-
Drachentöter
Festung Carmala; Chorrol
Der Feuerball streifte den Altmer sogar, allerdings wurde dieser nur kurz von einem lilanen Leuchten eingehüllt, und der Feuerzauber schien wirkungslos zu verpuffen. Weiter konnte sie sich nicht um den Altmer kümmern, da das eine der beiden Skelette sie gerade erreicht hatte. Nachdem es nur mit einer einhändigen Axt auf Dreveni einschlug, musste es das Beschworene des anderen Skelettes sein. Das wurde hoffentlich gerade von S'Dar beschäftigt, sie hörte das klirren von Schwertern. Den ersten Schlag der Axt konnte Dreveni nur noch mit Mühe blocken, dann holte sie ihrerseits mit dem Schwert aus, dass sie vorhin schon gezogen hatte. Ihr Bogen lag irgendwo bei der Tür auf dem Boden, er würde ihr gerade ohnehin nicht helfen. Sie traf das Skelett voll in die ungeschützte Seite, wobei sie ihr Schwert mit beiden Händen geführt hatte. Die Beschwörung taumelte zurück und schien ihre Knochen neu sortieren zu müssen, diese Zeit nutzte Dreveni, um sich in einen Schildzauber zu hüllen, der gut eine leichte Rüstung ersetzte. Kaum hatte sie den Zauber gesprochen, war das Skelett auch schon wieder bei ihr und sie musste den nächsten Schlag blocken. Da trat auch das ein, auf dass sie unbewusst schon gewartet hatte, der Altmer warf jetzt seinerseits mit Zaubern um sich. Glücklicherweise warf sich das Skelett in dem Moment in den Weg, und Dreveni wurde von dem Schockzauber nur noch gestreift, fühlte aber trotzdem wie sich ihre Muskeln kurz schmerzhaft verkrampften, wodurch sie kurz taumelte. Wäre sie voll getroffen worden, wäre es das eventuell gewesen. Erstaunt stellte sie fest, dass es das Skelett wohl erwischt hatte, zwischen ihr und dem Altmer befand sich jetzt nur noch freie Fläche. Ganz schlecht. Kaum hatte sie diesen Gedanken vollendet, hechtete sie auch schon nach links, gerade als der nächste Schockzauber in ihre Richtung flog. Nebenbei registrierte sie auch, dass das zweite Skelett nicht mehr da war, da hob der Beschwörer schon wieder die Hand. Er kam nicht mehr dazu, die Geste zu vollenden, da er auf einmal einen Pfeil im Kopf stecken hatte und langsam zusammensackte. Was zum Henker? Einen Moment stand sie wie betäubt da und sah auf S'Dar, der seinen Bogen gerade wieder auf den Rücken hängte. Wie war er alleine so schnell mit dem Skelett fertig geworden, und hatte es geschafft, seinen Bogen zu ziehen, auf den Altmer zu schießen, und auch noch zu treffen?
"S'Dar glaubt, dass hier nicht noch mehr Vampire sind. Als nächstes werde ich die Leichen und Kisten plündern. Danke.", sagte er nur grinsend zu Dreveni.
"Äh, ja. Wie ich sehe, hättest du es ja auch gut alleine geschafft. Bekomme ich jetzt den Zettel?", fragte sie ihn, immer noch ziemlich verblüfft über seine Fähigkeiten.
"Natürlich hätte ich das alleine geschafft. S'Dar langweilt sich aber alleine. Hier hast du ihn." Mit diesen Worten ging er zu ihr und drückte ihr eine etwas zerknitterte und speckige Seite Pergament in die Hand, die er zusammengefaltet irgendwo aus seiner Kleidung zog.
"Danke, viel Spaß noch." mit diesen Worten drehte sie sich um, um ihren Bogen aufzuheben.
"Du könntest S'Dar noch tragen helfen..."
"Vergiss es.", rief sie ihm im gehen über die Schulter zu. Ihren Plan, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen, setzte sie dann doch nicht in die Tat um, wer wusste wann ihr der Khajiit noch einmal von Nutzen sein konnte. Außerdem wusste sie jetzt wirklich nicht mehr, mit was sie rechnen musste, würde sie ihn einfach angreifen. Am Schluss war er selbst ein Magier, wer konnte das schon so genau sagen.
