Draußen hatte es aufgehört mit Regnen und die Vögel kündigten den neuen Tag an, da erwachte Raccan; besser gesagt, er schlug die Augen auf, denn zu mehr war er im ersten Moment nicht in der Lage. Ein ohrenbetäubendes und dumpfes Hämmern gegen die Innenseite seines Schädels und den Ohren machte ihm deutlich, dass er in Zukunft die Finger von jeglicher Sorte Bieres hier in Cyrodiil lassen sollte. "Das ist doch alles nicht wahr...", ächzte er und vergrub den Kopf in dem Kissen. Kaum drehte er den Kopf Richtung Fenster, um wenigstens mal heraus zu schauen, meldete auch sofort sein Rücken erneuten Protest an, welcher die vorherige Nacht auf der weichen Unterlage schon nicht gut überstanden hatte und nun noch intensiver schmerzte. "Ich bin das reinste Wrack...", stammelte der Rothwardon und drückte sich schließlich, jeglichen Widerstand seines Körpers ignorierend, von der Matratze hoch und kam schwerfällig auf die Beine. Der ganze Raum drehte sich, schwankte wie ein Schiff bei Windstärke zwölf, und hätte sich Raccan nicht den Bettpfosten gegriffen, er wäre wohl sogleich in den Kleiderschrank getaumelt. So aber rieb er sich mit der freien Hand die Stirn und schloss die Augen, einen Moment lang wollten die farbigen Punkte und das Schwindelgefühl nicht verschwinden, dann aber schien sich sein Organismus an die aufrechte Haltung gewöhnt zu haben, und die Gleichgewichtsstörung verschwand. Erst verweilte der Assassine noch in der Pose, in Erwartung dass das Gefühl überfallartig zurückkehrte; dann aber streckte er sich ausgiebig, was durch ein lautes Knacken der Gelenke und des Rückens quittiert wurde. "Ich komm mir vor wie Koliux...", murmelte er und meinte damit einen alten Hohepriester seines Stammes, von dem niemand so genau wusste, wie alt er genau war; aussehen tat er jedoch wie eine ausgetrocknete Baumrinde und auch seine Antworten und Aussagen ließen vermuten, dass sein Hirn wohl denselben Zustand besaß.
Auf ein Frühstück verzichtete Raccan, und er war sich auch gar nicht mehr sicher, was er zu der Bretonin noch gesagt hatte. Tatsächlich hatte er keine Ahnung, dass er überhaupt schon aufgebrochen war, und erst hier auf dem Weg Richtung Bravil, an der kühlen, vom nächtlichen Unwetter erfrischten Morgenluft auf seinem Pferd wurde er allmählig klar und das taube Gefühl in seinem Kopf verschwand. Schweigend ritt er dahin und betrachtete abwesend die Ohren des Pferdes, welche sich in unregelmäßigen Abständen in alle möglichen Richtungen drehten, wie als würde das Tier jeden Moment mit einer Gefahr rechnen. Erst jetzt wurde Raccan bewusst, dass er bis jetzt großes Glück gehabt hatte. Die letzte Begegnung mit Banditen hatte er in Hammerfell; seitdem hatte er bis auf Probleme mit einem betrunkenen Seemann und der Umgehung von ein paar Wegelagerern keinerlei Probleme auf den Straßen Cyrodiils gehabt. "Vielleicht gibt es hier nicht so viele Banditen, oder die Wache ist präsenter...", aber wie um ihn Lügen zu strafen, kam kurze Zeit später eine kleine Gruppe Männer in Sicht, daneben ein Pferd. Es handelte sich um drei Personen, alle mit Rüstungen bekleidet, welche er schon am Grenzübergang an den kaiserlichen Wachen gesehen hatte. Zwei von ihnen trugen einen Bogen, der dritte Schwert und Schild, ihm gehörte wohl auch das Reittier, denn er hielt es an den Zügeln fest. Zu ihren Füßen lagen zwei Gestalten, offensichtlich tot, was die 'Verzierung' mit einer nicht zählbaren Anzahl an Pfeilen vermuten ließ. Als Raccan näherkam, merkte einer der Bogenschützen auf und stellte sich in den Weg, sodass der Rothwardon anhielt.
"Heda, wohin des Weges?".
"Nur auf der Durchreise nach Bravil", meinte Raccan kooperativ, auf Ärger mit der Wache war er nicht aus, schließlich musste er sich auch beeilen, wer weiß, vielleicht hatte der Khajiit schon Lunte gerochen und war weiter geflüchtet.
Die Wache blickte sich leicht hektisch um, für Raccans Geschmack war der Mann etwas zu nervös. Die Wächter tauschten Blicke aus, und dann wurde er durch gewunken. Mit einem Nicken bedankte sich der Rothwardon, und nachdem er sich nach zirka hundert Metern nochmals umdrehte, waren die Männer und die Leichen wie vom Erdboden verschwunden. Ihn beschlich ein Gefühl, als ob das gerade eben keine Wachen gewesen waren, sondern vielmehr die toten Körper am Boden, aber das Ganze ging ihn ja nichts an, er spielte hier nicht den Agenten vom Dienst.
Auf dem ganzen restlichen Weg, welcher durch dichten Wald und an einigen Herbergen vorbei führte, ließ Raccan seine Gedanken schweifen; anders als vermutet drehten sich diese jedoch nicht um die Situation mit den Wachen, sondern um einen Namen für sein Pferd, welches er von Sahi für seine Reise bekam. Und sogleich dachte er auch wieder an seine Schwester, welche nun wahrscheinlich in ihrem Dorf saß und sehnsüchtig auf eine Nachricht von ihrem Bruder wartete. Nur diese bekam sie nicht, weil ihr Bruder immer wieder andere Ausreden fand, es zu verschieben. Er musste sich zusammenreißen; auch für ihre Sicherheit war es von größter Wichtigkeit, dass er sich meldete. Die Zeit ohne Nachricht, als er sein Gedächtnis verloren hatte, führte fast dazu, dass sie ihren Status im Dorf einbüßte, denn jeder rechnete mit dem Tod von Raccan. Also durfte er es diesmal nicht so lang schleifen lassen, daher nahm er sich nun wirklich vor, am heutigen Abend ihr eine Nachricht zu verfassen. Aber bis dahin sollte noch eine Menge 'Arbeit' auf den Assassinen zukommen.

Bravil stellte wirklich genau das dar, was man auf den Straßen, von Geschwätz, in Büchern und von den Leuten immer und immer wieder erfuhr: Diese Stadt war ein Dreckloch, das sah man ihr schon von Außen an. Die Stadtmauern waren verwittert und schmutzig, die hölzerne, morsch wirkende Brücke zum schäbigen Stadttor sah ebenfalls alles andere als einladend aus, und abseits des Weges lagen hier und da achtlos weggeworfene Trümmer und Müll herum; und auch den kurzen Blick, den Raccan durch das Stadttor in das Innere werfen konnte, stimmte ihn nicht optimistischer, auch wenn mittlerweile die Sonne hoch am klaren Himmel stand und ihr Bestes tat, um Bravil irgendwie einladend zu gestalten. Einzig das aus Brettern sorgsam gebaute Haus mitsamt großen stabilen Zaun vor der Brücke machte einen guten Eindruck, und so saß der Rothwardon von seinem Reittier ab und klopfte an die Tür. Eine Kaiserliche mittleren Alters öffnete ihm und bot ihm den Dienst einer Stallung an. Raccan zögerte; er musste an die Erzählungen der Leute denken. Schmuggler, Diebe, Banditen, quasi alle kriminelle Energie ballte sich in diesem Knotenpunkt, der den Namen Bravil trug. Die Frau, welche sich als Isabeau Bienne vorstellte, bemerkte die Unentschlossenheit des Mannes.
"Stimmt etwas nicht?", fragte sie zögerlich.
Raccan schaute nochmals Richtung Stadttor, dann wieder die Frau an. "Ist mein Pferd hier auch wirklich...sicher?".
Einen Moment lang schwieg Isabeau, dann nickte sie. "Ich zahle den Wachen Schutzgeld, darum traut sich niemand, mich oder die mir anvertrauten Tiere zu behelligen.". Sie sagte das, als ob es etwas ganz Normales wäre, für den Dienst der Diebstahlverschonung zu bezahlen, und das Erstaunen sah man dem Rothwardonen auch an. Die Kaiserliche aber fuhr fort, diesmal etwas leiser. "Ich würde auch keine wertvollen Gegenstände mit in die Stadt nehmen, die könntet ihr sehr schnell wieder los sein. Außerdem seht ihr sehr...sauber aus, ihr werdet auffallen. Eure Sachen könnt ihr bei mir lassen, wenn ihr möchtet, ich werde sie für euch verstecken...", meinte sie mit nettem Tonfall.
Sie klingt aufrichtig, ich denke ich kann ihr trauen. Und wenn nicht, ich werde mir meine Sachen wiederholen, so oder so. "Gut, einverstanden", nickte Raccan. Sein Pferd wurde in den Stall gebracht und seine Sachen verschwanden in einer Bodenluke, bei deren Öffnung der Assassine noch einige andere Gepäckstücke erspähen konnte. Die Frau lächelte verhalten.
"Ja, bevor ihr etwas sagt, ich bewahre auch für andere Reisende das Gepäck auf. Bei den Neun, bestimmt nicht für alle, aber für einen Bruchteil schon.".
"Ich danke euch. Einen Aufenthalt in einer Taverne oder Herberge in Bravil könnt ihr nicht empfehlen?".
Die Frau schüttelte den Kopf. "Nein, gar nicht. Da könnt ihr froh sein, den nächsten Tag zu erleben, gerade als Fremder ohne Kontakte und Schutz. Da ist es sicherer, wenn ihr im Wald übernachtet. Erledigt eure Angelegenheiten hier in Bravil am Besten so schnell wie irgend möglich.".
Genau das hatte sich Raccan schon gedacht, er hatte sowieso nicht vor, hier zu verweilen, diese Stadt stank schon von Weitem gegen den Wind, und das nicht nur sinnbildlich gesehen. Er verabschiedete sich von der Kaiserlichen und schritt auf das Stadttor zu. Dabei fragte er sich, was ihn dazu veranlasste, jeder nett wirkenden Person auf Anhieb zu vertrauen. Sicher, in Hammerfell tat er so etwas öfters, aber dort waren die Menschen auch...durchsichtiger...leichter durchschaubar...einfältig...nein. Sie waren schlicht und einfach nett. Raccan erkannte sofort, ob es jemand gut mir ihm meinte oder nicht. Es war einfach die Art der Leute in Hammerfell, die für ihn zu lesen war wie ein offenes Buch. Nur was sagte ihm jetzt, dass er auch hier so agieren konnte? Vielleicht waren die Bewohner Cyrodiils einfach nur schlitzohriger und er zu naiv? Wer sagt dass sie sich nicht alle gut verstellen konnten? Zu viele Vorhaben, zu wenig Aktion, denn er nahm sich schon wieder etwas vor, und zwar in Zukunft etwas skeptischer zu sein. Aber weiter kam er mit den gedanklichen Ausführungen nicht, denn am Tor wurde er erwartungsgemäß aufgehalten.
Der wenig sympathisch aussehende dickliche Wachmann stellte sich ihm in den Weg und ließ ein gelbes Grinsen sehen, sein Anhängsel (ein schmächtiger Kerl in Wachuniform) stand rechts hinter ihm Spalier. "Was willst du gestriegelter Hund denn in Bravil...", ließ der Fettwanst verlauten und musterte Raccan in seiner im Vergleich zur Umgebung sehr neu wirkenden Rüstung spöttisch von oben bis unten. Der Mundgeruch schlug dem Rothwardonen entgegen, aber er verzog keine Miene.
Die Kaiserliche erwähnte etwas von Korruption, kam ihm spontan der Geistesblitz. Ohne ein Wort zu sagen griff der Rothwardon in die Tasche, holte ein paar Münzen heraus und drückte sie dem Wachmann per Handschlag in die Hand, wie als ob er ihn gerade begrüßen würde. Es war riskant, wenn er sich irrte, dann würde er jetzt schneller in das Verließ wandern als er gucken könnte, aber seine Menschenkenntnis (auf die er sich eigentlich nicht mehr verlassen wollte, was er erst vor ein paar Sekunden sich selbst versprochen hatte) sagte ihm, dass er damit genau an der richtigen Adresse war; und genauso war es auch.
Der Mann schaute erst verdutzt, aber als er die Münzen fühlte, grinste er noch breiter als sowieso schon und lachte lauthals.
"Wir verstehen uns...willkommen in Bravil!", meinte er überschwänglich, schüttelte ruppig die Hand des Rothwardonen, ließ die Münzen verschwinden und trat zur Seite. Hinter sich hörte Raccan den Wächter noch zu seinem Kollegen sagen: "Siehst du, Ulf, so geht das. Autorität ist alles...", und wieder erklang das bellende Lachen.

Der Rothwardon stellte fest dass der äußere Eindruck der Stadt leider nicht täuschte, und das bedauerte er sehr, denn dieser Ort ließ seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Auch in Hammerfell fand man kaum befestigte Wege in den Städten, viel mehr war es festgetretener Sand, Ton und Dreck, was auch hier in Bravil der Fall war; jedoch kam ihm das Gesamtbild in seiner Heimat irgendwie…sauberer vor als dieses Mischmasch aus Matsch, Dreck, Müll und Pflanzenresten, dazu hier und da feuchte Stellen und der Geruch von Schimmel. Bedingt durch seine Lage und unzureichender Bausubstanz mochte sich Raccan lieber nicht vorstellen, wie es im Inneren des Mauerwerks oder gar in den Kellern der wahllos zusammengeschustert wirkenden Holzhäusern aussehen mochte. Die ersten Leute, die ihm bei seinen ersten Schritten durch die Stadt begegneten, waren ebenfalls alles andere als sympathisch und rundeten den ersten Gesamteindruck zu einer sehr eindeutigen Meinung ab. Der Assassine war sich sicher, wenn er nicht aufpasste, würde er heimlich, still und leise in irgendeinem dieser stinkenden Kanäle landen, wo niemand ihn auch nur ansatzweise vermissen würde; im Gegenteil, wahrscheinlich würde man seine Leiche noch nachträglich mit Steinen beschweren um quasi ‚aufzuräumen‘. An eben einem solchen Kanal stand er nun und schaute skeptisch in das schmuddelige Brackwasser. Die Holzstege an den Ufern des Kanals sahen verrottet aus und waren unaufgeräumt, mit kaputten Kisten übersäht, denen man ansah, dass sie wohl niemand mehr abholen würde. Hier und da hockte eine Gestalt auf dem Boden oder saß auf einem Holzstück; Argonier, Khajiit, aber auch menschliche Wesen, wobei die Tierrassen den Hauptanteil dieser Gestalten ausmachten. Einige waren verhältnismäßig gut angezogen, einige konnten über den einen Fetzen Stoff am Leib wohl froh sein. Raccan, der sich gebannt von soviel armer Atmosphäre nicht auf seinen Rücken konzentriert hatte, bemerkte so nun nicht den älteren, zahnlosen Mann, der hinter ihn getreten war und nun ein leises Kichern hören ließ. Der Rothwardon wurde aus seinen Gedanken gerissen und blickte den Anschleicher an. Die grauen langen Haare waren nur noch an der Seite des Kopfes vorhanden, das Gesicht des Bretonen war faltig, er sah mindestens aus wie hundert Jahre. Mit dem Stock in der Hand und der leicht gebückten Haltung sollte man meinen, er wirke gebrechlich und unbeweglich, aber irgendetwas an ihm strahlte Vitalität aus; vielleicht waren es seine grauen Augen, die unter den schweren Augenlidern den Assassinen wachsam musterten und etwas von dem alten Feuer und der Erfahrung verrieten, die in dem Greis noch schlummerten.
„Erschrocken über soviel Armut, Rothwardon?“, fragte der Bretone grinsend, aber in seiner Stimme schwang etwas Lauerndes mit.
„Ja, schon ein wenig…“, erwiderte Raccan knapp und nickte. Es trat eine kleine Pause ein, in welcher der Mann überlegen zu schien, was er von seinem Gegenüber halten sollte. Schließlich schlug er einen versöhnlichen Ton an.
„Wenigstens seid ihr ehrlich. Ihr kommt nicht von hier, Rothwardon, das sehe ich euch an. Hammerfell, richtig? Keine Stadt….die Wüste vielleicht?“, und Raccans überraschtes Gesicht quittierte der alte Mann mit einem weiteren hellen Kichern. „Betont einheimische, aber saubere Kleidung, eure Haut sieht ebenfalls sehr gleichmäßig aus als ob ihr ständig in der Sonne wärt, und euer Schwert da“, und er deutete auf das Langschwert mit dem schlangenhautbespannten Halfter am Gürtel des Rothwardonen, „sieht ebenfalls nicht von hier aus.“. Dieser Kerl ist schlau und weltgewandt, alle Achtung. Raccan versuchte betont lässig zu wirken, aber diese Durchsichtigkeit seinerseits gefiel ihm gar nicht, und das wusste der Bretone mit Sicherheit.
„Ihr seid gut…“, sagte Raccan und der alte Mann grinste noch breiter als ohnehin schon, „…und ihr kennt euch aus. Könnt ihr mir helfen? Ich bin auf der Suche nach jemanden…“. Das Grinsen des Bretonen gefror in seinem Gesicht, und der Tonfall wurde rauer.
„Natürlich seid ihr das. Warum sonst solltet ihr hunderte Meilen hierher zurücklegen, Assassine…“, und nun war es an Raccan, seine Gesichtszüge zu Eis erstarren zu lassen. „Nun zieht nicht so eine Fresse, glaubt ihr ich erkenne einen Meuchler nicht wenn ich ihn sehe? Alles an euch schreit nach Kaltblütigkeit, dazu eure Bewaffnung, damit werdet ihr wohl kaum Schmetterlinge jagen mit eurem Bogen und den Messern da, hab ich Recht?“. Raccan sagte nichts, das Gespräch wurde ihm immer unangenehmer; solange man ihm nichts nachweisen konnte, war er relativ sicher, aber zum einen würde, wenn diese Nachricht die Runde machte, es den Khajiit verschrecken, zum anderen konnte er sich nicht sicher sein wie diese korrupten Wachen auf einen Assassinen reagieren würden. Jetzt machte er sich tatsächlich Gedanken darum, wie er den Mann verschwinden lassen konnte, denn dieser war eine große Gefahr. In den Kanal schubsen? Ihn vergiften? Einfach grob abstechen und es wie einen Raub aussehen lassen? Die Möglichkeiten waren vielfältig in einer so von Armut durchzogenen Stadt, niemand würde diesen Greis da vermissen. Als sich Raccan jedoch bereits ausmalte, wie er es anstellen würde, prustete der Bretone plötzlich los und hielt sich krampfhaft an seinem Stock fest um nicht umzufallen.
„Ihr solltet euer Gesicht sehen, Rothwardone. Gerade malt ihr euch aus wie ihr mich loswerden könnt, weil ich zu viel weiß. Aha, ja, genau so ist es. Aber ich beruhige euch…“, und er blickte sich verschwörerisch um, und als er niemanden weiter sah, fügte er leise hinzu, „…denn ich gehorche der Mutter der Nacht.“. Raccan zeigte keine Reaktion, woraufhin der Bretone skeptisch nachhakte. „Ihr wisst von der Mutter der Nacht? Von Sithis?“. Noch immer zeigte Raccan keine Regung, aber in seinem Kopf arbeitete es. Sithis? Mutter der Nacht? Von was redete dieser Greis? Drehte er jetzt durch? Wieder dieser lauernde Blick des Alten. „Oder gehört ihr gar zur Morag Tong?“, und er musterte den Rothwardonen genauestens. Als dieser weiter schwieg, entspannte sich das Gesicht des Mannes. „Also ein freier Söldner, gut, dann habe ich nichts gegen euch…“, und die Stimme des Bretonen wurde freundlicher, „…im Gegenteil, ich glaube, wir könnten beide voneinander profitieren“, und ein verschlagenes Schmunzeln umspielte die spröden Lippen des Bretonen. Raccan unterdessen machte sich Gedanken, wovon der Mann vor ihm sprach. Morag Tong? War das nicht so eine Mördergilde? Wie hieß doch gleich diese inoffizielle Vereinigung in Hammerfell, von der jeder wusste, aber niemand sprach? Dunkler Bund, oder so ähnlich. Er hatte sich damit nie weiter beschäftigt, für ihn kamen Auftragsmorde gegen Geld nicht in Frage; dass er mit seinen Ritualmorden dabei auch keine bessere Moralvorstellung hatte, verdrängte der Assassine in die hinterste Ecke seines Kopfes, um sich wieder auf die jetzige Situation zu konzentrieren. Er durfte nun nichts Falsches sagen. Der Greis schien zu überlegen, ehe er fortfuhr. „Ihr sucht jemanden? Nun, dann habe ich einen heißen Tipp für euch. Unter der Hängebrücke, auf der Seite der Magiergilde, lungert öfters ein schwarzer Khajiit herum. Der weiß so einiges, man muss ihm nur manchmal etwas….auf die Sprünge helfen, ihr versteht? Holt euch eure Information und erledigt euren Auftrag. Und danach, wenn ihr frei seid, kommt bei mir vorbei, ich erwarte eine Gegenleistung für meine Hilfe…und ich rate euch, zu erscheinen, denn die Mutter der Nacht vergisst nie…“, und damit drehte sich der Bretone um und ließ den verdutzten Raccan zurück.
Was war hier eben geschehen? Bis eben dachte er, mit seinem Schweigen sei er auf der sicheren Seite. Nichts von sich preisgeben, das war ein guter Weg; in nichts einwilligen oder verwickeln lassen, der neutrale Pfad war immer noch am Besten. Aber dieser alte Mann war an Dreistigkeit nicht zu überbieten, und doch empfand der Assassine ein wenig Bewunderung für soviel Cleverness. Ohne Raccan auch nur den Hauch einer Chance zu lassen las dieser Bretone in ihm wie in einem Buch, versorgte ihn mit einer Information und nahm ihn damit in seine Pflicht. Aber was meinte er mit ‚die Mutter der Nacht vergisst nie‘? Vielleicht irgendeine religiöse Redensart? Er kannte immerhin nicht mal den Namen des Mannes, geschweige denn den Wohnort. Ob er diesen undurchsichtigen Greis je nochmal aufsuchen würde, das wusste Raccan selbst nicht; aber was konnte es schaden, dem Hinweis des Alten auf den Grund zu gehen?

Unter der Brücke sah es nicht viel anders aus als überall in Bravil. Morsche, kaputte Holzbretter, Schutt, Müll, Gestank, soweit das Auge und die Nase reichte. Hier und da saßen schmutzige Leute und Tierwesen auf Kisten, unterhielten sich oder vegetierten einsam und starr dreinblickend vor sich hin. Oh ja, das hier war kein Ort, an dem man sich gerne aufhielt; nur einer machte den Eindruck, als fühlte er sich hier pudelwohl. Der schwarze Khajiit unterhielt sich angeregt, fröhlich lachend und heiter mit ein paar übel dreinblickenden Kerlen, anscheinend erzählte er eine Geschichte, über die so gar niemand wirklich lachen konnte, aber man ließ ihn gewähren. Als Raccan hinzutrat, würdigte man ihn keines Blickes, und so hatte er Zeit zum studieren der Katze. Aus der Nähe wirkte der Khajiit nicht mehr heiter, sondern eher aufgedreht. Die Pupillen waren geweitet und er zappelte wild herum. Ganz klasse, eine Skoomakatze…, seufzte der Rothwardon gedanklich auf und verschränkte die Arme. Plötzlich blickte der Khajiit auf und Raccan direkt an, und mit einem Mal schien es, als ob jegliche Drogen aus der Blutbahn des Tieres gewichen waren. Angst schlich sich in die nun klaren Augen des Informanten, er war starr vor Schreck und hatte die Geschichte mitten im Satz abgebrochen; und gerade, als sich Raccan fragte, was denn nun schon wieder los sei, fuhr der Khajiit herum, machte einen großen Satz über einen sitzenden Ork hinweg und rannte hektisch davon. Was zum…, Raccan war zunächst zu überrascht, um zu reagieren, dann jedoch setzte er der Katze nach; er war flink, das musste man ihm lassen. Hektisch und sichtlich panisch rannte der Khajiit den Weg, den Raccan gekommen war und der zur Straße führte, hinauf. Der Rothwardon folgte ihm, und oben angekommen sah er gerade noch, wie der Flüchtende von einem Hausdach herunterblickte und dann verschwand. „Wie hat er das…“, fluchte Raccan, überlegte aber nicht groß, sondern tat es dem Khajiit gleich. Das hölzerne Haus bot zum Glück genug Querbalken und Vorsprünge, sodass der Assassine es schnell erklommen hatte; im Vergleich zu den Klettereien in der Wüste an Felswänden hinauf war diese Holzwand mehr oder weniger eine Leiter, und so schwang er sich innerhalb weniger Sekunden auf das Dach und blickte sich um. In etwa vierzig Metern Entfernung sprang der Khajiit von Dach zu Dach und hatte schon einen ordentlichen Vorsprung. Er würde entkommen, Raccan musste alles auf eine Karte setzen, und so nahm er in einer fließenden Bewegung den Bigen vom Rücken, sicherte seinen Stand, legte einen Pfeil in die Sehne, spannte den Bogen und zielte auf den Khajiit. Dieser hatte sich gerade umgedreht und der Schreck war der Katze deutlich anzusehen als sie realisierte, was Raccan vorhatte, und daraufhin rannte sie auf die nächstbeste Dachkante zu. Der Pfeil sauste los, und kurz darauf war er samt Khajiit vom Dach verschwunden. Raccan fluchte, er war sich sicher, verfehlt zu haben; er lief und sprang nun seinerseits über die Dächer auf die Stelle zu, an der sein Geschoß und seine ‚Beute‘ verschwunden waren, im Laufen verstaute er seinen Bogen wieder auf dem Rücken. An der Kante angekommen blieb er stehen und blickte hinunter. Eine schmale Seitengasse bot sich ihm dar, nicht zu hoch zum springen; von dem Khajiit keine Spur. „Verdammt…“, stieß er hervor und ließ sich langsam in die Seitengasse hinunter. Es war etwas düster, aber nicht zu dunkel um die Blutspur auf dem Boden zu erkennen. Die Miene des Rothwardonen hellte etwas auf, also hatte er doch getroffen. Mit den Augen folgte er der Spur, die hinter eine große Kiste führte. Langsam erhob er sich und schlich auf den hölzernen Würfel zu, einen Schritt vor den anderen setzend, und schaute schließlich, was sich dahinter verbarg.
Die Klinge des Dolches schoss genau auf sein linkes Auge zu, und nur seiner blitzschnellen Reaktion war es zu verdanken, dass er ohne eine Schramme davonkam. Der Khajiit hatte hinter der Kiste gelauert und ihn, kaum dass Raccans Kopf sichtbar wurde, mit dem Dolch zugestoßen. Der Assassine warf sich zurück, als das pelzige Wesen nochmal zustieß und sich dabei mit einer Hand an der Kiste festhielt um aufrecht zu stehen; Raccan Pfeil steckte im Fuß des Informanten und Blut floss in kleinen Rinnsalen auf den Boden. Als der Flüchtende nun ein drittes Mal zustieß, hatte sich der Rothwardon wieder gefangen, packte das Handgelenk des Khajiit und verdrehte es mit einem Ruck, sodass es laut knackte und der Dolch klirrend zu Boden fiel. Ein lauter Schrei ertönte, und sein Opfer machte Anstalten einzuknicken, aber der Assassine war schneller. Noch immer das Handgelenk festhaltend, warf er den Informanten herum, drückte ihn rücklings gegen die nahe hölzerne Hauswand und knallte die Pfote ebenfalls daran. Mit der freien Hand zückte er eines der Wurfmesser und rammte es dem Khajiit bis zum Heft mitten durch die Hand, sodass diese nun an die Wand genagelt war; ebenso verfuhr er mit der anderen Seite, und beide Mal jaulte der Khajiit laut auf. Danach trat Raccan zurück und schnaufte erst einmal durch, aber nur um dem Gekreuzigten an der Hauswand ansatzlos mit der linken Faust einmal kräftig gegen den Kiefer zu schlagen, sodass diese hör- und fühlbar brach und der Khajiit Blut spuckte. So verharrte Raccan vor dem Khajiiten, und auch von Diesem war erst einmal außer ein schmerzerfülltes Wimmern und gurgelnde Geräusche nichts zu hören. Gerade wollte der Assassine das Wort an sein Opfer richten, als er von der Seite angesprochen wurde.
„Hey, ihr da, was tut ihr da?“, und ein Wachmann trat von der Straße in die Gasse. Verdammte Scheiße, das darf doch nicht wahr sein. Aber was habe ich mir eingebildet, unbemerkt auf Dächer klettern und dann noch darauf hoffen, dass die Schreie des Khajiiten niemand hört? Träum weiter. Er war nun in der Zwickmühle, aber auch jetzt meldete sich sein Geistesblitz. Schnell griff er in die Tasche und erfühlte seinen Beutel voller Septime. Viel war nicht mehr darin, und es war sein letztes Geld, aber er hatte keine Wahl. Er zog den Beutel hervor, zeigte ihn kurz und warf ihn dann der Wache zu. Bitte, Bitte, Satakal, wenn es dich wirklich gibt, wäre das jetzt ein guter Zeitpunkt deine Gunst zu zeigen….
Der Wächter war sichtlich überrascht, fing den Beutel aber und blickte hinein. Dann schaute er auf, besah sich die Szene und grinste. „Fünf Minuten…“, krächzte er, betont gleichgültig wirkend, drehte sich um und platzierte sich mit verschränkten Armen vor der Gasse, um neugierige Passanten abzuhalten. Der Khajiit hatte die Szene mit hoffnungsvollen Augen verfolgt, aber als sich die Wache abwandte, schüttelte er hektisch den Kopf, aber dies stimmte die Wache natürlich nicht um. Raccan wandte sich wieder an den Khajiiten. „Fünf Minuten würden reichen, um dich zehn Mal zu massakrieren, also sagst du mir lieber, was ich wissen will, du weißt doch sicher, wer ich bin…“.
Der Khajiit machte keine Anstalten zu antworten, nicht einmal ein Nicken oder Kopfschütteln gab es; Raccan spürte, wie die Wut in ihm wuchs, auf diese Spielchen hatte er keine Lust, und seine Zeit war ebenfalls begrenzt. Er hob den Dolch des Khajiiten vom Boden auf und schaute sein Opfer nochmals fragend an. „Kennst du mich, ja oder nein?“.
Als immer noch keine Antwort kam, packte einen der pelzigen Finger die kraftlos herunterhingen, setzte die Klinge an und schnitt ihn mit einer kräftigen ab. Wieder jaulte der Khajiit auf, die restlichen Krallen verkrampften sich, aber der Rothwardon hatte schon den nächsten Finger in der Hand und zog den Dolch auch hier gnadenlos durch. Achtlos, wie Müll, ließ er beide Extremitäten vor den Khajiit auf den Boden fallen und stellte sich mit fragendem Blick davor hin. Der Khajiit schnieft und wimmerte, daraufhin zuckte der Assassine mit den Schultern und packte den dritten Finger.
„Nein!!!“, jaulte der Informant auf als Raccan den Dolch ansetzte, und daraufhin verharrte der Rothwardon in der Bewegung und wartete regungslos. Nach einer kleinen Pause keuchte der Khajiit, leicht nuschelnd durch den gebrochenen Kiefer: „Ja, ich weiß es. Hawa'ajala sagte mir, dass ihr ihn suchen würdet.“. Die Katze spuckte Blut und betrachtete einen Moment lang ihre Finger auf dem Boden. „Aber er soll zu Dagon fahren, für ihn geh ich nicht drauf.“.
Raccan wunderte sich über die akzentfreie Sprache (abgesehen von der immagniären heißen Kartoffel im Mund), aber das war nun nebensächlich. Ohne den Dolch vom Finger zu nehmen fragte er mit monotoner Stimme: „Wo ist er?“.
Der Khajiit blickte auf und drehte den Kopf zu Raccan. „Im Westen befindet sich eine einsame Hütte im Wald. Weiß kaum einer davon. Da wollte er hin. Wer weiß ob er es geschafft hat, vielleicht haben ihn auch schon die Wölfe zerfleischt…ihr werdet büßen, Rothwardone…“, zischte das Katzenwesen und spuckte Raccan Blut ins Gesicht.
Dieser aber nahm den Dolch vom Finger, trat einen Schritt zurück und lächelte, während er sich mit der Hand das Blut aus dem Gesicht wischte. „Wenn du mich angelogen hast, schneide ich dir das nächste Mal etwas anderes ab…“, und kurz unter der empfindlichsten Stelle rammte er die Waffe zwischen die Beine des Informanten ins Holz. Dieser hatte aus Reflex aufgeschrien und blickte nun nach unten; so sah er nicht die Rechte des Rothwardonen heranfliegen, die den Khajiit an der Schläfe traf und ihn ausknockte.

Nun war es still in der Gasse, und Raccan schnaufte kurz durch. Dies war unschön gewesen, aber nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen würde. Abgeklärt und fast geschäftsmäßig zog er die Wurfmesser aus der Wand und der Khajiit fiel wie ein nasser Sack zu Boden, danach riss er ohne Umschweife den Pfeil aus dem Fuß und verstaute alles. Der Informant blutete stark, aber nicht so dass er sterben würde, und so wandte sich Raccan zum Gassenausgang, ging wortlos an dem Wächter vorbei und ignorierte gekonnt die Blicke der Passanten, als er sich auf das Stadttor zubewegte. Auf dem Weg zu den Stallungen hing er seinen Gedanken nach. Der Khajiit war wirklich verdächtig schnell eingeknickt, es lag nahe dass es sich hierbei um eine Finte gehandelt hatte. Andererseits wirkte die Katze sehr geschockt von Raccans direktem Handeln ohne großes Zögern, und zugegebenermaßen war er selbst ein wenig überrascht von sich. Im Grunde hatte er nicht vor gehabt, ihn so zu verstümmeln, aber nach dem Dolchangriff war er in einen altbewährten Automatismus verfallen; stolz war er auf diese Fähigkeit, emotionslos und ‚spontan-kreativ‘ sein Opfer zu foltern, nicht, aber sie hatte ihm in vielen Situationen schon weitergeholfen.
Bei den Stallungen angekommen (die Wache hatte ihn ohne Zwischenfälle das Stadttor passieren lassen, freuten sich beide doch immer noch über sein Bestechungsgeld) öffnete Isabeau auf Raccans Klopfen, aber ihr freudiges Gesicht verzog sich zur Grimasse als sie den Rothwardonen erblickte, alles Blut hatte er wohl nicht abwischen können. „Was habt ihr getan…“, fragte sie halblaut und ging einen Schritt zurück, etwas Angst schwang in ihrer Stimme mit.
„Nichts, was der Rede wert ist. Er lebt noch, falls das eure nächste Frage gewesen wäre. Ich will meine Sachen und das Pferd holen“, erwiderte der Assassine mit monotoner Stimme, und daraufhin holte die Frau hektisch seine Sachen aus der Bodenluke und drücke sie ihm in die Hand, anscheinend konnte sie es gar nicht erwarten, den blutverschmierten Rothwardonen loszuwerden, und Raccan verübelte es ihr nicht. Knapp verabschiedete er sich, dankte für die Gastfreundschaft und sattelte draußen geschwind sein Pferd, um danach sogleich aufzusitzen und Bravil Richtung Westen zu verlassen. Kurze Zeit später saß er wieder ab, schaute sich um ob ihm jemand folgte, und schlug sich dann, als er niemanden sehen konnte, in die Büsche…

Am Abend saß Raccan am Ufer eines kleinen Sees und hatte hier sein Lager aufgeschlagen. Den ganzen Tag war er durch den Wald gelaufen, aber er war nur schwer vorangekommen; hier lag ein großer Baumstamm im Weg, dort war das Gebüsch zu dicht, an wieder anderer Stelle versperrte eine Barriere aus Felsen den Weg die er umgehen musste. An vielen verwitterten Ruinenresten war er vorbeigekommen, Tiere hatte er gesehen (aber keine Aggressiven) und sich bei dieser Gelegenheit einen genießbar aussehenden Vogel geschossen, der nun über dem kleinen Feuer hing und einen leckeren Geruch verbreitete. An sich war das Lagerfeuer nicht nötig, denn unweit des Sees befand sich eine dieser seltsamen magischen Energiequellen, die der Rothwardon schon an dem Weg nach Bravil gesehen hatte, aber auch jetzt hielt er gehörigen Sicherheitsabstand, er traute dieser Quelle immer noch nicht so ganz und warf ab und an einen argwöhnischen Blick hinüber. Abwesend stocherte er mit einem Stock in der Glut herum, als ihm einfiel, was er ja schon eine Zeitlang machen wollte, und welcher Zeitpunkt war günstiger als jetzt. Schnell war ein Stück Pergament und das Tintenfass mit dazugehöriger Feder in dem Gepäck gefunden, dazu ein glatter Felsen in der Nähe. Raccan hockte sich davor und setzte an, aber sogleich wieder ab. Ja, was wollte er denn schreiben? Wie er vorankam? Dass er Khajiits die Finger abschnitt? Dass er sich in dieser Provinz alles andere als wohl fühlte? Dass er hier wie ein einsamer alter Mann alleine im Wald saß? Der Rothwardon lächelte, er wusste, was Sahi hören wollte, und so begann er erneut.

Liebe Sahi,
entschuldige dass ich mich erst jetzt melde, aber es waren ereignisreiche, vergangene Tage. Mein Auftrag steht kurz vor der Erfüllung, ich glaube nun den Aufenthaltsort des Verräters zu wissen; Zalanu, Satakal und auch der Stamm darf sich bald wieder sicher fühlen.
Dies ist ein fremdes Land, daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ich diesmal mit meinem kompletten Gedächtnis hierher zurückgekehrt bin, denn noch immer verwirrt mich das Verhalten der hier ansässigen Bewohner. Ich lernte eine junge Frau kennen (nein, Sahi, hör auf zu lächeln) welche mich durch geschickte Worte dazu gebracht hat, dass ich sie auf ein Treffen mit Edelleuten begleiten werde. Die Leute sind in einem Moment freundlich und zuvorkommend, im Anderen nehmen sie einen in die Pflicht und zwingen dir ihren Willen auf. Dieses Verhalten ist mir völlig unbekannt; jene Erfahrungen zu machen erweitern meinen Horizont, vergrößern jedoch auch mein Misstrauen gegenüber der Provinz. Außerdem sah ich Städte, große Städte, die mich sehr überraschten. Schmutzige Metropolen, prachtvolle Bauten, rege Geschäftigkeit, jede Stadt hält eine neue Überraschung bereit; ich wünschte du könntest es sehen. Wer weiß was Cyrodiil noch für mich bereit halten wird, ich werde dir davon berichten so gut und oft ich kann.
Pass auf dich auf.
Raccan

PS: Das Pferd ist schlauer als es zugeben will. Hat es einen Namen?


Bei dem letzten Satz blickte Raccan zu dem Pferd, welches unschuldig am Wasser stand. Nochmals las er den Brief durch, und erst jetzt fiel ihm auf, dass der in der Gasse doch tatsächlich ein gedankliches Stoßgebet an Satakal gesandt hatte, und dieser Schlangengott hatte ihn tatsächlich erhört. Wieder schüttelte er den Gedanken ab. Es war einfach nur Glück gewesen. Ja, ganz genau; Glück, dass in Bravil anscheinend jede Wache korrupt war; Glück, dass er gerade so die nötige Menge an Münzen da gehabt hatte; Glück, dass er es nicht schon vorher für etwas anderes ausgegeben hatte; und es war Pech, dass er nun gar kein Geld mehr besaß, somit war er wohl dazu gezwungen, zukünftig draußen im Freien zu übernachten. Raccan knetete die Hände und rollte dann den Brief zusammen. Von diesen Problemen musste Sahi nichts wissen, sie würde sich nur unnötig Sorgen machen. Ein verschließbarer kleiner Tornister aus leichtem Metall und einer Schlaufe am oberen Ende holte er aus seinem Gepäck und betrachtete das Utensil. Der Schraubverschluss lies sich schwer öffnen, was in Anbetracht des Verwendungszweckes auch angebracht war. Der Brief passte nicht ganz hinein, und so musste der Rothwardon ihn noch enger zusammenrollen. Etwas mühsam und schwergängig stopfte er das Pergament hinein, verschloss das Rohr und stellte es auf den Felsen vor sich. Einen Moment lang musterte er das Metallrohr und setzte sich dann wieder zurück ans Feuer, wo er die Pfeife abnahm und im flackernden Licht betrachtete. Raccan fragte sich, ob ihn der Falke wirklich immer begleiten würde, und so blies er kurzerhand hinein; abermals hörte er keinen Ton, aber kurz darauf das ihm sehr vertraute Flügelschlagen. Jail machte diesmal nicht so ein Brimborium um sein Erscheinen, sondern landete auf einem umgefallenen Baumstamm, der ebenfalls in der Nähe des Feuers lag. „Du bist wirklich so anhänglich wie ein Schatten…“, bemerkte der Rothwardon, aber dies war keineswegs anklagend gemeint, im Gegenteil; in gewisser Weise beeindruckte ihn der Falke, denn immer war er in Hörweite. Er würde das Ganze wohl noch einige Male testen um sich zu überzeugen, dass dieses Tier wirklich so treu war wie er dachte. Gut, wenn er den Brief dann fortschafft, wird er wohl kaum kommen …, und der Assassine hängte sich die Pfeife wieder um den Hals, erhob sich und nahm den Tornister auf. Langsam ging er auf den Falken zu um ihn nicht etwa zu verschrecken (nicht dass er dahingehend Bedenken hätte, aber sicher war sicher) und machte sich daran, die Schlaufe sicher und fest an den Klauen des Tieres zu befestigen. Die ganze Zeit über bewegte sich Jail nicht und ließ Raccan gewähren.
„Zu Sahi musst du fliegen…“, sprach der Rothwardon dem Falken zu als er die Nachricht befestigt hatte, und kaum hatte er dies ausgesprochen, stieß sich das Tier von dem Stamm ab und verschwand mit ein paar kräftigen Flügelschlägen in der Nacht. Etwas verdutzt blickte er Jail hinterher, aber dann setzte er sich wieder an’s Feuer und fing wieder an, darin herum zu stochern. Hatte er vielleicht irgendetwas Wichtiges vergessen? Das Geschenk? Den Splitter? Nein, den wollte er noch einfassen lassen. Aber wie sollte er das bewerkstelligen, ohne Geld? Raccan seufzte, er musste sich etwas einfallen lassen, er stolperte in dieser Provinz von einer Verlegenheit in die andere. Das Buch. Der Empfang. Die Ruine. Der alte Mann in Bravil. Seine Geldsorgen. Und jetzt wäre es ein Glücksspiel, wenn er sich einfach so schlafen legen würde, mitten in der Wildnis. Wer weiß, was für Banditen hier durchkamen und ihn im Schlaf einfach ausrauben oder abstechen würden. Aber was blieb ihm anderes übrig, schlafen musste er, und so entschied er sich dafür, nur leicht zu dösen, das musste einfach reichen. Etwas entspannter legte er sich zurück und schloss die Augen….