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Mythos
Westspalte, Andasreth, Propylon-Kammer
Nach etwa einer halben Stunde verließ er die Kate und traf die Bretonin auf dem Gang wieder. Sein Gepäck hatte er nun geschultert. Das Gewicht drückte auf seine Muskeln und er konnte es auch auf seiner Bauchwunde lasten fühlen. Der Schmerz war zu ertragen und die Belastung gerade noch verträglich für die wunde Stelle. Alina wartete bereits vor dem Zimmer auf ihn. Schweigend gingen sie nebeneinander her nach draußen. Redoranische Wachen und Mitglieder der Liga, auf die sie unterwegs in den schmalen Gängen der Festung trafen, machten respektvoll vor ihm Platz. So erreichten sie recht schnell den großen Platz der Festung und die junge Frau lenkte ihre Schritte schnell zu dem hochaufragenden Nebengebäude. Soweit Tarrior wusste, war das eine Propylon-Kammer. In alter Zeit bildeten diese magischen Kristallstrukturen ein ganzes Portalnetz zwischen den alten Dunmer-Festungen auf Vvardenfell. Jede wichtige Befestigungsanlage besaß eine solche Kammer. Über das Portalnetz konnten schnell Botschaften übermittelt und Truppen verlegt werden. Dieses wirklich einmalige, magische Teleportationsnetz verfiel leider mit den Jahrhunderten in dem gleichen Maße, wie auch die Festungen verfielen. Heute konnte kaum mehr jemand das Propylon-Netzwerk nutzen. Soweit Tarrior dies wusste, fehlten dazu wichtige Bestandteile der einzelnen Anlagen. Womöglich hatte die Magiergilde die Propylon-Kammer von Andasreth wieder zum Laufen bekommen, allerdings verstand er den Grund nicht, warum der Konvoi ausgerechnet von hier aus teleportiert werden sollte. Maar Gan selbst besaß keine Propylon-Kammer und es lag auch keine Festung mit einer solchen in der Nähe. Doch er wollte sein Transportmittel auch nicht in Frage stellen.
Alina gab den beiden schwergepanzerten Kampfmagiern, die den Zugang bewachten, ein Zeichen und nannte ein geheimes Codewort und schon wurden sie eingelassen. Sofort als Tarrior die Schwelle überquerte, war als würde ihm flüssiges Feuer in die Lungen strömen, als er dann noch einatmete. Ein sanftes Prickeln auf seiner Haut jagte ihm Schauer über den Rücken. Die Luft schien zu schimmern und zu wabern. Es war als wäre der Raum mit einer Art lilafarbenem Nebel erfüllt, der doch so feinstofflich war, dass nur Nuancen von ihm in der Luft schimmerten, man aber alles mehr oder weniger klar und deutlich sehen konnte. Der gesamte Raum war geschwängert mit Magie. Man konnte sie geradezu riechen, schmecken und fühlen. Ein leichtes Knistern verriet auch, dass man sie hören konnte, wenn man sich darauf konzentrierte. Der Anblick, der sich dem Dunmer bot, war überwältigend. Das Zentrum des Raumes nahmen zwei Plattformen ein. Jede dieser etwa kreisrunden Plattformen wurde in je einen Drittel von einem großen, gebogenen, steinernen Monolithen umstanden, an dessen zum Kreiszentrum hin ausgerichteten Innenfläche eine kristallene Komponente angebracht war, die vor Energie nur so pulsierte. Alle sechs Kristallarme der beiden Plattformen gaben unaufhörlich rot-weiße Energietentakeln ab, die sich in alle Richtung hin ausbreiteten, aber sich vor allem auf den obeliskförmigen Monolithen im Zentrum der Plattform zubewegten und diesen wie ein Aureole einhüllten und umgaben. Das mussten die beiden Propylonen sein. Andasreth verfügte offenbar über mehr als einen. Er kannte diese Darstellung bereits von den Erzählungen einiger Gildemagier, aber es in Natura zu sehen, war wirklich ergreifend. Was er allerdings von den Beschreibungen nicht kannte, waren einige, offensichtlich von der Liga hinzugefügte, Erweiterungen. So bildete eine Anordnung mehrerer großer Kristalle, in denen Tarrior das Pulsieren gefangener Seelen spürte, ebenfalls eine Kreisform, die die beiden Propylon-Plattformen tangierte. In diesem Kreis aus Kristallen standen bereits die Wagen mit der Versorgungsgütern für das belagerte Maar Gan und ein Teil der Eskorte. Doch die Quelle für die enormen frei schwebenden Kräfte entdeckte Tarrior unterhalb der Decke der Kammer. In großen Käfigen, die an Ketten von oben herab hingen, saßen mehrere Sturm-Atronarchen eingepfercht. Es waren insgesamt sieben an der Zahl. Die Käfige besaßen in ihrem Boden jeweils einen großen Kristall. Sie leuchteten in dem dunklen Lila, das nebelartig die ganze Kammer durchzog. Unter jedem der Käfige stand jeweils ein Magier, erkennbar an den blauen Roben mit dem eingestickten Zeichen der Liga. Bei den meisten handelte es sich um Altmer, aber es waren auch einige Dunmer darunter. Menschen, abgesehen von Alina, sah Tarrior in dem Raum nur bei den Wachen und der Eskorte des Konvois. Die Magier, die sich um die Propylone kümmerten, waren ausschließlich Mer, wobei die Altmer in deutlicher Überzahl vorhanden waren. Auf einen ebensolchen hielt die Bretonin nun auch zu. Aufgrund der teuren und aufwändig gearbeiteten Robe hielt Tarrior ihn für eine Art Oberaufseher über die hiesigen Zauberer.
„Seid gegrüßt Lord Demawar. In welcher Laune ist heute der magische Fluss?“: begrüßte Alina den Hochelf. Dieser ließ seinen Blick über Tarrior wandern, bevor er antwortete: „Die Störungen haben wieder zugenommen. Heute ist nicht unbedingt der beste Tag für eine Reise, aber wir haben den Konvoi auch schon an schlechteren Tagen sicher hinüber gebracht. Da es nicht so aussieht, als würde sich der Fluss in nächster Zeit wieder beruhigen haben wir heute womöglich auch den bestmöglichen Tag der kommenden Zeit erwischt. Meine Magier werden wie immer ihr Bestes geben“: gab sich der Mann zuversichtlich, dann fügte er noch eine Frage an: „Doch lasst mich wissen, wer euer Begleiter ist.“ Tarrior kam einer Antwort Alinas zuvor, denn er wollte sich selbst vorstellen: „Ich bin Hlaalu Tarrior Gildres. Ich werde dem Konvoi als Begleitschutz dienen.“ Der Altmer zog seine wirklich langen, scharfgeschnittenen Augenbrauen hoch. Tarrior musterte sein Gegenüber nun etwas aufmerksamer. Der Altmer besaß auffällig helle Haut für sein Volk. Der Goldton war nur ein schwacher Schimmer, eine Nuance. Sein ganzer Teint sprach eher für einen Bretonen oder einen Kaiserlichen. Seine Ohren hingegen bezeugten deutlich seine elfische Abkunft. Sie waren spitz und ebenso wie die Augenbrauchen fast schon übertrieben lang und nach hinten gebogen. Seine goldblonden Haare fielen lang aus und waren auf seinem Rücken zu einem kunstvoll geflochtenen Zopf gebunden, während sein Gesicht von zwei langen, fülligen Strähnen links und rechts eingerahmt wurde. In den violetten Augen sah er ein geheimnisvolles Funkeln. Die blassen Lippen in seinem Gesicht rundeten seine feinen Züge perfekt ab. Alles in allem strahlte er die erhabene Dekadenz altmerischer Adliger aus. Tarrior verspürte eine instinktive Abneigung gegen ihn. Gedanklich ließ er sich etwas zu sehr auf ihn ein, sodass er zunächst nicht mitbekam, dass der Mann das Wort an ihn richtete: „… der Mann der den Großmeister der Liga geschlagen hat. Ich war nicht persönlich dabei, denn mein Platz ist hier, aber die Wächter erzählten davon. Ihr sollt dann allerdings am Ende gewesen sein. Ich bin überrascht euch hier zu sehen.“ Der Dunmer zog die Augenbrauen zusammen. „Man hat uns noch nicht vorgestellt, wer seid ihr eigentlich?“: fragte er nun und lenkte damit von sich ab.
„Oh verzeiht. Ich bin Demawar von Ersthalt, meiner Kunst wegen nennen sie mich Lord. Ich und meine Magier betreuen die Propylone und helfen der Liga der Magischen Gewalt bei der Versorgung von Maar Gan. Sehr erfreut“: stellte er sich vor und deutete mit einem leichten Senken des Kopfes und Oberkörpers eine Verbeugung an, ohne sich wirklich dabei zu bemühen. „Ich sah in euren Augen das Interesse für unsere Apparaturen. Dafür, dass wir damals auf die Schnelle eine sichere Möglichkeit des Transports ermöglichen mussten, ist es echte magische Qualitätsarbeit. Allerdings war es auch nicht ganz einfach. Sagt was haltet ihr davon?“: begann der Altmer ein Gespräch. „Was ich mich frage ist, wie ihr es überhaupt schafft? Teleportzauber sollen ja angeblich nicht mehr richtig funktionieren“: stellte er eine Gegenfrage. Demawar verzog das Gesicht. „Es sind die Daedra oder besser die Oblivion-Tore, die die magische Teleportation stören. Selbst ein meisterlicher Beschwörer wie ich kann nur mutmaßen, wie sich die zunehmende Zahl an Toren auf das Gleichgewicht Nirns auswirkt. Die Energie aus dem Reich des Vergessens, die in unsere Welt einsickert, stört zum Einen die Barrieren zwischen den Welten und bringt zum anderen unsere eigene aus dem Gleichgewicht. Unsere Magie, die aus Aetherius stammt, wird dadurch gestört. Bei einfachen Zaubern würde man diese Veränderung gar nicht bemerken, aber Teleportation und komplexe Rituale, die auf ein stabiles magisches Netz angewiesen sind, geraten so komplett aus ihrer Form. Um die Störungen abzufedern, müssen wir den Zauber mit starker Magie abschirmen. Wir schaffen mit Energie eine Art abgegrenzten Tunnel, durch den wir den Teleportzauber schleusen. Wir benutzen die Propylone, weil sie schon von Natur aus dafür geeignet sind Teleportationsmagie zu kanalisieren. Um größere Massen wie beispielsweise einen ganzen Konvoi mit Eskorte zu bewegen, haben wir die Transportfläche mit dem Kristallkreis deutlich erweitert. Allerdings sind die Kraft der gefangenen Seelen in den Kristallen und die der Propylone zu schwach, um einen ausreichend starken Tunnel zu ermöglichen und gleichzeitig soviel Materie zu bewegen. Das ist wohl auch der hauptsächliche Grund warum ich hier bin. Das Reich des Vergessens ist schuld daran, dass wir uns in einer derart improvisierten Lage befinden, also ist es nur gut und rechtens, wenn wir dessen Energie dazu benutzen unsere Magie zu stabilisieren. Zusammen mit meinen besten Magiern entrissen wir dem Chaos sieben seiner stärksten Kreaturen, banden sie an Nirn und unterwarfen sie unserer Macht, sodass wir nun die ihre kanalisieren können. So haben wir die Propylone mit ihren ursprünglichen Reisezielen vorerst gelöscht und auf das Ziel Maar Gan umgestellt. Wenn die Störungen nicht zu stark sind, dann können wir eine stabile Verbindung in die Stadt halten“: erklärte er die Funktionsweise des neuen Portals. Tarrior besah sich noch einmal beeindruckt die Atronachen, die in ihren Käfigen saßen und deren Magie ständig von den Kristallen im Käfigboden abgezapft wurde. „Wirklich beeindruckend“: sagte der Dunmer. „Natürlich. Ich bin schließlich ein Meister in der hohen Kunst“: meinte Demawar und er bereute das Kompliment sofort wieder.
„Genug der Worte. Der Konvoi sollte jetzt aufbrechen. Wir sind schon eine Woche überfällig und vermutlich wird in der Stadt schon rationiert. Also kommt Lord Demawar und bereitet das Ritual vor“: bat Alina den Obermagier. „Ich habe noch eine Frage.“: warf Tarrior ein: „Wie kommt die Eskorte eigentlich wieder zurück?“ Demawar lächelte, denn scheinbar genoss er das Interesse an seiner Arbeit. „Es gibt in Maar Gan einen ähnlichen Kristallkreis. Er allein kann natürlich nicht die nötige Energie aufbringen, um die Rückkehr zu ermöglichen, aber er gilt uns als Resonator für unseren hiesigen Zauber. Die Macht die wir hier kanalisieren erzeugt ein Echo in dem Kristallkreis und erschafft dort ein Portal zurück hierher. Der Rückkehrtermin wird vorher mit der Eskorte besprochen. Wer sich zum genannten Zeitpunkt nicht innerhalb des Kreises befindet, wird in Maar Gan bleiben müssen“: erklärte der Hochelf auch die Funktionsweise des Rückkehrportals. Ein lautes Räuspern und ein missbilligender Blick Alinas reichten, um Demawar in seinem Redefluss zu stoppen. „Verzeiht Mylady, ich werde mich sofort um den Zauber kümmern“: sagte er und küsste der Bretonin die Hand mit seinen schmierigen Lippen. „Und ihr nehmt besser eure Position im Kreis ein, wenn ihr wirklich nach Maar Gan wollt“: sagte er dann an Tarrior gewandt, als er sich entfernte, um die anderen Magier anzuleiten. So ging er mit Alina zum Kreis in der Mitte der Kammer. Als er hineintrat, blieb die Bretonin an der Grenze zurück. „Ich hoffe ihr wisst, was ihr tut. Passt auf euch auf“: sagte sie ihm noch zum Abschied. Tarrior bot ihr seine Hand an. „Ihr habt viel für mich getan, habt dank“: verabschiedete er sich ebenfalls. Die Frau griff mit einem undeutbaren Blick zu und entfernte sich dann eilenden Schrittes. Der Dunmer spürte umgehend, wie sich die Magie im Raum bewegte. Sie strömte auf den Kreis und somit auf ihn ein. Er schaute sich um und erkannte Demawar, der genau in der Mitte zwischen den beiden Propylonen und dem Teleportationskreis stand.
Langsam hob er seine Armee und Blitze zuckten zwischen seinen Händen und den Propylonen hin und her. Langsam bildete sich aber ein konstanter Strom knisternder Energie. Tarrior traute seinen Augen nicht, als der Altmer dann plötzlich den Boden unter den Füßen verlor und ganz langsam in die Höhe stieg. Es bildete sich andeutungsweise eine Gloriole lilafarbener Energie um ihn herum. Dies schien für die restlichen neun Magier, jeweils einer stand bei den Propylonen und sieben unter den Käfigen der Atronachen, das Zeichen zu sein, ebenfalls mit dem Kanalisieren des Zaubers zu beginnen. Die rot-weißen Energien der Monolithen begannen zu pulsieren und färbten sich mehr und mehr lila. Die Energietentakel reckten sich nun nicht mehr um den Propylon-Monolith, sondern züngelten um die Füße des Altmers und umwickelten schließlich dessen Beine. Die Aureole leuchtete nun noch intensiver und das Violett verschwand aus den Augen des Magiers und machte einem matten Weiß Platz. Die Zauberer unter den Atronachen schossen Energielanzen auf die Kristalle im Boden der Käfige ab. Das Brüllen der daedrischen Kreaturen verriet, dass man ihnen die Energie in diesem Moment stark aussaugte. Das Knistern um Tarrior herum wurde immer schlimmer und es war, als könne er in der erstickend magiegeladenen Luft kaum mehr atmen. Seine Lungen brannten. Die anderen Soldaten, die die Eskorte begleiten sollten, ließen sich derartige Gefühle nicht anmerken. Vermutlich waren sie bereits daran gewöhnt. Inzwischen war Demawar fast gänzlich in einer Wolke aus schillernder Magie verschwunden. Nur sein Kopf schaute noch heraus. Seine Augen glühten vor brennendem Weiß. Ebenfalls glühten nun die Kristalle des Kreises. Ein immer lauter anschwellendes Brummen ging von ihnen aus und bildete in seinen Ohren die Kakophonie tausender herumschwirrender Bienen. Mit einem Mal spürte er das Gewicht seines Gepäcks überdeutlich auf seinen Schultern und der Schmerz in seiner Bauchregion kam zurück, doch hielt er nur kurz an. Als sich der Mund des Altmers zu einem stummen Schrei öffnete, flutete ein greller Lichtblitz von den Kristallen aus über den Konvoi hinweg und es war Tarrior so, als zerreiße das Licht seinen Körper. Für wenige Augenblicke durchzuckte ihn das Empfinden von innen nach außen gestülpt zu werden und in winzigste Teile zu zerfallen. Im nächsten Moment drehten sich diese winzigsten Teile wie beim Mischen verschiedener Farben ineinander und es blieb ein Prickeln auf seiner Haut zurück, dass er noch bis in die Haarspitzen zu fühlen glaubte. Als der Dunmer die Augen aufschlug sah er Aschesand und spürte einen warmen Windhauch über sein Gesicht streifen.
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