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Provinzheld
Solstheim, Höhlensystem, Höhle der verborgenen Melodie
Wut packte Thorin. Trotz seiner Wunden zwang er sich nun wieder auf die Füße. Wenn auch nur unter extremen Schmerzen und mit Schwierigkeiten. Dennoch ließ ihn die Wut vergessen, dass er eigentlich hätte sterben sollen. Dieser verdammte Werwolf spielte mit ihnen! Nein, er spielte mit ihm! Einzig und allein Thorin war, wen er nun wollte. Dessen war dieser sich sicher. Er hatte seine Eltern getötet und nun wollte er auch ihn. Nun, diese Bestie sollte ihn bekommen. Doch sollte sie sich an ihm verschlucken und zu Grunde gehen. Das schwor sich Thorin.
Hulfgar schaute seinen Freund fassungslos an. Er sah das viele Blut, die fünf Stiche und die Wunde am Kopf. Auch hörte er das ebenfalls leicht schleifende Atmen von Thorin. Seine angeschlagenen Lungen hatten Schwierigkeiten der Belastung ausreichend stand zu halten. Er war nicht in der Verfassung zu kämpfen, aber er würde es trotzdem tun. „Bring Rulmgar hier raus und zu einem Heiler. Ich beende, was wir begonnen haben“, krächzte Thorin mehr, als dass er es sagte. Die aber scheinbar dennoch unerschütterliche Entschlossenheit in der Stimme seines Freundes, ließ Hulfgar keine andere Wahl, als zuzustimmen und mit einem grimmigen Nicken „viel Glück“ zu wünschen.
Thorin schnappte sich Gondrims Speer und auch die am Boden liegende Fackel. Dann machte er sich ohne einen weiteren Blick zurück an die Verfolgung. Seine Schritte gingen schwer und manchmal hatte er auch Probleme seine Füße richtig zu heben. Ganz allein seine Entschlossenheit und seine Wut hielten ihn auf den Beinen. Sein Puls war nun wieder unnatürlich hoch. Vor Angst und vor Aufregung. Angst zu versagen und Aufregung, weil er jederzeit von wohl überall her angegriffen werden konnte. Wobei der Gang nun nach einer weiten Linkskurve etwas schmaler, niedriger und komplett von der Fackel ausgeleuchtet wurde. Somit blieb nur ein Angriff von vorne. Allerdings hatte Thorin in den letzten Momenten genug erlebt, um selbst daran zu zweifeln.
Der stürmische Wind von draußen wehte auch hier noch, wenngleich nun wesentlich schwächer, und ließ die Flammen der Fackel tänzeln und immer wieder schienen sie beinahe aus zu gehen. Er wollte sich schon darüber freuen, dass die Fackel an blieb. Dann ging sie aber auch komplett aus. Thorin blieb beinahe das Herz stehen. Er hielt entsetzt und vor Aufregung und pochendem Herzen zitternd an. Ein kleiner Kiesel prallte gegen seinen im Bärenkopf geschützten Kopf, wie ein schadenfrohes Zeichen des Werwolfs. Erst, als es das zweite Mal passierte, merkte Thorin, dass es eigentlich Wassertropfen waren, die von der Decke fielen. Sein Herz würde ihn definitiv noch irgendwann umbringen. Bevor das passierte, wollte er aber noch einen Werwolf zur Strecke bringen und so lief er wieder los – ohne eine Ahnung zu haben, wohin. Dann ging die Fackel, wie durch eine göttliche Fügung, wieder an und erleuchtete den bis auf Thorin leeren Gang.
Gerade, als er sich über diesen Umstand gefreut hatte, verschwanden auf einmal die Decke und die Wand zu seiner Linken in der Dunkelheit. Auch der Boden endete in Schwärze keine vier Schritte neben ihm. Schweiß stand auf seiner Stirn und brannte in der dortigen Verletzung. Auch die Wunden auf seiner Brust brannten und immer wieder fuhren Lanzen aus Feuer durch seine Lungen. Sie raubten ihm den Atem und ließen ihn nach Luft japsend zurück. Dann beruhigte es sich wieder und die seltsamen Lichtflimmer, die vor seinen Augen in der Dunkelheit umher schwebten, verschwanden. Komm Wölfchen, dachte er beinahe ungeduldig auf einen Angriff wartend.
Vorsichtig schlich Thorin an die Kante. Die Flammen seiner Lichtquelle flackerten immer wieder sehr stark, wenn eine etwas stärkere Windböe von draußen in das Höhlensystem hinein pfiff. Hier in der größeren Kaverne verwirbelten sich die Luftströmungen ungewöhnlich und rissen förmlich an den Flammen. Wenngleich sowohl das pfeifende Geräusch, als auch die Stärke der Windböen hier hinten drastisch abgeschwächt waren.
Dann erreichte er die Kante. Unter ihm fiel eine steile Felswand ab und verschwand in der Finsternis. Es war tief, so viel stand fest. Im flackernden Schein entdeckte er aber einen steilen, schmalen Weg nach unten. Wie weit die größere Kaverne in alle Richtungen reichte, konnte Thorin nicht sagen. Keine der Wände war im Fackelschein zu sehen. Gerade, als er sich an den Abstieg machen wollte, sah er ein Huschen knapp außerhalb seines Lichtkreises und etwas weiter unten. Beinahe sah es aus, wie weißes Fell. Sofort ging der Speer nach oben und zum Stechen bereit. Doch die schnelle Bewegung rammte neuerliche, glühende Dolche durch seine Brust und ließ ihn aufstöhnen.
Beinahe höhnend hörte Thorin dann wieder das leise Klicken einiger Kiesel, als sie in die Tiefe der Höhle fielen. Dicht gefolgt vom quietschenden Laut eingerosteter Türscharniere und wie die dazugehörige Tür hart zurück ins Schloss geknallt wurde zu seiner Rechten. Laut hallte das Scheppern durch die Gänge. Die Geräusche ließen ihn jedes Mal zusammenzucken. Er merkte, wie er kurz die Nerven verlor und wie ein kleines Kind die Augen zu kniff. Der Werwolf spielte definitiv ein Spielchen mit ihm. Ein Spiel der Nerven. Und wenn es so weiter ging, war es wohl Thorin, der bei diesem Spiel verlor.
Gegen den nun aufkommenden Reflex das Weite zu suchen, schlich er weiter und in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren. Beinahe ärgerte sich Thorin, dass dieser angeborene Fluchtreflex wieder durch kam. Eigentlich hatte er gelernt ihn zu kontrollieren und auf seine bewusste Einschätzungsgabe zu vertrauen. Allerdings schien er nun mental bereits zu geschwächt zu sein, als dass er diesen Reflex noch länger unterdrücken konnte. Stattdessen ignorierte er das Drängen in ihm so gut es ging und lief weiter an der Kante nach unten entlang. Immer wieder zuckte er bei dem leisen Heulen des Windes zusammen.
Dann endete die Höhle abrupt wieder und lief in einem kurzen Tunnel aus. Am Ende dieses Tunnels befand sich eine modrige Holztür. Kratzspuren waren auf den Brettern und der Klinke. Thorins Atem ging schwerer und seine Füße schlurften mittlerweile mehr, als dass sie liefen. Dennoch hielt er seine Arme hoch, die Muskeln angespannt. Der Speer war zum Stechen bereit und mit einem kurzen Klopfen gegen seinen Gürtel an mehreren Stellen mit dem unteren Ende der Fackel vergewisserte sich Thorin, dass auch seine Dolche und das Langschwert noch an ihrem Platz waren. Danach hielt er auch die Fackel in eine Position, die ihm ein schnelles Zuschlagen ermöglichen würde.
Mit der Speerspitze drückte er dann die rostige Klinke nach unten, sodass die Tür sich einen kleinen Spalt weit öffnete. Als er dann den uralten Durchgang ebenfalls mit der Speerspitze langsam aufdrückte, quietschten die Scharniere wieder. Das Geräusch schmerzte in Thorins Ohren und ließ ihn gleichzeitig zusammen fahren. Es war nun unvermeidlich, dass der Werwolf sein Kommen mitbekam. Gut, das wäre es vermutlich auch ohne die quietschende Tür, aber es war weniger auffällig. Dass er eigentlich erwartet wurde, blendete Thorin zu seinem eigenen Wohlgefühl dabei aus.
Zu seiner Überraschung, wurde Thorin nicht angegriffen, als er in die niedrige, aber weite Höhle hinter der Tür trat. Stattdessen hörte er nur wieder ein leises Klicken von rechts. Mittlerweile kam ihm auch wieder in den Sinn, wo genau es dort hin ging. Es machte Sinn und scheinbar hatte der Werwolf einen kleinen Sinn für Dramatik. Die uralte Melodie, die einst in diesen Höhlen durch die Luft und den Stein gefahren war, war beinahe noch immer vernehmbar. Natürlich spielte sie nicht wirklich, aber wie ein geisterhaftes Echo drang es noch immer aus den Wänden. Es ließ Thorin vor Ehrfurcht schaudern und so stapfte er los. Er wusste, wo er die Bestie finden würde … in der Halle der spielenden Steine.
Es dauerte nicht lange, da fand Thorin den Tunnel, der nach rechts aus der größeren Höhle abging. Keine vier Schritte breit und höchstens drei hoch. Alles war von der Fackel ausgeleuchtet. Das leise Heulen des Windes war verschwunden und auch die Flammen flackerten nicht mehr. Als ob sich der Wind davor fürchtete in diese alten und mystischen Hallen einzudringen. Das Nachklingen der alten Melodie verstärkte sich beinahe mit jedem Schritt, den Thorin tiefer in die Höhle machte. Fast wie ein zweiter, unterschwelliger Herzschlag, der durch seinen Körper fuhr, aber vom Felsen um ihn herum ausging. Es war wie berauschend. Die Schmerzen wurden etwas gelindert und seine Schritte wurden sicherer. Als ob ihm die Höhle selbst helfen wollte. Aber fühlte sich auch der Werwolf so? Oder war es nur er?
Thorin wollte es gar nicht erst wissen. Solange er ohne überwältigende Schmerzen kämpfen konnte, so war es ihm egal. Wieder erreichte er eine Höhle. Allerdings war diese mehr hoch, als breit. Sechs Schritte in die Tiefe, eben so viele in der Breite und unerkennbar viele nach oben. Er befand sich in einer Sackgasse. Nur ein Weg zurück. Von oben hörte er wieder Steinchen klicken, aber den verfluchten Weg dorthin fand Thorin nicht! Die Dunkelheit ließ ihn nicht ausmachen, wo genau dieses „oben“ eigentlich war und die Wände um ihn herum wirkten glatt.
Dann fiel ihm auf, dass zumindest seitlich nach oben hin die Wand gegenüber dem Eingang etwas eingedrückt war und sogar Kratzspuren aufwies. Vorsichtig ging Thorin auf diese Wand zu. Erst, als er direkt vor ihr stand und sich nicht die Nase einrammte, merkte er seinen Fehler. Die komplette Wand, war eine optische Täuschung von seinem Standpunkt aus. Tatsächlich befand sich die eigentliche Wand weiter hinten und eine steile Rampe verlief nach oben von weiter vorne aus. Von da, wo Thorin gestanden hatte, hatte man diese Kante zwischen Boden und Rampe nicht sehen können, weil man direkt auf sie geschaut hatte. Da die Fackel etwas weiter links gewesen war, gab es auch keine Schatten an dieser Stelle. Thorin verfluchte sich dreimal dafür. Andererseits war es auch ein Zeichen, dass seine Sinne bereits arg schwächelten. Die Selbstzweifel blockte er gleich darauf ab. Solche konnte er sich nicht leisten.
Langsam und darauf bedacht nicht auf dem steilen, leicht feuchten Stein auszurutschen, schritt Thorin nach oben. Unter den dicken Stiefelsohlen glaubte er den Fels zum Takt der alten Melodie vibrieren zu fühlen. Sein Herz raste, Blut rauschte in den Ohren und seine Wunden bluteten unaufhörlich. Es wunderte ihn mittlerweile schon sehr, dass er nicht längst verblutet war. Und das obwohl die Stiche und Schnitte weitaus weniger bluteten, als Wunden von Waffen. Schweiß quoll aus den Poren seiner Haut und rann ihm unangenehm über den Rücken unter seiner Kleidung. Es war erstaunlich warm hier hinten in der Höhle. Und feucht noch dazu.
Thorin erreichte das obere Ende der Rampe und fand sich in etwa sieben Schritten Höhe auf einem schmalen Absatz wieder. Links ging es nicht weiter und nach rechts in einen dunklen Tunnel. Ohne weiter zu zögern, stapfte er in diesen. Auch hier leuchtete die Fackel die gesamte Breite und Höhe des Gangs aus, reichte aber, wie so oft, nicht bis ans Ende des Tunnels. Allerdings musste Thorin auch nicht sehen, wohin es ging, um es zu wissen. Mit jedem Schritt wurden das Vibrieren und die Melodie im Felsen merklich stärker. Und mit jedem neuen Klang kehrte ein kleiner Teil seiner Kraft zurück. Es war schlicht berauschend.
Dann verschwanden die Wände um ihn herum und er fand sich plötzlich in einem wahren Meer aus Dunkelheit wieder. Einzig und allein eine glatte Felsplatte zog sich unter seinen Füßen hinweg gerade aus. Nicht einmal fünf Schritte war sie breit. Ansonsten herrschte Stille, wenn man einmal von der uralten Melodie absah.
Jeder Ton jagte Thorin Gänsehaut auf die Arme, Beine und sogar auf die Brust. Unglücklicher Weise zog sich dabei auch die Haut dort etwas zusammen und die Stiche brannten neuerlich auf, auch gegen den mystischen Balsam der uralten Klänge. Mit einem unterdrückten, leisen Stöhnen und schleifenden Atemzügen machte er dann einen Schritt nach dem Anderen weiter in das Dunkel. Es dauerte nicht lange, da verschwand der Eingang in den Tunnel hinter ihm und er stand einzig auf einem scheinbar schwebenden, glatten Stein in einem Meer aus purer Schwärze. Sein Puls ging schnell, sein Atem stoßweise und immer mehr Schweiß rann aus seinen Poren. Das salzige Nass brannte in den Stichen und Schnitten.
Sich im Kreis um die eigene Achse drehend arbeitete sich Thorin schrittweise weiter nach vorne. Es kostete ihn einiges an Konzentration nicht auf einmal die Richtung, in die er musste, und die, aus der er gekommen war, zu verwechseln. Und er brauchte seine Konzentration und Aufmerksamkeit nicht nur dafür.
Irgendwo in den Tiefen der Dunkelheit vernahm er immer wieder leises, feuchtes Tropfen. Als ob Wasser aus feinen Poren im Stein Quoll und zu Boden tropfte. Es machte ihn halb wahnsinnig, weil es außerdem noch schallte.
Dennoch fand er irgendwann, nach vielleicht zehn Schritten über die Steinplatte, zwei drei Schritte hohe Steinsäulen, die links und rechts von seinem Weg waren. Sie schienen irgendwo unterhalb seines Grundes zu verschwinden. Den viereckigen Säulen konnte man ansehen, dass sie uralt waren. Die eingehauenen Reliefs und die Ecken waren durch die Jahre verwittert in den feuchten Bedingungen der Höhle. Die Kanten und Linien waren undeutlich. Teilweise fand er sogar Moospolster in den ehemals feinen, eingeschlagenen Linien.
Gerade, als er einen Schritt auf die ihn gut um die Hälfte überragende Säule zumachen wollte, tropfte ihm etwas Feuchtes und Schleimiges auf die Schulter und spritzte leicht gegen sein Gesicht. Dort merkte er, wie es langsam hinab rutschte. Instinktiv hielt er den Speer mit einer schnellen Bewegung, die ihm wieder für einige Momente die Luft raubte, hoch zum Stechen bereit. Wenn der Wolf von oben kam, so würde er direkt in die scharfe Spitze springen. Doch es passierte nichts.
Thorin ging vorsichtig in die Knie – den Speer dabei weiterhin erhoben. Vorsichtig, darauf bedacht möglichst leise zu sein, auch wenn es an sich sicherlich keinen Unterschied gemacht hätte, legte er die Fackel ab und griff sich mit der Linken auf die rechte Schulter. Zwar konnte er mit den pelzigen Fingern nicht direkt etwas Spüren, aber dafür konnte er es einen Augenblick später sehen, als er seine Finger in den flackernden Schein der am Boden liegenden Fackel hielt. Es war grünlich, schleimig und sah beinahe aus, wie eine Art Alge. Eine Alge, wie sie immer an der Wasseroberfläche schwamm, als eine Art Teppich. Irgend so etwas. Nur dass diese hier scheinbar an der Höhlendecke gewesen war.
Angewiderter ließ er den grünen Schleim von seinen Fingern rutschen und holte sich die restlichen Spritzer aus dem Gesicht. Wieder tropfte es irgendwo in der Höhle. Nur es klang anders, als sonst. Er konnte nicht genau sagen, was es war. Es war, als ob der Tropfen in Wasser gefallen war. Das Echo war verzerrt und klang unheimlich. Ihm lief ein kalter Schauer den Rücken hinab und ließ ihn schaudern.
Nachdem er sich aller Algen entledigt hatte, griff er wieder nach seiner Fackel. Dabei bemerkte er, dass der gesamte Steinboden um ihn herum immer wieder mit dünnen, feuchten Moospolstern bedeckt war. An sich nichts Ungewöhnliches, aber die Tatsache, dass es so viele waren, sprach für die extreme, konstante Feuchtigkeit hier unten. Nicht nur in der Luft sondern auch auf dem Boden. Über die Jahrzehnte, seit die Höhle das letzte Mal besucht worden war, musste eine ganze Menge an Wasser eingedrungen sein. Wenn er daran dachte, dass es noch einmal nach unten ging, lief es ihm gleich wieder den Rücken hinab. Dem Werwolf würde das Wasser sicher nichts ausmachen, aber wenn es tief genug war, konnte Thorin erheblich langsamer werden, sollte er hinein geraten. Ein weiterer Punkt, der für die Schläue der Bestie sprach.
