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ᵵ Ghost Rider ᵵ
Westebene (Wildnis) -> Westebene (Isoliertes Haus)
Raccan befand sich wieder in seinem Dorf, genauer gesagt auf dem Hauptplatz. Alles war festlich geschmückt, es würde wohl wieder einmal ein Fest für Satakal stattfinden, an dem Raccan wie jedes Mal teilnehmen musste. Lust dazu hatte er keine, aber es musste sein. Komischerweise trug er weder Waffen noch andere Utensilien, ungewöhnlich für den Rothwardonen. Ein Blick in seine Umgebung verriet ihm ebenfalls, dass er komplett allein war. Das Dorf hatte nur im ersten Moment wie seine Heimat gewirkt; sicher, die Häuser fanden sich alle an der richtigen Stelle, der alte Baum etwas abseits auch. Aber ohne Bewohner wirkte dies alles so…fremd. Wie in Trance schlich Raccan durch den festgetretenen Wüstensand auf das Haus des Häuptlings zu und wagte einen Blick hinein. Der Thron war verwaist, dekoriert war es, aber niemand zu sehen. Verwirrt wiederholte der Assassinen dieses Prozedere bei weiteren Häusern, bis er schließlich vor dem seiner Schwester stand; ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er die Hand nach dem Vorhang ausstreckte, welcher vor dem Eingang der Lehmhütte hing. Seine Finger berührten den Stoff und schoben ihn zur Seite, aber vor ihm tat sich nur ein gähnender schwarzer Schlund auf. Zwei Schritte nach vorn später stand er inmitten dieser Finsternis, seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, aber im selben Moment wünschte er sich, blind zu sein. Direkt gegenüber des Eingangs, an der Stelle wo er bei seinem Aufwachen im Dorf im Bett gelegen hatte, stand Sahi; nein, eher hing sie an der Wand, festgenagelt von unzähligen Schwertern, welche bis zum Heft in ihren Körper gerammt waren. Der sandige Boden hatte sich tiefrot verfärbt und zeigte ein skurriles Muster aus rotem Schlamm. Die Kehle seiner Schwester war durchgeschnitten und ihr Kopf hing kraftlos schräg nach vorne herunter, wobei sich ihre langen Haare im Blut an den Stichwunden verklebt hatten. Starr vor Angst konnte sich Raccan nicht rühren, er spürte ein Zittern in sich aufkommen; ein Zittern, welches er sich nicht fähig sah es zu kontrollieren. Mühsam zwang er sich einen Schritt auf den bestialisch zugerichteten Leichnam von Sahi zu, dabei streckte er langsam den Arm nach ihrem Kopf aus. Noch einen Schritt tat er vorwärts, Raccan fühlte sich als würde er durch Treibsand waten und mit jeder Bewegung tiefer sinken. Einen Meter vor seiner Schwester entfernt wurde die Last an seinen Füßen so schwer, dass er stehenblieb und nach unten blickte. Schlangen. Überall um seine Füße krochen Schlangen. Schlangen mit Fingern auf dem ganzen Körper. Der Rothwardon wollte einen Laut der Überraschung ausstoßen, aber er war stumm und brachte keinen Ton heraus. Hastig warf er den Kopf herum, der ganze Raum war mit diesen seltsamen Viechern überfüllt. Wieder schaute er auf die leblose Sahi, und gerade als er ihren Kopf berühren wollte, zuckte dieser hoch und leere, blutige Augenhöhlen starrten ihn an. Ein diabolisches Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht seiner Schwester, aber diese Abartigkeit hatte genau genommen nichts mehr mit seiner kleinen Schwester zu tun. „Na wen haben wir denn da…“, ertönte eine rauchige Stimme, als der Kiefer der an die Wand Genagelten hoch und runter klappte. Kurz darauf spürte Raccan ein Stechen am Hals, der Raum verschwamm und wurde strahlend weiß…
Als Raccan die Augen aufschlug, stand ein unrasierter und schmutziger Kaiserlicher in einer zerschlissenen Lederrüstung über ihm und hielt die Spitze seines schartigen Langschwerts auf die Kehle des Rothwardonen. Offensichtlich handelte es sich um einen Banditen, denn als der Assassine sich bemühte, einen klaren Blick für die Gesamtsituation zu bekommen, erkannte er am Rande seines Blickfelds weitere Gestalten und hörte auch Schritte und Geklapper. Zunächst aber konnte er sich darauf nicht konzentrieren, denn noch immer hatte er das Bild von Sahi vor seinem inneren Auge; wie sie aufgespießt an der Wand hing, blutüberströmt, tot. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und das lag nicht an der Klinge an seinem Hals. Er musste wohl die Sache mit dem Khajiit irgendwie mit seiner Art Heimweh vermischt haben, aber trotzdem, so einen extremen Albtraum hatte er lange nicht mehr gehabt. Der schmierige Kerl riss Raccan schließlich aus seinen Gedanken.
