-
ᵵ Ghost Rider ᵵ
Grenzgebiet Hammerfell-Cyrodiil -> Skingrad
Langsam kehrte sein Bewusstsein wieder zurück. Die Hände des Rothwardonen verkrampften und krallten sich in den Sand, welcher sich unter ihm befand. Er versuchte sich zu erheben. Nichts. Sein Kopf fühlte sich an, als würde das Innere seines Schädels mit Spitzhacken bearbeitet, und als er die Augen aufschlug, explodierten die Punkte, welche vor seinen Augen herumschwirrten, in vielen bunten Farben. Ein Schwindelgefühl erfasste ihn, und schnell schloss er die Lider wieder. Das Gefühl legte sich langsam, und er traute sich nicht, die Augen wieder zu öffnen. Kraftlosigkeit war das vorherrschende Gefühl, und so wusste er nicht, wie lange er hier im Dämmerzustand jetzt gelegen hatte. Ihm kam es vor wie Stunden, in Wirklichkeit aber waren es lediglich wenige Minuten.
Endlich richtete er sich auf, zunächst nur bis in eine kniende Haltung auf allen Vieren. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund, den er nicht einordnen konnte. Als er den Kopf zur Seite drehte, erkannte er ein Seil neben sich auf dem Boden liegen, dazu viele größere und kleinere Steinbrocken. Seine Augen tasteten langsam, beinahe träge den Boden ab. Der Rothwardon lag in einem Kreis aus fahlem Licht. Nach der Ursache suchend, drehte er den Kopf noch weiter und blickte schließlich nach oben. Dort erkannte er ein Loch in der Decke, durch das er den Mond sehen konnte; offensichtlich war dieser die magere Lichtquelle, die wenigstens ein wenig von der Umgebung erkennen ließ. Ich bin in einer Höhle. Wie bin ich hier hergekommen? Der Gedanke war ebenso langsam in seiner Formulierung wie die Augenbewegungen, und plötzlich bekam der Rothwardon ungeheure Kopfschmerzen. Ein Fiepen, dass er glaubte, sein Kopf würde explodieren, erklang in seinen Ohren. Er griff sich schlagartig an die Schläfen und sank wieder zu Boden. Sein Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet, aber es erklang kein Laut; vor Schmerzen wandte er sich auf dem kühlen Sand hin und her. Gerade als er glaubte, sterben zu müssen, wurde der Ton leiser und leiser, bis er schließlich endgültig verschwand. Der plötzlich eintretenden Stille traute er noch nicht so ganz, so blieb er zunächst erschöpft und mit den Händen immer noch am Kopf auf dem Boden liegen.
Die Gedanken in seinem Gehirn überschlugen sich; angestrengt versuchte er Ordnung in das Chaos zu bringen, was ihm nur mit Mühe gelang. Ich muss hier raus! Aber warum? Wo raus? Was willst du hier? Woher kommt der Sand? Das Seil? Die Steine? Der Mond? Die Dunkelheit? Das Loch? Er schüttelte den Kopf, es machte keinen Sinn, was er sich dort zusammenreimte. Nochmal versuchte er von vorne zu beginnen. Und dann traf ihn mit einem Mal der Schlag. Die Augen weit aufgerissen, erhob er sich mit zittrigen Beinen und betrachtete seine Hände. Wieder wirbelten die Gedanken durch seinen Kopf, aber er fand keine Antwort auf die Frage, der er sich bewusst geworden war. Sie war einfach. Und doch konnte er sie nicht beantworten. Mit leerem Blick schaute er auf und starrte in die Dunkelheit, bis er schließlich ungläubig flüsterte:
„Wer bin ich…“.
