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Drachentöter
Umland von Cheydinhal
Sie verbrachte die nächsten Tage in Mordans Haus, wobei sie gelegentlich Ausflüge nach Cheydinhal unternahm. Das Leben dort normalisierte sich zusehends, und langsam kamen auch wieder die ersten Händler mit frischen Wahren in die Stadt. Die organisierte Kriminalität kam ebenfalls wieder aus ihren Löchern gekrochen, allerdings konnte sie über ihre Kontakte dort nicht herausfinden, ob Feryn hier gewesen war. Dafür bekam sie mit, dass ihr Gerücht gefruchtet hatte, jeder erzählte jetzt von dem strahlendem Held, der das Tor geschlossen hatte. Die Geschichte hatte noch die eine oder andere Ausschmückung erhalten, aber im wesentlichen entsprach es noch der Version, die sie der Wache erzählt hatte.
Dreveni hasste es zu warten, aber sie war praktisch zur Untätigkeit verdammt, da ihr Arm noch ein paar Tage brauchen würde, um richtig zu Heilen. Sie hatte versuchsweise ein paar Mal mit ihrem Bogen geschossen, und es ging sogar, aber eben nur ein paar Mal, dann waren die Schmerzen in dem Arm wieder zu stark. Frustriert ging sie mit dem Bogen wieder nach drinnen und ließ ihn achtlos im Eingangsbereich fallen. Mit einem genervtem Seufzen ließ sie sich auf einen Sessel im Wohnzimmer fallen und starrte durch das Fenster nach draußen. Sie hatte gerade auch absolut nichts zu tun, nichts dass sie endlich wieder von Feryn ablenken würde. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken immer wieder zu ihm abschweiften, und das frustrierte sie noch viel mehr, als ihr gebrochener Arm. Sie konnte guten Gewissens von sich behaupten, die letzten drei, oder waren es schon fünf?, Jahre nicht mehr an ihn gedacht zu haben, jedenfalls nicht ohne dass sie es wollte, was vielleicht auch etwas damit zu tun hatte, dass sie meistens beschäftigt gewesen war, und bei ihrem Beruf konnte man es sich nicht leisten, abgelenkt zu sein.
Natürlich war sie in den letzten Tagen an dem Ort gewesen, den er in seiner Nachricht beschrieben hatte, aber sie hatte nichts gefunden. Er konnte nie hier angekommen sein, er konnte hier gewesen sein und die Nachricht war verschwunden, sie wusste es nicht. Ungewissheit konnte sie auch nur schwer ertragen. Sie war auch weiter um Cheydinhal unterwegs gewesen, auch wenn das wirklich wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen war, und weit entfernt von planvoll.
Plötzlich hörte sie, wie ein Schlüssel in der Haustür gedreht wurde. Mit einem Satz war sie auf den Beinen, im Vorraum und hob den Bogen auf, um ihn auf die Kommode zu legen. Da hatte er zwar auch nichts verloren, aber das war immerhin noch besser als auf dem Boden. Mordan war da etwas eigen, und außer ihm hatte niemand einen Schlüssel zum Haus. Im stillen war sie dankbar für ihre guten Reflexe, aber sie wohnte ja auch schon lange genug mit Mordan unter einem Dach. Der Rest des Hauses war aufgeräumt, sie hatte ja sonst nichts zu tun gehabt. Als sie den Bogen gerade auf die Kommode gelegt hatte, hatte Mordan die Tür vollständig geöffnet, sein Gepäck abgelegt und sie umarmten sich kurz und herzlich.
"Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen.", sagte er zu Dreveni. "Wohin ist das Tor verschwunden?"
"Das ist eine lange Geschichte...", sagte Dreveni nur fürs erste, sie musste erst einmal überlegen, ob und wie sie von Arranges erzählte, und welche Teile sie besser auslassen würde.
Sie setzten sich an den Esstisch, nachdem sie etwas zu Essen und eine Flasche Wein aus der Küche geholt hatten, und Dreveni erzählte, was sich in den letzten Tagen hier ereignet hatte. Sie entschied sich dazu, nichts auszulassen, wie sie Arranges und Erynn vor dem Tor getroffen hatten, wie sie schließlich zusammen die Ebenen Oblivions betreten hatten, wie Arranges den Pfeil des Dremora "gefangen" hatte, wie sie selbst von dem Xivilai fast erschlagen worden wäre und das Tor schließlich geschlossen worden war. Sie verschwieg auch nicht, dass Arranges und Erynn hier im Haus gewesen waren, sie hatten immerhin Dreveni das Leben gerettet. "Auch wenn ich nach wie vor nicht weiß, warum, und es reichlich dämlich von ihnen fand, aus ihrer Perspektive gesehen, aber ich konnte sie danach nicht mehr umbringen. Davon abgesehen wäre ich dazu eh nicht mehr in der Lage gewesen.", endete sie schließlich. Bei ihren letzten Sätzen hatte Mordan sie leicht amüsiert angesehen, auch wenn ihn der Rest sichtlich erschreckt hatte. "Ach ja, du solltest über einen Wachhund nachdenken, hier waren Diebe. Arranges hat ihn leider verkohlt, sonst hätte ich ihn zurückgeschickt." Mordan wusste schon genau, wie sie das meinte, hatte er ihr doch diese ganzen Methoden beigebracht.
"Das hätte ich nicht unbedingt von dir erwartet.", sagte er schließlich, in einem Tonfall, der nur schwer zu deuten war.
"Ich hätte ihn ja auch wirklich gern getötet, aber er hat mich gerettet, und wie gesagt, es ging leider nicht, mit einem gebrochenem Arm gegen zwei..."
"Das meinte ich nicht, das war schon in Ordnung. Ich meinte, dass du einfach in das Obliviontor gegangen bist."
"Wir wohnen hier? Hätte das Tor hier bleiben sollen?"
"Wir hätten umziehen können. Und ich dachte immer, es gäbe nichts, dass dir wichtig wäre.", sagte er lächelnd und dabei leicht provozierend.
Normalerweise unterhielt sich Dreveni gern mit Mordan, aber das Gespräch ging langsam in eine Richtung, die ihr überhaupt nicht zusagte. Mordan wusste immer noch nicht, von wem der Brief war, oder warum sie überhaupt nach Cheydinhal gekommen war. Wenn er erfahren würde, dass sie versuchte, Feryn einzuholen, würde er sich denken können, dass damals nicht alles ganz so gelaufen war, wie sie ihm erzählt hatte. Außer er würde ihr abnehmen, dass sie ihn jetzt töten wollte, vollenden, was sie damals nicht geschafft hatte, aber sie wusste, sie würde Mordan nicht erfolgreich anlügen können bei dieser Sache.
"Du bist mir wichtig. Und ja, vielleicht auch Cheydinhal. Rein geschäftlich gesehen.", antwortete sie halbherzig. Danach sah sie Mordan in die Augen und überlegte kurz, ihm doch alles zu erzählen. Sie hatte nie Geheimnisse vor ihm gehabt, jedenfalls nicht bei wichtigen Dingen. Und das war, zumindest damals, ziemlich wichtig gewesen. Sie atmete tief durch, und fragte: "Und wo warst du die letzten Tage?" Etwas besseres war ihr nicht eingefallen, und sie brachte es einfach nicht übers Herz. Mordan wäre entweder ziemlich wütend oder maßlos enttäuscht, wahrscheinlich beides. Nein, wäre er vermutlich gar nicht. In Wahrheit schämte sie sich für ihr Verhalten damals ziemlich. Mordan hatte die Tage in der Kaiserstadt verbracht, bis die Nachricht vom Verschwinden des Tores den Weg dorthin gefunden hatte. Arbeit gab es dort ebenfalls genug, und in etwa einer Woche sollte Drevenis Arm komplett geheilt sein.
Am späten Nachmittag hielt es Dreveni schließlich nicht mehr im Haus aus, und ging eine Runde spazieren. Sie nahm nur den Dolch mit, gegen wilde Tiere konnte sie sich im Moment eh besser mit Magie wehren. Sie ging eine Weile ziellos durch die Gegend, und als es anfing zu dämmern hatten sie ihre Schritte wieder zu dem Ort gelenkt, den Feryn ihr beschrieben hatte. Es war eine Stelle am Ufer des Reed, südlich von Harlunswacht, und eigentlich nicht besonders auffällig. Hier hatten sie damals für ein paar Tage ihr Lager aufgeschlagen. Nachdem sie nicht mit einem Hinterhalt oder sonstigem rechnete, bewegte sie sich nicht absichtlich leise, auch wenn sie keinen Lärm machte, ihr Gang war auch sonst eher leicht und geschmeidig. Sie hörte natürlich auf ihre Umgebung, konnte aber außer dem Rauschen der Blätter nichts hören.
Umso überraschter war sie deshalb, als plötzlich jemand von hinten seinen Arm um ihren Hals legte und ihr mit der anderen Hand den Mund zuhielt. Sie hielt in solchen Situationen ohnehin nicht viel davon, zu schreien, und wollte dem Angreifer gerade in die Hand beißen und mit ihren Händen nach dem Dolch greifen, als sie eine Stimme an ihrem Ohr hörte: "Ich wusste dass du kommst." Bei deren Klang erstarrte Dreveni. Sie kannte sie nur zu gut. Inzwischen hatte er die Hand vor ihrem Mund weggenommen, so dass sie ansetzen konnte, zu antworten: "Dein Glück dass dein Plan..." weiter kam sie nicht, Feryn hatte sie zu sich herumgedreht, sie an den Schultern genommen und ehe sie noch wusste, wie ihr geschah, küsste er sie. Zuerst war zu perplex, um sich zu wehren, dann merkte sie, wie sie ihn eigentlich vermisst hatte. Seine Nähe, seinen Geruch, diese Vertrautheit.. Ja, vertrauen, da schaltete sich endlich ihre Vernunft wieder ein, und sie stieß ihn kräftig von sich, zog den Dolch und hielt ihn Feryn unter die Nase: "Du hättest mich elendig verrecken lassen.", schrie sie ihm wütend entgegen.
Feryns Blick ging zu dem Dolch, der leicht aber unübersehbar in ihrer Hand zitterte, und zurück zu ihren Augen: "Und ich dachte du hättest es verstanden, ich brauchte den Vorsprung und du kanntest meine Prioritäten." Seine Stimme war dabei leise geblieben, und er hatte wieder dieses Lächeln um den Mund.
Dreveni schüttelte nur stumm und fassungslos den Kopf. Wie konnte er jetzt so selbstgerecht hier stehen, und verlangen, dass sie dafür Verständnis haben sollte?
"Wenn es nach dir gegangen wäre, wäre ich bei lebendigem Leibe in diesem Haus verbrannt, nur um eine Horde Bauern und ein paar Legionäre glauben zu lassen, sie hätten dich erwischt?"
"Es ging nie darum, meine Haut zu retten. "
"Aber darum geht es dir jetzt, oder?" Dreveni war in diesem Moment nicht halb so selbstsicher, wie sie es gern gewesen wäre, sie spürte ihr Herz rasen und steckte den Dolch weg, um statt dessen die Arme zu verschränken, um das Zittern ihrer Hände zu verbergen.
Er kommentierte das ganze mit: "Du hast dich überhaupt nicht verändert. Hast du dir jemals überlegt, wie viel einfacher alles für dich gekommen wäre, hättest du mich einfach getötet?"
Da reichte es Dreveni, sie holte mit der rechten Hand aus, ehe sie noch wirklich merkte, was sie tat, und schlug Feryn mit der Flachen Hand ins Gesicht. "Oh doch, ich habe mich verändert. Aber anstatt dich jetzt einfach zu töten, lasse ich dich lieber von den Morag Tong erwischen. Oder alternativ von der Bruderschaft, ich nehme an du weißt, was es mit dem verlassenem Haus in Cheydinhal auf sich hat? Denen ist es egal, ob du unehrenhaft aus der Gilde entlassen wurdest und von ihnen gesucht wirst, einmal Morag Tong, immer Morag Tong. Was hast du eigentlich getan?" Während sie geredet hatte, hatte sie ihn gemustert. Er sah auch fast noch genauso aus wie vor zehn Jahren, was für einen Mer auch keine Zeit ist. Ihr kam die Zeit nur so lange vor, da sie in Cyrodiil im Rhythmus der kurzlebigen Menschen lebten, die regelrecht durchs Leben hetzen mussten. Feryn verzog keine Miene, obwohl sie ihn ziemlich fest geschlagen hatte.
"Ich brauche deine Hilfe.", sagte er nur, wobei er ihr direkt in die Augen sah. Noch war es hell genug, dass sie seine Gesichtszüge erkennen konnte. Scheiße. Dreveni wusste im Moment wirklich nicht, was sie tun sollte. Aus ihrer Sicht hatte es Feryn mehr als verdient, zu sterben, und es ärgerte sie, dass sie es wieder nicht über sich brachte, davon abgesehen dass nicht sicher war, wer gewinnen würde, würde sie sich offen mit ihm anlegen. Sie bemühte sich, Feryn nicht in die Augen zu sehen, da sie fürchtete, sich anders zu entscheiden und antwortete nur: "Vergiss es." Sie wunderte sich selbst, wie abweisend und kalt ihre Stimme klang, obwohl sie sich gar nicht so fühlte. Konnten sie nicht einfach alles vergessen, was damals gewesen war, und von vorn beginnen?
Feryn ignorierte ihre Antwort, und sprach weiter: "Ich kann hier nicht länger bleiben, aber ich werde dir eine Nachricht zukommen lassen in den nächsten Tagen, jetzt weiß ich ja wie ich dich finden kann. Mehr kann ich dir jetzt nicht sagen, auch nicht was ich getan habe." Danach lächelte er Dreveni noch einmal an, drehte sich um und ging. Er musste sich unsichtbar gemacht haben, denn sobald er den schlammigen Boden am Ufer verlassen hatte, konnte sie ihn nicht mehr sehen. "Für wen bei allen Daedra hältst du dich eigentlich?" war alles was sie ihm noch wütend nachrief, bevor sie sich erschöpft auf einen großen Stein fallen ließ.
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