Noch immer konnte er nicht verstehen, welch Wahnsinn Gilluk bewogen hatte, jemand Fremden einfach auf die Plantage zu lassen und hier dann auch noch logieren zu lassen. Jetzt saß diese Frau in seiner Bibliothek. Wer wusste schon, was sie womöglich insgeheim vorhatte. Möglicherweise, überlegte er einen Moment erschrocken, war sie sogar in seinen Privaträumen gewesen und hatte das Skooma oder im schlimmsten Fall die Aschestatue gefunden. „Wer konnte nur diese Frau sein?“: überlegte er immer wieder, als er durch das Haus schritt. Das Esszimmer mit dem großen Tisch hatte er alsbald hinter sich gelassen. Dieser Raum, die großen Lagerräume, die Küche und der Aufenthaltsraum befanden sich genau in der Mitte des Gebäudes. Das Gebäude war recht groß geworden. Man hatte ihn für den Verlust des Odai-Plateaus damals großzügig entschädigt. Zumindest dahingehend hatte der Verlust einen Vorteil für ihn gehabt. Das Herrenhaus dort, war nicht einmal im Ansatz so groß, wie dieses hier. Da er schon damals etwas Geld zur Seite gelegt hatte, mit dem er eigentlich hatte das Anwesen dort ausbauen wollen, hatte er mehr als genug finanzielle Mittel übrig um sich hier etwas zu gönnen. Im rechten Flügel befanden sich die Kammern für die Bediensteten und die einfachen Gästequartiere. Der gesamte linke Flügel war sein Privatbereich. Im Untergeschoss fanden sich die Bibliothek, Quartiere für seine wichtigen Gäste, eine Kammer gefüllt mit haltbaren Vorräten und vor allem Alkohol. Im oberen Stockwerk hatte er dann seine Gemächer, ein Arbeitszimmer, einen Ausstellungsraum und ein Geheimzimmer, dass man über eine Tür erreichte, die hinter einem Wandbehang versteckt lag. Dort hatte er einen kleinen Kultraum eingerichtet. In seiner unglückseligen Vergangenheit hatte er sich dort oft mit Skooma und Alkohol berauscht und dann unter dem Angesicht der Aschestatuen vor sich hin geträumt. Die richtige Mischung aus Skooma, Sujamma und einem verdünnten Gift brachte eine erstaunliche Wirkung. Sein eigentliches Ziel, eine Vision zu bekommen, hatte er allerdings nicht erreicht. Hatte sie diesen Raum gefunden, konnte es Probleme geben. Vorsichtshalber überlegte Tarrior schon, wie er sie am Besten beseitigen konnte. Er hatte inzwischen auch die Bibliothek erreicht. Eine einfache Holztür trennte ihn noch von seinem Gast. Er leckte sich über die Lippen. Seine Muskeln und Nerven spannten sich an. Kein Risiko. Wer auch immer die Frau war und was auch immer sie wollte, sollte sie etwas versuchen, war er bereit. Er konnte seine Waffe innerhalb weniger Augenblicke in der Hand haben. Eine wichtige Erkenntnis war die, dass man eine Frau nie unterschätzen sollte. Telvanni-Hexen hatten ihn lange Zeit zuvor eines Besseren belehrt. Wäre es damals nicht so glimpflich ausgegangen, wäre er heute vermutlich eine hirnlose, wandelnde Leiche. Er war auf alle Eventualitäten vorbereit, zumindest glaubte er das.

Langsam und leise öffnete er die Tür und trat in den Raum. Die Bibliothek war zweigeteilt. Es gab einen annähernd quadratischen Bereich hier vorn, an den ein lang gezogener Bereich dahinter angrenzte. Die Trennung erledigte hier ein Regal, dass er mit einigen alten Keramiken bestückt hatte. Diese hatte er bei Kogoruhn im Aschensand gefunden. Dazwischen finden sich auch noch einige hübsche Schalen aus Vulkanglas, die besonders schön verziert waren. Er hatte sie einstmals in Ald’rhun gekauft. Der vordere Teil war rundherum besetzt mit Bücherregalen. Je zwischen zwei Regalen hing ein Wandteppich und davor stand ein Kerzenhalter. Er wunderte sich das sie brannten, aber dann bemerkte er, dass durch die Fenster kaum noch Licht hineinfiel. Früher hatte er von hier aus einen wunderbaren Ausblick auf seine Felder gehabt, doch jetzt erhob sich dort nur die hohe Mauer und raubte die Sicht. Rechts der Tür an der Wand war ein Unterschrank aufgebaut. Oben auf standen bereits angebrochene Flaschen mit Schnaps und Weinbrand. Im Inneren hatte er sich einige Flaschen Wein und Bier bereitgelegt. Da auf dem Boden einige leere Behältnisse standen, musste sich die Fremde wohl den ein oder anderen Becher Wein genehmigt haben. Im hinteren Teil befand sich, gegenüber dem großen Fenster und damit direkt hinter dem Zwischenregal, eine gepolsterte Sitzecke samt Tisch. Dort saß die Frau. Durch das Regal hindurch konnte er ihren Körper ausmachen. Etwa auf Höhe von ihrem Schoß hielt sie ein Buch. Den Kopf konnte er nicht erkennen. Er schlich nun weiter in den Raum hinein. Auch im hinteren Teil gab es Bücherregale und einen ganz speziellen Schrank. Wenn er das teuerste Möbelstück nennen müsste, neben den verglasten Vitrinen im Ausstellungsraum wohlgemerkt, dann wäre es diese Spezialanfertigung. Es war ein gigantisches Monstrum aus Vvalenwald-Holz und verfügte über 25 gleich große Schubfächer, aufgeteilt auf fünf Reihen zu je fünf Schubladen. Es diente ihm als Archiv für geschäftliche Korrespondenz, Flugblätter, Druckschriften und dergleichen. Einige Pflanzen machten den gediegenen Eindruck des Raumes perfekt. Er schritt um das Regal herum und sah die Dunmer nun direkt an. Er hatte sich auf vieles eingestellt. Er hatte geglaubt auf alles vorbereitet zu sein, doch es erwies sich in genau diesem Moment als furchtbarer Irrtum. Tarrior glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er der Frau ins Gesicht blickte. Nach all diesen ganzen Jahren, war es als würde er zurück in einen Alptraum schlittern. Es war ihr Gesicht. Es waren die gleichen Gesichtszüge, zwar gealtert, aber eindeutig zu erkennen. Es bestand kein Zweifel, dass sie es sein musste und doch wollte er es nicht wahr haben.

Dieser eine Augenblick, der sich für ihn zu einer Ewigkeit auseinander zog, war so unglaublich surreal. Gefühle kamen in ihm hoch. Es waren verschiedenste Gefühle. Es war eine Mischung, die selbst das Rauschgemisch aus Skooma, Sujamma und Gift in den Schatten stellte. Sein Herz setzte für diesen einen Augenblick aus, nur um in der nächsten Sekunde zu rasen zu beginnen. Ungläubig und mit offenem Mund starrte er Verasa Athram, die Frau, die er einst geliebt hatte, an. Sie hätte in aller Seelenruhe ein Schwert ziehen und es ihm mitten in die Brust rammen können – er wäre nicht fähig gewesen sich zu bewegen. „Das kann einfach nicht sein“: spielte sein Verstand immer noch verrückt. Sie bemerkte ihn erst jetzt. Ihre roten Augen spiegelten auch einen Moment Überraschung wieder, bis sie ihn endgültig erkannt hatte. „Es ist lange her Tarrior“: sagte die Dunmer. Er wich automatisch einige Schritte zurück. Er konnte immer noch nicht begreifen, was hier vor sich ging. Er rieb sich die Augen. „Du bist verwirrt das kann ich gut verstehen“: sprach sie. Ihre Stimme war leise und man sah ihr an, dass ihr dieser Moment sehr unangenehm war. Dass es ihm innerlich genauso ging, bemerkte er, als er sich langsam wieder beruhigte und zurück zu Sinn und Verstand fand. „D-d-duuu-duu-... DU HIER?!“: stieß er als erste eigene Aussage hervor. „Das kann doch nicht wahr sein!“: fügte er hinzu. Verasa schüttelte den Kopf. Einige Strähnen vielen ihr vom Scheitel aus ins Gesicht. Sie strich sie zur Seite und fuhr sich etwas durch die langen, glatten und ungebundenen Haare. „Es ist wahr Tarrior. Du kannst deinen Augen ruhig trauen. Ich bin hier“: antwortete sie. Ihr Blick faszinierte ihn immer noch. Er schloss die Augen. Im nächsten Moment wurde es in ihm eiskalt. Sein Blick verhärtete und sein Gesicht verschloss sich. „Und was führt dich hierher, das du mich nach all dieser langen Zeit mit deiner durchlauchtigen Anwesenheit beglückst?“: fragte er und seine Stimme troff vor Hohn und Feindseligkeit. Er hatte sich nun wieder unter Kontrolle. Der Moment der Überraschung war vorüber und der lang vergrabene Zorn trat zurück an die Oberfläche. „Ich brauche deine Hilfe“: erklärte sie ihre Anwesenheit. Sie schluckte. Tarrior zog die Augenbrauen zusammen. „Ich soll dir also helfen. Du kamst zu mir, weil du meine Hilfe brauchst? Du willst etwas von mir?“: sagte er erst leise und wurde dann immer lauter. „Ja ich brauche dich“: bestätigte sie und senkte den Kopf. Tarrior wandte sich um und schaute aus dem Fenster. Dass er nur die Mauer der Plantage sah, kümmerte ihn nicht. „Du brauchst mich also“: sprach er mehr zu sich selbst, als zu ihr. „Du brauchst mich?! Und jetzt soll ich dir helfen? Soll etwas für dich tun. UND DAS NACH ALLDEM WAS GEWESEN IST?! Was war als ich dich brauchte? Was war damals? WEIST DU EIGENTLICH WAS DU MIR ANGETAN HAST?“: drehte er sich dann um und brüllte sie an. Sie zuckte wie unter Hammerschlägen zusammen, senkte den Kopf und schaute traurig. „Es tut mir leid“: sagte sie knapp und presste ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Tarrior zog die Augenbrauen noch etwas enger zusammen und hatte das Gefühl, dass ihm eine Ader im Kopf platzen würde. Sein Verstand wollte den Körper beruhigen, doch die Gefühle überschwemmten sein gesamtes Bewusstsein und hielten Fleisch und Zunge fest in ihrem Griff. Sein seelischer Damm hatte einen Riss bekommen und der vergrößerte sich – das Wasser wollte hinaus. Es würde von seiner Zunge in Form und Wort gebracht über die Frau hinwegbranden. An Beruhigung war für ihn gar nicht zu denken. Schmerzliche Erinnerungen fluteten seien Geist und rissen alte Wunden wieder auf. Es war der Tag der Abrechnung, wie es schien.

„Es tut dir leid? ES TUT DIR LEID?! Wir haben uns geliebt. Wir wollten zusammen bleiben. Ich hätte alles für dich getan, ich wollte dich sogar heiraten, doch du hast mich zurückgewiesen. Du wolltest nicht. Ich verstand es nicht. Hast du auch nur eine Ahnung davon, wie ich gelitten habe? Ich litt noch monatelang unter dem Schmerz. Keine andere Frau hatte ich je wieder so lieben können wie dich. Eigentlich habe ich überhaupt keine Frau mehr lieben können. Du siehst mich hier allein und kinderlos. Und jahrelang habe ich alles in mir verschlossen, versiegelt auf die Ewigkeit. Ich habe versucht dich zu vergessen und jetzt bist du hier. Du bist hier und es ist wie damals. Es tut dir also leid, dass du mich gequält hast, dass du mich jetzt schon wieder quälst?! Das du überhaupt die Nerven besitzt nach all der Zeit hierher zu kommen und Forderungen an mich zu stellen! Nein dir tut es nicht leid. Mir tut es leid, dass ich dich jemals geliebt habe, Verasa Athram“: trug er ihr in einer Mischung aus Hass, Wut und Trauer vor und klang wie ein Richter, der eine Anklage über seine eigene Frau verlesen musste. Er schaute ihr ins Gesicht und versuchte soviel von seinem greifbaren Hass zu übertragen, wie er konnte. Es war als könnte er die Aufladung in der Luft auf der Haut spüren. Er atmete schnell ein und aus. Seine aschfarbene Haut war nun sehr viel dunkler geworden. Blut pumpte in großer Intensität durch seinen Körper und ließ es in seinen Schläfen und an seinem Hals schmerzhaft pochen. „Du bist ungerecht und das weist du Tarrior“: ergriff sie nun das Wort. Erneut wollte er die Dunmer anfahren, doch diese warf das Buch zur Seite, das sie bisher Halt suchend umklammert hatte und fuhr auf der Stelle hoch. Mit einer harschen Geste schnitt sie ihm das Wort ab. Sie war nun deutlich entschlossener und fuhr in entsprechendem Ton fort: „Du bist ungerecht und so ein verfluchter Idiot Tarrior. Du weist das ich dich auch geliebt habe. Du weist ganz genau, dass es so einfach nicht gewesen ist, dass es auch für mich einen großen Verlust bedeutet hat. Auch mein Schmerz war groß. Du weist mein Vater hätte unsere Verbindung niemals akzeptiert. Ich die Tochter eines angesehenen Ratsherrn des Fürstenhauses Dres vereint mit einem Mitglied von Haus Hlaalu? Du weist so gut wie ich, dass dies damals einfach undenkbar gewesen wäre. Auch heute noch spucken viele Dres auf euch Tarrior. Ihr seid für unser Haus nichts Anderes als Verräter, Thronräuber und Agenten und Sklaven des Kaiserreichs. Mein Vater hätte diese Verbindung nie akzeptieren können. Er hätte seine Stellung im Rat und sein Gesicht verloren. Er hätte mich verstoßen und davon gejagt und vielleicht sogar Schlimmeres. Er hätte womöglich auch dir etwas angetan oder sich selbst. Du weist auch, wie jähzornig und böse er sein konnte. Ich konnte meine Mutter und meine Geschwister nicht mit ihm allein lassen. Ich weis du wärest bereit gewesen deine Heimat Vvardenfell endgültig zu verlassen um mit mir in Tränenstadt zu leben. Eigentlich wäre ich dir sogar überall hin gefolgt, doch ich konnte meine Familie nicht im Stich lassen. Wäre es nur um mich gegangen, ich hätte alles getan, damit wir zusammen sein können, doch was sind wir ohne unsere Familien? Meine Mutter, meine Geschwister und selbst mein grober Vater auch sie liebe ich. Ich habe es dir heute wie damals erklärt. Ich habe unsere Beziehung beendet, weil ich fand es wäre das Beste für uns alle, entgegen meinen Gefühlen.“ Tarrior erinnerte sich daran. Mehr noch fühlte er sich in diese vergangene Zeit zurückversetzt. „Ich wäre bereit gewesen alles für dich aufzugeben. Sollte dein Vater doch sterben und deine Familie mit sich nehmen. Wir wären glücklich gewesen!“: presste er mit lauter Stimme hervor. Er wusste um diese boshaften Silben, die ihm gerade über die Lippen gekommen waren, auch damals hatte er sie gebraucht. Doch er fühlte keine Scham seiner Wortwahl wegen – weder heute noch damals.

Sie erhob wieder ihren Kopf. Einige Tränen rannen ihr aus den Augenwinkeln. „Weist du was mir damals am meisten wehgetan hat? Genau diese Worte. Diese bösen Worte und heute wie vor Jahren mit dieser boshaften, mitleidlosen Kälte, die ich nie in dir vermutet hätte. Zu erfahren, dass du zu solcher Bosheit fähig bist – es war wie ein Schock, wie ein Sprung in Eiswasser“: erzählte sie und presste ihre beiden Handflächen aneinander und führte sie in Richtung ihres Herzens. „Es ist der Schmerz Verasa. Der Schmerz ist nicht warm und freundlich. Er ist glühend heiß und peinigend und verwandelt alles in Eis und erschafft Grausamkeit und Gefühllosigkeit, denn es ist das Einzige was gegen die Qual hilft. Der Schmerz erschafft Kälte Verasa Athram“: warf er ihr entgegen. „Ich heiße jetzt Morvayn“: korrigierte sie ihn scharf, ohne auf seine Aussage einzugehen, fachte die Wut in ihm aber damit nur von neuem an. „Wie nett du hast geheiratet. Vermutlich jemanden den dein Vater ausgesucht hat. Ein reicher Dres mit einem anständigen Kontingent an Khajiit- und Argonier-Sklaven, für den sich du und dein Vater nicht schämen müssen, wie für einen verfluchten Hlaalu-Straßenköter wie mich! Sicher hast du •••• ihn doch schon geehelicht, da hatte ich kaum die Stadtgrenze passiert“: glitt Tarrior mittlerweile in unqualifizierte Beschimpfungen ab. Er wusste tief in sich, dass er ihr unrecht damit tat, aber es half ihm sich besser zu fühlen. Sie blieb ruhiger als er und schaute wieder traurig. „Du irrst dich schon wieder. Nein mein Vater hat ihn nicht ausgesucht. Er ist zwar ein Dres und auch ein Sklavenhändler gewesen, aber einer der freundlichsten und liebevollsten Dunmer, die ich je kennen gelernt hatte. Ich kam lange Zeit nicht über dich hinweg. Ich fand mit ihm erst sechs Jahre später zusammen. Leider starb er sehr bald schon, aber ich behielt seinen Namen“: entgegnete sie ihm. Tarrior, der etwas sagen wollte, brach den Versuch ob dieser Erkenntnis ab. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht...“: kam es ihm fast flüsternd über die Lippen. Ihr Blick blieb jedoch weiter vorwurfsvoll auf ihn gerichtet. „Doch du wolltest mich verletzen. Heute wie auch damals schon. Ich habe tagelang geweint und vor allem mich selbst verflucht, als du gegangen warst, denn weist du wie unser Abschied war, wie voller Hass er war? Weist du noch was du gesagt hast? Weist du noch, was du gesagt hast, dass ich mich danach so schuldig fühlte, dass ich mich hatte umbringen wollen? WEIST DU NOCH, was du dann gesagt hast, als du gegangen bist, geflohen bist. Weist du es noch Tarrior?“: klagte sie ihn an. Beim letzten Satz waren ihre Augen wieder voller Tränen. Er dachte zurück. Die Erinnerung lag so klar vor ihm, dass er glaubte es wäre erst vor wenigen Sekunden passiert. Er sah sie und musste sich eingestehen, dass er sich in diesem Moment wirklich vor sich selber ekelte. Er schmeckte Galle auf seiner Zunge. Er hatte diese Erinnerung hinter dem Damm weggeschlossen und in alldem anderen Schmerz ertränkt. Er schluckte und wich ihrem Blick aus. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen.

„WEIST DU ES NOCH?!“: diesmal war sie es die schrie. Er sagte nichts. Die Worte wollten nicht über seine Lippen kommen. Sie schüttelte den Kopf. „Du wolltest mich verletzen und hast es auch geschafft, fast tödlich. Deine Worte könnte ich nie vergessen. Dieser Zorn ich verstehe ihn bis heute nicht. „Krepiere doch du verdammte Dirne, krepiere doch und nimm deine ganze verdammte Sippschaft mit dir“, das hast du damals gesagt. Du hast es nicht vergessen. Du kannst mir nicht einmal ins Gesicht sehen“: sprach sie es aus, doch der anklagende Tonfall war verschwunden. Sie war so emotional aufgewühlt wie während des gesamten Gesprächs nicht, doch klagte sie an dieser Stelle nicht gegen ihn. Es war nur Trauer und unendliche Enttäuschung in ihrer Stimme zu hören. Tarrior konnte sie immer noch nicht ansehen. Lange Zeit standen sie sich so gegenüber und schwiegen sich an. Niemand sagte auch nur ein Wort. Es war so totenstill in dem Raum, das er das Gefühl bekam nicht mehr atmen zu können. Der Damm war gebrochen und es war ausgesprochen, doch statt Erleichterung blieb nur ein bleiernes Gefühl und eine erdrückende Leere in seinem Inneren zurück. Erst Verasas Stimme erfüllte diesen Ort, den er vor diesem Gespräch, nein diesem Streit als wohnlich bezeichnet hatte und der nun kalt und grausam auf ihn wirkte, mit einem leichten Hauch von Wärme. Ihre Stimme die zum Schluss recht brüchig geworden war, hatte sich wieder gefasst und klang fast sanft. „Tarrior ich bin nicht hierher gekommen um diese Sache zu klären. Ich wollte auch keine alten Wunden aufreißen. Es sind so viele Jahre vergangen, ich hatte gehofft wir wären beide darüber hinweg, doch dem ist wohl nicht so. Auch für mich nicht, wie ich gerade festgestellt habe“: redete sie ein auf ihn. Sie machte eine kurze Pause um tief Luft zu holen. „Tarrior ich bin nicht hier um dich um irgendeine kleine und unbedeutende Gefälligkeit zu bitten. Es ist wirklich wichtig und ich weis nicht, an wen ich mich sonst hätte wenden sollen. Es geht um meinen Sohn. Er ist unterwegs nach Vvardenfell um einem Freund beizustehen. Ich mache mir Sorgen um ihn Tarrior. Er ist zwar Matrose auf einem Schiff und längst erwachsen, aber in ganz Morrowind ist es sehr gefährlich geworden und vor allem Vvardenfell ist eine tödliche Gegend. Daedra und Bürgerkrieg und er will in dieses Tollhaus hier hinein. Wir haben uns seit damals nicht gesehen und ich habe dich nie um etwas gebeten und hätte es eigentlich auch nie getan. Mein Sohn hatte, von einer Hafenstadt in der er Halt gemachte hatte, einen Boten mit einer Nachricht zu mir geschickt und mir berichtet was er vorhabe. Ich habe Aetherius und Oblivion in Bewegung gesetzt um hierher zu gelangen. Ich habe in den Ratshallen von Balmora gebettelt um zu erfahren, wo du dich aufhältst und habe hier lange ausgeharrt und auf dich gewartet. Bitte wenn dir unsere Beziehung jemals irgendetwas bedeutet hat finde meinen Sohn und pass bitte auf ihn auf. Womöglich hasst du mich inzwischen, doch bitte erfülle mir diese Bitte und du siehst mich nie wieder“: erklärte sie ihren Aufenthalt.

Tarrior hatte sich inzwischen beruhigt. Die einsetzende Leere hatte inzwischen alles Andere verdrängt. Er stützte sich am Fenster ab. Sein Blick tastete über die Wand, die sich vor ihm in die Höhe streckte und ihn regelrecht zu erschlagen drohte. Verasa sagte zunächst nichts, aber er konnte ihren Blick regelrecht in seinem Rücken bohren fühlen. Er schwieg sich aus und versuchte die aufkommenden Kopfschmerzen zu verdrängen. „Tarrior...?“: fragte sie, klang etwas besorgt. Er stemmte sich vom Fensterbrett hoch. Sein Kopf fühlte sich, als hätte ein Oger ihn für Kampfübungen benutzt. „Ich soll also meine Zeit vergeuden und mein Leben riskieren und das für das Balg dieses Sklavenhändlers, der dich an meiner statt bekommen hat? NEIN! Ich bin gerade erst aus Cyrodiil zurückgekehrt und habe noch hundert andere Dinge, die meiner Aufmerksamkeit bedürfen. Dein Sohn ist mir vollkommen egal, verschwinde von hier“: gab er als Antwort und lehnte ab. Er hatte genug von dieser Unterhaltung. Würde sie noch länger bleiben, würde er sie vermutlich nur noch mehr verletzen. Es war das Beste, wenn sie einfach ging. Er wollte ihr nicht mehr wehtun, doch vermutlich konnte er gar nicht mehr anders. Dort wo einmal Sehnsucht für sie geglüht hatte, da klaffte jetzt nur noch ein schwarzes Loch. Sie sollte besser nach Hause zurückkehren. Sie sagte nichts. Er drehte sich um, um ihr mit seinem Gesicht zu zeigen, dass er es nur gut meinte. Ihr Gesicht machte plötzlich einen nervösen Ausdruck und ihre Augen waren weit in die Ferne gerichtet. Sie schien über etwas sehr intensiv nachzudenken. Dann trat ein entschlossener Ausdruck in ihre Augen. Es wirkte, als hätte sie eine wichtige Entscheidung getroffen.

„Wenn du es nicht für mich oder meinen Sohn tun willst, dann tue es wenigstens für deinen Sohn Tarrior“: sagte sie und schloss dann die Augen.