Die zweite Nacht in Folge bekam der Rothwardon keine Auge zu, denn abermals wurde ihm bewusst, wie nah er an dem Tod vorbeigeschrammt war in der dunklen Seitengasse. Zuerst der Einbruch, dann der Mord im Wald, zuletzt das Zusammentreffen in der Seitengasse. Ich scheine den Ärger anzuziehen, aber wieso? Vielleicht war er schon immer so gewesen? Er schüttelte im Liegen den Kopf. Nein. Er hatte nicht das Gefühl, schon immer solche Probleme gehabt zu haben. Aber was sagten seine Gefühle schon aus; laut der Dunmerin war er 'alles andere als schlecht ausgebildet', Töten sollte laut ihr zu seinen Fähigkeiten gehören. Glauben konnte er dies nicht, allerdings bewiesen die Bewegungen und die Waffen etwas ganz anderes.
Kaum war der erste Lichtstrahl durch das Fenster zu sehen, erhob sich der Rothwardon, kleidete sich an und verließ sein Zimmer. Er musste raus aus der Stadt, hier war es zu stressig und zu gefährlich. Anvil war bestimmt besser, sprich weniger gefährlich, aber das war in Anbetracht seiner Erfahrungen mit Skingrad auch keine Kunst. Nur in welche Richtung lag diese Stadt? Wenn er hier irgendwen fragen würde, würde dies nur Aufmerksamkeit erregen, und von der hatte er definitiv schon genug als ihm lieb war. Er brauchte trotzdem Informationen, aber woher sollte er diese bekommen?
Nachdem er sich von der Besitzerin der Herberge verabschiedet und sie von seiner Abreise in Kenntnis gesetzt hatte, lief der Rothwardon zunächst ziellos durch Skingrad, in der Hoffnung, irgendwelche wegweisenden Schilder zu erblicken. Vor die Stadttore traute er sich noch nicht, denn die Wache würde ihn mit Sicherheit in den Fokus nehmen, wenn er das Tor passierte, nur um auf ein Schild zu schauen.
Schließlich ergab es der Zufall, dass er auf dem großen Platz vor der Kapelle landete. Ein Priester würde mir bestimmt leichtfertig glauben, dass ich nicht von hier bin und mir weiterhelfen.
Mit dieser Hoffnung betrat er das große Gebäude. Um diese Zeit war es noch nicht allzu gut besucht, die Morgenmesse war scheinbar schon vorbei, nur eine einzelne Gläubige kniete vor einer Statue mit gesenktem Kopf und murmelte unverständliche Worte in ihre gefalteten Hände. Angestrengt blickte der Rothwardon auf die Schriftzeichen, welche an dem großen Altar im Schiff der Kapelle eingemeißelt waren. "Julianos...", murmelte er vor sich hin und ging langsam auf den Hochelfen zu, welcher neben dem steineren runden Podest stand und einen silberner Kelch ausgiebig und in ruhigen Kreisen polierte. Als er den Rothwardonen bemerkte, blickte er auf und musterte sein Gegenüber etwas abweisend, und als der Altmer den Mund aufmachte, wusste der Rothwardon sofort, an wen er da geraten war.
"Ja, ihr wünscht?", gab der Hochelf in einem hochnäsigen und herablassenden Ton von sich.
"Verzeiht die Störung, ich dachte, ihr könnt einem...Reisenden helfen", antwortet der Redguard verunsichert.
Der Altmer gab keinen Ton von sich, sondern wartete nur ab, wie als wäre er des Fremden jetzt schon überdrüssig.
"Könnt ihr mir sagen, wie ich nach Anvil oder...Charrol komme?", versuchte es der Rothwardon weiter.
Der Priester rümpfte mürrisch die Nase, überlegte einen Moment und antwortete dann: "Es heißt Chorrol. Dahin kommt ihr, indem ihr die Stadt zum Osttor verlasst. Anvil liegt in westlicher Richtung.".
"Habt Dank", sagte der Rothwardon und wendete sich mit einer leichten Verbeugung ab, um die Kapelle zu verlassen. Eigentlich hatte er noch vor, den Priester zu fragen, ob er ihn kenne, aber damit hätte er wohl auf Granit gebissen, dieser Priester wollte ganz offensichtlich nicht gestört werden und sich nicht mehr als nötig mit dem Fremden abgeben.
Wieder draußen, lenkte der Rothwardon seine Schritte auf die Hauptstraße. Anvil oder Chorrol? Aus den Erzählungen des Mädchens erinnere ich mich, dass sie sagte, Anvil liege am Meer...wenigstens etwas, an dass ich mich erinnere. Ich fühle mich jedoch gar nicht zum Meer hingezogen. Was sollte ich dort? Etwas sagt mir ich sollte nach Chorrol. Aber kann ich mich darauf verlassen, was mir mein Innerstes sagt? Letztendlich blieb ihm nicht anderes übrig, als irgendwohin zu gehen und zu hoffen, sich zu erinnern, so schlug er den Weg zum Osttor ein und ging hindurch. Aufgehalten wurde er von der Stadtwache nicht, diese war gerade damit beschäftigt, einen Händler und dessen Karren zu durchsuchen.

Tatsächlich fand er draußen ein Schild, welches ihm die Richtung nach Chorrol angab. Darunter war noch 'Kaiserstadt' und 'Bruma' zu finden. Welch seltsame Namen...aber alles hier ist seltsam. Wie weit es wohl bis Chorrol ist? und er blickte sich etwas hilflos um. Die Meisten, welche die Stadt verließen, entfernten sich zu Pferde oder mit einem Wagen. Was würde dagegen sprechen, wenn er sich nach Chorrol auf dieselbe Weise transportieren lassen würde wie er nach Skingrad gekommen war? Wie auf Kommando fuhr gerade ein Karren vorbei, und der Rothwardon stellte sich leicht in den Weg, sodass der Mann halten musste. "Was zum...", fluchte der Nord auf dem Bock und setzte schon zu einer Schimpftriade an. Der Rothwardon hielt ihm aber schon eines seiner Goldstücke unter die Nase.
"Fahrt ihr nach Chorrol? Könnt ihr mich mitnehmen?".
Die Augen des Mannes weiteten sich.
"Junge, dafür würd ich mitten ins Herz von Himmelsrand fahren, nackt und ohne etwas zu essen", die Stimmung des Händlers schlug merklich um. "Worauf wartet ihr noch, springt auf", und der Rothwardon war kaum auf den Wagen geklettert, da fuhr der Nord auch schon los. Das ist nicht der Erste, der seltsam reagiert auf diese Münzen, dachte er sich, sagte aber nichts, sondern verbrachte den Großteil der Fahrt schweigend neben dem Händler.

Nach einer Weile wurde es dem Nord wohl zu langweilig, denn er suchte zuerst den Blick des Rothwardonen neben sich und sprach ihn dann an. "Sagt, Junge, nicht dass ich euch zu nahe treten will, aber warum kauft ihr euch von dem Gold nicht gleich ein eigenes Pferd? Davon habt ihr länger etwas, wärt schneller und müsstet nicht mein Gesaufe ertragen", lachte er und nahm einen Schluck aus dem Krug Met, den der Nordmann schon zum x-ten Mal nachgefüllt hatte. Ein ganzes Pferd? Für eine lumpige Goldmünze? Er wusste nicht was er sagen sollte und zuckte stattdessen nur mit den Schultern. Der Nord nahm dies rülpsend zur Kenntnis, gab aber sein Vorhaben, etwas über seinen Mitfahrer herauszufinden, nicht auf. "Was wollt ihr in Chorrol, Junge?".
"Herausfinden wer ich bin...", nuschelte der Rothwardon teils als Antwort, teils zu sich selbst.
Zunächst herrschte Stille, dann lachte der Nord. "Ah, verstehe, einer dieser vieldeutigen Antworten. Versuchen wir nicht alle Herauszufinden, wer wir sind?", und er ließ ein ersticktes Glucksen hören; ab dann war er ruhig, bis sie schließlich bei Abenddämmerung Chorrol erreichten.
"Endstation, Junge", grinste der Nord den Rothwardonen an. Dieser nickte jedoch nur und stieg ab. "Ich danke euch", sagte er schließlich noch, wandte sich zum Stadttor und kehrte dem Nord den Rücken zu.
"Komischer Junge...", murmelte der Händler noch, wendete den Wagen und fuhr Richtung Kaiserstadt davon.