Auf dem Weg zum Ausgang besah sie sich die zwei Leichen hinter dem Eingangsbereich genauer, oder eher deren Überreste, die Körper selber waren zu Staub zerfallen. Sie fand immerhin etwa 200 Septime und einen kunstvoll verzierten Silberdolch. Beides nahm sie an sich, sie hatte allerdings beim besten Willen keine Lust, noch weiter in der Ruine zu suchen, auch wenn S'Dar recht gehabt hatte, es lohnte sich durchaus. Draußen angekommen nahm sie ihren Mantel von dem Ast, hängte ihn aber nicht um, da es inzwischen später Nachmittag war, und angenehm warm draußen. Vor allem nach der Kühle in der Festung. Sie schwankte kurz, zog dann aber doch den Zettel aus ihrer Tasche und faltete ihn auseinander. Allein die Schrift war schon wieder unverkennbar. Dem Datum nach hatte sie ihn nur um etwa zehn Tage verpasst. Danach war er anscheinend nach Cheydinhal aufgebrochen. Wieder stand das nicht einfach so dort, sondern war mit Situationen umschrieben, an die sie sich leider nur zu genau erinnerte. Ganz schön nahe an der Grenze zu Morrowind... Ihr war das egal, aber seinem Brief war zu entnehmen gewesen, dass ihm genau aus dieser Richtung Ärger drohte. Ihr Gesicht hatte einen verbitterten Ausdruck angenommen, als sie die Nachricht gelesen hatte. Sie steckte den Zettel wieder in ihre Tasche und ging in Gedanken versunken zurück. Dass sie kaum auf ihre Umgebung geachtet hatte, merkte sie erst, als sie plötzlich vor dem Schrein stand. Auf dem restlichen Weg nach Chorrol ärgerte sie sich über ihre Nachlässigkeit und achtete wieder mehr auf die Umgebung. In der Stadt angekommen ging sie sofort zur Herberge - eigentlich hatte sie etwas essen wollen, aber seit sie die Nachricht in Händen gehalten hatte, wollte sie nur noch alleine sein.
Auf ihrem Zimmer legte sie die Waffen ab und ließ sich auf das große Bett fallen.
Die Nachricht hatte das Ganze auf eine unangenehme und beängstigende Art realer und greifbarer gemacht. War es jetzt nicht nur ein Brief, der vor Wochen, vielleicht sogar noch aus Morrowind, auf die Reise gegangen war, war es jetzt ein recht neuer Hinweis, an dem Ort den er erwähnt hatte. Dafür war sie sogar mit einem seltsamen Khajiit durch eine Festung voll mit Vampiren. Davon, dass sie das ganze ignorieren wollte, konnte man spätestens jetzt nicht mehr sprechen. Dreveni erkannte sich die letzten Tage beinahe selbst nicht mehr. Sie war es gewohnt, dass sie alles aus einer gewissen Distanz betrachten konnte und sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen. Man konnte ihr durchaus eine gewisse Herzlosigkeit unterstellen, auch wenn ihre Opfer noch so sehr um ihr Leben bettelten, zögerte sie normalerweise keine Sekunde. Außerdem war sie der Überzeugung gewesen, sie hätte damals mit dem ganzen abgeschlossen. Wie anmaßend das gewesen war, kam ihr die letzten Tage erst. Wenn es jemals jemanden gegeben hatte, dem sie vertraut hatte - außer Mordan - dann war das er gewesen. Sie hatte bevor sie ihm begegnet war, schon immer vertrauen in andere als sich selbst für eine Schwäche gehalten, und danach hatte sie sich darin nur bestätigt gesehen.
Anfangs war alles noch so gut verlaufen, erinnerte sie sich. Es war einer ihrer ersten größeren Aufträge, und nicht so ganz gewöhnlich. Feryn, so nannte er sich jedenfalls, war Assassine der Morag Tong, und Mitgliedern einer einflussreichen Familie auf der Spur gewesen, was ihn zu einem längeren Aufenthalt nach Cyrodiil geführt hatte. Natürlich ließ es sich diese Familie nicht so einfach gefallen, dass eines ihrer Mitglieder nach dem anderen gemeuchelt wurde, und als sie schließlich einen Verdacht hatten, setzten sie ihrerseits Mörder auf Feryn an. Diese hatten allerdings nicht viel Glück - er war damals schon gut gewesen. Als das fehlgeschlagen war, änderte man die Taktik und Dreveni sollte ihm "zufällig" über den Weg laufen, in der Hoffnung, dass sich für sie eine Gelegenheit ergeben würde, zu vollenden was ihre Vorgänger nicht geschafft hatten.