Über den Klang seiner eigenen Stimme erschrak der Rothwardon. Ich muss hier raus! Aber warum? Wer bin ich? Wo raus? Was willst du hier? Wer bin ich? Woher kommt der Sand? Das Seil? Die Steine? Wer bin ich? Der Mond? Die Dunkelheit? Das Loch? Zwischen seine Gedanken von vorhin mischte sich jetzt immer häufiger diese eine Frage, welche er auch unter größten Anstrengungen nicht beantworten konnte. Er war sich bewusst, dass er eigentlich gerade kurz davor stand, durchzudrehen, aber er zwang sich zur Ruhe. Der Rothwardon hatte sich an einer gemauerten Wand, etwas abseits des Mondscheinkegels, niedergelassen und musterte den Sand. Er spürte, es fehlte nicht mehr viel und er würde den Verstand verlieren. Du musst dich beruhigen. Atme ruhiger,..., aber wieder fiel ihm sein Name nicht ein. Tief atmete er ein und aus, und tatsächlich, je öfters er dies tat, desto ruhiger wurde der Herzschlag, bis er sich schließlich normalisiert hatte. Hinweise! Du brauchst Hinweise! Das wird dir helfen! Die Stimme in seinem Kopf klang verzweifelt, aber dennoch klammerte er sich daran. Im dämmrigen Licht musterte er seine Hände. Sie waren verschrammt und wiesen frische Kratzer auf. Sein Blick fiel zu dem Loch. Ich bin gestürzt. Dies klang logisch; der erste logische Gedanke. Das machte ihm Mut. Er suchte weiter mit seinen Augen. Seine Kleidung war verdreckt, aber noch halbwegs intakt. Sie war leicht und passte irgendwie in die Umgebung. Sand. Wüste. Noch immer hatte der Rothwardon keine Ahnung. Ein Halstuch, das voller Sand war. Ein Halstuch? Er zog es höher, es bedeckte seine untere Gesichtshälfte und den Hals. Eine Maske. Seine Hände tasteten zum Gürtel. An seiner rechten Hüfte am Gürtel war ein leerer Haken. Auf der anderen Seite: etwas Längliches und Gebogenes. Er löste es, hielt es sich vor die Augen und zog am Griff. Eine scharfe kurze Klinge kam zum Vorschein. Ein Krummdolch. Wozu? Ich weiß es nicht. Seine Gedanken wurden immer analytischer. Seine Finger betasteten jetzt seinen Oberkörper. Wieder Metall. Ein kleines Etui unter seinem rechten Arm. Vorsichtig öffnete er es. Fünf kleine Griffe erschienen, jedes gehörte zu einer kleinen spitzen, flachen Klinge. Wurfmesser. „Wozu? Ich weiß es nicht…“, flüsterte er und tat sie wieder an ihren ursprünglichen Ort zurück. An seinem Gürtel ein weiteres kleines Ledertäschchen. Darin klimperte es. „Goldstücke“, stellte er ratlos fest, als er einen Blick hinein warf. Noch immer kam ihm seine Stimme wie die eines Fremden vor.
Er blieb nach seiner Analyse sitzen. Das Auseinandernehmen seiner Kleidung und Ausrüstung erbrachte nichts. Er strich sich mit der Hand über den Kopf. Er berührte kurzes Haar, welches vom Sand verdreckt war. Plötzlich ein stechender Schmerz, die Hand zuckte weg. Ein feuchtes Glänzen verriet: Blut. Daher die Kopfschmerzen. Ächzend erhob er sich, denn er spürte, wenn er jetzt wieder zu viel nachdachte, würde er wahnsinnig werden; ihm würden wieder diese wirren Gedanken kommen. Jene, die ihn verrückt machten. Er stand vor dem Seil und hob es auf. Die Augen richteten sich wieder in die Höhe, und er wog es in der Hand. Beinahe automatisch rollte er es auf und befestigte es an dem Haken an seinem Gürtel. Jetzt erst wurde ihm bewusst, was er gerade getan hatte. Ein vollkommen automatischer Bewegungsablauf. „Ich habe das also schon öfters so gemacht“, seine Stimme war wenig überzeugt, denn weiter brachte ihn diese Erkenntnis nicht. Ratlos schaute er sich um. War das dort ein Lichtschein? Erst jetzt bemerkte er den Durchgang, welcher fast vollkommen im Dunkeln lag, und dahinter flackerte etwas. Unsicher bewegte sich der Rothwardon darauf zu und spähte hinein. Etwas weiter hinten erkannte er eine Fackel an der Wand, welche brannte. Hier musste also jemand leben. Die Hand nahm er nicht von der Wand, denn er hatte nicht das Gefühl, schon frei stehen zu können. Er tastete sich voran bis zu der Fackel und blickte sich dann um. Er war allein. Er hörte nichts. Und er war ein Niemand. Ein namenloser Niemand. NEIN!, rief er sich innerlich zur Ordnung; er wollte nicht doch durchdrehen. Stattdessen rüttelte er an der Fackel, und schließlich konnte er sie tatsächlich aus der Halterung lösen.
Sich immer noch an der gemauerten Steinwand orientierend, folgte der Rothwardon dem Gang. Der Wüstensand unter seinen Schuhen dämpfte die Schritte, und mehr oder weniger aufmerksam betrachtete er immer wieder den Boden auf der Suche nach Spuren. Plötzlich hörte er hinter sich etwas. Ein knackendes und klapperndes Geräusch. Hier? Was sollte hier klappern? Weicher Sand, festes Gestein. Langsam wandte er den Kopf herum, und im Schein der Fackel starrte ihn die Fratze eines Skelettes an, das aus einem Nebenraum, den er vollkommen übersehen hatte, auf ihn zulief. Waffen hatte es keine, aber der Rothwardon erschrak, ließ die Fackel fallen und rannte los.
Seine Lichtquelle hatte er zurückgelassen, aber der helle Sand erleuchtete den Gang gut genug um sich grob zu orientieren. Panisch rannte der Rothwardon den Gang entlang, er warf keinen Blick zurück. Sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren und er glaubte, dass dieser von den Wänden widerhallen würde, so laut kam ihm dieses Geräusch vor. Der Gang machte eine Abzweigung. Der Rothwardon rannte kopflos weiter. Links. Geradeaus. Wieder Links. Rechts. Ein langer Gang, er wurde niedriger. Die Angst, in einer Sackgasse zu landen, wuchs und ließ ihn noch schneller laufen und noch hektischer reagieren. Schweiß rann ihm über die Stirn, vermischte sich mit dem Sand zu kleinen Klümpchen. Links. Links. Rechts. Links. Wo ist der Ausgang?! Ein Labyrinth?! Muss ich sterben?!
Er hörte erst auf zu laufen als er nicht mehr konnte und an der Wand zu Boden sank. Seine Lunge schmerzte und er keuchte stark. Das Adrenalin war verflogen und ließ einen erschöpften Körper zurück, welcher kurz vor dem Kollaps stand. Wasser, dachte er und warf den Kopf nach links und rechts. Nichts war zu hören oder zu sehen. Das Skelett schien er losgeworden zu sein. Ich werde hier sterben. Nein, ich darf nicht so denken. Es gibt immer einen Ausweg, aus jedem Labyrinth. Um Aufrecht zu gehen war der Gang jedoch bereits beinahe zu niedrig, so bewegte sich der Rothwardon leicht geduckt vorwärts. Da vorn machte der Gang eine Kurve, davor gab es einen Durchgang rechts in der Wand. Hier angekommen, schaute er hinein. Eine alte Grabkammer erkannte er. Ein mittelgroßer Sarkophag stand in der Mitte des Raumes, davor ein kleines Podest, auf dem etwas lag. Nachdem er sich versichert hatte, allein zu sein, trat er ein und an den Gegenstand heran. Er befühlte grobes Sackleinen, lange Ärmel, eine Kapuze. Dabei musste es sich um eine Robe handeln. Ohne zu wissen, warum, warf er sie sich über. Er dachte darüber nicht nach, die letzten Stunden waren sowieso zu unschlüssig gewesen um jetzt noch logisch das Anlegen der Robe zu argumentieren. Er verließ den Raum wieder und musste sich erst orientieren, woher er gekommen war; dann aber schlug er den richtigen Weg ein und folgte dem Gang.
Mit der Zeit wich der Sand auf dem Boden festem Höhlengestein, und auch die Wände wandelten sich von Gemäuer zu Naturstein. An der Verwinkelung der Gänge änderte sich jedoch nichts. Obwohl sich der Rothwardon bemühte, immer in eine Richtung zu laufen, trug der steigende Durst und die Verwirrung dazu bei, dass er oftmals im Kreis lief und an Stellen vorbeikam, die er bereits kannte. Gerade als er schon kurz davor war, wieder auf die Knie zu sinken und aufzugeben, erspähte er eine morsche Holztür, durch deren Ritzen schmale Sonnenstrahlen schienen. Wieder voller Hoffnung, stolperte er darauf zu, fiel dabei einmal hin, rappelte sich aber sogleich wieder auf, die schmerzenden Knie ignorierend, und warf sich schließlich gegen die Tür, welche sogleich aufschlug und den Rothwardonen in die gleißende Freiheit entließ.
Draußen bot sich dem Rothwardonen ein idyllischer Anblick. Sanfte Hügel erstreckten sich bis zum Horizont, der Boden war von hüfthohem Gras bedeckt und ab und an sah man einen vereinzelten Baum in der Landschaft stehen. Im Vergleich zu dem Martyrium, welches er gerade durchlebt hatte, kam ihm dieser Ort wie ein Paradies vor. „Vielleicht bin ich schon tot und dies ist das Paradies…“. Ihm erschien es logisch, vielleicht konnte er sich deshalb an nichts erinnern. Der Weg durch das Labyrinth war einfach nur ein Test gewesen. Ein Test, um hier Zutritt zu erhalten. Er machte ein paar Schritte. Nein. Das hier war real. Es musste real sein. Aber konnte er sich überhaupt noch erlauben, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden? Wieder dröhnte ihm der Schädel. Er brauchte dringend Wasser. Hilflos blickte er sich um, in welche Richtung sollte er nur gehen? Schließlich entschloss er sich dazu, einfach weg von dieser Höhle zu gehen, soweit wie irgend möglich.
Nach einem Marsch querfeldein erblickte der Rothwardon endlich eine Straße, aber hier war niemand zu sehen. Ratlos blickte er nach links, nach rechts und wieder nach links. Dann aber, endlich, sah er einen großen Wagen näherkommen. Zwei Pferde zogen das Gespann, welches sich als Handelskarawane herausstellte und dann direkt vor dem Rothwardonen anhielt. „Na, mein Freund, ihr seht mir aber recht zerschlagen aus“, sprach ihn der Händler fröhlich an. Der Rothwardon war von der Direktheit des Mannes etwas verwirrt und schwieg, aber seinem Gesicht schien man anzusehen, dass er nicht wusste was er sagen sollte. „Na nun steigt schon hinten auf, eine gute Tat jeden Tag, und wenn ich euch mitnehmen kann, dann habe ich meinen Soll erfühlt“, posaunte er heraus und setzte den Wagen schon wieder in Bewegung. Der Rothwardon folgte dem Angebot einfach und setzte sich hinten auf den Wagen, ohne nachzudenken. Was er tun sollte, darüber war er sich sowieso selbst nicht bewusst.
Nach einer längeren Fahrt kamen die Türme Skingrads endlich in Sicht, und der Rothwardon stieg von dem Wagen, nachdem dieser etwas abseits gehalten hatte. Auf dem Weg hierher hatte er wieder Kopfschmerzen verspürt und das Fiepen in den Ohren, jedoch war beides wesentlich schwächer als noch in den Katakomben. Unsicher ging er auf das Stadttor zu, warum ihn seine Schritte dahin lenkten, wusste er nicht. Aber wo soll ich auch sonst hin? Dann stand er schon vor der Stadtwache.
„Nicht noch ein Landstreicher. Ich hatte euch doch gesagt, ihr sollt hier fernbleiben.“. Der Rothwardon erwiderte nichts und blickte den Wächter an, anscheinend etwas zu lange und mit zu verwirrtem Blick. „Du verstehst mich doch, oder?“, blaffte der Mann den Neuankömmling an. Als dieser immer noch nichts sagte, seufzte der Wächter. „Gut, geh rein. Aber wenn du Ärger machst, fliegst du raus. Und wage es nicht, auf den Straßen zu betteln. Geh zur Kathedrale und lass dich dort versorgen.“. Er nickte und ging einfach an der Stadtwache vorbei. Was genau diese gesagt hatte, hatte er nicht ganz verstanden; das Verlangen nach Wasser und seine Zerstreutheit machten es ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn aufmerksam zu bleiben wenn ihm jemand etwas erzählte. So schritt er durch das Stadttor und wurde von der Betriebsamkeit auf den Straßen Skingrads förmlich erschlagen…
Geändert von Van Tommels (10.10.2010 um 00:13 Uhr)
Stichworte
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln