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Mythos
Westspalte, Heerlager am Aschlandpass, Rüstungszelt
Da der Bericht abgegeben war, wandte sich Tarrior nun der rechten Seite des großen Zeltes zu. Die Freiwilligen sollten sich bei dem anderen Bruder melden. Der Dunmer hoffte, dass dieser zugänglicher als der Proviantmeister war. Er schlug die Durchgangsplane zur Seite und trat dann in ein großes Waffenlager ein. Jeder Meter war zugestellt mit Waffenregalen, Schilden oder aufgeschichteten Haufen mit Pfeilen. Scheinbar waren keine Kosten und Mühen gescheut worden, um die zusammengewürfelte Armee dort draußen mit Waffen zu versorgen. Es schien wirklich, als rüsteten sie für eine Belagerung durch die Daedra. Die Frage war bloß, ob die Waffen überhaupt zum Einsatz kämen, bevor die Dämonen die Verteidigung des Passes überwanden. Sowie er in Ebenherz gehört hatte, war Ald’rhun recht schnell gefallen. Dort kamen die Feinde aus dem Innern der Stadt. Das Lager war sogar noch anfälliger. Würde sich innerhalb der Zeltstadt ein Oblivon-Tor öffnen, dann stünde gleich alles in Flammen und die Gegner hätten es einfach den Verteidigern in den Rücken zu fallen. Gar nicht zu reden von den Opfern, die sich gleich bei ihrer Ankunft fordern würden. Verwundete und Zivilisten, wie zum Beispiel den Proviantmeister. Aber an sich war die Ausrüstung von relativ guter Qualität. Die meisten Waffen bestanden aus Stahl. Nur Bögen und Pfeile waren aus einfacheren Materialien wie Eisen oder dem traditionellen Chitin. Nur Armbrüste suchte er in den Regalen vergeblich. Scheinbar kam diese Waffe aus der Mode. Er zuckte mit den Schultern. Er mochte sie noch nie. Sie war zwar durchschlagskräftig brauchte aber lange zum Nachladen und Nachspannen. In der nötigen Zeit konnte ein Daedroth heran kommen und den Schützen in Stücke reißen, noch bevor der überhaupt einen neuen Bolzen eingelegt hatte. Tarrior schritt durch die Regalreihen. Wie auch seinen Bruder musste Tarrior Artem zwischen dem ganzen Material erst einmal finden und traf den Nord schließlich über ein Waffenregal gebeugt an. Er war das komplette Gegenteil seines Bruders – schlank, muskulös und hochgewachsen. Ein Prachtexemplar seiner Rasse. Mit seinen kräftigen, prankengleichen Händen langte er nach einer stählernen Kriegsaxt und zog sie zu sich hoch. Mit prüfendem Blick schaute er sich die Schneide an und zog den Daumen über die Klinge. Er hinterließ einen leichten Blutfilm, den Artem mit einem Tuch aus seiner Hosentasche abwischte. Dann stellte er die Axt mit einem zufriedenen Lächeln zurück. „Typisch Nord. Sie sind total vernarrt in ihre Waffen“: befand Tarrior und ging zum Waffenmeister hinüber. Vielleicht geriet er endlich an jemanden, der nicht zu beschäftigt war, mit ihm zu sprechen.
„Wer seid ihr?“: fragte der Nord, als sich der Dunmer näherte. „Mein Name ist Tarrior Gildres. Man sagte mir, ihr wäret für die Freiwilligen zuständig“: stellte er sich vor. Artem deutete mit einem Seitenzeig auf ein paar Stühle, die zwischen dem ganzen Arsenal regelrecht verloren wirkten. Zusammen gingen sie hinüber und setzten sich hin. „Ihr interessiert euch also für einen Beitritt in unsere Wacharmee?“: fragte der Waffenmeister. „Ich wollte erst einmal ganz generell Informationen einholen. Die Leute hier sind so beschäftigt. Man hat mich da an euch verwiesen“: stellte Tarrior klar. Der Nord seufzte und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Scheinbar hält man mich für einen Auskunftsbeamten. Verflucht noch eins. Ich bin hier der Waffenmeister und nicht irgendeiner dieser Paragraphenreiter, die hier die Vorräte überwachen. Ich bin für die Aufnahme der Freiwilligen zuständig, weil ich ihnen ihre Erstausstattung an Waffen und einfacher Rüstung gebe. Das heißt noch lange nicht, dass ich hier auch für jeden eine Einführung geben muss“: beschwerte er sich. „Aber…“: wollte der Dunmer daraufhin entgegnen, doch der Nord unterbrach ihn. „Lasst gut sein. Ich werde euch etwas über das Lager hier erzählen. Wir sind das Bollwerk der Westspalte. Derzeit belagern die Daedra noch immer die Stadt Mar Gaan. Wenn ihre Truppen dort durchbrechen, werden sie West-Vvardenfell als neues Ziel anvisieren. Während sich die Redoraner mit ihrer Exil-Regierung und einem Großteil ihrer Truppen im Norden verschanzt haben und sich auf die mögliche Invasion durch die Nord von Solstheim vorbereiten, sollen wir hier den Sturm abfangen, den diesen Dämonen über uns hereinbrechen lassen wollen. Zu diesem Zweck versammeln wir hier Legionäre, Kampftruppen von Haus Hlaalu und Haus Redoran, der Kriegergilde, der Magiergilde, Ritterschaften, anderer Organisationen und natürlich ein Heer von Freiwilligen. Ein reines Chaos. Jede der beteiligten Organisationen hat natürlich eine eigene Führung, eine eigene Organisation und eigene Offiziere und nicht selten auch andere Prioritäten. Die Einen wollen einen Erstschlag gegen die Daedra führen, während die Anderen lieber ausharren wollen, um den Angriff abzuwarten, diesen abzuschlagen und dann die feindlichen Verbände aufzurollen. Wiederum Andere wollen einfach nur ausharren und den Status Quo erhalten, bis irgendwer, irgendwo eine Lösung für die Krise findet. Stellt euch das Durcheinander vor, als hier Massen von Freiwilligen aufliefen. Es gab keine Führung, keine Organisation und ständigen Streit. Das war noch vor nicht allzu langer Zeit so. Der Herzog gab dann die Order aus den ganzen Freiwilligen eine Armee zu formen. Den Oberbefehl über die Freiwilligen und die anderen hier stationierten Akteure wurde einem Generalsrat der Häuser Hlaalu und Redoran übertragen. Er sitzt in der Festung Andasreth ein Stück weiter westlich in dem aschegefüllten Talbecken, genauso wie das redoranische Oberkommando. Gnisis hat ihnen scheinbar als Sitz nicht zugesagt. Wie dem auch sei. Seit dem Aufbaubefehl hat sich die Lage hier im Lager deutlich normalisiert. Die Häuser und das Kaiserreich haben sich mit großen Materialspenden eingesetzt. All diese Waffen sollen alsbald gegen die Daedra eingesetzt werden. Woran es aber mangelt sind Nahrungsmittel. Natürlich ist die Versorgung ausreichend, aber nicht gerade üppig. Im Moment werden wir hier ausharren und den Pass halten“: klärte der Waffenmeister ihn auf.
„Was wird die Vorgehensweise für die Zukunft sein?“: fragte Tarrior. Möglicherweise wurde bereits an einem Angriffsplan gearbeitet. Ein Vorstoß nach Mar Gaan käme ihm nämlich sehr gelegen. „Wie gesagt, wir harren aus. Wenn ich mehr wüsste, wäre ich nicht hier. Taktische Entscheidungen treffen die Generäle und ich habe ja bereits erwähnt, dass in diesem Mischmasch an Organisationen hier vor Ort keine einheitliche Meinung über das Vorgehen herrscht. Haus Hlaalu will vor allem auf Sicherheit setzen und das Risiko eines eigenen Vorstoßes vermeiden. Die eigenen Gebiete sollen nicht in Gefahr geraten. Das Haus Redoran hat unter der daedrischen Invasion besonders gelitten und will natürlich nicht nur Ald’rhun zurückgewinnen, sondern die Invasoren auch schnell aus ihrem Land jagen. Da die Redoraner die Hauptlast dieses Krieges tragen, sie sind mit den meisten eigenen Verbänden beteiligt und stellen den Großteil der Kriegswappenträger, wiegen ihre Stimmen bei den Entscheidungen natürlich schwerer. Die Möglichkeiten eines Angriffs werden, soweit ich bei Gesprächen der Offiziere vor Ort gehört habe, noch sorgfältig abgewogen. Schließlich will auch die redoranische Führung keine Katastrophe und Eskalation riskieren. Das Meiste ist aber Hörensagen. Ich glaube wir werden hier noch eine ganze Weile aushalten“: berichtete Artem Wengert.
„Was wäre denn die befürchtete Katastrophe?“: fragte Tarrior. „Nunja wenn sich die Führung für einen direkten Angriff auf die feindlichen Linien entscheiden würde, um den Belagerungsring um Mar Gaan aufzubrechen, könnte es passieren, dass die Daedra mittels ihrer Tore schnelle Verstärkung heranziehen und den Truppen in den Rücken fallen. Gleiches könnte auch bei einem Befreiungsversuch für Ald’rhun geschehen. Wenn man die Besatzer nicht schnell genug hinaustreiben kann, könnte es passieren, dass das Heer eingekesselt wird. Der schlimmste Fall wäre die weitläufige Vernichtung der Verteidigungskräfte und die Daedra hätten ungehinderten Zugang zur Westspalte. Ich war mal in der Legion und kann das Verteidigungspotenzial der Region hier einschätzen. Caldera würde einem konzentrierten Angriff keinen Tag standhalten. Die Angreifer könnten erst vor Balmora und Gnisis aufgehalten werden. Ich sage ihnen was: Ich bin zwar auch eher zupackender Natur und würde normalerweise auch lieber früh als zu spät selbst angreifen, doch es steht hier viel auf dem Spiel. Ich würde hier auch eher die Stellung halten wollen“: erläuterte der Nord die Unwägbarkeiten eines Angriffs auf den Feind. „Wollt ihr euch nun den Freiwilligen anschließen?“: wollte der Waffenmeister wissen und schob ihm ein Pergament mit einer Liste hinüber, auf der er sich nur noch eintragen brauchte. „Bevor ich mich einschreibe, habe ich noch eine Frage“: hielt der Dunmer ihn noch hin. Der Mann seufzte wieder und zeigte ihm mit einem Handzeichen, das er sie stellen solle.
„Wie wird eigentlich das belagerte Mar Gaan versorgt? Der Pass ist ja gesperrt und durch den Belagerungsring dürfte man ja wohl auch nur schlecht hindurch kommen“: stellte Tarrior die wichtigste Frage des Gespräches, denn davon hing der weitere Weg ab. Artem zog die Augenbrauen hoch und fragte sich scheinbar, warum sein Gegenüber das wissen wollte und seufzte nochmals. „Natürlich kann zu Land keine Versorgung der Stadt stattfinden. Diese Dämonen würden uns ja sofort in Stücke reißen. Die Priester des Tribunals und Gildenmagier aus Vivec haben eine magische Teleportverbindung nach Mar Gaan eingerichtet, über die die Stadt versorgt werden kann. Wegen den vielen Oblivion-Toren ist die Stabilität dieser Verbindung nur sehr schlecht, deshalb beschränkt man sich auf eine große Lieferung pro Woche, manchmal funktioniert der Übergang auch nur alle zwei oder drei Wochen. Da wurde die Versorgungslage in der belagerten Stadt schon einmal knapp“: beantwortete er die Frage. „Dann sorgt also die Magiergilde für die Versorgung?“: wollte Tarrior es noch etwas genauer wissen. „Das ist aber mehr als nur noch eine Frage“: wies Artem ihn auf diese Tatsache hin, doch Tarrior antwortete nicht, sondern harrte selbst einer Auskunft. Ein weiterer langgezogener und diesmal genervter Seufzer entrang sich dem Nord, bevor er auch diese Frage beantwortete: „Nicht direkt. Wie gesagt, die Verbindung ist nicht sonderlich stabil. Es kam schon vor, dass der Konvoi außerhalb der Stadt landete und sich den Rest des Weges freikämpfen musste. Aus diesem Grund wurde einer Gruppe von Fanatikern die Verantwortung für die Versorgung übertragen. Diese Typen wollen sowieso lieber heute als morgen den Daedra mit ihrer Magie einheizen. Da hat man sich entschieden, auch um Konflikten vorzubeugen, diese Leute einzusetzen. Ihr Verlust erscheint aufgrund ihres Fanatismus akzeptabel zu sein. Da es sich dabei um Mitglieder der Magiergilde handelt, habt ihr nicht ganz unrecht.“ Tarrior kam bei diesen Worten ein schrecklicher Verdacht.
„Es werden doch wohl nicht etwa diese Typen sein“: fürchtete er in Gedanken. „Nennen sich diese Fanatiker Liga der magischen Gewalt?“: fragte der Dunmer um sich Gewissheit zu verschaffen. Als würde es ein Gott mal wieder schlecht mit ihm meinen, bestätigte Artem diese Frage mit einem knappen: „Ja das sind sie.“ Diesmal musste Tarrior seufzen und stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab, der neben den Stühlen stand. „Ich nehme an diese Magier schicken nur ihre eigenen Leute mit den Konvois mit“: vermutete er laut. „Ja sie wittern das Wirken der Mythischen Morgenröte überall im Lager und vertrauen sich nur gegenseitig. Das ist Schwachsinn, wenn ihr mich fragt. Sie denken wegen der langen Zugehörigkeit zur Gilde wären ihre Mitglieder über jeden Zweifel erhaben, aber die könnten genauso gut schon lange oder erst seit kurzem mit den Zielen dieses Kultes sympathisieren. Einen Außenstehenden würden die nie mitkommen lassen. Außerdem, wenn man kein Magier ist, hat man sowieso keine Chance“: bestätigte sein Gegenüber auch diese Befürchtung. „Habt dank für eure Geduld“: bedankte sich Tarrior und machte Anstalten aufzustehen. „Ich dachte ihr wolltet euch freiwillig für das Heer melden?“: war der Waffenmeister fassungslos. Tarrior lächelte kühl und sagte: „Ich sagte ich würde mich einschreiben. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich das bei euch tue. Es scheint als wäre mir eine andere Organisation bei meinen Zielen dienlicher.“ Artem Wengert stand sprachlos inmitten seiner vielen Waffen und schaute erstaunt dem Dunmer nach, der nun das Zelt verließ. „Was für eine Unverschämtheit“: dachte er sich noch, doch das bekam Tarrior nicht mit.
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