Schon als sie ihn das erste mal sah, war sie von ihm fasziniert, was sie auch nicht weiter störte, da so der Auftrag wenigstens nicht langweilig wurde, und sie dachte, sie hätte alles im Griff. Schließlich sollte sie ihn dazu bringen, ihr zu Vertrauen, und das fiel ihr erheblich leichter, wenn er sie nicht total anwiderte. Ihr Plan ging auf, was sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht misstrauisch machte - das misstrauen kam ihr leider erst hinterher, doch da war es zu spät.
Sie hatte sich kaum zwei Wochen in seiner Nähe aufgehalten, als sie die Gelegenheit bekam, auf die sie gewartet hatte. Dass in der kurzen Zeit aus dem Spiel Ernst geworden war, merkte sie erst, als sie mit dem Dolch über seinen schlafenden Körper gebeugt ausholte. Die beiden Monde hatte das Zimmer der verlassenen Hütte, in der sie übernachteten, in bleiches Licht getaucht. Erschrocken blickte sie auf Feryn, seinen friedlichen Gesichtsausdruck, und sie konnte sich einfach nicht überwinden, zuzustechen. Es kam ihr in dem Moment vor, als würde sie sich selbst, oder einen Teil von sich dabei erstechen. Sie hatte sich vorher nie vorstellen können, so etwas wie Mitgefühl für ihre Opfer, oder überhaupt für jemanden in gesteigertem Ausmaß, entwickeln zu können. Ihre rechte Hand, die den Dolch hielt, zitterte, und so legte sie die linke auch noch an den Griff. Sie schloss kurz die Augen, da spürte sie auch schon Feryns Hand auf der ihren. "Ich wusste, du kannst es nicht.", hörte sie ihn sagen, während er ihr den Dolch aus den Händen nahm. Als sie die Augen öffnete, war sein Gesicht direkt vor ihrem, und im fahlen Licht konnte sie das leichte Lächeln um seinen Mund erkennen.
Sie hatte erwartet, dass er sie jetzt beseitigen würde, aber er hatte ihr Leben verschont. Hatte Dreveni noch gedacht, sie hätte vor ihm verborgen, wer sie wirklich war, hatte er es vermutlich schon von Anfang an gewusst. Aber ihr Misstrauen kam eben zu spät. An diesem Punkt hätte sie noch die nächste Gelegenheit zur Flucht nutzen können, und alles wäre noch halbwegs gut ausgegangen. Stattdessen folgte sie ihm freiwillig weiterhin, kam es ihr doch zu dem Zeitpunkt schon so vor, als würde sie ihn ihr ganzes Leben kennen. Spätestens damit hatte sie allerdings eine Grenze überschritten, als sie ihr Opfer nicht nur verschonte, sondern mit ihm gemeinsame Sache machte. Sie planten die Ermordung der restlichen Familie, und sie wäre ihm auch bis nach Morrowind gefolgt, und hätte alles in Cyrodiil hinter sich gelassen. Oh wie oft waren sie abends unter den Sternen gesessen und hatten Pläne geschmiedet. Bis die Dinge auf einmal anfingen, schief zu laufen, und er sie ohne Skrupel in eine Falle lockte und somit in den sicheren Tod. Das war nicht weiter schwer gewesen, hatte sie ihm doch vertraut, und sie war damals nur durch großes Glück noch einmal entkommen. Allerdings glaubte sie nach wie vor nicht, dass alles was er zu ihr gesagt hatte, gelogen war. Andererseits hatte er auch erwähnt, was die Prioritäten in seinem Leben war, und das waren die Morag Tong und nicht sein Privatleben.
Daran hatte Dreveni sich später ebenfalls orientiert, sie wollte nie wieder in eine ähnliche Situation geraten. Sie hatte damals gelegentlich überlegt, warum sie ihm so blind vertraut hatte, aber irgendetwas war zwischen ihnen gewesen. In der ersten Zeit war ihr noch das Wort Seelenverwandter in den Sinn gekommen, später hielt sie diesen Gedanken allerdings nur noch für widerwärtig kitschig und sentimental.
Sie wusste immer noch nicht, was sie jetzt von ihm wollte, würde sie ihn tatsächlich finden. Die Wahrheit? Manchmal war es besser, wenn man sie nicht kannte.
Inzwischen war es im Zimmer fast dunkel geworden, als sich Dreveni wieder vom Bett erhob. Müde ging sie hinunter in den Schankraum, um eine Flasche Wein oder etwas stärkeres zu kaufen. Da wurde sie von ihrem Magen daran erinnert, dass sie heute noch nichts gegessen hatte, und so bestellte sie sich relativ lustlos etwas zu Essen. Danach ging sie mit einer Flasche Brandwein wieder auf ihr Zimmer. Morgen würde sie nach Cheydinhal aufbrechen.
Stichworte
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln