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Fossil
Erynn zerrte den Kürass über ihren Kopf, entledigte sich der Stiefel und Handschuhe und ließ sich auf ihr Bett fallen. Sie tat sich selbst fürchterlich leid. Schmollend starrte sie an die Decke und überlegte, daß es wahrscheinlich ein Fehler gewesen war, überhaupt wieder zurückzukommen. Ihr war zwar nicht ganz klar, was sie überhaupt erwartet hatte, aber das hier mit Sicherheit nicht.
Sie hielt ihr Versprechen und blieb im Gildenhaus. Nach ein paar Stunden traute sie sich, ihre Kammer zu verlassen Was solls? Ich kann ja schließlich nicht ewig hierbleiben.
Bok gesellte sich zu ihr, nachdem sie eine Weile allein im Gemeinschaftsraum gehockt und ein bißchen gegessen hatte. Der massige Ork ließ sich auf einen Stuhl neben der Elfin fallen. Er wirkte etwas unsicher, was, bedachte man seine beeindruckende Gestalt, durchaus etwas witzig wirkte.
„Erynn?“
„Mhm.“
„Alles in Ordnung?“
„Mhm.“
„Wo bist du so lange gewesen?“
Er sah ehrlich besorgt aus. Erynn kannte den Kerl noch nicht allzu gut, aber sie mochte ihn. Bok war vielleicht nicht der hellste Stern am Horizont, aber herzensgut. Sie hatte schon zuvor bemerkt, daß er es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hatte, auf sie und Parwen aufzupassen. Ob das nun notwendig war oder nicht sei dahingestellt, aber Elfen wirkten nunmal häufig zerbrechlich. Das provozierte solche Reaktionen.
„Ich war in Morrowind. Auf Vvardenfell, um genau zu sein. Es war... sehr seltsam, weißt du? Ich bin dort geboren, in einem winzigen Dorf, dessen Name dir wahrscheinlich nichts sagen wird. Aber ich beherrsche weder die Landessprache, noch ist mir dieses Land irgendwie vertraut. Aber ich wollte wissen, wie es dort ist. Wo ich herkomme und so.“
Es kam der Wahrheit nichtmal im Entferntesten nahe. Vvardenfell steckte vielleicht tief in ihrer Seele, das war der Kriegerin bewußt geworden. Aber es war nicht der Grund, weshalb sie dort gewesen war „Jetzt bin ich zurück und weiß nicht mehr, wer ich eigentlich bin“, fuhr sie fort. Schon etwas näher an der Realität, aber immer noch vage genug, um keine Rückschlüsse zuzulassen. „Ich will eigentlich nicht darüber sprechen. Diese Erfahrung gehört mir, auch, wenn Ah-Malz das nicht begreift.“
Der Ork nickte. Er wußte zumindest ungefähr, was im Gildenhaus vor sich ging.
„Er macht sich Sorgen. Er...“ Der große Mann verstummte, schien wieder so unsicher.
Erynn winkte ab. „Schon gut. Du mußt mir nichts erklären. Ich darf im Moment nicht wissen, was vor sich geht, und ich will nicht, daß du dich in Schwierigkeiten bringst. Ich mache keinem von euch einen Vorwurf.“ Nicht mehr, jedenfalls...
Sie war so wütend gewesen, als sie aus dem Büro des Gildenleiters gestürmt war, aber jetzt nicht mehr. Was sie getan hatte, war nichts, was die Gilde gutgeheißen hätte. Tatsächlich, käme die Wahrheit ans Licht, wären die Kerker der Kaiserstadt noch immer eine Gnade gewesen. Sie mußte diese Sache allein durchstehen, ihre zukünftigen Taten für sich sprechen lassen, wenn sie das verlorene Vertrauen zurückgewinnen wollte.
„Bist du übermorgen dabei, Bok?“
„Ja. Das wird knifflig. Weißt du schon bescheid darüber, daß wir die Typen nicht einfach umnieten sollen?“
„Ja, hab ich gehört.“ Erynn seufzte leise. „Das wir interessant. Nicht, daß es mich stören würde, ich töte nicht gerne. Aber wenn sich die Frage stellt, ob mein Arsch oder der von irgendeinem Banditen, dann ist die Antwort klar.“
Der Ork mußte grinsen und konnte sich eine Bemerkung über Erynns Arsch nicht verkneifen, woraufhin er ein bißchen rot wurde und sich auf die Lippe biß, was mit seinen Hauern recht kurios aussah. Sie lachte.
Vor einigen Monaten noch wäre ich vor Scham im Boden versunken. Wie schnell sich die Dinge manchmal ändern.
Bok hob die Rechte und ballte sie bedächtig zur Faust. Die Elfin konnte nicht anders, als einen bewundernden Blick über seinen trockenen Bizeps gleiten zu lassen. „Ruhiggestellt krieg ich die schon“, brummte er mit unüberhörbarer Selbstzufriedenheit.
Erynns Zorn verrauchte zusehends. Auch auf Ah-Malz war sie nicht mehr böse, als sie sich zwei Tage später gemeinsam mit der Truppe abmarschbereit machte. Sie war ausgeruht und gut erholt, ein Luxus, den sie sich in letzter Zeit fast nie hatte gönnen können. Jetzt, als sie mit sechs weiteren Kriegern durch das Tor von Skingrad trat, waren alle harschen Worte vergessen. Das Jagdfieber hatte sie alle gepackt...
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