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Mythos
Westspalte, Heerlager am Aschlandpass / Weg nach Andasreth / Andasreth
Tarrior rieb sich die müden Augen und schaute missmutig in den Sonnenaufgang. Die Nacht war kurz, sehr kurz. Natürlich war es nicht bei dem Abendessen geblieben, sondern leidlicher Weinkonsum und übermäßiger Genuss der Wasserpfeife füllten die halbe Nacht als Rahmenprogramm für interessante Geschichten, Berichte und politische Diskussionen. Und natürlich blieb ihm keine andere Wahl, als dies über sich ergehen zu lassen. Es war nicht so, dass Meister Bero ihn genervt hätte, allerdings unter den Rahmenbedingungen, wegen denen Tarrior sich überhaupt im Lager aufhielt, waren eben diese Gespräche nur eine weitere Störung, die sich zwischen ihn und sein erklärtes Ziel stellte, den Telvanni büßen zu lassen und auszuschalten. Doch zugleich hasste er sich in diesem Moment für diese Gedanken, denn noch nie hatte er aus der Laune heraus ein so entspanntes Gespräch mit einem seiner Freunde als Belastung beurteilt. Es wurde ihm langsam alles zuviel: Verasas Wiederauftauchen, Tirian war sein Sohn, der verfluchte Telvanni-Hexer hatte immer noch Beweise gegen ihn, die Daedra, die Reise durch Cyrodiil und diese ständigen Hindernisse auf dem Weg nach Mar Gaan. Er wollte endlich seine Ruhe haben und dazu musste es nun endlich vorangehen. Trotz der Müdigkeit packte ihn Ungeduld. Zwar hatte er nur wenige Stunden, als Gast im Hlaalu-Bereich des Lagers geschlafen, aber wenn er nun sowieso schon so früh und unausgeschlafen aufstehen sollte, könnte wenigstens Alina auch endlich kommen, da sie ihn sicherlich schon eine Viertelstunde warten ließ, aber dabei selbst so sehr auf sein pünktliches Erscheinen Wert gelegt hatte. Gerade wollte er eine weitere gedankliche Beschwerde loswerden, die sich nun auf die junge Bretonin als Stein in seinem Weg gerichtet hätte, da tauchte sie unvermittelt und flankiert von den, ihm bereits bekannten, Dienern aus dem großen Zelt der Liga auf.
„Verzeiht, dass ich euch warten ließ, aber ich wollte mich in Ordnung bringen, bevor wir der Leitung der Liga gegenübertreten. Normalerweise kommunizieren ich und die Führung nur per Boten miteinander, da ist so ein Aufwand nicht notwendig, doch jetzt schien er mir geboten“: entschuldigte sie ihre Verspätung, doch Tarrior, dem noch immer der böse Kommentar im Kopf schwebte, war zunächst von ihrem Auftritt gefesselt. Statt ihrer strengen Robe trug sie nun ein schönes, eng anliegendes Kleid. Da es nicht sonderlich voluminös war, sondern ihren Körper schmeichelnd umspannte, wäre es wohl auch auf einer längeren Reise kein sonderliches Hindernis. Die dominierende Farbe war grün, allerdings war der Stoff mit einem Muster in verschiedenen Brauntönen durchsetzt, das etwas von Ranken und Blättern hatte. Schmuck trug sie keinen dazu, allerdings waren ihre Haare ordentlich zurecht gemacht. Die braunen Locken trug sie nun gekämmt und mit mehreren Haarbändern gebändigt und mit einigen bronzenen Metallstiften hochgesteckt. Die ganze Konstruktion sah zwar äußerst aufwendig aus, war aber vermutlich einfacher herzurichten, wie er sich das vorstellte. Das Bild störten nur der Waffengurt, der etwas klobig ihre Hüfte umschloss, das geradezu martialische Schwert, das jedoch zu ihrer durchaus wehrhaften Persönlichkeit passte und die ledernen Stiefel, die ihr wohl praktischer für die Reise, als schicke Schuhe erschienen waren. Während er ihre Gestalt musterte, die für eine Menschenfrau sehr ansehnlich war und einen Moment lang etwas in ihm berührte, verschwand der vorherige Ärger über ihre Verspätung so, als wäre er nie da gewesen. „Ist etwas?“: sie legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. Erst da bemerkte er, dass er sie angestarrt hatte. „Ich habe nur gerade darüber nachgedacht, ob ich so einfach mit euch in die Festung hinein komme“: log er. „Keine Sorge. Mit eurem Liga-Ausweis kann ich euch als meinen Wächter ausgeben. Die Frage ist eher, ob unsere Anführer euch überhaupt zu einer Audienz vorlassen, denn geschweige sich auf einen Zweikampf einlassen“: machte sie sich andere Sorgen. Tarrior rieb sich das Kinn. „Ich glaube, sofern ich mich dem Rat vorstellen darf, werde ich die Möglichkeit im Zweikampf in jedem Fall bekommen. Man muss nur wissen, wie man die Leute manipuliert“: dachte er laut, aber sparte aus, wie er plante seinen Willen durchzusetzen. Alina zuckte nur mit den Schultern. „Ihr habt euren Teil der Abmachung erfüllt und ich kann wirklich nicht mehr tun, als euch in die Festung zu bringen und euch vorzustellen. Alles Weitere liegt dann bei euch. Und wir sind dann Quitt“: meinte sie daraufhin. Tarrior setzte ein Lächeln auf: „Keine Sorge. Ich werde das schon hinkriegen. Wir sollten aber langsam aufbrechen. Wir haben schon genug Zeit vertrödelt.“ Die junge Bretonin stimmte ihm darin zu und sie machten sich auf den Weg.
Nachdem sie das Lager hinter sich gelassen hatten, zogen sie in Richtung Westen, wo die Hügelkette, die das Aschebecken, in dem Andasreth lag, einschloss, bereits am Horizont zu erkennen war und sie benötigten nicht viel mehr als eine halbe bis dreiviertel Stunde um zum schmalen Stieg zwischen den Felsen zu gelangen. Ein Außenposten der Redoraner, die Stützpunkt auf dem nahen Hof eines Mitgliedes von Haus Redoran, Drulene Falen, bezogen hatten, sicherte und bewachte den Weg. Doch das Gildensiegel der Liga und die Ausweisung Alinas als Offizierin der Kampfmagier sorgten für ein schnelles Vorankommen über den Pass. Holztore in provisorischen Palisaden wurden zur Seite geräumt und Kriegswappenträger und Redoraner-Wachen mit verkniffenen Gesichtern machten den Weg frei. Auf der anderen Seite des schmalen Durchgangs blickten sie auf die flache Landschaft des mit Felsen übersäten Aschebeckens. Die Festung, ihr Ziel, war als dunkler, dräuender Umriss zu erkennen, der auf einem Hügel am Rand des Talkessels thronte. Ein Pfad war mit Hilfe regelmäßig eingeschlagener Holzpflöcke, die man mit Seilen verbunden hatte, markiert worden. Eben diesen wählten nun der Dunmer und seine Begleiterin, um zur Festung zu gelangen. Im Vorübergehen sahen sie weitere Zelte und kleine Lager, die weit verstreut überall im Kessel lagen und wohl Unterkünfte für redoranische Truppen darstellten, die zur Festung gehörten, aber wohl innerhalb keinen Platz fanden. Nach etwa einer weiteren Stund erreichten die Beiden schließlich den Sockel von Andasreth.
Die Festung war im typischen Stil der alten Dunmerfestungsarchitektur errichtet. Den unteren Teil der Anlage bildete ein künstlich aufgeschüttetes, in etwa rechteckiges Plateau, das sich von der Sohle nach oben hin schräg verjüngte und dessen Böschung mit großen, groben Platten in schwierigen Winkeln gemauert war, die ein Erklimmen des Plateaus besonders erschweren und Bogenschützen oberhalb Deckung bieten sollte. Das Plateau bildete dabei selbst das eigentliche Gelände der Festung und war nur über einen kleinen Dammweg an der Nordseite der Anlage zu betreten. Die Böschungen verhinderten ein Betreten nach Norden sowie Osten und die besondere Lage, nämlich direkt in die umliegenden Hügel angelehnt, blockierten ebenso die Zugänge von Westen oder Süden auf das Gelände von Andasreth. Somit blieb Tarrior und Alina auch nur der Weg über den Dammweg im Norden, der von einer stattlichen Anzahl an Wachen abgesichert wurde. Ebenso kontrollierten neu errichtete Wachtürme im Stil des Hauses Redoran den Pfad noch einmal von oben. Große Kohlebecken, die man wohl Tag und Nacht brennen ließ, würden selbst in der Dunkelheit der Nacht das Gelände völlig einsichtig halten. Es war kaum vorstellbar, dass sich jemand unbemerkt in die Festung einschleichen könnte. Man wollte wohl ein Eindringen von Agenten der Mythischen Morgenröte um jeden Preis verhindern und tatsächlich konnte der Verrat bei diesen Sicherungsmaßnahmen nur von innen kommen. „Beeindruckend was die Redoraner in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben“: dachte Tarrior laut, denn noch vor ein paar Jahren war Andasreth, wie eigentlich die meisten Festungsanlagen auf Vvardenfell, verlassen und ein beliebter Unterschlupf für Räuber, Diebe und anderes aussätziges Gesindel. Zugegeben dass auch seine Leute vom Kult des Sechsten Hauses häufiger verlassene Festungen als Stützpunkte nutzten. Dies hier jedoch stellte eine neue Qualität dar, denn tatsächlich war die Bausubstanz offensichtlich instand gesetzt und sogar um neue Wehranlagen wie die Türme und einige niedrigere Mauern und Torbögen erweitert worden. Entsprechend der hier herrschenden Sicherheitsbestimmungen, wurden sie umgehend aufgehalten und peinlich befragt, bis Alina ein Treffen mit der Führung der Liga als Grund ihrer Anwesenheit angab und die Wachen einen Boten in das Hauptgebäude schickten, der schauen sollte, ob die Ankömmlinge auch wirklich angemeldet seien.
Tarrior verdrehte ein aufs andere Mal die Augen. Gewiss gab es diese ganzen Sicherungsvorkehrungen nicht ohne Grund und gewiss stellte die Mythische Morgenröte mit der Unterwanderung des Widerstandes durch Agenten eine latente Bedrohung dar, aber musste das wirklich sein? „Wieder weitere kostbare Minuten, die ich bereits damit verbringen könnte, Beweise gegen den Telvanni zusammen zu tragen“: dachte Tarrior missmutig an sein eigentliches Ziel und in seinen Gedanken formierte sich erneut der Zorn gegen diese verfluchte Liga, der er nun beigetreten war, denn sie zwang ihn überhaupt zu diesem Umweg hierher, weil sie ihn nicht für fähig genug hielt, die Versorgungslieferung zu schützen. „Ich werde diesen Narren zeigen, wer hier nicht fähig genug ist!“: beschloss er innerlich und sammelte seine Wut in einer stillen Ecke seines Geistes, um sie für den Zweikampf gegen den Ligaführer zur Verfügung zu haben. Dieser würde dann ganz und gar Tarriors aufgestaute Frustration zu spüren bekommen! Und von Augenblick zu Augenblick, in der der Bote immer noch nicht zurückkehrte, sammelte sich diese weiter an, während Tarrior sich mit malendem Kiefer ausmalte, was er seinem Gegner so alles im Kampf antun könnte. Das sein Gegenüber stärker sein könnte als er selbst, blendete der Dunmer einfach aus und gab sich ganz der Vorstellung hin, den ganzen aufgestauten Unmut in feurige Magie zu verwandeln und diese die Magier schlucken zu lassen. Entsprechend vertieft in seine Gedanken bemerkte er die Rückkehr des Boten zunächst nicht, der Alinas Geschichte bestätigte. Diese hatte zuvor schon am Morgen einen anderen Boten geschickt, um ihr Eintreffen anzukündigen. So fiel es ihm auch besonders schwer, sich von den Bildern des flehenden Meisters der Liga in seinem Kopf loszureißen. „Geht es euch nicht gut? Ihr seht angespannt aus“: fragte ihn die Bretonin besorgt und riss ihn so zurück in die richtige Welt. „Vielleicht solltet ihr euch vor dem Kampf noch einmal ausruhen oder es euch doch noch anders überlegen. Es wird sich bestimmt irgendwann eine Möglichkeit für euch ergeben, nach Mar Gaan zu gelangen“: schlug sie ihm vor, doch er schüttelte, nun wieder voll anwesend, vehement den Kopf. „Nein es ist Nichts. Ich war gerade etwas in Gedanken. Der Kampf soll möglichst gleich stattfinden. Ich denke dann werde ich mich auch besser fühlen. Ich mache mir wirklich Sorgen um meine Bekannten in der Stadt, das zehrt wohl etwas an meinen Nerven und da hilft es leider nicht, dass ich hier noch mehr Zeit vergeude, sondern nur wenn ich mich versichern kann, dass sie wohlauf sind“: frischte er noch einmal die Lüge von den eingeschlossenen Bekannten auf, um seine Ungeduld in Worte zu fassen. Sie sah ihn skeptisch an und das auch noch, nachdem ein Wächter sie nun endlich durchwinkte und den Weg freigab.
