kann reden' sagen. Auch die Augen der Adligen waren auf den Rothwardonen gerichtet, und in etwa konnte er sich schon vorstellen, was in ihrem Kopf vorging. Umso überraschender war ihre Reaktion. Sie kicherte und streichelte seinen Rücken, während sie sich noch enger an ihn schmiegte.
"Entschuldige bitte, ich mach es später wieder gut...", und die Reaktion war ein zweideutiges Grinsen, welches sich auch auf die Freundinnen Adyas übertrug.

Der Abend schritt voran, und Raccan ertappte sich dabei, dass ihm die ganze Feier weitaus angenehmer wurde je länger sie dauerte. Tatsächlich unterhielt er sich angeregter als gedacht mit den anwesenden Gästen, sie interessierten sich für seine Herkunft und sein "ungewöhnliches" Leben in der Wüste. Viele Sachen sparte er aus, und doch kam sich Raccan mit der Zeit nicht mehr so unwillkommen wie noch am Anfang vor, im Gegenteil, man ging auf ihn ein. Zuerst kam ihm das verdächtig vor, doch er tat dies als Hirngespinst ab und fuhr mit den Unterhaltungen fort, bis sich kurz vor Mitternacht plötzlich Adya an seine Seite gesellte und seine Hand nahm. Ihm war ihr kurzzeitiges Fehlen bis dahin nicht weiter aufgefallen, aber jetzt zog sie ihn leicht zu sich hinab, stellte sich dabei auf Zehenspitzen und flüsterte in sein Ohr.
"Ich hab eine Überraschung für dich, Raccan...", säuselte sie, und der Rothwardon kam nicht umhin, sich zu fragen, was das wohl für eine Überraschung wäre; gut, zugegebenermaßen konnte er sich die grobe Richtung schon denken, Adyas Körpersprache war schon den ganzen Abend alles andere als abweisend gewesen, und so ließ er sich von ihr führen. Auf dem Weg stutzte er bereits, in dem Saal befanden sich kaum noch Leute, dabei machte der Empfang nicht den Eindruck, als ob er schon beendet wäre. Adya ließ sich davon nicht beirren, zog den Assassinen in Richtung geschlossene Terrassentür, stieß sie auf und trat mit ihm hinaus.
Ein seltsamer Anblick bot sich ihm. Alle Gäste hatten sich hier draußen versammelt, blickten den Rothwardonen und die Elfe beim Eintreffen direkt an, schienen auf etwas zu warten. In der Mitte der mit Steinplatten gepflasterten Terrasse befand sich ein von kleinen Fackeln eingerahmter leerer Kreis von etwa zwanzig Metern Durchmesser, um den sich die Leute gescharrt hatten. Raccans Augen zuckten zu dem Gebilde, musterten die Leute. Das sieht aus wie..., aber weiter kamen seine Gedanken nicht; plötzlich spürte er Adyas Hände in seinem Nacken, welche ihn sanft herunterzogen, ihre Lippen drückten sich auf seine, küssten den Assassinen innig. Raccan war perplex, erwiderte den Kuss zögerlich, aber dann ging alles rasend schnell. Die Elfe glitt mit ihren Fingern plötzlich von seinem Hals nach unten, griff den Kragen seines Gewands mit beiden Händen und riss ihn einfach herunter. Das Geräusch von reißendem Stoff drang an Raccans Ohren, er wollte sich von ihr lösen, doch zu spät. Die Kleidung fiel zu Boden, mit entblößtem Oberkörper stand er inmitten der Leute, den skurrilen Kreis in seinem Rücken. Adya löste den Kuss, lächelte, während sie mit den Händen über die tätowierte Brust des Rothwardonen strich, sich auf die Unterlippe biss und den Anblick sichtlich genoss. Ihr Kopf zuckte nach oben, sie fing Raccans verwirrten Blick mit ihren wunderschönen Augen ein.
"Mach mich stolz, Süßer...", säuselte sie wie in Trance, verwegen lächelnd, legte beide Hände auf den Oberkörper des Assassinen und stieß ihn sanft, aber bestimmt von sich. Er war wie gelähmt, überwältigt von der Situation, folgte der Bewegung, taumelte zurück und fand sich kurz darauf in der Mitte des Kreises wieder, umringt von den Adligen. Die Menge verschluckte Adya, versperrte jeglichen Ausweg, und verloren stand Raccan einfach nur da. Das Blut rauschte in seinen Ohren, all das kam ihm so unwirklich vor. Erlebte er das hier gerade wirklich? Stand er unter Drogen? War das echt?
Eine Bewegung im Augenwinkel ließ ihn herumfahren, und als er den ihm bekannten Nord erblickte, welcher sich nur mit einem Lendenschurz bekleidet und eine schwere zweihändige Axt auf den Schultern ruhend durch die Menge schob und schließlich ebenfalls den Kreis betrat, dämmerte Raccan, in was er hier hineingeraten war.
Wie konnte er nur so blind gewesen sein. So naiv. Hatte es ihn nicht verwundert, dass er der einzige auf dem Empfang gewesen war, der eine Waffe trug? Hatte ihn Adyas Hartnäckigkeit nicht stutzig werden lassen? Hatte er all das verdrängt, nur aufgrund eines schelmischen Lächelns und eines Blicks, der mehr sagte als tausend Worte? Der Rothwardon ließ seine Augen über die fremden Gesichter wandern; über Gesichter, welche in freudiger Erwartung des bald folgenden Schauspiels lächelten und ihn interessiert musterten; nicht ihn als Person, sondern als fleischgewordene Unterhaltung. Was bildeten sie sich ein? Er würde diesen Nord niemals freiwillig töten. Freiwillig. Das war das Zauberwort. Nichts hier war freiwillig, und instinktiv schaute er nach oben. Und dort waren sie. Die ganze, schreckliche Familie, versammelt auf dem Balkon, mit bester Sicht auf den Kreis. Trálír. Zu seiner linken seine Frau. Zu seiner Rechten Adya, daneben ihre Freundinnen. Alle blickten sie auf ihn herab. Aufgrund der Dunkelheit konnte Raccan ihre Gesichter nicht sehen, aber er wusste, dass sie lächelten. Allesamt. Seine Augen zuckten auf die Balustrade. Dort standen Bogenschützen, hatten die Pfeile bereits angelegt, zielten auf ihn. Richtig, nichts hier war freiwillig.
"Willst du überleben, kämpfe, Rothwardon!", dröhnte es plötzlich vom Balkon mit Trálír's Stimme, und ein Geschoss zerbarst direkt vor Raccans Füßen.
"Doch sei gewarnt, unseren Golk konnte noch niemand bezwingen...", und wie zur Untermalung schnaubte der Nord laut und setzte die Axt mit einem metallischen Klirren auf dem Boden ab.
Raccans Blick wurde ausdruckslos, in seinem Kopf herrschte vollkommene Leere. Die Welt, so wie er sie kannte, zerbröckelte mit jedem Wort, mit jeder Silbe, mit jedem Buchstaben, den Trálír ihm entgegen schleuderte. Er war nur Mittel zum Zweck. Hatte sich von einer Frau um den Finger wickeln lassen, welche mit ziemlicher Sicherheit schon bei ihrer ersten Begegnung diesen Plan ausgeheckt hatte. All die spöttischen Bemerkungen ergaben nun einen Sinn. Der Streit mit ihrem Vater, ebenfalls fingiert. Der schüchterne Blick der Haushälterin. Der verängstigte Stall-Khajiit. Die Bemerkung der Hochelfe beim Versorgen seiner Kopfwunde. Alles Indizien, aber er war zu blind gewesen, es zu sehen; betört von dem üppigen Ausschnitt einer verwöhnten Göre, wie ein kleiner Junge war er ihr hinterhergehechelt.

Es genügte ein Wort, um seinen Kopf wieder zu füllen.
"Beginnt!", rief Trálír plötzlich laut, hob dabei die Arme und ein Raunen ging durch die Leute, als der Nord die Axt mit beiden Händen packte, seine Muskeln anspannte und auf Raccan zukam. Dieser warf den Kopf herum, griff instinktiv nach seinem Säbel und wog ihn locker in der Hand. Gegen die Waffe des Nords wirkte seine Klinge wie ein Spielzeug, in den Händen des Assassinen jedoch war sie eine tödliche Waffe. Während der Barbar ausholte und die Axt von oben auf Raccan niedersausen ließ, wich dieser behände zur Seite aus. Das riesige Schlaginstrument zertrümmerte eine Bodenplatte, kleine Steinsplitter spritzen umher, schmerzten auf der ungeschützten Haut. Aber davon bemerkte der Rothwardon rein gar nichts. In seinem Kopf überschlugen sich nun die Gedanken, sein Körper jedoch war voll einsatzbereit und instinktiv in den Kampfmodus gewechselt. Das hier würde nicht das Ende sein. Sein Ende wär auch Sahis Ende. Sahi. Die letzten Tage hatte er keinen Gedanken an sie verschwendet, hatte sie vergessen, ja, nicht einmal ihren Brief hatte er bis jetzt beantwortet. Er hatte seine kleine Schwester einfach vergessen. Was war er für ein Bruder, der nicht einmal seine Schwester beschützen konnte. Die Axt flog von der Seite heran, Raccan ging blitzschnell in die Knie, die Waffe strich haarscharf über seinen Kopf hinweg, beschrieb eine Kurve, der Nord wollten den Schwung nutzen und ließ die Axt wieder von oben auf seinen Gegner niedergehen, aber der Assassine rettete sich mit einer Hechtrolle zur Seite, federte sich geschmeidig ab und stand sogleich wieder auf den Beinen, den Barbaren fixierend, der soeben eine weitere Platte zerstörte. Die Rufe der Adligen blendete er aus, ihre lüsternen Blicke, welche nach Blut verlangten und sich an den durchtrainieren Körpern erfreuten. Jetzt hieß es er oder der Nord. Wollte Raccan überleben, musste er dieses perverse Spiel mitspielen. Denn sein Überleben war auch Sahis Überleben. Das Überleben seiner Schwester.
Fest griff er den Säbel, ließ ihn schwingen, während er im Halbkreis um den Nord herumschlich, lauernd wie eine Katze. Abermals der Angriff von Oben, eine Drehung und Raccan war ausgewichen, während die Steinplatte zerbrach. Die Chance war da, er schlug zu, die Klinge des Säbels fuhr über den Arm des Barbaren, schlitzte ihn auf, ein Schrei, der durch Mark und Bein ging. Die umstehenden Menge hielt den Atem an. Golk, der Unbesiegbare; er konnte bluten. Ungläubig blickte der Nord auf die Wunde, dann auf den Verursacher, welcher sich schon wieder auf Distanz begeben hatte und den Säbel locker hin und her schwang. Das Blut floss in Strömen, aber der Champion war nun in Rage; ungeachtet des hervorquellenden Lebenssaftes riss er die Axt aus dem Boden und stürmte in Raserei auf Raccan zu, schwang die Waffe wie ein tödliches Pendel, drängte den Rothwardonen zurück. Ein Schmerz wie das Einschneiden von Papier durchzuckte seine Wange, als die Klinge der Axt den Kopf des Assassinen nur um ein Haar verfehlte. Blut lief aus der hauchdünnen Schnittwunde, eine weitere Narbe für den Wüstenkrieger; es würde jedoch eine sein, die ihn für immer an das hier erinnern würde. Sie würde ihm eine Warnung sein. Und sie sollte das Ende von Golk, dem Unbesiegbaren symbolisieren.
Einen weiterer Pendelschlag des Nords nutze Raccan für eine gewagte Aktion. Er duckte sich nach unten weg, warf sich nach vorn und rollte sich durch die weit auseinanderstehenden Beine des Zwei-Meter-Hünen ab. Dieser verlor durch den Schwung kurzzeitig das Gleichgewicht, taumelte nach vorn, hätte mit seinem Axtschlag beinahe einen der Adligen erwischt, welcher erschrocken zurückwich. Der Assassine hatte sich unterdessen in einer fließenden Bewegung hinter dem Nord aufgebaut, holte aus und zog mit einem kräftigen Schlag den Säbel quer über den Rücken des Barbaren. Die Adligen schrien auf, das Blut spritzte, die Klinge stieß auf Knochen, traf die Wirbelsäule, schrammte darüber hinweg, schnitt sich dahinter abermals tief in den Körper des Nords. Ein Schrei wie der eines verwundeten Tiers, der Nord bog den Rücken vor Schmerzen durch, ließ die Axt zu Boden fallen, ging auf die Knie. Raccan aber zeigte keine Gnade, drehte sich einmal um die eigene Achse, richtete dabei den Säbel anders aus und schlug dem Barbaren ein tödliches Kreuz in den Rücken. Die Stimme erstickte, die Augen rollten nach oben bis nur noch das blutunterlaufene Weiß der Augäpfel zu sehen war. Wie in Zeitlupe kippte der Nord nach vorn und schlug mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aus, die Axt unter sich begrabend.

Es herrschte gespenstische Stille. Raccan blickte, den tropfenden Säbel in der Hand, auf den regungslosen Körper zu seinen Füßen. Sein Oberkörper war mit kleinen Blutspritzern übersät und aus dem Schnitt an seiner Wange floss ein kleines rotes Rinnsal. Golk war tot, daran gab es keinen Zweifel, und doch starrten die Adligen wie gebannt auf die Leiche ihres ehemaligen Champions, wie als würden sie hoffen, er würde sich doch noch einmal aufrichten. Aber es geschah nichts, der Körper bewegte sich nicht mehr, und eine Blutlache breitete sich bereits unter ihm aus. Raccans Kopf zuckte nach oben zum Balkon, er konnte Trálír erkennen, welcher sich auf dem Geländer aufstützte und fassungslos die Szenerie unter sich betrachtete. Der Rothwardon rechnete damit, dass der Elf jeden Moment den Befehl gab, ihn niederzuschießen, aber nichts dergleichen geschah, die Situation hatte ihn augenscheinlich überrumpelt. Der Assassine ließ den Kopf wieder sinken, warf noch einen Blick auf den toten Nord und ging dann langsam auf die Terrassentür zu. Die Menge teilte sich stumm, musterte ihn mit angsterfüllten Augen, keiner wollte sich ihm in den Weg stellen. Feiges Pack, und er schaute nicht zurück, als er die Tür leise hinter sich schloss und sich damit den Blicken der Menge entzog.

Wie in Trance war er die Treppen hinaufgelaufen und hatte sein Zimmer gefunden. Er musste hier weg, auf der Stelle. Gerade legte er seine Rüstung an, als er ein Geräusch hinter sich an der Tür vernahm und herumfuhr.
Da stand sie. Adya. Und...sie lächelte.
"Ich wusste, du schaffst es...", säuselte sie und trat in das Zimmer, die Haare auf ihre typische Art und Weise sich um den Zeigefinger wickelnd.
Raccan sagte nichts, zog die ledernen Laschen durch die Schnallen und zurrte den Wams fest. Den Säbel wischte er an der blutbespritzen Hose, welche auf dem Bett lag, ab und befestigte ihn an seinem Gürtel. Er drehte sich zur Tür wollte hier einfach nur noch raus, aber Adya stand nun direkt vor ihm, lächelte ihn sanft von unten herauf an.
"Du hast bewiesen, dass du unser Champion bist, du musst nicht gehen...", säuselte sie weiter und legte ihre Hände auf Raccans Brust. Dieser aber griff ihre Handgelenke, beugte sich nach unten und hielt erst wenige Zentimeter mit seinem Gesicht vor dem Ihren inne. Er las in ihren Augen, sie versuchte es wieder mit ihrem Blick, aber dieser wirkte bei Raccan nicht. Nicht mehr. Er lächelte ausdruckslos.
"Fahr zur Hölle", flüsterte er, stieß sie zurück und verließ das Zimmer, ohne noch einmal zurückzusehen.

Auf dem Weg nach draußen begegnete ihm niemand, man hielt ihn nicht auf, und unbedrängt betrat er den Stall. Der kleine Khajiit kam angelaufen, machte große Augen wie als hätte er nicht mehr mit dem Assassinen gerechnet.
"Mein Pferd...bitte", sprach Raccan kurz angebunden das Katzenwesen an, aber dieses rührte sich nicht.
"Bitte...", versuchte es der Rothwardon nochmals, und das schien den Stallburschen aus seiner Starre zu lösen, denn er wuselte davon und führte kurz darauf Raccans Pferd samt Ausrüstung zu ihm.