Auf dem Weg zum Tor dachte der Rothwardon nochmal über die Dunmerin nach. Wem genau er es zu verdanken hatte, dass er noch lebte, wusste er selbst nicht. Sich selbst? Ihr? Einer höheren Macht? Vielleicht diesem Julianos, dem die Kirche in Skingrad gewidmet war? Was war, wenn sie ihm gefolgt war? Verstohlen blickte er sich um, aber außer den Stallungen, dem mit Fackeln beleuchteten Stadttor und den davor positionierten Wachen konnte er niemanden sehen. Aber hier auf dem Platz war er eine ideale Zielscheibe, also nichts wie rein. Die Wächter hielten ihn nicht auf beim Betreten der Stadt, dachten sie wohl er wäre ein Landstreicher wegen seiner schäbigen Robe.
Drinnen fiel dem Rothwardonen sofort die Statue gegenüber des Tores auf, und er blieb davor stehen und versuchte in der Dämmerung die Inschrift zu lesen. "St. Osla...", murmelte er vor sich hin und betrachtete die Bildhauerkunst. Ein gefallener Soldat wurde von einer Frau versorgt. Oder trauerte sie um den Mann? Für den Redguard war die Szene nicht eindeutig, auch was so etwas auf einem scheinbar öffentlichen Platz zu suchen hatte erschloss sich ihm keinesfalls. Schulterzuckend wandte er sich ab, zu viel Merkwürdiges hatte er schon gesehene in den letzten Tagen, da kam es auf eine komische Statue mehr oder weniger auch nicht mehr an.
Gleich hinter dem Brunnen erblickte er das Schild einer Herberge, soviel hatte er dieser Tage schon gelernt, aber abermals war es der Name, der ihm suspekt erschien. Eiche und Krummstab? Wie bitte?, stand er etwas verwirrt vor der Herberge. In Zukunft würde er sich über keine Namen mehr wundern, das würde ihn nur noch mehr zu Grübeln geben, und damit betrat er die Taverne.

Drinnen stach sofort die Bar ins Auge, dahinter stand ein seltsam anmutendes Katzenwesen. Er hatte davon gelesen, kam aber nicht mehr auf den Namen ihrer Rasse. Außer der Khajiit, welche sich als Besitzerin der Herberge herausstellte, befanden sich nur zwei weitere Gäste hier im Raum; ein Ork an der Bar, welcher regungslos in den Krug vor sich starrte, und eine Kaiserliche mit mittellangen, braunen Haaren im mittleren Alter am Kamin.
Der Rothwardon trat an die Bar, die Schnurrhaare der Khajiit zuckten und sie blickte auf. "Willkommen im Eiche und Krummstab, der Herberge, welche besser ist als die graue Stute. Ich bin Talasma. Was kann ich für euch tun?".
Hatte ich nicht etwas von einem seltsamen Akzent dieser Wesen gelesen? Egal. Der Rothwardon nickte. "Ich hätte gern ein Zimmer und etwas zu essen", und nach einer kleinen Pause entschloss er sich zu etwas Forschheit und legte eines der Goldstücke auf den Tisch, "ich zahle auch im Voraus". Die Ohren von Talasma zuckten, als sie das Goldstück in den Pfoten drehte und wendete, den Neuankömmling wachsam musterte, dann aber nickte. "Natürlich, ich werde euer Zimmer herrichten lassen, derweil bekommt ihr etwas zu essen. Setzt euch. Was wollt ihr trinken?".
Der Rothwardon zuckte mit den Schultern. "Ich nehme einen Wein, egal welchen.". Tatsächlich war dieses Getränk das Einzige, was ihm auf Anhieb einfiel. Damit ließ er sich an einem der Tische im Raum nieder und stützte den Kopf in die Hände. Das alles hier kam ihm so unwirklich und suspekt vor. Wie als wäre alles ein böser Traum, aus dem er nicht aufwachen würde, egal was er tat.
Er hing noch eine Weile seinen Gedanken nach, dann endlich kam sein Essen und der Wein. Beides vertilgte er rasch, ihm war gar nicht bewusst gewesen, welchen Hunger er die ganze Zeit gehabt hatte. Sogleich kam Talasma an seinen Tisch und legte einen Schlüssel darauf. "Euer Zimmer ist die Treppe hinauf, geradezu. Ich wünsche euch eine gute Nacht, oder habt ihr noch einen Wunsch?".
Der Rothwardon schüttelte den Kopf, erhob sich und schleppte sich mehr als er ging die Treppe hinauf. Ihm war mit einem Mal schwindlig, und das erste Mal an diesem Tag hatte er wieder diese pochenden Kopfschmerzen, dieselben wie in der Ruine aus der er geflohen war. Er machte etwas hektisch die Tür hinter sich zu und schloss sie schnell ab, er konnte es sich nicht leisten, dass jemand seine Ausrüstung sah, welche er, nach der Robe, achtlos vor den Schrank fallen ließ. Er legte sich auf das Bett, der ganze Raum drehte sich; die Hände vor den Augen flüsterte er sich selbst gut zu. "Tief durchatmen, kein Grund, jetzt durchzudrehen...", und langsam öffnete er wieder die Augen. Der Raum drehte sich immer noch, allerdings nicht mehr so stark wie davor. Er strich sich mit den Händen über den nackten Oberkörper, er war verschwitzt, kalte Schweißtropfen rannen ihm durch die Finger. Plötzlich bemerkte er, dass seine linke Schulter taub wurde. Genauer gesagt strahlte dies von seiner linken Brust auf seine Schulter und von da auf den gesamten Arm. "Was zum...", murmelte er ungläubig und wollte sich aufrichten, aber es ging nicht. Er spürte Panik in sich aufsteigen, aber diese wurde jäh unterbrochen, als ihm schwarz vor Augen wurde...

Er stand, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, aufrecht vor dem mit Schlangenhaut bekleideten Mann. Die Musterung seiner Robe verlieh ihm etwas Mystisches, etwas Erhabenes, etwas...Unantastbares. Um ihn herum standen Menschen und bildeten einen Kreis um sie beide, sie alle hatten etwas gemeinsam: Sie trugen grotesk anmutende Masken, dabei machten sie seltsam, ruckartige Bewegungen, was durch das dämmrige Fackellicht eine unheimliche Note bekam; aber er fühlte keine Angst, nein, eher geborgen, und dabei blickte er sich ruhig um. Der Mann vor ihm sang ein Lied in einer seltsamen Sprache und sah ihn dabei unentwegt an. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht, und fest erwiderte er den Blick. Neben dem Mann stand ein Korb. Langsam nahm der Schlangenmann den geflochtenen Deckel des Behältnisses ab, legte ihn behutsam beiseite, griff hinein. Eine schiere Ewigkeit verharrte er so, es schien, als würde er sich nie wieder aufrichten. Dann aber tat er es doch, und um seinen Arm, welchen er behutsam aus dem Korb zog, hatte sich eine schwarze Schlange gewickelt, welche bedrohlich zischelte und ihren Kopf nach allen Richtungen ausstreckte, als würde sie etwas suchen. Das Zucken der umstehenden Personen hatte, sobald das Tier sichtbar wurde, aufgehört, und alle schienen die Schlange voller Ehrfurcht anzusehen. Der Mann mit der Schlange an seinem Arm trat auf ihn zu und blieb vor ihm stehen, streckte den Arm mit dem gefährlichen Tier in seine Richtung aus, und die Schlange fixierte ihn sofort wütend, zischelte immer bedrohlicher; abgesehen davon herrschte Totenstille. Er hatte keine Angst, blickte dem Mann weiterhin ins Gesicht, wendete die Augen dann auf die Schlange und starrte diese ebenso an. Der Mann hob schließlich seine freie Hand, ballte sie zur Faust, und mit einem mal riefen er und die Umstehenden laut: Satakal, zeig deine Gnade und schenk uns ein weiteres Kind! Heil Yokuda!
Die Schlange, durch diesen plötzlichen Bruch der Stille aufgeschreckt, griff sofort an. Sie schoss aus ihrer S-Haltung hervor und grub ihre Zähne in seine linke Brust. Er spürte förmlich das Gift des Tieres in sich schießen und sich in seinen Blutbahnen ausbreiten. Er stand noch einen Moment da, die Schlange hatte bereits von ihm abgelassen und kroch davon. Seine Augen lagen auf seiner Brust, zwei kleine Einstiche, aus denen Blut quoll, waren sichtbar. Langsam hob er den Blick, der Mann vor ihm lächelte und hatte die Arme zum Nachthimmel gestreckt; dann gaben seine Beine nach, er sank auf die Knie und fiel vornüber in den Wüstensand. Als er bereits auf dem Boden lag, kam es ihm vor, als würde er immer noch fallen, aber dann umgab ihn plötzlich nur noch Schwärze und er fühlte sich schwerelos, während die Bewusstlosigkeit von ihm Besitz ergriff...


Die Augen weit aufgerissen, schreckte er vom Bett hoch. Er atmete schwer und befühlte seinen Körper, wie als könne er nicht glauben, endlich wieder wach zu sein. Was für ein verrückter Traum. Aber...war es ein Traum? Panik ergriff ihn, als er an die Schlange dachte, an den priesterähnlichen Mann, an die grotesken Figuren um sich herum. Ein Rundumblick verriet ihm, dass er sich jedoch tatsächlich im Zimmer der Herberge befand, zugegebener Maßen in einem sehr Schönen. Draußen war es noch dunkel, so hatte er keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte oder wie spät es war. Schwerfällig und mit zittrigen Knien stand er auf und zündete die Kerze neben dem Bett an. Mit ihr in der Hand ging er zu einem großen Garderobenspiegel, welcher sich gleich neben dem Kleiderschrank befand, und blickte hinein. Das Kerzenlicht ließ ihn unheimlich erscheinen, augenblicklich dachte er wieder an die lodernden Fackeln und das unrhythmische Zucken der Figuren...und an die Schlange, welche ihn biss. Der Rothwardon ging näher an den Spiegel und betrachtete seine linke Brust; sie wies das Tattoo einer Schlange auf, auf den ersten Blick sehr kunstvoll, aber für ihn hatte es seit dem Traum eine abschreckende Wirkung. Er blickte es genauer an...und traute seinen Augen nicht, er ging noch näher an den Spiegel und hielt die Flamme der Kerze fast bis an seine Haut. Die Augen der tätowierten Schlange waren ausgespart, und in ihnen ließen sich zwei kleine, punktförmige Narben erkennen. Wie von einem Schlangenbiss. Wie von dem Schlangenbiss in seinem Traum.
Entgeistert musterte er sein entsetztes Gegenüber im Spiegel; wie lange er hier gestanden hatte, wusste er nicht, dann jedoch drehte er sich um und ging zurück zum Bett, stellte die Kerze auf das kleine Tischchen und legte sich wieder hin. An Schlafen war jetzt abermals nicht zu denken, stattdessen lag er wach im Bett und starrte an die Decke. Hatte er jetzt Angst vor dem Schlafen? Ja, irgendwie schon; andererseits hatte er das Gefühl, dass dieser Traum gar keiner war, sondern vielmehr eine Erinnerung aus seinem Leben. Was konnte es also schaden, noch mehr zu erfahren? Schon fühlte er, wie ihn die Müdigkeit übermannte, aber diesmal fiel er in einen traumlosen Schlaf, aus dem er erst spät am nächsten Tag wieder erwachte.

Kaum war er aufgestanden, hatte sich der Rothwardon einen Zettel von dem Tisch gegriffen und mit der dabei liegenden Feder drauflos geschrieben, denn er wollte keineswegs vergessen, was ihm diese Vision mitgeteilt hatte. "Satakal...Yokuda...Schlange...nein, giftige Schlange, ja...Masken", murmelte er während des Schreibens vor sich hin und betrachtete danach kurz sein Werk. Ihm kam dies alles so grotesk vor, aber darüber konnte er sich ein andermal den Kopf zerbrechen. Eilig kleidete er sich an und verließ das Zimmer und die Herberge hastig. Erst draußen vor der Tür, wobei er feststellte dass schon später Nachmittag war, fiel ihm auf, dass er ja gar nicht wusste, wohin er nun gehen, geschweige denn was er mit den Informationen anfangen sollte. Ziellos wandte er sich nach rechts, und wie es der Zufall wollte, erblickte der Rothwardon sogleich ein Schild, auf dem stand 'Renoits Bücher'. Hier gibt es bestimmt etwas, dass mir weiterhelfen kann, dachte er und betrat das Geschäft.
Drinnen wurde er sogleich von einer Bretonin freundlich empfangen. "Estelle Renoit, freut mich", überschüttete sie den Rothwardonen förmlich mit ihrer Freundlichkeit und wartete neugierig dreinblickend ab, was er denn hier wollte.
"Guten Tag", stammelte er zunächst nur, dann aber überwand er sich aufgrund des freundlichen Blickes der Frau dazu, mit der Sprache heraus zu rücken. "Ich suche Informationen über den oder das Satakal, und über einen Yokuda. Hat das zufällig etwas mit Schlangen zu tun? Oder Masken?". Erst als er das ausgesprochen hatte, wurde ihm bewusst, wie unzusammenhängend das geklungen haben musste. Diese Annahme wurde durch das fragende Gesicht der Bretonin bestätigt.
"Verzeiht...", setzte der Rothwardon erneut an und reichte ihr den Zettel, blickte sich dann um, und als er niemanden weiter in dem Laden erblickte, fuhr er halblaut fort. "Ich habe mein Gedächtnis verloren und habe letzte Nacht von den Dingen auf dem zettel da geträumt. Ich bin mir bewusst, wie absurd das ganze ist, aber könnt ihr mir weiterhelfen? Ich habe das Gefühl, dass diese Dinge etwas mit meiner Identität zu tun haben.".
Er erwartete jetzt so etwas wie Ablehnung, Gelächter oder dergleichen; stattdessen aber machte die Frau einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und studierte den Zettel. Eine Zeitlang war es vollkommen still, dann blickte Estelle auf und musterte den Rothwardonen, ehe sie antwortete.
"Ich hoffe für euch, dass ihr nicht mit den Satakal in Verbindung steht, denn das was ich über sie las, ist alles andere als erfreulich gewesen...", begann sie halblaut, fuhr dann aber fort. "Ich habe nicht viele Bücher zu ihnen da, keines was sich speziell mit ihnen beschäftigt. Yokuda allerdings, dabei handelt es sich schlicht und einfach um die Provinz Hammerfell. Die Satakal sind ein alter Nomaden-Stamm, der dort lebt und auch dementsprechend etwas...altmodische Weltanschauungen und Glaubensrichtungen vertritt." Es folgte eine Pause. "Redet mit Casta Scribonia. Sie ist Autorin und hat schon oft über Hammerfell und seine Geschichte geschrieben, sie wird euch bestimmt weiterhelfen können. Ihr findet sie in der Taverne Eiche und Krummstab. Vielleicht auch der Priester Otius Loran in der Kapelle, er ist ebenfalls sehr bewandert was die alten Bräuche und Kulturen angeht. ich hoffe, ich konnte euch helfen...", endet die Bretonin schließlich.
Der Rothwardon seinerseits war zunächst etwas überrascht. Mit sovielen Informationen hatte er nicht gerechnet, sodass der jetzt nur ein aufrichtiges "Habt Dank" hervorbrachte und den Laden verließ. "Casta Scribonia? In derselben Taverne wie ich? War das etwa die Frau unten am Feuer?". Etwas hektisch machte er sich auf den Rückweg zur Herberge, und dort angekommen spricht er sogleich die Khajiit an.
"Casta Scribonia? Ja, sie wohnt hier. Aber im Moment ist sie nicht im Haus. Sie schlendert gern des Tages durch die Stadt, spricht mit Menschen oder genießt die Ruhe in der Kapelle. Warum, kann ich etwas ausrichten?", und die Ohren der Katze zuckten neugierig. Der Rothwardon aber winkte ab, verließ die Herberge wieder und schaute sich suchend um. Die Kapelle? Wo war die Kapelle? Er brauchte einen Moment, ehe er begriff, dass er geradewegs darauf starrte. Nun wurde ihm bewusst, dass er in Hektik verfiel. Er musste sich beruhigen, nur dann war es möglich, klare Gedanken zu fassen. Aber hatte er das nicht schon viel zu oft erfolglos versucht? Ja, das schon, aber nun war die Situation eine andere. Er hatte eine Spur.

Als er die Kapelle betrat, umfing ihn eine wohlige Kälte. Rein vom Baulichen her unterschied sich diese Kapelle nicht groß von der in Skingrad, abgesehen von der anderen Heiligkeit, die hier angebetete wurde. In der Kapelle selbst sah der Rothwardon zunächst niemanden, allerdings wirkte das Bauwerk auch nicht verlassen. Er machte ein paar Schritte, bis er auf dem Teppich stand, welcher zum Altar führte, und blickte sich um. Immer noch war niemand zu sehen, aber er bemerkte eine Treppe, die nach unten führte. Vorsichtig spähte er hinab, aber außer einer von Fackeln erleuchteten Tür sah er nichts. Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter, der Rothwardon erschrak und fuhr hastig herum; nun blickte er in das freundliche Gesicht eines Kaiserlichen.
"Habt keine Furcht, mein Junge...", säuselte der Mann und ließ ein Lächeln sehen.
Ganz anderes Kaliber als noch in Skingrad, schoss dem Rothwardonen durch den Kopf. Er straffte sich und sprach den Mann an. "Entschuldigt mich. Ich suche den Priester Otius Laron...".
Der Kaiserliche grinste noch breiter als davor. "Man nennt mich zwar Otius Loran, aber eure Suche hat wohl ein Ende. Sagt, was ist euer Begehr?", und er faltete die Hände, anscheinend wollte er wirklich aufmerksam zuhören, und das einem Fremden gegenüber.
"Man sagte mir, ihr kennt euch mit der Geschichte von Yokuda aus. Die Buchhändlerin hier im Ort hat mich an euch verwiesen. Ich habe mein Gedächtnis verloren und suche Antworten. Ich habe von den Satakal und Yokuda geträumt...", platzte er mit einem Mal heraus, und im Gesicht des Priesters war deutlich zu sehen, dass er etwas überrumpelt war. Aber ehe er etwas dazu sagen konnte, trat eine Frau hinter einer Säule hervor, ebenfalls eine Kaiserliche.
"Satakal? Habe ich das richtig verstanden?", und schon gesellte sich die Frau zu ihnen. Der Priester aber hob beschwichtigend die Hand.
"Ruhig, Casta, lasst ihn doch erst einmal in Ruhe erzählen".
Der Rothwardon erkannte die Frau aus der Herberge, und der Name gab ihm die letzte Gewissheit, dass er jetzt die besagte Autorin Casta Scribonia vor sich hatte.
Nach einem kleinen Gespräch führte sie der Priester in ein kleines Zimmer, welches wohl als eine Art Arbeitszimmer fungierte. Hier erzählte der Suchende ihnen seine Geschichte; von der Ruine, von seinen Weg nach Skingrad und seinen Erlebnissen dort (die Dunmerin und seine Feststellung, dass er wohl sehr geübt im Töten war, ließ er gekonnt aus), und von seinem Traum, den er gehabt hatte.
Nachdem er geendet hatte, blickten sich die Autorin und der Priester an, und dann ergriff Letzterer als erster das Wort.
"Nun, mein Junge, wir glauben euch. Anscheinend hat euch das Schicksal kein schönes Los ausgeteilt, doch was die Neun Göttlichen euch auch für Prüfungen auferlegen, sie müssen einen Grund dafür haben. Stendarr...", dann aber wurde er jäh von Casta unterbrochen.
"Otius, ich glaube, ihr könnt euch diese Schicksals- und Göttereinleitung sparen, er wird sie nicht verstehen...", und dabei grinste sie vielsagend, dieses poetische Gerede des Priesters schien öfters vorzukommen, denn er nickte entschuldigend und fuhr dann fort.
"Verzeiht mir, mein Junge. Also, aus euren Erzählungen entnehme ich, dass ihr aus Yokuda, auch Hammerfell genannt, stammt. Es liegt an der nordwestlichen Grenze Cyrodiils und ist die Heimat der Rasse, der ihr angehört, Rothwardon. Euer Volk ist für sein robustes Auftreten bekannt, dieser Einschätzung scheint ihr auch voll und ganz zu entsprechen, wenn ich euch so ansehe, denn bei dem, was ihr durchgemacht habt in den letzten Tagen würde unsereins bei weitem nicht noch so gut erhalten aussehen. Aber ich schweife wieder ab, verzeiht abermals. Die Rothwardonen sind auch sehr traditionstreu, und viele in Hammerfell halten noch an den alten Gebräuchen fest, zu denen auch das Nomadentum zählt...", und der Priester blickte auffordernd zu Casta, welche sofort weiter erzählte. "Die Satakal, die ihr erwähntet, sind einer dieser Nomadenstämme, die der ehrenwehrte Otius soeben ansprach. Ich vermute stark, dass ihr zu ihnen gehört, denn was ihr dort aus eurem Traum beschrieben habt, ist ein Aufnahmeritual in den engsten Kreis der Satakal. Sie beten einen Schlangengott namens Satakal an, und dabei wird, wie sollte es auch sonst anders sein, die betreffende Person von einer giftigen Schlange gebissen. Nur wenige überleben dies, aber wenn sie es tun, dann wird ihnen als eine Art Anerkennung eben jene Tätowierung einer Schlange verliehen wie ihr sie mit euch herumtragt. Da dieser Aufnahmeritus sehr verschleißend ist was die Überlebenden angeht, wird er nur bei besonderen Leuten vollzogen, was uns zu der Frage bringt, wodurch EUCH diese Ehre zu Teil wurde. Ein Priester seid ihr nicht, zumindest seht ihr nicht danach aus, und solche verlassen auch ihren Stamm nicht, sondern bleiben stets bei ihm. Auf das Oberhaupt trifft dasselbe zu. Bleibt also nur einer der sogenannten Jäger. In unserer Sprache würden sie wohl Vollstrecker oder Assassinen heißen; sollte es Probleme mit anderen Stämmen oder unliebsamen Personen geben, kümmern sich diese Jäger darum. Sie werden nicht bezahlt, noch geht es um Ehre oder dergleichen; sie tun dies einzig und allein aus Ergebenheit zu ihrem Gott Satakal, und sehen die Priester ihres Stammes als Sprachrohr an.".
Der Rothwardon hatte geschwiegen, aber mittlerweile wusste er, worauf die Autorin hinauswollte. Er war also wirklich ein Auftragskiller. Quasi wirklich wie diese Dunmerin in Skingrad, wie war doch gleich ihr Name. Dabei machte es für ihn keinen Unterschied, ob er dies aus Ergebenheit zu irgendeinem Schlangengott tat oder um des Geldes willen.
Es herrschte eine Weile Schweigen, Otius und Casta beobachteten den Rothwardonen, wie er mit leerem Blick zu Boden starrte.
Seine Gedanken rasten. Gut, du bist ein Auftragskiller ohne Gedächtnis. Was für eine Ausgangssituation. Willst du wirklich noch mehr wissen? Was ist mit deinem Namen? Wenn du ihn erfährst, erinnerst du dich bestimmt auch an alles andere; wer weiß wen du schon umgebracht hast. Du könntest ein neues Leben beginnen. Hier, in Cyrodiil, oder wie auch immer der Ort hier heißt. Aber würde dich das Glücklich machen? Wenn du dich Jack oder Otius oder sonstwie nennen würdest? Diese Namen sind so fremd, das wärst nicht du. Und was ist wenn du dich plötzlich irgendwann erinnern würdest? Dein Leben würde abermals zerbrechen. Nein, es liegt schon alles in Trümmern, das muss nicht nochmal passieren...
Mit einem Mal blickte er auf. "Wie finde ich meinen Stamm?", fragte er unverhohlen, und die beiden Kaiserlichen waren sichtlich überrascht und blickten sich an. Der Priester fand zuerst seine Stimme wieder.
"Das wird nicht so einfach wie gedacht, Junge. Die Satakali sind wie alle anderen Nomaden auch. Sie haben keinen festen Ort, an dem sie sich aufhalten. Einzig die Alik'r-Wüste wäre als Gebiet zu nennen, auf das sie sich beschränken. Freut euch jedoch nicht zu früh, es gibt einige verschiedene Stämme, welche Fremden und ganz besonders anderen Stammes-Mitgliedern alles andere als freundlich gesonnen sind. Außerdem ist die Wüste nicht gerade klein.". Die Autorin sagte nichts, aber für den Rothwardon stand seine Entscheidung schon fest. Er würde in die Wüste gehen und erfahren, wer er ist; lieber würde er dabei umkommen als sich weiter wie ein Fremder zu fühlen.
"Ich werde gehen...", sagte er mit fester Stimme und blickte in die Gesichter.
"Es ist eure Entscheidung, mein Junge...", meinte der Priester diplomatisch, die Augen von Casta Scribonia jedoch fingen an zu leuchten.
"Wenn ihr es schafft, helft ihr mir ein Buch darüber zu schreiben?". Der Rothwardon war überrascht über diese Bitte, und auch der Priester schnappte nach Luft. "Casta...ich muss doch bitten!", keuchte er, aber diese ließ sich nicht beirren, und so nickte der Rothwardon schließlich vage, bevor er sich verabschiedete und die Kapelle verließ.

Lange musste er nicht suchen in Chorrol, da hatte er schon einen rothwardonischen Händler gefunden, welcher mit seinem etwas exotischen und sandverkrusteten Wagen auf dem Marktplatz gastierte und seine Waren feil bot. Als der ihm unbekannte Mann an seinen Stand trat, ließ der Händler von der Kundin, die er gerade noch beraten hatte, ab und wendete sich ihm zu.
„Grüße. Wann fahrt ihr wieder nach Hammerfell?“, fragte der Rothwardon und musterte ihn. Seine Gewänder waren einfach und leicht, wie man es erwarten würde, wenn jemand länger in einer warmen Region unterwegs ist. Seine Haare waren mithilfe vieler kleiner Perlen zusammengeflochten, man konnte den Eindruck gewinnen, dass er typisch traditionell wirken wollte um seine Waren besser verkaufen zu können. Der Mann blickte etwas skeptisch drein, antwortete dann aber: „Mein Wagen ist so gut wie leer. Warum, wollt ihr mitkommen?“. Er muss den Händler fragend angeschaut haben, denn dieser setzte sofort nach: “Schaut nicht so; Ihr seht so aus als ob ihr aus der Wüstengegend stammt, ich habe einen Blick dafür. Wenn ich euch mitnehme, erwarte ich aber, dass ihr mir erzählt, was euch hier in diese Gegend verschlagen hat.“. Der Gedächtnislose nickte, was hatte er schon zu verlieren, wenn er diesem Mann alles erzählte, was er wusste, ausgenommen die Sache mit den Auftragsmorden. Wer weiß, vielleicht erfuhr er neue Einzelheiten aus Hammerfell.
Kurze Zeit später baute der Händler seinen Stand ab. Der Rothwardon half ihm dabei, ihm kam es fast so vor, als wäre der Mann etwas neugierig und würde deswegen sein Lager früher abbrechen, denn noch lagen einige Waren auf dem Karren.
Die Sonne war schon am Untergehen, als sie auf dem Karren saßen und auf der Straße nach Hammerfell fuhren. Die Gespräche drehten sich größtenteils nur um das Erlebte des Rothwardonen, wobei er jedoch geschickt die Geschehnisse mit der Dunmerin aussparte. Viel Neues hatte der Händler nicht zu berichten, er erzählte ein Wenig über die Gegend und die Wüste. Hilfreich wurde es erst, als er auf die Stämme zu sprechen kam. „Alle beten sie diesen komischen Schlangengott an. Wenn ihr wirklich einer von ihnen seid oder wart, dann wirkt ihr ganz und gar nicht wie diese Verrückten. Fremden gegenüber sind sie wirklich nicht sehr freundlich gesonnen. Am Besten, ihr sucht euch eine Karawane und reist mit dieser mit, als Wächter oder Helfer, dann seid ihr relativ sicher und könnt nach Erinnerungen suchen oder hoffen, dass euch jemand erkennt.“. Mittlerweile war es schon dunkel geworden, der Händler fragte auch schon ob sie lieber rasten sollten, aber der Rothwardon winkte ab und bewegte den Mann zum Weiterfahren. Den aufkommenden Hunger stillten die beiden mit Trockenfleisch und irgendwelchen stachelbewehrten Früchten, welche noch auf dem Karren herumlagen.
Zum Glück war es eine klare Nacht, so konnte der Rothwardon die sich verändernde Umgebung auf ihren Weg nach Hammelfell sehr gut wahrnehmen. Die großen Laub- und Nadelbäume waren schon lang verschwunden, und je weiter sie Richtung Grenze kamen, desto mehr verkam die Vegetation zu kleinen Sträuchern, und auch das Terrain wurde bergiger. Kaum eine Stunde später waren sie dann in Hammerfell. Der schlammige Untergrund der Straße verwandelte sich immer mehr in groben Schotter, das Gras und die Felsen der Umgebung in trockene, nur noch mit vereinzelten Grasbutzen verzierte Steppe. In der Ferne türmten sich hohe Berge auf, welche im Mondlicht wie spitze Zacken gen Himmel wuchsen, und einige Zeit kam es dem Rothwardonen so vor, als würden sie ins schwarze Nichts fahren; dann aber erkannte man am Fuße der Gebirgskette schwache Lichter, welche rasch näherkamen. Ein fragender Blick Richtung Händler entlockte ihm nur ein Achselzucken und ein monotones Murmeln von wegen „Nur eine Siedlung“.

Diese Siedlung entpuppte sich als eine kleine Ansammlung von geduckten Häusern aus gehauenen Felsen und wurde Steinmoor genannt. Der Händler lenkte seinen Wagen zu einem der Häuser, an welchem sich seitlich ein kleiner Anbau befand, stieg ab und klopfte an die Tür. Sogleich wurde geöffnet, und zur Verwunderung des Rothwardonen blickte ihnen eine Hochelfe entgegen mit dem typischen, überheblich wirkenden Blick welcher wohl bei allen Vertretern dieser Rasse zu finden war. Der Händler aber ließ sich nicht beirren und redete auf die Frau ein, und schließlich wurden sie eingelassen. „Habt ihr Geld?“, fragte der Händler, und daraufhin bekam er von dem Rothwardonen eine der Goldmünzen, mittlerweile waren es nur noch wenige. Der Händler bekam große Augen und beäugte das Goldstück, steckte es dann aber ein und bezahlte von seinem eigenen Geld die Hochelfe, scheinbar war das hier so etwas wie eine Herberge, denn sie bekamen zwei Schlüssel und die Elfe deutete auf zwei verwahrlost aussehende Türen.
Die Skepsis, welche sich beim Anblick der Tür in dem Rothwardonen angesammelt hatte, wurde leider bestätigt, denn in dem kleinen Raum, der nicht größer war als ein kleiner Schuppen, stand lediglich ein modrig aussehendes Gestell mit einer grob geflochtenen Hängematte, darauf ein fleckiges Kissen und eine dünne Leinendecke; gar kein Vergleich zu der Herberge in Skingrad und Chorrol, soviel stand fest. Als er sich darauf niederließ, knackte die Konstruktion bedrohlich, und er traute sich die ganze Nacht nicht, sich bequem hinzulegen, aus Angst, mit der Hängematte zusammenzubrechen.

Am nächsten Morgen stand der Rothwardon mit dem ersten Sonnenstrahl auf; er hatte nicht viel geschlafen, eher vor sich hingedämmert, aber zu seinem Staunen hatte dieses „Bett“ wirklich gehalten. Einen Spiegel gab es hier nicht, und er war sich sicher, dass er den spöttischen Blick der Hochelfe draußen am Tresen mehr als verdient hatte, so wie er wahrscheinlich aussah. „Ist der Händler schon wach?“, fragte er mit etwas gequälter Stimme, seine Knochen schmerzen von der unbequemen Nacht. Wortlos schob sie ihm einen zettel hin, auf dem mit krakeliger Schrift geschrieben stand:
Bin wieder zurück nach Cyrodiil. Für dein Gold habe ich euch eines meiner Pferde vor der Tür gelassen. Reitet gen Norden über North Hall und Vulkneu Town nach Riverpoint, dort gibt es viele Wüstenkarawanen. Ich wünsche euch viel Glück.
Darunter war weder ein Name noch sonst ein Kürzel zu sehen. Der Rothwardon schob den Zettel zurück und verließ wortlos das Haus; die Hochelfe quittierte das mit einem verächtlichen Schnauben und zerknüllte den Zettel.
Draußen vor der Tür stand tatsächlich das schwarze Pferd des Händlers samt Sattel. „Wer weiß, am Ende ist das Gold soviel wert, dass er davon 10 neue kaufen kann“, murmelte er vor sich hin und löste das Pferd von dem Zaun, an welchem es angebunden war, und saß auf. Reiten bereitete ihm keinerlei Probleme, zu seiner eigenen Verwunderung, im Gegenteil, es kam ihm vor als hätte er das früher schon immer sehr gerne getan und auch sonst nichts anderes gemacht. Die Reitkunst soll ja bei meinem Volk auch eine große Rolle spielen, dachte er so für sich und erinnerte sich an dieses Buch, was er gelesen hatte. Große Krieger und viele Helden, ja, so komm ich mir allerdings ganz und gar nicht vor. Allerdings rutschte er etwas ungeduldig wirkend in dem Sattel hin und her, irgendwie war ihm das doch sehr unbequem zumute, aber wenn man so ritt, warum nicht. Er wollte gerade einen der mürrisch aussehenden Handwerker nach dem Weg fragen, als er ein verwittertes Straßenschild entdeckte, welches auf den Weg deutete, der genau in das Gebirge führte. Darauf stand geschrieben „North Hall“, und darunter in kleineren Lettern „Vulkneu Town“. Misstrauisch blickte der Rothwardon auf die Berge, ihm wurde bei der Höhe schon etwas mulmig zumute, zumal die Wolken, welche um die Formationen herumzogen, alles andere als einladend aussahen. „Egal, ich muss weiter…was kann mir schon groß passieren außer ein wenig Regen“.

Als er einige Stunden später an einer steilen Felsböschung hing, sich in verdorrtes Wurzelwerk krallte und sich wünschte, sie würde nicht immer mehr nachgeben während es leicht nieselte, hätte er sich für seine Leichtsinnigkeit ohrfeigen können.
Vor einiger Zeit hatte er North Hall passiert, welches in einem Gebirgskessel gelegen hatte. Die Gewitterwolken waren dabei immer näher gekommen, aber noch hatte er sie nicht erreicht, denn die hing genau über den Gipfel der Bergkette, welche er nun auf den Weg nach Vulkneu Town vor sich hatte. Kurz überlegte er, ob es besser wäre, abzuwarten dass sich das Wetter besserte, aber er entschied sich dagegen. Mittlerweile war er voller Tatendrang und fühlte sich den Antworten auf alle seine Fragen viel näher, da konnte man doch unmöglich warten. Außerdem, was konnte ein Gewitter schon anrichten. Dieser Frage ging er kurze zeit später auf den Grund. Der Pfad war breit genug, um darauf zu reiten, und der Rothwardon kam gut voran, aber dann fing es an zu regnen; erst nieselte es nur, aber mit der Zeit entwickelte sich das Ganze zu einem gehörigen Wolkenbruch, der den Rothwardonen zum Absteigen zwang und er das Pferd an den Zügeln weiterführte, während er vorauslief. Jetzt spielte er mit dem Gedanken, sich irgendwo unter zu stellen, denn er hörte Donnergrollen und der Weg wurde auch immer schmaler, und den Boden zu seiner Linken hatte er durch den Regen auch schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. So schlängelte er sich den leicht nach oben führenden Bergpfad entlang, rechts eine schroffe, steil nach oben führende Felsböschung, links ein ebenso steil abfallender Hang, welche in einiger Entfernung einfach aufhörte und in einen Abgrund endete. Beim ersten Donner und dem darauffolgenden Blitz scheute das Pferd, und auch er selbst erschrak; die Idee, weiterzugehen, als er in der Siedlung war, erschien ihm immer unüberlegter, aber er ging weiter. Immer wieder zerrissen Donner und Blitz das Geräusch des prasselnden Regens, mittlerweile waren die Sachen des Rothwardonen vollgesaugt mit Wasser und eine schwere Last. In der Monotonie des Vorankommens, immer einen Schritt vor den anderen setzend und sich mehr an der Wand als am Abgrund orientierend, vernahm der Rothwardon das entscheidende Donnern nur unterbewusst. Erst als winzige Steine vor ihm herüberrollten, wurde ihm bewusst, dass das Pferd an seinen Zügeln zog und das Donnergrollen einen durchgehenden und immer lauter werdenden Ton angenommen hatte. Er blickte die Böschung hinauf und sah eine Welle aus kleineren Steinen auf sich zurollen, gefolgt von einer größeren mit richtigen Felsbrocken, welche jeder für sich die Größe eines normalen Hauses hatten. Er war wie hypnotisiert von diesem Anblick, sodass er nicht reagierte. Das Pferd riss sich los, sogleich wurde der Rothwardon von der ersten Welle der Steine von den Füßen gerissen und rutschte mit ihnen die Böschung hinunter, auf den Abgrund zu. Das Pferd sah er nicht mehr, die Welt drehte sich, in dem Donnergrollen hörte er nur mit Mühe ein jämmerlich klingendes Wiehern heraus. Sein Körper schüttete Adrenalin aus; so konnte es nicht mit ihm zu Ende gehen, er war nicht so weit gekommen um in einer Gerölllawine zu sterben. Reflexartig versuchte er sich an irgendetwas festzuhalten oder sich wenigstens erst einmal zu orientieren. Er rutschte gerade mit dem Rücken auf der Böschung entlang, um ihn herum rumpelten die kleinen Steine, malträtierten seine Arme, den Nacken, den Kopf. Er drehte sich unbewusst, rutschte nun auf dem Bauch, zerschrammte sich die Arme. Geistesabwesend krallte er sich in den Abhang und suchte Halt. Seine Handflächen wurden aufgerissen und er bekam immer wieder einen Schlag von vorn, wenn er irgendwie das Tempo verlangsamte. Dann plötzlich spürte er es noch steiler bergabgehen. Die Steine rollen jetzt nicht mehr, sie flogen nur noch so an ihm vorbei, und in einer panischen Bewegung bekam er etwas Festes zu greifen, was nicht aus Stein oder Moss bestand. Mit beiden Händen griff er danach und hielt sich mit aller Gewalt daran fest. Hart schlug er gegen die steil nach unten führende Felswand und ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Die Steine flogen über die Kante der Böschung hinweg und verfehlten den Rothwardonen nur knapp.
Nachdem die ganze Lawine die Böschung passiert hatte, vergingen Stunden, zumindest kam es dem Rothwardonen so vor. In Wirklichkeit waren es nur wenige Sekunden die das ganze Ereignis gedauert hatte, und nachdem nur noch kleine Steinchen über die Kante gerollt kamen, wurde der Regen schwächer und auch das Gewitter klang wie auf Kommando ab. Nun wagte es der Rothwardon, sich nach oben zu ziehen; vielmehr versuchte er es, scheiterte jedoch kläglich. Er strengte sich nur ein wenig an, aber die Wurzel nahm die kleinste Kraftanstrengung gleich persönlich, indem sie nachgab und den Mann noch eine Sektion tiefer rutschen ließ.
An seinen Armen floss das Blut von den Händen hinunter, und vorsichtig riskierte er einen Blick nach unten. Was er sah, ermutigte ihn nicht, denn nichts als gähnende Leere bot sich ihm dar. Was sollte er nun tun? Ewig konnte er hier nicht herumhängen, und darauf zu hoffen dass ihn irgendjemand fand auch nicht. Wer ist schon so dämlich und läuft bei diesem Wetter über den Pass? "Du natürlich...", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und unternahm einen weiteren Versuch, sich nach oben zu ziehen; aber dies sollte sein Letzter sein, denn im selben Moment gab das Wurzelwerk vollendens nach und der Rothwardon stürzte in die Tiefe...

Von dem Fall wusste der Rothwardon so gut wie nichts mehr. Auch nicht wie er hiergekommen war. Mit dröhnenden Schädel wachte er schließlich auf und schaute sich um. Er war in einer Steinhütte. Und es war heiß. Brütend heiß. Unglaublich heiß. "Was zum...", murmelte er und versuchte sich auf dem mit groben Leinen bezogenen Bett aufzusetzen, aber sein Körper machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Es ging gar nichts. Gerade einmal die Finger schaffte er zu bewegen und den Kopf zu drehen, auch wenn selbst das ihm Schmerzen bereitete und die Halswirbel knackten wie als wären sie eine Zeit lang nicht mehr bewegt worden. Angestrengt versuchte er den Kopf zu heben und an sich herunter zu blicken. Er war vollkommen nackt, abgesehen von dem Lendenschurz und der Decke über seinen Unterschenkeln. Dunkelrote und bläuliche Flecken verzierten seinen Körper, den schmerzen nach zu urteilen Prellungen. Sein linker Arm und selbiges Bein waren mit Holz bandagiert und sahen professionell verbunden aus, anscheinend waren sie gebrochen. Angestrengt dachte er nach, was war passiert? Mein Gedächtnis, die Satakal, der Abgrund, die Wurzel...ich bin gefallen. Hoffnungsvoll stellte er fest, dass er sich wohl schwer verletzt hatte, aber vielleicht war jetzt seine Erinnerung wieder da? Schläge oder Stürze helfen doch?! Er konzentrierte sich, kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder....
Nichts. Absolut gar nicht. Das darf doch nicht wahr sein. Er erschlaffte, legte den Kopf zur Seite und sah sich deprimiert um. Das Haus hatte eine normale Größe, direkt gegenüber des Bettes, welches längs zur Wand stand, befand sich der Eingang, welcher mit einer Decke verhängt worden war, dasselbe bei den beiden Fenstern links und rechts davon. Ein kleiner Tisch samt Stühle stand links an der Wand, nachdem er den Kopf gehoben hatte, rechts sah er fremdartige Verzierungen an den Wänden und auf dem Boden, außerdem direkt neben seinem Bett eine weitere Schlafmöglichkeit. Als Lichtwelle identifizierte er nur eine fremdartig aussehende Lampe auf dem Tisch, ansonsten reichte die Sonne, welche durch die Ritzen zwischen Mauerwerk und Decke hineinschien, vollkommen aus um den Raum in angenehmes Licht zu tauchen. Nichtsdestotrotz war es stickig und heiß. Wo war ich gleich nochmal? Hammerfell, ja...wie bin ich hierher gekommen, von Sand war doch in den Bergen weit und breit nichts zu sehen.
Erst jetzt hörte er es von draußen. Musik. Oder besser gesagt, Trommeln und Rasseln. Wie konnte das sein? Und warum kam sie ihm so bekannt vor? Wo bin ich nur?
Sein Gedankengang wurde jäh unterbrochen, als der Vorhang plötzlich beiseite geschoben wurde. Das Licht von draußen blendete ihn und ließ die Person, welche in der Öffnung stand, wie eine geisterhafte Lichtgestalt wirken. Erst als sie eintrat und die Decke wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückglitt. Und dann sah er sie. Vor ihm stand eine Rothwardonin mit fein geschnittenen Gesichtszügen, langen schwarzen Haaren und einem Körper, welche die Rundungen genau an der richtigen Stelle hatte um sie insgesamt als eindeutig schön betiteln zu können. Auf ihrem Arm hielt sie eine Schüssel mit Wasser und hatte ein Tuch darum gelegt. Die dunklen Augen musterten ihn sanft, und mit langsamen Schritten kam sie näher und kniete sich vor ihm hin. Sie kam ihm bekannt vor...so verdammt bekannt. Sie schwieg, er ebenfalls. Und als sie die Stille durchbrach und seinen Namen nannte, war es als ob eine Blitzbombe vor seinen Augen explodieren würde.

Unzählige Bilder rasten dahin. Schlangen. Sand. Sonne. Tänze. Dörfer. Blut. Schlangen. Sahi. Jagd. Sand. Ruine. Dunkelheit. Es war als würden alle Erinnerungen auf einmal sich in seinen Kopf drängen wollen, als könnten sie sich nicht einigen, wer zuerst den Weg zurück in sein Gedächtnis findet. Farbige Punkte platzten vor seinen Augen, verwandelten sich in weitere Bilder, welche er in Sekundenbruchteilen in die richtige Chronologie brachte und so nach und nach alle Lücken füllte, welche er in seinen Erinnerungen hatte. Ungeheure Kopfschmerzen breiteten sich aus, schickten sich an, seinen Schädel zum Platzen zu bringen, so kam es ihm vor.
Doch mit einem Mal war alles verschwunden. Das Rauschen in seinen Ohren, das Kaskadengeräusch wenn die bunten Kugeln explodierten, die Kopfschmerzen, alles. Plötzlich sah er nur noch das Gesicht der Frau vor sich, ganz nah vor seinem. Sie strich ihm durch das Haar und sah besorgt aus. "Komm schon, Raccan, sag etwas...wie geht es dir...", flüsterte sie immer wieder unentwegt und streichelte sein Haar.
Entgeistert starrte er die Frau an. Raccan, Raccan. Der Name war ihm vertraut. Es ist sein Name. Ohne Zweifel. Auf einmal erschien ihm dieser Umstand so klar. Warum kam er nicht darauf? Raccan. Es ist doch das Natürlichste der Welt, dass ich Raccan bin. Seine Augen mussten verraten haben, dass er abwesend war, denn noch immer flüsterte die Frau ihm zu.
"Raccan, verdammt nochmal, jetzt rede mit mir...", flüsterte sie erstickt und man konnte erkennen, dass sie kurz davor war, zu weinen. Ohne groß nachzudenken schluckte er einmal und sprach, ohne zu wissen wieso und weshalb er dies tat: "Fang jetzt nicht an zu heulen, Sahi...". Ihm kam dieser Satz so selbstverständlich vor. Er entsprach genau seiner Art, wie als wär er nie weg gewesen. Mit Galgenhumor, ja so kannte ihn seine Schwester. Ihr Gesicht zeigte Erstaunen, dann plötzlich brach sie in Tränen aus, warf sich an seine Schulter und schluchzte. Kurz darauf ging das Ganze in ein ersticktes Lachen über; sie löste sich von ihm und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Dummkopf...", nuschelte sie, aber lächelte nun wenigstens wieder.
"Wo bin ich, Sahi...was ist passiert...", fragte er sie nach einer Pause, welche ihm endlos lang vorkam. Die Frau setzte sich bequemer und blickte ihn aufmerksam an. "Du weißt es nicht? Du bist zuhause, in unserem Dorf. Ein paar Banditen fanden dich in einer Schlucht zwischen North Hall und Vulkneu Town. Laut ihnen hast du Glück gehabt dass du genau in die Bäume der Oase, welche sich dort befindet, gefallen bist. Ein Wunder, dass d noch lebst....ein großes Wunder...oh, naja, jedenfalls erkannten sie deine Tätowierung und brachten dich her. Sie wollten dich an uns zurückverkaufen. Zalanu hat sie...verschwinden lassen...", senkte sie die Stimme, es war unmissverständlich was sie damit meinte. Raccan nickte entwaffnend, so gut das möglich war in seiner Position. "...du hast eine Menge Knochenbrüche und Prellungen. Sag, wo warst du nur? Dieser Weg lag doch gar nicht auf deiner Route...", und besorgt blickte sie ihn an. Der Rothwardon ließ ein wenig Zeit verstreichen um seine Gedanken zu ordnen. "Zalanu gab mir den Auftrag, einen Khajiit zu finden und zu töten. Ich habe ihn verfolgt, er ist nach...Cyrodiil geflüchtet. Ich bin in eine Ruine gestürzt und hatte...alles...vergessen. Mich. Dich. Das alles Hier. Aber...Satakal hat mich zurückgeführt...", lächelte er sie an.
Nachdem sie ein wenig geredet hatten, schickte sich Sahi an, sich zu erheben. "Zalanu will mit dir reden, ich werde ihn holen". Sie erhob sich und schaute, in der Tür stehend, nochmal zu Raccan zurück. "Ich bin froh, dass du wieder da bist, Brüderchen...", gab sie nochmals kund und verschwand dann.
Es dauerte nicht lang, da betrat ein großer, kräftiger, jedoch etwas dicklicher Mann mit einem braungebrannten Teint den Raum. Über den ganze Körper hatte er Schlangentattoos verteilt, selbst im Gesicht. Bekleidet war er mit einem Kürass der aussah wie aus vielen kleinen zusammengeklebten Strohhalmen, und einem ledernen ausladenden Lendenschurz. Stumm musterten sich die beiden Männer, ehe das Stammesoberhaupt das Wort ergriff.
"Raccan...du sahst auch schon einmal besser aus...", und ein Lächeln umspielte die Mundwinkel Zalanus. Dann aber wurde er ernst. "Hast du den Auftrag ausgeführt?".
"Nein, Zalanu, vergib mir. Das reudige Katzenwesen ist nach Cyrodiil geflüchtet. Durch einen Sturz verlor ich mein Gedächtnis und habe es nur Satakal zu verdanken, dass ich wieder zurückkehren konnte, um dir davon zu berichten.".
Zalanu nickte, bedachte Raccan mit einem nichtsagenden Blick und fuhr dann fort. "Dein Auftrag ist noch gültig, Assassine. Dein Schwur verlangt von dir, ihn zu beenden.".
Raccan nickte nur.
"Du warst mir immer ein zuverlässiger und treuer Anhänger. Deine Erfolge verschafften dir und deiner Schwester hier ein besseres Leben. Setz das nicht auf's Spiel...".
Wieder nickte Raccan nur. Er wusste, je besser und effizienter die Anhänger des Stammes ihre Aufgaben erfüllten, desto angesehener und höher in der Rangfolge waren sie hier und genossen gewisse Privilegien. Der Rothwardon sah sich um. Ein eigenes Haus war nur wenigen vergönnt, ebenfalls hatte er es geschafft, seine Schwester aus diesen ihm befremdlichen Ritualen der Satakal-Priester, welche meistens mit Orgien oder Vergewaltigungen im Namen der Schlange einhergingen, herauszuhalten, wenngleich er wusste, dass diese geifernden Säcke nur darauf lauerten, seine schöne Schwester in einem dieser Rituale zu schänden. Dementsprechend warteten sie darauf, dass er eine Reihe von Fehlern beging, die seinen Status abträglich wären. Allein das war Motivation genug, über Leichen zu gehen.
"Gut. Ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen. Wir reden weiter, wenn du genesen bist", und damit drehte sich Zalanu um und verließ das Haus.

Die folgenden Wochen waren für Raccan nicht leicht; anders als in der "zivilisierten" Welt benutzte der Stamm keine Wiederherstellungszauber, um Verwundete zu pflegen. Der Rothwardon war schon in Städten in Hammerfell gewesen und hatte die Magier beneidet. Einmal Handauflegen, und größere Verletzungen waren innerhalb von Sekunden Geschichte. Hier aber lief das anders ab. Der Kult sah die eigenständige Genesung als eine Form der Erschwerung des vom Schicksal bestimmten Weges, und diese Hürde hatte man nur mit eigener Kraft, ohne Magie, zu nehmen. Raccan machte sich in dieser Zeit nützlich und half hier und da, wo er konnte. Als er dann so weit genesen war, dass er sich wieder eigenständig bewegen konnte, begann er mit dem Training. Bogenschießen, der Kampf mit den Wurfmessern, Schwertkampf und waffenloser Kampf; Konditionstraining in der Wüste, Kletterpartien steile Felswände hinauf, Übungen in der Herstellung von Giften und Tränken. All das war für ihn ganz normal, vergessen war die Zeit, als er noch ziellos durch die Steppe irrte und nicht einmal wusste, wer er war. Es war, als wär er nie weg gewesen.

Als er sich fit genug fühlte, bat er bei Zalanu um eine Audienz, welche ihm überraschend schnell genehmigt wurde, und sogleich trat er in das Haus des Anführers.
Hier drin war es stickig und heiß, Raccan war nur selten hier drin. Es gab nur zwei Gründe, um hier zu sein: Entweder hatte man etwas falsch gemacht, oder die Obrigkeit hatte etwas mit einem vor. Aus anderen Gründen wurde so gut wie die eingewilligt, Zalanu "einfach so" zu treffen. Der Raum hatte eine runde Form, und allerlei Verzierungen hingen an den fensterlosen Wänden. Totenschädel, Wollgeflechte, bemalte Schlangenhäute. Selbst die beiden Wächter, welche drinnen links und rechts neben der Tür standen, machten schon beinahe den Eindruck, als gehörten sie zum Inventar. Eine Lederrüstung, mit Schlangenhaut bespannt, dazu ein Speer in der Rechten und ein ebenfalls mit der Schlangenhaut verzierter Rundschild verliehen den Kolossen den Eindruck, als ob es Statuen wären, denn sie zeigten keine Regung, als Raccan an ihnen vorbeischritt. Sie waren etwas größer und breiter als Raccan, was schon etwas heißen mochte, denn von schwacher Statur war er selbst ebenfalls nicht. Der Rothwardon versuchte die Wächter zu ignorieren und trat vor den hölzernen Thron, auf dem Zalanu saß und ihn interessiert musterte.
Er deutete eine leichte Verbeugung an. "Hallo, Zalanu. Ich bin nun bereit, meiner Pflicht nachzukommen und die Aufgabe, bei der ich versagt habe, erneut in Angriff zu nehmen.".
Der Mann nickte bedächtig. "Es freut mich, dass du dein Wort hälst, Raccan, ich hatte schon beinahe nicht mehr mit dir gerechnet und mir...Schritte überlegt. Deine Schwester wird es dir danken.".
Unmerklich zuckte Raccan zusammen, was dem Häuptling anscheinend sehr gut gefiel.
"Also, Raccan...", und er holte eine Schriftrolle aus Schlangenhaut hervor, "...hier ist dein Auftrag. Du sollst den Khajiit Hawa'ajala finden. Er ist ein Verräter unseres Clans und hat sich schuldig gemacht, Informationen an verfeindete Stämme weitergegeben zu haben, wofür ihm die Todesstrafe zusteht. Gemäß unserem Kodex muss er eine Wiedergeburt erfahren, damit Satakal sich seiner unreinen Seele annehmen kann.".
Raccan nickte stumm. Die Wiedergeburt war ein Ritual, welches die Häutung der Schlange symbolisieren sollte. Jenes Tier geht aus dieser gestärkt hervor. Der Khajitt wohl eher...tot, denn eine Häutung bei lebendigen Leib war für niemanden zu überleben. Es war brutal, pervers und bestialisch, aber Raccan wusste es nicht besser, mittlerweile war dieses Vorgehen für ihn wieder normal, und er mochte sich nicht ausmalen, dass das Ganze für ihn vor noch nicht einmal zwei Monaten alles andere als nachvollziehbar gewesen wäre.
Zalanu fuhr fort, nachdem er Raccan die Rolle in die Hand gegeben hatte. "Du wirst des nachts aufbrechen, denn heute Abend wird deine Waffe, welche du erhalten wirst, von Sahi geweiht, und es würde sie sicherlich schmerzen, wenn du währenddessen nicht anwesend wärst.".
Raccan nickte wieder, verbeugte sich leicht und entfernte sich wortlos aus dem Zelt.