„Ich hoffe wirklich, dass ihr euch das gut überlegt habt. Der Großmeister wird es nicht schätzen, wenn ihr einfach so in eine Versammlung der Offiziere hinein stürmt und ihn dann auch noch zu einem Duell fordert. Schlimmstenfalls wird er sich gar nicht erst darauf einlassen und ihr hättet euch vor Führung der Liga unmöglich gemacht“: teilte sie noch einmal ihre Sorgen mit und es war deutlich an ihrem Gesicht abzulesen, dass sie sich auch Sorgen um ihre Reputation innerhalb der Liga machte, denn schließlich hätte sie ihm überhaupt erst Zugang zum Großmeister verschafft. „Wie ich euch schon im Lager sagte, bin ich zuversichtlich, dass der Zweikampf stattfinden wird, wenn ich die Herauforderung direkt vortragen kann“: gab sich Tarrior nochmals sicher und ließ auch keine weiteren Einwände mehr seitens Alina zu. Stattdessen konzentrierte er sich nun auf die bevorstehende Konfrontation. „Ich muss diese Fanatiker nur an ihrer Ehre packen und sie werden mit dem größten Vergnügen auf mich losgehen, was allerdings dann besonders mir ein Vergnügen sein wird“: durchdachte er nochmals seine Strategie, da standen sie inzwischen auf dem Plateau. Die eigentlichen Gebäude der Festungsanlage stellten ein großer, mehrstöckiger, rechtwinkliger Bau mit einem weiteren Anbau auf dem Dach sowie ein hohes Gebäude mit etwa quadratischer Grundfläche dar. In Ersterem waren die Soldaten und Offiziere der Redoraner und auch die Soldaten und die Führung der Liga der Magischen Gewalt untergebracht und ebenso lag dort das administrative Zentrum der gesamten Verteidigung der Westspalte. Das zweite Gebäude war die Propylon-Kammer der Festung. Soweit Tarrior wusste, dienten diese seltsamen, magischen Anlagen, die man Propylone nannte, dem Teleport in einem Netzwerk aus solchen Propylonen. So gut wie jede Dunmer-Festung verfügte über so eine Propylon-Kammer und konnte über dieses Netzwerk erreicht werden. Allerdings benötigte man für die Nutzung dieses uralten Transportweges einen so genannten Index, die allerdings über die Jahrhunderte verschwanden. Die Propylone konnten somit heute nicht mehr genutzt werden.
Aus diesem Grund war Tarrior überrascht, dass vor der Kammer große Banner der Liga gehisst waren, vier Kampfmagier der Liga die Tür ins Innere vollständig blockierten und weitere Kampfmagier das Gebäude umkreisend patrouillierten. Bisher ging er davon aus, dass die Führung zusammen mit den Redoranern im Hauptgebäude saß, aber scheinbar befand sie sich wohl doch in der Kammer. Automatisch schwenkte er vom Weg ab und lenkte seine Schritte auf die Kammer zu, doch Alina hielt ihn mit einer Hand auf der Schulter zurück. „Wir müssen in das Hauptgebäude“: sagte sie. Er war verwundert. „Aber dort sind eure Leute“: wandte er ein. „Das ist auch der wichtigste Ort in der Festung und wir sind für ihn und seine Bewachung zuständig. Aber der Großmeister und die Offiziere haben ihre Räumlichkeiten und den Besprechungsraum im Hauptgebäude von Andasreth“: erklärte die junge Bretonin. Tarrior zuckte mit den Schultern und folgte ihr. Allerdings wollte er nun wissen, was dort vor sich ging: „Wenn es der wichtigste Ort des Festung ist für den ihr zuständig seid, was ist denn dort, wenn nicht die Ligaführung?“ Sie drehte sich zu ihm und kam mit ihrem Gesicht ganz nah an seines. Er konnte ihren warmen Atem auf der Haut spüren und ihre Lippen fast an seinem Ohr. „Dort drin ist das, wegen dem ihr auch gekommen seid. Von dort schicken wir die Versorgungslieferungen nach Mar Gaan. Aber diese Information ist streng vertraulich. Eigentlich dürfte ich euch gar nicht einweihen. Wenn ihr euren Kampf gewinnt, dann werdet ihr es mit eigenen Augen sehen. Ansonsten dürft und solltet ihr auch nicht mehr darüber wissen“: erläuterte sie flüsternd und entfernte sich dann soweit von ihm, dass sie von unten in seine tiefroten Augen schauen konnte und damit noch einmal die absolute Vertraulichkeit dieser Information beschwor. Er schluckte und konnte nur nicken. Dann betraten sie auch schon das Hauptgebäude.
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