"Danke", und er wollte sich schon abwenden, aber dann wandte er sich doch noch einmal dem Khajiiten zu. "Du musst nicht hierbleiben...". Ausdruckslose und traurige Augen trafen Raccan, der Stalljunge ließ die Schultern hängen und schüttelte den Kopf. Es ließ sich nur erahnen, was ihm angedroht worden war, und so traurig es auch war, darauf konnte Raccan keine Rücksicht nehmen. Er fand es sowieso schon erstaunlich, so weit gekommen zu sein, ohne aufgehalten zu werden, da konnte er nicht das Risiko eingehen und unnötig Zeit verschwenden. So seufzte der Assassine nur, saß auf und machte sich auf dem Weg zum Tor des Anwesens. Bereits von Weitem hatte er seinen Bogen gezückt um sich notfalls den Weg durch die Torwächter freizuschießen, aber von denen fehlte jede Spur. Ein Hinterhalt? Skeptisch blickte Raccan sich um, prüfte vom Pferd aus das Tor, welches zu seiner Überraschung nur angelehnt war. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Aber dann besann sich der Rothwardon; wollte er hier wirklich warten, bis die Wachen aus dem Anwesen ihn aufhalten würden? Nein. Jetzt musste er darauf vertrauen, dass Satakal ihm den Weg geebnet hatte. Dies fiel ihm schwer, aber eine bessere Erklärung hatte er beim besten Willen nicht, und damit drückte er die Fersen in die Flanken des Pferdes und ritt im Dunkeln den schmalen Pfad Richtung Skingrad entlang...

Die Nacht war kühl und von der angenehmeren Sorte, aber davon merkte Raccan nicht viel, während er den Weg entlangritt, dann die Hauptstraße erreichte und sich ratlos umsah. Aus Reflex befühlte er seine Taschen, obwohl er wusste, dass sich kein einziger Septim darin befand. Das würde draußen schlafen bedeuten, aber derzeit hatte er sowieso das Gefühl, ständig die falschen Entscheidungen zu treffen, also was soll's. Er lenkte sein Pferd die Goldstraße Richtung Nordosten entlang und entschied spontan in den Wald abzubiegen. Unweit der Hauptstraße saß er ab und richtete sich ein provisorisches Lager her, und nachdem das Feuer endlich brannte, lehnte er sich an einen nahen Baum und rutschte daran hinab, wo er kraftlos sitzenblieb und in das kleine, flackernde Feuer starrte.
Dieses Land ist nichts für dich. Nur Intrigen und Verrat. Was machst du eigentlich noch hier? Du hast deinen Auftrag erfüllt, die Katze ist tot. Er warf einen Blick zum Pferd und seinem Gepäck, in dem das zusammengerollte Fell des Khajiits verstaut war. Richtig, das Schwert ist weg, was fast so schlimm ist als wenn ich selbst der Verräter wäre. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, es wiederzufinden? Wieviel Zeit war seitdem vergangen? Werden mir diese Adligen auf den Fersen sein?
Er befühlte seinen Hals, spürte Sahis Geschenk, betrachtete die kleine Pfeife lächelnd, blies lautlos hinein. Nichts geschah, nur das Rauschen der Bäume und das knisternde Feuer. Hatte Jail ihn verlassen? Es würde ihn nicht wundern. Noch einmal legte er die Lippen an das zierliche Instrument, endlose Sekunden verronnen, bis er endlich den vertrauten Flügelschlag vernahm, der Falke aus der Dunkelheit heran schoss und zielsicher auf einem umgekippten Baum neben dem Lagerfeuer landete. Ein schönes Tier, wie eh und je, anscheinend hatte er sich geputzt, denn von dem Sand war nichts mehr zu sehen. Natürlich nicht, es waren ja auch einige Tage vergangen. Zuviele Tage. Raccan streckte seinen Hand nach vorn aus und machte eine kleine Geste mit den Fingern, worauf sich Jail abstieß, zu Raccan herüberflog und auf seinem Handgelenk landete. Die scharfen Krallen bohren sich in seine Haut und hinterließen kleine, blutende Mahle, aber in diesem Moment war dem Assassinen das vollkommen egal. Er strich über den Kopf des Falken und seinen Rücken hinunter, woraufhin Jail innehielt und die ungewohnte Berührung sichtlich genoss.
Er musste diesen Brief schreiben, so schwer es ihm fiel. Er musste schreiben, dass er das Schwert verloren, dass er versagt hatte. Aber für den Moment gab nur ihn, den Falken, sein Pferd und die Nacht. Sonst niemanden.