Die Zeit bis zum Abend verbrachte der Rothwardon damit, seine übrigen Ausrüstungsgegenstände zusammen zu suchen und sie vorzubereiten. Wurfmesser, einen Bogen aus dunklem Stahl, Pfeile aus demselben Material, ein doppelschneidiger breiter Zeremoniendolch. Die Rüstung, welche er bei dem ortsansässigen Schmied erhielt, war eine dunkle, "weltliche" Lederrüstung. Anders, so waren sich die Ältesten, welche die Jagd abgesegnet hatten, einig, würde er sich in Cyrodiil nicht bewegen können, da er wie ein Ortsansässiger wirken musste. Skeptisch betrachtete der Rothwardon die Rüstung. Sie sah warm aus, war geschlossen und besaß eine Kapuze. Die Hose bestand aus dickem schwarzen Leder, die etwa wadenhohen Stiefel hatten eine kompliziert aussehende Verschnürung und saßen wie für ihn gemacht, desweiteren waren sie leise, boten viel Halt und hatten eine verstärkte Schuhspitze, ideal zum Klettern oder auch zum Zutreten. Abgesehen davon dass sich Raccan fragte, wie sehr er wohl in diesem Ding schwitzen würde, war ihm die Rüstung eigentlich ganz angenehm.

Die Sonne senkte sich langsam über den Drachenschwanzbergen, als die Weihe begann. Alle Stammesangehörigen saßen im Kreis auf dem großen Platz in der Mitte des Lagers, einige waren bunt geschmückt und tanzten zur Trommelmusik. Raccan, bereits in voller Montur, setzte sich zu Sahi, welche ein freizügiges seidenes Gewand trug, dass nur ihre Brüste und den Unterleib bedeckte. An dem losen Seilgürtel hingen zwei Stiletts, welches sie wohl für den Hauptteil des Rituals brauchte, denn sie hielt vor sich auf dem Schoß ein Silberlangschwert mit schlangenförmigen Gravuren, dass zweifellos für Raccan bestimmt war.
Kaum war die Sonne hinter den Bergen verschwunden, wurden Fackeln entzündet, der Lautstärkepegel fiel drastisch ab und die Weihe begann.
Sahi erhob sich und ging auf die Mitte des Platzes zu, das Silberschwert in der Hand; hunderte Augen folgten ihr auf ihrem Weg zu dem Korb, welcher dort in der Mitte stand. Langsam legte die die Waffe auf den Boden, nahm den Deckel vom Korb und warf das Behältnis um. Ein wütendes Zischeln erklang, als die große Schlange aus dem Korb schleuderte und im Staub landete. Sie war schwarz wie die Nacht und blickte sich hektisch nach dem Unruhestifter um, und sogleich fand sie ihn in Sahi. Diese hatte inzwischen die beiden dünnen Waffen gezogen und hielt sie in Abwehrhaltung vor sich, die Augen fest auf das Tier fixiert. Raccan machte sich um seine Schwester keine Sorgen, er wusste dass es für sie ein Leichtes war, die Schlange auszuschalten. Das Einzige, was er ihr immer wieder vorwarf war die Tatsache, dass sie es liebte, mit ihr zu spielen, sie zu necken und das Unausweichliche, nämlich die Tötung des Tieren, in die Länge zog. Aber so war sie nun einmal, sie wollte ihr Können darbieten. So auch jetzt. Immer wieder wich sie geschmeidig den Angriffen der Schlange aus. Diese spritzte mit ihrem Gift, schnappte nach Sahi, versuchte sie in die Enge zu treiben, sie zu überraschen; aber nichts was das Tier tat brachte sie auch nur im Entferntesten in Bedrängnis. Im Gegenteil, es sah fast so aus als würde sie mit der Schlange tanzen. Der Tanz wurde schneller und schneller, bis man deutlich bemerkte, wie der schwarze Riese müde wurde. Auch Sahi registrierte das und brachte sich in Pose. Abermals schoss die Schlange auf die Rothwardonin zu, diese wich aber diesmal nicht zurück, sondern stach mit beiden Stiletts gleichzeitig zu. Blut spritzte, als die spitzen, dünnen Klingen in den Rachen der Schlange eindrangen durch ihr Hirn fuhren und sie auf der Stelle töteten. Mit weit aufgerissenen Maul wurde sie aufgespießt, das Gift traf Sahi auf Arme und Oberkörper, aber es richtete keinen Schaden an. Von der Menge gab es anerkennende Zurufe, und die Trommeln begannen wieder schneller und lauter zu werden, während des Tanzes waren sie nur dezent im Hintergrund zu hören gewesen. Sahi zögerte nicht lang. Sie griff nach dem Silberschwert, setzte es am Rachen der Schlange an und stieß zu. Die gesamte Klinge der Waffe verschwand in der Schlange, die Menge jubelt und schrie. Sogleich zog sie die Waffe wieder heraus und, blutverschmiert wie sie war, reckte sie sie in die Luft.
Damit war das Weiheritual beendet, später am Abend wurde Raccan von seiner Schwester die Waffe ausgehändigt, samt dazugehöriger Schwertscheide, welche mit dem Leder jener Schlange bezogen war, die vorhin zugunsten des Schwertes geopfert wurde.

Der Abschied fiel recht nüchtern aus. Ziemlich genau um Mitternacht trat Raccan, in voller Kampfmontur an den Häuptling heran. Dieser musterte ihn kurz, schien mit dem Anblick zufrieden und berührte die Stirn des Rothwardonen. "Satakal schütze dich...", sprach er mit kehliger Stimme. Raccan nickte stumm und wandte sich zum Gehen. Das Pferd vor seinem Haus, ein Achal-Teke-Pferd, welches sich durch hohe Zähigkeit auch bei trockenen Klima auszeichnet, war aufgezäumt und bereit zur Abreise. Auch ein Sattel befand ich darauf, auch wenn Raccan lieber ohne ritt. Aber er musste sich der "zivilisierten" Welt anpassen, da gehörte dies wohl einfach mit dazu. Er wollte gerade Aufsitzen, als ihm eine Hand auf die Schulter gelegt wurde.
"Typisch, wie immer vergisst du dich zu verabschieden...", hörte er die sanfte Stimme seiner Schwester hinter sich.
Er drehte sich um und blickte sie von oben bis unten an. Ungefragt wischte er ihr einen Tropfen Blut von der Wange, noch ein Überbleibsel des Rituals. "Entschuldigung...", erwiderte er und setzte ein Schuljungen-Blick auf, bei dem Sahi wie immer anfing zu lachen.
"Dummkopf...pass auf dich auf...", und sie schloss ihn in die Arme und drückte ihn herzlich. Nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, drückte sie ihm noch ein kleines geschnitztes Ding an einer Halskette in die Hand. Ein S war eingeritzt.
Fragend blickte Raccan sie an.
"Eine Pfeife. Probier sie.".
Er tat wie ihm geheißen, ein hochfrequenter Ton erklang, fast nicht zu hören. Erst geschah nichts, dann aber landete ein Falke auf dem Sattel des Pferdes und blickte die beiden Rothwardonen vor sich fragend an.
"Er heißt Jail. Ein Kurierfalke. Wir bleiben in Kontakt...er sucht dich auf wenn ich eine Nachricht für dich habe, und anders herum auch...zum Beispiel, wenn ich einen Mann gefunden habe...", grinste sie breit.
"Vorsicht, Schwesterchen...aber ich danke dir...", sagte Raccan, umarmte Sahi abermals und schwang sich dann in den Sattel; der Falke war bereits wieder verschwunden und die Pfeife hatte er sich um den Hals gehängt und unter seine Rüstung versteckt. Leicht drückte er seine Fersen in die Flanken des Pferdes und es setzte sich in Bewegung. Sein nächstes Ziel würde Chorrol sein; aber diesmal würde er diese Stadt betreten als ein Jemand. Diesmal wusste er, wer er war. Er war Raccan...