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Mythos
Vvardenfell-Distrikt, Aschland, Maar Gan
Die Tür wurde von innen von einer großen und breitschultrigen Gestalt in einer goldenen Rüstung geöffnet. Tarriors Augen weiteten sich, als er in dem metallenen Ungetüm einen Ordinator in seiner prachtvollen Prunkrüstung erkannte. Die starre, goldene Maske des Kriegers schob sich in sein Gesichtsfeld und eine dumpfe, metallisch klingende Stimme sprach ihn an: „Was ist euer Begehr?“ Tarrior war im ersten Moment unfähig zu sprechen und ganz instinktiv begann er sich an seinen Unterarmen zu kratzen, auf denen noch immer die Narben prangten, die ihm zwei Ordinatoren im Zweikampf beigebracht hatten und den er nur mit Mühe und Not für sich entscheiden konnte. Die Kultisten, die damals an seiner Seite gekämpft hatten, waren allesamt getötet worden. Er schluckte und versuchte die Angst, die ihn plötzlich erfasst hatte, unter Kontrolle zu halten. Einen Moment lang glaubte er in den hohlen Augen der goldenen Maske die Folterkammer des Ministeriums der Wahrheit erkennen zu können. Dieser Moment ging erst vorbei, als der Wächter ihn ungeduldig anherrschte: „WAS IST EUER BEGEHR, Sera?!“ Das Wort Sera zischte er abfällig. Tarrior fing sich. „Ich hörte der Tempel würde Unterkünfte für Flüchtlinge und Pilger bereitstellen. Ich möchte den Schrein besuchen und hier übernachten“: bat er. Ein Schnauben drang hinter der Maske hervor und der Ordinator trat einen Schritt zur Seite um ihn einzulassen. Mit einem unguten Gefühl trat Tarrior in das dämmrige Innere. Der Ordinator schloss hinter ihm die Tür und der Dunmer sah nur noch eine schnelle Bewegung am Rand seines Blickfeldes, bevor er hart gepackt und gegen die Wand gedrückt wurde. Ein weiterer Ordinator hatte sich im Raum befunden und ihn nun ergriffen. „Bitte ich habe nichts getan. Ich habe nichts getan“: stammelte Tarrior, der versuchte seine Arme aus dem Griff des Tempelkriegers zu entwinden, doch in den behandschuhten Pranken saßen sie fest wie in einem Schraubstock. „Legt dieses Amulett um!“: befahl der andere Ordinator, der die Tür geöffnet hatte und hielt ihm einen kleinen Silberanhänger mit einem eingefassten Stück Stein hin. Er war verwirrt und reagierte nicht sofort. „Legt es an!“: befahl der Wächter noch einmal und Tarrior griff mit der Hand zu, die der Mann, der ihn gepackt hatte, nun freigab und streifte sich den Anhänger mit Mühe über den Kopf und legte ihn sich um den Hals. Die Ordinatoren schienen auf eine Reaktion zu warten, die aber nicht kam und atmeten dann hörbar aus. Auf einen Wink hin, wurde Tarrior freigegeben und ihm das Amulett wieder abgenommen.
„Was sollte das!“: schrie er die beiden Tempelkrieger an, aber diese wandten sich nur desinteressiert ab und bezogen Stellung neben der Tür des Schreins. Stattdessen kam der Dunmer in der roten Robe mit den Goldverzierungen, den Tarrior schon bei seiner Ankunft gesehen hatte, aus dem Schatten auf ihn zu. „Verzeiht diese Behandlung, aber wir müssen vorsichtig sein und sicher gehen, dass ihr kein Agent des Feindes seid“: entschuldigte sich der Priester. Tarrior schluckte eine bissige Bemerkung herunter, als er bemerkte, dass eine der Masken sich in seine Richtung gedreht hatte. „Ihr habt wohl Recht, aber ich verstehe nicht ganz was ihr geprüft habt“: lenkte Tarrior mit unterdrückter Wut ein. „Das ist nicht schwer, mein Kind. Der Anhänger enthielt ein Stück des heiligen Artefakts, das wir hier verwahren. Hättet ihr bedenklichen Kontakt mit den Kultisten Mehrunes Dagons gehabt, hätte der Anhänger auf euch reagiert und die beiden heiligen Wächter, die man uns aus Vivec geschickt hat, hätten euch getötet“: erklärte der Priester. Tarrior versuchte sich an den Schrein vor Maar Gan erinnern. Soweit er wusste beteten sie hier einen Stein an, der irgendwie mit Vivec in Verbindung stehen sollte, aber Genaueres viel ihm zu der Geschichte nicht ein. „Erzählt mir von dem Artefakt, ich verstehe es nicht“: bat er. Der Mann schaute ihn verwirrt an. „Sagtet ihr nicht, dass ihr ein Pilger wäret? Und da kennt ihr die Geschichte von der Rettung der Dunmer durch Vivec vor dem Zorn Mehrunes Dagons nicht?