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Mythos
Westspalte, Heerlager am Aschlandpass, Rüstungszelt
Nach dem Schlussspruch des alten Nords löste sich die Versammlung schnell auf und es begannen sich kleine Diskussionsrunden zu sammeln. Da er sich als Abgesandter der Kriegergilde zu erkennen gegeben hatte, waren die umstehenden Männer vermutlich von anderen Söldnergruppen. Um die Frau herum versammelten sich wesentlich weniger Leute. Neben dem Mann, der ihr vorhin aus dem Zelt schon nachgerannt war, gab es noch zwei Altmer unter ihren Anhängern, eine rothaarige Dunmerin und eine alte, runzelige Kaiserliche. Tarrior konnte ihre Worte nicht verstehen, da sie zu leise sprach, doch war ihrem Gesicht die Wut deutlich abzulesen. Er ging zu ihr hinüber. Sie entließ gerade ihre Getreuen, als er sich zu ihr gesellte. „Wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin Hlaalu Tarrior Gildres, Ratsherr in Balmora. Wie ich den Herrschaften hier schon erläutert habe, bin ich nicht der Abgesandte des Hauses“: stellte er sich vor. „Und was wünscht ihr dann von mir?“: fragte sie abweisend. „Ich fand eure Planungen für einen Angriff auf die Daedra interessant. Würdet ihr sie mir noch einmal ausführlich erläutern?“: bat er. Sie sah ihn für einen Moment misstrauisch und abschätzend an, dann nickte sie und führte ihn zurück zum Kartentisch. Inzwischen verließ auch der Nord mit seinen Leuten das Zelt. Zurückblieben noch einige wenige Personen, die sich während der Diskussion eher neutral verhielten. „Vielleicht habt ihr im Gegensatz zu diesem Feigling die Chance in meinen Planungen erkannt“: sagte sie und gemeinsam beugten sie sich darüber. Sie begann mit dem Finger die Einheitenbewegungen zu zeigen.
„Ich würde wie gesagt einen Zweifrontenangriff durchführen. Wir teilen die Armee dazu zunächst zur Hälfte auf. Die eine Hälfte wird ohne größeren Zwischenwiderstand schnell nach Ald’rhun vorstoßen, oder was davon übrig ist, und einen Angriff auf die dortigen Feinde starten und versuchen sie zur Geisterpforte zurückzuwerfen. Die andere Hälfte soll den Belagerungsring um Mar Gaan knacken und die Dämonen dort vernichten. Das Ganze würde verhindern, dass uns der Feind in den Rücken fällt, während wir unsere Aufmerksamkeit auf die Befreiung der Stadt richten. So wären sie an beiden Positionen in der Defensive und könnten sich nicht helfen“: erklärte sie das Vorgehen. „Aber was ist mit dem Einwand, dass die Truppen durch die Aufteilung zu sehr geschwächt würden?“: fragte Tarrior interessiert. „Das ist Unsinn. Die daedrischen Truppen, die sich in den Ruinen von Ald’rhun festgesetzt haben, sind gewiss nicht so zahlreich wie die Hauptstreitkraft. Die Hälfte aller Leute die wir hier im Lager haben, sollte ausreichend sein, um sie zu vernichten. Ich sehe da gute Chancen“: antwortete die Bretonin. „Und Mar Gaan? Ihr sprecht ja selbst von der Hauptstreitkraft. Wäre da auf freiem Feld nur die Hälfte der Soldaten ausreichend?“: wies er sie auf eine Lücke in den Ausführungen hin. „Ich sagte ja, dass man ein Risiko eingehen müsse und dies wäre so eines. Gewiss ist der Gegner zahlreich, aber zusammen mit einigen Kriegern sind wir auf eine List gekommen. Diese würde unsere Unterzahl kompensieren und die Chance auf einen Sieg erhöhen. Der Kampf wird Verluste fordern, aber sie würden noch verkraftbar sein und die Belagerung beenden“: gab sie sich noch immer nicht eindeutig. „Und was soll dies für eine List sein?“: kam Tarrior zum Kern der Sache, die ihn eigentlich interessierte.
„Wenn ihr die Sache für verrückt haltet, sagt es gleich. Ich will dann nicht weiter meine Zeit mit euch verschwenden“: schwor sie ihn darauf ein, bevor sie fortfuhr: „Wir planen dem Feind doppelt in den Rücken zu fallen. Wir könnten so von beiden Seiten des Belagerungsringes eine Schneise in ihre Armee treiben und ihre Formationen auseinandersprengen. Die disziplinierten Dremoren müssten dann so planlos kämpfen, wie geistlose Clanbanne oder Daedroths. Ihr müsst wissen, dass meine Liga das belagerte Mar Gaan mittels magischen Transportes mit Gütern versorgt. Wir würden die Hälfte der Streitkräfte die in Mar Gaan angreift nochmals in zwei Gruppen aufteilen. Eine Gruppe wird die Daedra wie geplant auf dem Landweg vom Pass her angreifen. So fallen wir ihnen zuerst in den Rücken, da sie mit einem Gegenangriff gar nicht rechnen. In der Zwischenzeit bringen wir die andere Gruppe mittels Magie nach Mar Gaan und stürmen, während der Angriff der ersten Gruppe bereits läuft und der Feind sich zur anderen Richtung orientiert, dann aus der Stadt. So können wir ihnen ein zweites Mal in den ungeschützten Rücken fallen. Zwischen beiden Fronten würden wir dann die Daedra zerreiben und die Tore schließen. Den Abschluss bildet ein Gewaltmarsch zur Streitmacht, die Ald’rhun säubern soll. Sobald das Heer wiedervereint ist, drängen wir diese Dämonenbrut zur Geisterpforte zurück. Natürlich ist was Koordination und Detailarbeit angeht, noch einiges zu erledigen. Es wäre zum Beispiel nämlich schön, wenn wir koordiniert zusammen mit den kaiserlichen und häuslichen Truppen aus Süden, Westen und Südwesten vorrücken könnten. Aber leider wird dieser Plan hier, ihr habt es ja gehört, schon von dieser erlauchten Gruppe abgelehnt. Wenn nicht einmal die ganzen Organisationen des Lagers dahinterstehen, wie sollen wir uns dann beim Generalsrat und dieser sich beim Herzog und den Häusern durchsetzen?“
„Ihr versorgt Mar Gaan? Dann gehört ihr der Liga der Magischen Gewalt an?“: fragte Tarrior sehr erfreut über diese glückliche Tatsache. „Das ist richtig“: bejahte die Bretonin. „Euer Plan scheint gut zu sein. Doch sind da immer noch gewisse Unwägbarkeiten. Wenn ihr diese Truppen mittels Magie in die Stadt bringen wollt, könnte es doch passieren, das sie wegen der, von den Oblivion-Toren ausgehenden, Störungen vorher aus dem Zauber herausfallen und dann umzingelt inmitten des Feindes stehen“: griff Tarrior diese Bedenken noch einmal auf. „Das ist das größte Problem am Plan. Mit der Möglichkeit einer Niederlage muss man immer rechnen, da kann man auch nichts weiter tun, außer sich zu entscheiden nicht zu kämpfen und das ist gewiss keine Option. Trotzallem denke ich, sollten wir dieses Risiko eingehen. Wenn wir noch viel länger warten, könnte es zu spät sein und dann werden es alle bereuen diese Gelegenheit nicht wahrgenommen zu haben“: räumte sie ein. Tarrior lehnte sich mit dem Rücken an den Tisch an und schloss die Augen.
„Die ganze Sache birgt Risiken und im Fall einer Niederlage wäre der Pass wirklich so gut wie schutzlos. Andererseits haben die anderen Herrschaften keinen besseren Plan präsentieren können und ohne Risiko und Opfer werden die Daedra auch nicht zu bezwingen sein. Der Sieg wird nicht einfach von Akatosh persönlich auf einem silbernen Tablett herbeigebracht, sondern muss mit Blut erkauft werden. Ihr hättet meine Unterstützung zu dem Plan, aber ich glaube mein Wort zählt hier nicht besonders viel. Ich bin schließlich nur ein kleiner Ratsherr und einfacher Magierkrieger“: sagte Tarrior ihr die Unterstützung des Planes zu.
„Euer Haus bräuchte ein paar mehr Leute, die so mutig denken. Den meisten geht es um ihren Profit. Aber in der Magiergilde ist es nicht besser. Jeder schiebt die Verantwortung an die Kampfmagier der Kaiserlichen Legion ab, die für die magische Kriegsführung zuständig wären. Oder wer auch gerne den Dunmern den Schwarzen Peter zuspielen möchte sagt, dass das Haus Telvanni gefälligst eingreifen solle. Die Legion verfügt nicht, vor allem nicht hier auf Vvardenfell, das ausreichende magische Potential um diese Aufgabe zu übernehmen und die Telvanni betrachten diesen Krieg in weltfremder Art nicht als ihre Angelegenheit. Ihre Festlandsverwandten kämpfen, aber die erlauchten Magierfürsten hier legen die Hände in den Schoß. Wer wenn nicht die Magiergilde sollte eingreifen? Doch was tut die Gildenführung Vvardenfells, der im übrigen mit dieser Ranis Athrys aus Balmora gerade mal die stellvertretende Erzmagierin und dazu noch eine Frau aus der sicherheitsbedürftigen Hlaalu-Ratsstadt vorsitzt, gegen diesen Mangel an magischer Kampfkraft? Sie schicken Magier nur auf freiwilliger Basis und dann auch nur als Heiler, humanitäre Helfer oder Ausbilder für die eigentlichen kämpfenden Truppen in die Lager. Ich sage euch: Unter Erzmagier Malukhat hätte es so etwas nicht gegeben. Er erschien mir immer eher eine kämpferische Natur zu sein. Er hätte nicht einfach zugelassen, dass die Magiergilde die Arme verschränkt, während die Daedra Vvardenfell in Brand setzen! Aus diesem Grund habe ich mich auch der Liga der Magischen Gewalt angeschlossen“: hielt sie eine Brandrede auf die zögerlichen Verhältnisse in den Gremien der Gilde.
„Das ist Politik“: widersprach Tarrior ihr nur gedanklich. Er konnte die Entscheider der Gilde verstehen, aber sein Herz gab ihr Recht. Die Daedra entstellten hier und heute seine Heimat und bedrohten seinen Besitz. Um das Kaiserreich oder um die Leben der Menschen und Mer, die sie in ihrer Zerstörungswut auf ganz Tamriel fordern würden, war es ihm ziemlich egal. Doch Morrowind und Vvardenfell, seine Heimat, waren für ihn vor der drohenden Vernichtung unbedingt zu bewahren.
„Ihr sagtet ihr wäret Magierkrieger?“: fragte die Bretonin und riss ihn so aus seinen kämpferischen Gedanken. „Das ist richtig. Ich verstehe mich auf die Zerstörungsmagie und ein wenig auf die anderen Schulen. Ansonsten bevorzuge ich das Schwert um meine Gegner meinen Zorn spüren zu lassen“: bejahte er die Frage. „Habt ihr schon über die Mitgliedschaft in der Magiergilde nachgedacht?“: fragte sie nun mit einem seltsamen Ton in der Stimme. Tarrior lachte innerlich auf. Er verstand, worauf das Gespräch hinaus laufen würde. „Ich bin schon seit vielen Jahren Mitglied. In der gleichen Gildenhalle aus der auch diese Ranis Athrys stammt. Aber ich beteiligte mich bisher nicht sonderlich aktiv am Gildengeschehen“: antwortete er. In die Augen der Frau trat plötzlich ein hocherfreuter und zugleich hochinteressierter Blick. Ein gefährliches Funkeln schimmerte auf den Pupillen. „Das ist ja hervorragend. Wisst ihr, dies wäre doch eine perfekte Gelegenheit euch aktiv an den Gildengeschäften zu beteiligen – an vernünftigen Gildengeschäften. Unsere Liga rekrutiert kampfwillige Gildenmagier, die im Gegensatz zur Feigheit der Gildenleitung die tapferen Soldaten hier im Kampf unterstützen und die Daedra mit Zerstörungszaubern überziehen wollen. Ihr wäret doch perfekt“: bot sie ihm eine Mitgliedschaft in der Liga an. Das war seine Chance. Als Mitglied dieser Fanatiker wäre bei genau jener Gruppierung, die die Versorgung Mar Gaans sicherstellt und hätte guten Aussichten auf einen Platz bei den Begleitern der nächsten Lieferung. Mit der Fürsprache der Bretonin, die immerhin Abgesandte der Liga in diesen Rat hier war, wäre es gewiss leichter.
„Ihr seid zwar nur ein kleiner Ratsherr, aber eure Fürsprache beim Abgesandten eures Hauses oder im Generalsrat könnte unserer Sache sicherlich dienlich sein. Die Daedra müssen bekämpft werden und wenn ihr euren Hausgenossen überzeugen könnt, würden die Anderen ihre Meinung gewiss überdenken und ich … ähm ich meine wir könnten diesem aufgeblasenen alten Narr von der Kriegergilde zeigen, dass selbst die papyruskritzelnden Zauberwerfer von der Magiergilde und die ängstlichen egoistischen Händler Hlaalus mutiger sind als die großen, tapferen und starken Krieger seiner Gilde“: warb sie bei ihm weiter für ihre Sache. „Also doch nicht ganz uneigennützig“: dachte er schmunzelt, doch er hatte sich sowieso bereits entschieden, wegen der besseren Zugangsmöglichkeit ins belagerte Mar Gaan. Die Aussicht diesen Nord von einem „kleinen Mädchen“ besiegt oder zumindest düpiert zu sehen, wäre ein Bonus. „Also wie ist eure Entscheidung?“: drängte sie ihn zur Antwort. „Ich werde eurer Liga beitreten. Sobald der Abgesandte meines Hauses eintrifft, werde ich mich bei ihm für euren Plan einsetzen. Ich kann natürlich nichts versprechen“: sagte er zu. „Wunderbar, wunderbar. Mehr verlange ich auch gar nicht. Kommt mit zu unserem Zelt. Dann kann ich euch in die Mitgliederliste aufnehmen. Wenn wir erst einmal siegreich hervorgegangen sind, werden die ganzen Toten gerächt und die Opfer der armen Familien Tamriels gesühnt sein“: sprach sie und wandte sich schnell zum Gehen. Scheinbar wollte sie ihm die Unterschrift so schnell wie möglich abnötigen, bevor er sich umentscheiden konnte. Tarrior allerdings hielt sie zurück. „Ich knüpfe allerdings meine Mitgliedschaft und meine Fürsprache an eine Bedingung“: eröffnete er ihr. Nun schaute sie ihn misstrauisch an. „Was für eine Bedingung?“: wollte sie wissen. „Es ist nichts Großes. Ihr erhaltet meine Fürsprache und dafür möchte ich eure Fürsprache. Ich möchte als einer der Wächter die nächste Versorgungslieferung nach Mar Gaan begleiten“: forderte er. „Ich soll dafür sorgen? Warum wollt ihr unbedingt nach Mar Gaan?“: fragte sie und überlegte scheinbar, ob sie vielleicht einen Agenten der Mythischen Morgenröte vor sich hatte.
„Ich habe Bekannte in der Stadt und möchte mich persönlich ihres Wohlbefindens versichern. Außerdem gibt es in der Stadt einen heiligen Schrein des Tribunalstempels. Seinen Segen würde ich in diesen schweren Zeiten als große Hilfe empfinden“: log er und eine unmerkliche Gänsehaut überkam ihn, als er an den Tempel und das Tribunal dachte. „Ich hätte euch nicht für einen Religiösen gehalten. Ihr macht eher einen kühlen, sachlichen Eindruck, aber ich kann euch verstehen. Ich bin eine Gläubige des Kaiserlichen Kultes und bete täglich zu den Neun. Der Tribunals-Tempel erscheint mir zwar eine Sekte von Götzenanbetern zu sein, doch sofern es euch im Kampf hilft… Nun gut. Ich werde mich dafür einsetzen, dass ihr die nächste Lieferung begleiten dürft. Man wird euch dann über die möglichen Gefahren aufklären. Vielleicht überlegt ihr es euch dann noch einmal anders. Ansonsten würdet ihr uns also beitreten?“: stimmte sie seiner Forderung zu. „Ja das werde ich. Auch um die Daedra aus diesem Land zu jagen“: sagte er und die Beiden wandten sich zum Gehen. „Ich heiße übrigens Alina“: sagte die junge Bretonin noch, bevor sie das Zelt verließen.
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