„Hey, ich hab dich was gefragt…“, blaffte der Bandit und drückte zur Verdeutlichung seiner Worte das Schwert ein paar Millimeter Richtung Hals. Raccan fixierte ihn mit den Augen und zwang sich, dem Mann zuzuhören, dabei blickte er fragend drein.
„Sprichst du unsere Sprache nicht, oder bist du blöd? Ich hab dich gefragt wo du herkommst, nach deinem Aussehen zu urteilen aus einer Gegend ohne Bäume und Schatten…“, und der Kaiserliche lachte dumpf über seinen eigenen Witz. Aha, ein Rassist, das wird ja immer besser.
„Hammerfell“, antwortete Raccan kurz angebunden und warf einen Blick zur Seite. Gerade durchwühlte ein Ork seine Taschen, warf dabei die für ihn wertlos erscheinenden Gegenstände achtlos auf den Boden. Ab und an hörte man Glas klirren, und der Rothwardon musste sich beherrschen, nichts zu sagen, denn diese Achtlosigkeit traf ihn gerade wirklich. Aber sich groß darüber Gedanken zu machen schaffte er nicht, denn der augenscheinliche Anführer suchte wieder Raccans Aufmerksamkeit.
„Dein Pferd war schlauer als du und ist getürmt, aber das überrascht mich nicht, du scheinst ja nicht sonderlich helle zu sein. Ohne Nachtwache in der Wildnis zu schlafen. Was ist das, Ko’Luk?“, und die Frage ging anscheinend an den Ork, denn er hörte auf zu suchen und blickte zu ihnen herüber.
„Ähhhh….“, hörte man nur und er blickte ahnungslos drein.
„Dämlich ist das, Ko’Luk…dämlich. Wie du. Hast du was gefunden?“.
„Nichts, Chef. Nur wertlose Sachen hat er dabei. Keine Septime.“.
„Ohoh, das sieht nicht gut für dich aus, Rothwardon…“, und ein fieses Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Kaiserlichen. Gerade als sich Raccan Gedanken darüber machte, wie er sich aus dieser Situation hätte retten können, wurde dieses Vorhaben im wahrsten Sinne des Wortes zerschlagen; denn in diesem Moment traf ihn die gepanzerte Faust des Orks direkt an der Schläfe. Raccan flog förmlich zurück und knallte hart auf dem Boden auf, ein ohrenbetäubender Kopfschmerz breitete sich in seinem Schädel aus. Der Kaiserliche sprach wieder, aber es klang sehr weit weg, wie als würde dieser Lump in einer Höhle aus großer Entfernung mit ihm reden. „Oh, Ko’Luk scheint dich ja sehr gern zu haben…“, und das Lachen des Banditen ging in dem tobenden Schmerz unter, der sich in Raccans Brust- und Magengegend ausbreitete, als der Ork anfing ihn mit Tritten zu malträtieren. Unter anderen Umständen hätte er diese Grünhaut ihre Grenzen aufgezeigt, aber nun war er so hilflos wie ein neugeborenes Baby, und so dauerte es nicht lang und er verlor das Bewusstsein…
Dunkelheit. Schmerzen. Ein dröhnendes Rauschen. Wie in Trance nahm er die Worte des Banditen wahr. Vergiss den Kerl, der ist fertig. Hat er wirklich nichts dabei? Verdammter Nomade. Klirrende und berstende Fläschchen, Stimmengewirr, ein metallischer Geschmack im Mund. Raccan versuchte sich zu bewegen, aber es tat sich nichts, zu groß das Gewicht seiner Gliedmaßen. War vielleicht besser, sie hielten ihn für tot. Wieder traf ihn ein Stiefel in der Magengegend, stechender Schmerz, aber er reagierte nicht. Lass es, spar deine Kräfte für das nächste Lager. Stille. Ewig lange Stille. Zeit vergeht. Und wieder wird er getroffen, diesmal am Kopf. Wie eine schwere Puppe rutscht er auf dem Boden herum. Dummer Mensch. Der Ork. Schritte entfernen sich. Stille...lähmender Schmerz…dann endlich…erlösende Bewusstlosigkeit…
Raccan wusste nicht, wie lange er hier gelegen hatte. Es konnten nur wenige Minuten gewesen sein (so fühlte er sich), oder aber auch mehrere Tage. Jeder Knochen im Leib schmerzte ihn als er sich versuchte zu bewegen, selbst die Augen zu öffnen kostete ihn eine Menge Energie. Sein linkes Auge bekam er so gut wie gar nicht geöffnet, und das Andere lieferte zunächst nur ein verschwommenes Bild seiner Umgebung. Ein Grasbüschel befand sich genau vor seinem Gesicht, einige Grashalme waren mit getrocknetem Blut bedeckt, mit großer Wahrscheinlichkeit stammte es von ihm, und er lag auf dem Bauch. Er versuchte die Hände zu bewegen, die Arme, sich irgendwie aufzurappeln, aber zuerst meldete sich nur der schon fast allgegenwärtige Schmerz in stechender Form in den Muskeln; sie fühlten sich wie Fremdkörper an, und nur unter größter Anstrengung gelang es Raccan, seine Hände neben seinen Kopf zu legen und in sein Blickfeld zu schieben. Er hatte Durst; unendlichen Durst. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel und leistete ihren Beitrag dazu. Nun komm schon…, sprach sich der Rothwardon in Gedanken Mut zu, denn um es laut auszusprechen fehlte ihm die Kraft.
Zwischen dieser Ermutigung und seinem anschließenden Hochstemmen lagen einige Minuten, denn es brauchte ein wenig, bis das Vorhaben von seinem Körper und Willen in die Tat umgesetzt wurde. Auf allen Vieren und zu Boden blickend schmerzte jeder Atemzug, der Geschmack von Blut im Mund fiel ihm erst jetzt auf; Ausspucken ging jedoch nicht, denn dazu hätte Speichel vorhanden sein müssen. Egal was Raccan tat, ob er seinen Kopf drehte oder sich gar nicht bewegte, er spürte jeden Muskel, und das nicht auf die gute Art. Schwerfällig blickte er auf und sich um, und was er sah, überraschte ihn zwar nicht, schockiert war er dennoch. Sein Lager sah aus als wär es von einer Schar Pferde überrannt worden. Zerbrochenes Glas, durcheinandergeworfenes Gepäck, seine Waffen und Kleidung lagen kreuz und quer verstreut, die Feuerstelle war zerstört worden. „Ihr Hunde, das werdet ihr mir büßen…“, fluchte er vor sich hin, aber sogleich verstummte er und griff sich an den Hals, das Sprechen bereitete ihm Probleme. Nüchtern betrachtet konnte er froh sein, den Angriff überlebt zu haben, anscheinend waren dieser Kerle zu blöd gewesen um zu erkennen dass er noch lebte, allerdings fühlte sich Raccan im Moment wirklich zum Sterben bereit. Aber erst einmal musste er etwas trinken, und so kroch er durch die Scherben und seinen verteilten Habseligkeiten Richtung des kleinen Sees. Hier angekommen wollte er natürlich sogleich das Wasser zu sich nehmen, aber kurz vor der Wasseroberfläche hielt er inne. Bei Satakal, er sah beinahe noch schlimmer aus als er sich fühlte, und das durfte bereits als Wunder bezeichnet werden. Sein linkes Auge war beinahe komplett zugeschwollen, sein Gesicht mit Schrammen und Blut übersät, die Unterlippe aufgeplatzt, an der linken Schläfe klaffte eine große, offene Wunde. Das Bild musste Raccan erst verarbeiten, wer weiß wie er unter der Rüstung aussah, die Schmerzen ließen ein ähnliches Bild vermuten, aber darum machte sich der Assassine erst einmal keine Gedanken mehr, denn der Wunsch nach der Löschung seines Dursts war mittlerweile so fordernd, dass er nun nachgab, seine hohle Hand in das kühle Nass tauchte und trank. Unglaublich, wie schnell man seine Ansprüche herabsetzen konnte um für den Moment zufrieden zu sein. Kraftlos ließ er sich zu Boden sacken, der Weg von seiner „Ruhestelle“ bis zum Ufer hatte Raccan ausgezehrt. Erschöpft wandte er sich zu seinem Lager herum und besah sich die Szenerie genauer; seine Heiltränke, Extrakte und Gifte waren zerstört, achtlos auf den Boden geworfen, seine Sachen ebenfalls. Plötzlich weiteten sich seine Augen (oder zumindest das eine, welches noch intakt war), und er kroch panisch zu seiner offenen Gepäcktasche, um darin hektisch etwas zu suchen; vergessen war in diesem Moment der Schmerz seiner Gliedmaßen. Dann, endlich hatte er gefunden nach was er gesucht hatte; der Zeremoniendolch lag schwer in Raccans Händen, und erleichtert atmete er aus. Dann aber beäugte er das Relikt genauer. Warum hatten die Banditen es nicht mitgehen lassen? Wertvoll sah er doch aus? Verzierungen am knöchernen Griff, eine geschwungene scharfe Klinge, welche eine schillernde Stahl-Maserung aufwies. Der Rothwardon erkannte nicht, dass es sich für ihn zwar um einen wertvollen Gegenstand handelte, für Außenstehende jedoch dies nur ein billiges Messer mit sinnfreien Schnitzereien ohne jeglichen Nutzen war. Er drehte die Waffe zwischen den Fingern, legte sie aber dann zurück in die Tasche und besah sich abermals das Chaos. Raccan schwor zwar auf die grünliche Paste des Schamanen aus dem Dorf, aber für Notfälle hatte er immer ein paar Heiltränke im Gepäck. „Ja, die Betonung liegt auf hatte…“, presste er angestrengt hervor und musterte die zerstörten Phiolen auf dem Boden. Nach einer kurzen Suche fand er in einem nicht ganz zerstörten Fläschchen im Gras noch eine fast vollständig vorhandene Heiltinktur. Vorsichtig hob er sie auf und hielt sie, ob seiner Schmerzen in den Armen, gegen das Licht um eventuell vorhandene Glassplitter auszuschließen. Erkennen konnte er nichts, was aber ein Vorhandensein Selbiger nicht ausschloss. Vorsichtig nippte der Rothwardon an dem scharfkantigen Gefäß und flößte sich langsam das Gebräu ein. Merklich ließen die Schmerzen nach, und den kleinen Rest, der noch übrig war, verrieb er zwischen seinen Händen und benetzte damit sein linkes Auge und die Schläfe. Die Heilung setzte sofort, jedoch nur langsam ein, und Raccan nutzte die Zeit um sich noch einmal umzusehen, und da entdeckte er in einiger Entfernung sein Pferd stehen. „Schlaues Tier, rechtzeitig getürmt und nachdem alles vorbei ist, wieder zurückgekommen…“, murmelte er und betastete seine Brust um weitere Verletzungen auszuschließen, und dabei traf es ihn wie ein Donnerschlag. Er befingerte die Wurfmesser, blickte sich heftig (zumindest soweit es sein schmerzender Nacken erlaubte) nach seinem Bogen um, erfasste ihn mit den Augen; seine grünumrandeten Pupillen zuckten weiter über den Boden, fanden die Pfeile, suchten weiter, sahen den Kampfdolch. Angestrengt dachte er nach, riss den Kopf zu dem Pferd herum, an den Satteltaschen hingen die beiden Krummsäbel wie er sie immer mit sich führte; aber so langsam dämmerte Raccan, was ihm die Banditen geraubt hatten. Das Schwert fehlte. Das Schwert, dessen Halfter und Heft mit Schlangenhaut bespannt war. Das Schwert, welches von Sahi gesegnet worden war. Das Schwert, welches ihn auf seiner Reise beschützen sollte. Der Assassine fühlte sich von einem Moment auf den anderen völlig kraft- und hilflos, ließ die Hände zu Boden sinken und starrte in den Himmel. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, lief in die offene Wunde und brannte unangenehm; aber der Rothwardon registrierte dies kaum, sondern flüsterte wie im Delirium vor sich hin, mit weit aufgerissenen Augen weiter nach oben schauend. „Was soll ich nur tun….das Schwert, weg, verloren…Satakal wird mich richten, vielleicht jetzt, vielleicht dann, vielleicht auch morgen. So kann ich nicht zu meinem Dorf zurückkehren. Sahi wird…“, und nur mit Mühe unterdrückte er das Bild aus seinem Traum. Plötzlich wurden die Augen wieder klarer, die Leere wich aus seinem Blick. Nein. Jetzt komm wieder runter, Raccan. Weder wird dich noch ein schlangenförmiger Blitz aus dem Himmel treffen und hier auf der Stelle richten, noch wird dich der Stamm verstoßen weil du das Schwert verloren hast. Zumindest Zweiteres wird nicht eintreten, wenn du den Auftrag zu Ende führst, denn das kannst du, der Zeremoniendolch ist schließlich noch da. Außerdem stellt sich die Frage nicht, ich hol das Schwert zurück…koste es was es wolle….
Den Rest des Tages (er hatte am Mittag das Bewusstsein wiedererlangt, welcher Tag nach seiner Ankunft wusste Raccan jedoch nicht) verbrachte der Rothwardon damit, sein Lager und das Gepäck wieder einigermaßen herzurichten und seine Wunden zu versorgen. Die Verbände, die er mit sich führte, waren größtenteils schmutzig geworden und der Assassine konnte nur noch einen kleinen Teil davon verwenden. Auf dem Oberkörper hatte er viele Blutergüsse entdeckt, er vermutete, dass mindestens zwei Rippen gebrochen waren und auch stellte er fest, dass ihm die Banditen den Ayleiden-Splitter abgenommen hatten, den er Sahi schenken wollte. Bis auf den letzten Umstand befand er aber, dass das alles halb so schlimm war, denn Raccan war sich sicher, er würde den Splitter und auch das Schwert wiederbekommen, und auch die Wunden würden heilen…
Spät in der Nacht lag der Assassine auch schon wieder im Gebüsch und beobachtete das Haus, welches direkt vor ihm lag; entdeckt hatte er das etwas verwitterte Gebäude weiter im Westen mitten im Wald. Das Pferd stand mitsamt Gepäck etwas abseits, denn Ballast konnte er jetzt nicht gebrauchen, dazu war er noch zu angeschlagen. Mit ausdruckslosem Gesicht rieb er sich seinen Brustkorb, die ganze Zeit hatte ein kleiner Stein dort gelegen und unangenehm auf seine Rippen gedrückt, und er schob das Stück Granit genervt zur Seite und spähte wieder auf die Fenster des Hauses. Die meiste Zeit über sah man weder Licht noch sonst irgendein Lebenszeichen, jedoch könnte Raccan schwören, dass er ab und an eine Bewegung wahrnahm. Er war es zwar gewohnt, lange Zeit auszuharren und nur zu beobachten, aber nicht bei diesen Temperaturen, und nun wurde ihm kalt. Ach verdammt; bringt ja nichts, hier noch weiter auf der faulen Haut zu liegen. Und ich fühle mich so oder so gerädert, also los…. Leise ächzend erhob er sich und rückte seine Waffen zurecht. Säbel, Dolch, Wurfmesser, Bogen; alles vorhanden. Vorsichtig schlich er zu seinem Pferd und hing sich das Seil von dem Ausrüstungshaken um die Schulter. Den Enterhaken lass ich hier, der macht zu viel Lärm, entschied der Rothwardon und machte sich auf den Weg. Geduckt und darauf achtend, worauf er seine Füße setzte, bewegte er sich an die Rückseite des Hauses heran, wobei er ein paar Meter vor der Hauswand innehielt, denn hier gab es keine Deckung mehr in Form von Bäumen oder einem Gebüsch. Er legte den Kopf in den Nacken, um schon einmal nach einem Angriffspunkt für sein Seil Ausschau zu halten, und wie der Zufall es wollte, stand einer der Dachgiebel etwas über, und darunter befand sich ein Fenster. Wie für mich gemacht. Der Assassine legte sich auf den Boden und atmete einmal ob der Schmerzen tief ein und aus, dann setzte er sich Richtung Hauswand kriechend in Bewegung. Stück für Stück robbte er vorwärts, bis er die hölzerne Barriere endlich erreichte und sich langsam und betont leise wieder aufrichtete und sich orientierte. Raccan drückte sich mit dem Rücken an die Wand, direkt rechts von ihm befand sich ein Fenster. Ein wenig ging der Assassine wieder in die Knie und riskierte einen Blick an der unteren Fensterecke in das Haus hinein. Stühle, ein Tisch, Regale, ein großer Kleiderschrank, dazu eine sehr unbenutzt aussehende große Feuerstelle; dass hier jemand wohnte oder sich versteckte, schien unwahrscheinlich, jedoch nicht unmöglich. Angestrengt suchten die grünen Augen die Dunkelheit ab, aber Raccan konnte kein Anzeichen von Leben entdecken. Gerade als er nach seinem Seil greifen wollte, hielt er inne und fixierte den Fensterrahmen. Warum eigentlich nicht, es könnte ja sein dass…, und er legte seine Hände lautlos auf das Fenster und drückte vorsichtig. Es bewegte sich ein wenig, quietschte aber auch demensprechend Holz-auf-holz-mäßig. Verdammt, aber jetzt ist es auch egal, und mit ein wenig mehr Druck schwang das Fenster nach innen auf. Raccan verharrte in der Bewegung und lauschte, aber bis auf dem leisen rauschen des Windes und einem kleinen Luftzug, entstanden durch die Öffnung, bemerkte er nichts. Geschwind schwang er sich auf die Fensterbank und ließ sich lautlos wie ein Ninja drinnen auf dem Boden fallen, wo er sich abfederte und schnell daran machte, das Fenster wieder zu schließen. Erst jetzt konnte er den Raum genauer unter die Lupe nehmen. Die Stühle standen auf den Tischen, die Regale waren leer, die geschlossenen Schränke mit großer Wahrscheinlichkeit auch, und Feuer hatte die Kochstelle ebenfalls lange nicht gesehen. Alles deutete darauf hin, dass niemand mehr hier gewesen war, und das lange nicht. Alles? Fast, denn der mit einer dicken Staubschicht bedeckte Boden sprach eine andere Sprache; hier zeichneten sich Fußspuren ab, welche sich im Mondschein recht gut untersuchen ließen. Schwere Stiefel, jedoch schon mit einer dünnen Schicht überzogen, wahrscheinlich Banditen auf der Suche nach Beute. Normale, kleine Schuhe, höchstwahrscheinlich von Kindern, das sah nach Mutprobe aus. [I]Geh in das verlassene Haus, wer kennt das nicht.[/] Das Interessante an diesen Spuren war jedoch, dass es zwei Verschiedene gab; die einen waren ebenfalls alles andere als neu, die anderen aber sahen aus wie gerade eben erst entstanden. War die Bewegung hier im Haus, die er gesehen hatte, etwa ein Kind bei einer Mutprobe? Das würde die Sache verkomplizieren, denn Kinder würden nicht den Mund halten können. [I]Ein Rothwardon in voller Montur nachts in einem alten Haus, sehr unauffällig.[I] Mit den Augen verfolgte er die frische Spur, und ihm wurde bewusst, diese Fußspuren waren überall im Haus. Das sah nicht nach einer Bewährungsprobe aus, sondern schon beinahe wie wohnen. Würde er hier auf die Zuflucht eines Waisenkindes treffen? Das würde noch fehlen. Ein Zurück gab es jetzt aber wohl kaum, denn auch Raccan hatte hier seine Abdrücke im Staub hinterlassen, und so schlich er Richtung Treppe, denn hier entlang führte die Mehrzahl aller Spuren. Eine alte, knarzige Holztreppe, sehr schön. Das kannte man ja aus den Gute-Nacht-Geschichten; der Dieb/Mörder7Einbrecher verriet sich immer durch ein Knarren der Stufen beim Hinauflaufen. Aber hier wusste der Assassine Abhilfe, dies war nicht die erste hölzerne Treppe welche er zu bewältigen hatte. Vorsichtig setzte er einen Fuß ganz links auf die Erste Stufe, genau da wo das Trittbrett in der Wand verankert war, denn dies war die Stelle, welche am wenigstens Bewegung des Holzes zuließ. Ein sehr leises Knacken ertönte, aber sonst blieb alles ruhig, und der Rothwardon fühlte sich bestätigt. Über das Geräusch machte er sich keine Gedanken, es klang zwar laut, aber er wusste, bei hoher Konzentriertheit erschienen Geräusche oft lauter als sie eigentlich waren. Die nächste Stufe wurde betreten, diesmal gab es nicht den kleinsten Laut. Genau so musste das ablaufen. Die dritte bereitete etwas mehr Probleme, denn bei der kleinsten Belastung gab sie auch nahe der Wand enorm nach; Raccan überging sie kurzerhand, denn die Vierte war wieder in Ordnung. Mit dieser Vorgehensweise erreichte der Assassine schließlich das obere Ende der Treppe und fand sich in einem kleinen, rechteckigen Flur wieder, von dem 2 Türen nach links und rechts abgingen; zumindest sollte man das meinen, denn links die Tür stand neben dem dafür vorgesehenen Rahmen, herausgebrochen. Ein Blick zu Boden verriet: Die Spuren führten hier herein, und lautlos bewegte er sich auf den Durchgang zu und spähte hinein.
Der Raum war nicht groß und das Mobiliar in Form eines Bettes, Schranks und Tisches nicht herausragend auffällig, jedoch öffnete die Person, welche auf dem Schlafplatz lag, Raccan die Augen. Der Khajiit schlief offensichtlich ruhig und friedlich in dem Bett, auf dem Boden davor standen ein paar Schuhe, deren Größe eher zu einem Kind gepasst hätte. Soso, das erklärt einiges. Auf dem Nachttisch stand eine kleine Kerze, welche fast heruntergebrannt war, das Licht aber reichte noch aus für eine Identifizierung, schließlich wäre es gut möglich, dass der Khajiit hier ein einfacher Landstreicher war, der nur eine Zuflucht suchte. Langsam schlich Raccan in das Zimmer, stellte sich vor das Bett und kramte das Pergament für seinen Auftrag aus einer der unzähligen Taschen, aber dazu, es hervorzuziehen, kam er nicht mehr. Die Katze sprang auf einmal fauchend auf, versetzte dem überraschten Rothwardonen einen Stoß sodass dieser nach hinten taumelte und sich auf den Hosenboden setzte. Der Khajiit aber verschwendete keine Zeit, sprang aus dem Bett und rannte zur Tür. Raccan schüttelte den Kopf, um den Schock irgendwie los zu werden, die Katze würde er nicht mehr einholen; kurz darauf aber hörte er das Krachen von Holz, ein Poltern, der Assassine konnte sogar schwören, dass das Haus kurz erbebte. Dann gespenstische Stille, kein Laut war mehr zu hören. Er blieb sitzen und lauschte weiter, aber kein Geräusch drang an sein Gehör. War der Khajiit aus dem Haus geflohen? Hatte er gar den Eingang präpariert um seine Flucht zu sichern? Der Assassine rieb sich die Seite, seine Rippen schmerzten nach diesem neuerlichen Angriff noch mehr als zuvor, verdammte Katze, und ächzend stemmte er sich hoch und schlurfte mit schweren Schritten zur Tür. Ich hätte vorsichtiger sein müssen, seit dem Banditenüberfall bin ich nicht mehr ganz bei mir. Sobald ich meinen Auftrag erledigt habe, muss ich erst einmal wieder zu mir finden. Den Türrahmen hatte er erreicht und lugte um die Ecke. Nichts zu sehen, im Mondschein hätte der Rothwardon aber schwören können dass der Staub in der Luft dichter war als zuvor, und dieser Eindruck wurde bestätigt, als Raccan an die Treppe trat. Am Fuße der Treppe lag der Khajiit mit ausgebreiteten Armen und Beinen und dem Bauch nach unten auf dem Boden, ganz offensichtlich bewusstlos. Die ersten drei Stufen der Treppe waren eingebrochen, anscheinend haben sie dem Aufprall des flüchtenden Wesens nicht standgehalten. Das war doch die Stufe, welche ich vorhin übergangen habe, schoss es dem Rothwardonen durch den Kopf, als er sich langsam die Treppe hinab bewegte; die letzten fehlenden Stufen übersprang er und landete knapp neben dem Khajiiten auf dem Boden. Aus der knieenden Haltung richtete sich Raccan etwas mühsam auf, körperlich war mit ihm echt nicht mehr viel anzufangen. Mit dem Stiefel stupste er die am Boden liegende Katze an um zu überprüfen ob sie diesmal wirklich außer Gefecht gesetzt war. Nichts regte sich. „Na endlich…“, seufzte er leise und holte das Pergament hervor, hielt es ins Mondlicht und besah sich die Skizze. Am Auffälligsten waren definitiv das zerfetzte Ohr und die schwarze Fellfärbung im Gesicht; wieder kniete sich Raccan hin und zog den Kopf des Khajiits zurück um sein Gesicht zu betrachten. Das linke Ohr war ausgefranzt, die Nase schwarz, ein gleichfarbiger Punkt mitten auf der Stirn, gleich daneben eine Platzwunde von dem Aufprall gerade eben auf der Diele. Unglaublich; Raccan war am Ziel. Er hatte Hawa'ajala gefunden. Den Khajiit, der sein Dorf verraten hatte. Was genau er getan hatte war unwichtig, ihm stand es nicht zu, über die Notwendigkeit der Bestrafung zu diskutieren. Ja, mehr oder weniger war er ein Werkzeug, ein willenloses Werkzeug, dessen war sich der Assassine bewusst. Aber es war für einen guten Zweck, wenn er die Wahl hatte zwischen seiner Schwester und jeder anderen Person, er würde sich immer für Erstere entscheiden.
Gut, nun hatte er den Augenblick lange genug wirken lassen, nun galt es, erst einmal Ordnung zu schaffen. Raccan schnappte sich einen der Stühle von dem Tisch, stellte ihn vor die Feuerstelle und wuchtete mit Mühe den Khajiit darauf, der nicht einmal ansatzweise wieder zu sich kam; dann nahm er sich das Seil von der Schulter und fesselte seinen „Auftrag“ doppelt und dreifach an das Sitzmöbel. Nach der Betrachtung seines Werks zog ein Stofftuch aus der Hosentasche und stopfte es dem Khajiit in den Mund; er würde schon nicht ersticken, und wenn doch, war das auch nicht so schlimm. Das Ritual schrieb zwar eine Häutung bei lebendigem Leib vor, jedoch würde es Satakal schon nicht so eng sehen wenn er es nicht so genau damit nahm. Raccan fühlte sich mit neuer Kraft durchströmt und war voller Tatendrang, und so machte er sich auf der Suche nach einem Keller im Haus, denn er konnte es sich nicht leisten, wenn zufällig vorbeikommende Leute die Schreie hörten oder bei seinem Ritual hereinplatzten. Der Zugang war relativ schnell gefunden, befand sich direkt unter der Treppe doch gleich eine Tür in das untere Gewölbe, und bei genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass dieser Keller zwar nicht groß war, sich aber ideal für Raccans Vorhaben eignete. Ein kleiner quadratischer Raum, in welchem sich an der Wand und der Decke verschiedene Ösen befanden; ursprünglich sollte dies wohl als Vorratskeller für große Fleischstücke zum Aufhängen dienen, jetzt aber würde es sich hervorragend für das Ritual eignen. Als er wieder nach oben ging, war die Katze noch immer nicht zu sich gekommen, dabei war sich der Rothwardon sicher, eine halbe Ewigkeit im Keller verbracht zu haben. Aber sei’s drum, noch brauchte er den Khajiit nicht, er musste noch Dinge vorbereiten, und so verließ er das Haus durch das Fenster auf der Rückseite des Hauses und holte sein Pferd zu sich. Als er es hinter dem Haus an einem Stützbalken anband, dämmerte bereits der Morgen. „Das wird ein denkwürdiger Tag…“, seufzte Raccan etwas melancholisch und kletterte, nachdem er sein Gepäck durch das Fenster geworfen hatte, in das Haus zurück…
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