“: zeigte sich der Priester nun misstrauisch. Er konnte aus dem Augenwinkel heraus wahrnehmen, wie die Ordinatoren ihre Hände zu ihren Waffen führten. „Verdammt. Ich hätte mich nicht als Pilger ausgeben sollen“: ging Tarrior auf. „Nun ja. Vielleicht ist der Begriff Pilger etwas übertrieben gewesen. Ich gehöre zu Haus Hlaalu und habe mich bisher zu meinem Leidwesen nur wenig mit dem Tempel befasst. Die Geschäfte und der Reichtum waren mir wichtiger. Doch diese Krise die uns alle bedroht, hat mich dazu gebracht, meine Situation zu überdenken und ich habe festgestellt, dass ich mich, sollten wir das hier überleben, ändern möchte und dem Tempel als Laien-Mitglied beitreten will. Um den Beistand des Tribunals zu erflehen und Vorsorge zu treffen, habe ich mich eigentlich ohne großes Wissen auf die Reise begeben. Ein befreundeter Händler erzählte mir von dem Schrein hier in Maar Gan und ich nahm einige Schwierigkeiten auf mich um hierher zu gelangen, aber ich muss zugeben, dass ich unwissend bin“: ließ er sich eine hoffentlich glaubwürdige Geschichte einfallen. Der Priester strich sich durch einen kleinen Kinnbart und lächelte dann, sodass sich auch die Ordinatoren wieder entspannten. „Dann heiße ich euch im Tempel von Maar Gan willkommen. Folgt mir, denn eure Unwissenheit will ich in diesem Fall schnell heilen“: bat er Tarrior ihm zu folgen und gemeinsam gingen sie in einen extra abgetrennten Bereich des Tempel.
Gleich beim Eintreten fiel Tarrior der große, in einem Aschebecken, gelagerte Felsen auf, der den Raum offenkundig dominierte. Zu Füßen des Steins waren etliche Opfergaben dargebracht worden. Tarrior entdeckte sogar einen Propylon-Index auf einem Teller. So sehr er sich sonst dafür interessiert hätte und ihn zu stehlen versucht hätte, umso mehr ignorierte er ihn nun demonstrativ, da er jeden Ärger hier vermeiden wollte. Neben dem Stein fiel ihm auch ein Dremora auf, der neben diesem stand und ihn grimmig anschaute. Als ersten Reflex wollte er seine Klinge ziehen, doch der Priester hielt seine Hand zurück. „Das ist Anhaedra durch die Magie von Fürst Vivec ist er Diener unseres Tempels und zugleich Prüfung für alle, die in die höheren Ränge des Tempels aufzusteigen wünschen. Er ist an diesen Ort gebunden und kann uns nichts tun, sofern wir nicht die Prüfung mit ihm wünschen. Für euch allerdings sollte es ausreichen ein Gebet zu sprechen und eine Opfergabe darzubringen. Denn dies hier ist das Herz von Maar Gan. Dieser Fels dort ist der Turm-Schrein“: erklärte Alkama ihm. „Der Turm-Schrein also…“: murmelte Tarrior und legte seine Hand auf die steinerne und raue Oberfläche des Felsens. Er betrachtete ihn ausgiebig, aber konnte nichts Besonderes an ihm entdecken. „Verzeiht diese Frage eines Unwissenden aber was soll an diesem Felsen so heilig sein“: fragte er. Der Priester lächelte ihn an und trat näher. „Eure Worte geziemen sich für einen Hlaalu, für den nur der Geldwert eines Objektes wichtig ist. Setzt euch und ich werde euch die Geschichte des Steins erzählen“: bat er den Dunmer und gemeinsam ließen sie sich auf einem Teppich vor dem Monolithen nieder. Der Priester begann zu erzählen:
„Nachdem der Krieg des ersten Rates geschlagen worden war und die Dunmer das Land, dass sie den gotteslästerlichen Dwemern entrissen hatten, zu ihrem eigenen machten, erhoben sie das göttliche Tribunal, dass aufgrund ihrer Weisheit und Stärke den Status von Göttern erlangt hatte, zu ihren Göttern. Die Dunmer wandten sich ab vom Irrweg des alten daedrischen Kultes, der auch die zerstörerischen Kräfte der Säulen des Hauses des Chaos verehrte, die seit jeher nur Leid und Qual über unser Volk gebracht hatte. Die kultische Verehrung vereinigten nun die guten und gerechten Götter des Tribunals mit ihren daedrischen Abbildern Mephala, Boethia und Azura auf sich. Der schändlichen Verehrung der Daedra war damit in Morrowind endlich ein Ende gesetzt und unsere großen Götter konnten sich ganz dem Aufbau eines gläubigen Staatswesens unter ihrer weisen und gerechten Führerschaft widmen. Allerdings sollte das Haus des Chaos bald zu einer ständigen Prüfung für unser Volk werden, indem sie den rechtmäßigen Glauben an das Tribunal verdammten und die Gläubigen prüfen und zurück zu ihren schändlichen Kulten treiben wollten. So kam es, dass die Daedraprinzen Sheogorath, Mehrunes Dagon, Molag Bal und Malacath mehrfach ihren Zorn gegen die Gemeinschaft des Tempels und das Volk der Dunmer richteten. Allen voran tat sich der Zerstörer Mehrunes Dagon hervor. Und so kam es, dass er eines Tages hier auf Vvardenfell auf dem Roten Berg in seiner abscheulichen Gestalt erschien und drohte die Dunmer mit einem riesigen Felsen zu erschlagen, sofern sie ihn nicht länger fürchten und verehren wollten. Die Dunmer erbebten vor Furcht doch waren sie frohen Mutes, denn sie wussten, dass die Macht des Tribunals eine größere war und ihr Glaube größer war, als ihre Furcht vor dem Zerstörer, womit sie Dagons Zorn weiter schürten, der den Felsen mit seinem vier unheiligen Armen erhob und die Dunmer zu vernichten drohte. Doch bevor diese ruchlose Tat geschehen konnte, trat Fürst Vivec der große Gott unter den einfachen Dunmern hervor, als wäre er einer von ihnen und begann den Zerstörer zu verspotten und wortgewandt zu beleidigen. Blind in seiner Wut und seinem Zorn erkannte er Fürst Vivec nicht, der den Zerstörungswillen des Daedroth auf sich zog. Voller Groll, vergaß er die Dunmer und warf den Felsen stattdessen auf Fürst Vivec, der ihn noch bis zuletzt verspottete und den er damit nicht töten konnte, denn geschickt wich er dem Stein aus und verspottete den mächtigen Daedraprinzen triumphierend, ob seiner ungestümen Blindheit. Und als Mehrunes Dagon sah, dass die Dunmer durch diese List Vivecs noch am Leben waren, empfand er eine tiefe Schmach und kehrte besiegt in das Reich des Vergessens zurück. Fürst Vivec jedoch wurde von den Dunmer für seine Tapferkeit und seine Listigkeit gefeiert. Um den Felsen herum ließ er einen Tempel errichten, um auf ewig an die Schmach des Mehrunes Dagon zu erinnern und die ewige Güte, Gerechtigkeit und Fürsorge des Tribunals für das Volk der Dunmer zu demonstrieren. So band er mittels seiner Macht auch einen Dremora an diesen Schrein und gab dem Volk eine Pilgerstätte. So muss auch heutigen Tages jeder Adept, der die Reise zum Turm-Schrein wagt seine Tapferkeit und seine Wortgewandtheit unter Beweis stellen, in dem er den Dremora verspottet und sich ihm anschließend zum Kampf stellt. Das Ende aller Worte ist ALMSIVI“
Tarrior war eingenommen von der Erzählung. Auch wenn ihm jede Huldigung des Tribunals durch den Priester sauer aufstieß, so faszinierte ihn die Geschichte dennoch. Er sah diesen schnöden Felsen nun mit ganz anderen Augen. Auch wenn er der Botschaft des Tempels trotzdem nicht mehr abgewinnen konnte, empfand er doch einen gewissen Respekt gegenüber einem Mann, der es gewagt hatte, einen Daedraprinzen zu verspotten. Wenn er aber genauer darüber nachdachte, konnte es auch genauso gut von besonderem Größenwahn zeugen. Der Priester ließ seine Worte noch etwas im Raum verhallen, bevor er sich wieder an Tarrior wandte: „Versteht ihr nun die besondere Bedeutung dieses Felsens für unseren Tempel. Ganz Maar Gan entstand einst als Pilgerstadt um diesen Schrein hier herum.“ Tarrior nickte auf die Frage hin. „Jetzt verstehe ich auch, warum der Anhänger mich als Anhänger der Mythischen Morgenröte erkannt hätte, wenn ich das denn gewesen wäre“: dachte er laut. „So ist es. Aber das ist nichts im Vergleich zur Macht des Steines. Noch immer liegt der alte Segen auf dem Schrein. Der Fels gibt nicht nur Pilgern einen stärkenden Segen, sondern er ist auch der einzige Grund, warum unserer heiliger Außenposten den verderbten Heeren des Feindes widersteht“: ergänzte der Priester diesen Gedanken. Tarrior warf einen Blick auf den Felsen und jetzt ging ihm auf, warum die Daedra nicht näher an das Tor hatten herantreten können: „Durch den Felsen können die Daedra den Boden von Maar Gan nicht betreten!“ Es erinnerte ihn an die Kathedrale von Kvatch. Auch damals hatte er gehört, dass der geweihte Boden der Kathedrale von den Daedra nicht übertreten werden konnte. Ebenso musste es hier sein. „So ist es, mein Kind. Ich lasse euch nun für euer Gebet allein. Wenn ihr fertig seid, tretet in den Vorraum. Ich werde euch dann eure Unterkunft zeigen“: sagte er und verließ leisen Schrittes die Kammer. Tarrior war nun mit dem Dremora allein. Er kniete sich vor dem Stein nieder. Wenn dieser Felsen die Stadt beschützte, tat er auch ihm etwas Gutes. Vivec war ihm egal, aber diese schützende Kraft verdiente geehrt zu werden. So murmelte er ein kurzes Dankesgebet und legte einige Stapel an Münzen vor dem Monolithen nieder. Als er sich erheben und dem Priester folgen wollte, knurrte ihn der Dremora an.
„Ihr hasst den Tempel“: sagte der Daedroth frei heraus. Tarrior drehte sich langsam zu ihm. Sein Gesicht zeigte keine Regung. „Ich weis nicht wovon ihr redet“: widersprach er. „Oh doch. Ihr wisst das sogar sehr gut. Ich habe eure Ablehnung und euren Hass in den Augen gesehen, als euch der Priester die Geschichte von Vivec und Meister Dagon erzählt hat“: sprach das dämonische Wesen mit rauchiger Stimme weiter. „Und wenn es so wäre? Was geht es euch an, Kreatur?“: knurrte Tarrior nun seinerseits zurück. „Diese Stadt ist dem Untergang geweiht und ich erwarte die Ankunft desjenigen, der diesen Tempel und die Stadt der Vernichtung preisgeben wird“: faselte der Dremora. „Dir Kreatur hat wohl die lange Zeit, die du schon hier verbringst den Geist geschädigt. Diese Stadt wird nicht fallen“: machte er sich über den Daedroth lustig. Das Gesicht des Monsters verzog sich zu einem boshaften Grinsen. „Euch wäre genauso lieb wie mir, wenn der Priester ausgeweidet zu Füßen seines geliebten Felsens liegen würde, während der Tempel um ihn herum niederbrennt. Tut es und es soll euer Schaden nicht sein. Der Meister wird euch dafür reichlich entlohnen“: bot der Dremora an, doch Tarrior wandte sich mit einem Kopfschütteln ab und verließ den Raum. In der Vorhalle erwartete ihn der Priester des Tempels zusammen mit den beiden Ordinatoren. „Habt ihr Ruhe bei eurem Gebet gefunden?“: fragte der Mann der Götter. „Ja das hat es, auch wenn euer Dremora seltsame Worte von sich gibt. Aber ich würde mich jetzt gerne ausruhen“: bat Tarrior. Alkama runzelte bei der Erwähnung des Dremoras kurz nachdenklich die Stirn, aber zeigte sich dann bereit ihn zu führen. In einem kleinen Nebenraum gelangten sie über eine Leiter in weitere unterirdische Räume des Schreins, in denen sich die Kammern des Priesters und der Ordinatoren befand. Außerdem war dort ein umgebauter Lagerraum in denen man zwei Betten aufgestellt und drei Hängematten gespannt hatte. Ein Bett und zwei der Matten waren belegt mit Flüchtlingen oder Pilgern, die sich ebenso wie er ausruhen wollten. „Ihr habt die freie Wahl“: sagte Akama und ließ Tarrior dann allein. Der Dunmer wählte das freie Bett aus, legte seine Sachen ab und sich selbst auf die harte Matratze, die ihm nach der Flucht unendlich gemütlich vorkam. Recht bald schlief er ein.
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