Vorsichtig und mit angespannten Muskeln richtete er sich wieder auf. Seine Fackel nun wieder in der linken Hand. Dann unternahm er einen neuerlichen Versuch, an die rechte Steinsäule hinan zu treten. Als er sie dann etwas näher untersuchte, entdeckte er eine kleine Nische, die scheinbar über eine kleine Röhre mit dem inneren Teil des Konstrukts verbunden war. Eine zähflüssige, schwarze Substanz befand sich in einer verrosteten Eisenschale in dieser Nische. Thorin kannte so etwas aus anderen Hügelgräbern, die er einmal von Innen hatte sehen können. Auf der Spitze der Säulen befand sich eine Art Trichter der mit einer brennenden Substanz gefüllt war. Diese Schale diente zum Anzünden. Als ein weiterer Wassertropfen irgendwo in der Höhle auf Stein schlug, zuckte Thorin wieder zusammen. Passieren tat aber nichts weiter. Wie so oft.
Langsam brachte er den Fackelkopf näher an die Schale und schließlich tauchte er ihn beinahe in die zähe Flüssigkeit. Nichts. Es wäre auch zu schön gewesen. Dieses Mal tropfte es hinter ihm. Oder war es ein kleiner Kiesel? Ruckartig fuhr Thorin herum und bereute es gleich im nächsten Moment. Schmerzhafte Blitze fuhren ihm durch die Brust und zwangen ihn nach Luft ringend in die Knie. Seine Sicht verschwamm kurz, klärte sich aber wieder. Flimmer tanzten ihm vor den Augen. Einzig und allein die uralte Melodie der Steine schien ihn wieder auf die Füße zu treiben. Der zweite, rhythmische Herzschlag, der durch Thorin fuhr, trieb ihn förmlich dazu.
Schlurfend zwang er sich zur zweiten Säule. Sein Atem schnitt dabei beinahe in seine Luftröhre, so schleifend ging er. Es war nun sogar schon soweit, dass es ihm bei jedem Luftholen selbst den Rücken hinab lief. Sein Herz raste und setzte ab und zu immer einmal wieder einen Schlag aus. Er war am Ende. Nervlich – und körperlich. Vielleicht war es auch das, worauf es der Werwolf abgesehen hatte. Ihn ohne auch nur mit einem ehrenvollen Kampf zu Grunde gehen zu lassen und sich an dem elenden Anblick zu ergötzen. Der Gedanke ließ grenzenlose Wut in Thorin aufkochen und er machte nun den letzten Schritt wieder etwas kraftvoller auf die zweite Steinsäule zu.
Die Nische, mit dem Anzünder, hatte auch eine verrostete Eisenschale darin, aber die zähe Flüssigkeit in ihr war anders. Sie war nicht schwarz, sonder gelblich-grün. Sie sah auch wesentlich frischer und nicht so ranzig aus. Vorsichtig brachte er seine Fackel näher und dieses Mal entzündete sich die Flüssigkeit auch. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die Flammen die Spitze erreichten und alles um ihn herum in warmes Licht getaucht wurde. Der Lichtkreis reichte zwar nicht aus, um die gesamte Höhe auszuleuchten, aber einen großen Teil.
Bevor Thorin jedoch noch eine Gelegenheit bekam, etwas zu tun, erwischte ihn etwas hart im Rücken. Die Wucht trieb ihn vorwärts gegen die Säule. Der Schneebärenhelm wurde durch seine überstehende Schnauze nach hinten von seinem Kopf gedrückt und er prallte frontal gegen den Stein. Seine Nase knackte und ein höllischer Blitz fuhr ihm durch den Schädel, als er mit der Stirn aufschlug. Seine Sicht verschwamm, er ließ seine Fackel und den Speer fallen. Er hörte nur, wie zwei Dinge in Wasser fielen und es laut Zischte, als ein Feuer vom Nass gelöscht wurde. Der Blitz, der durch seinen Kopf fuhr, wollte gar nicht mehr aufhören. Er raubte ihm jedwede Sinneswahrnehmung und auch sein Atmen ging schwerer und schwerer.
Wieder erwischte ihn etwas hart. Dieses Mal jedoch an der rechten Schulter, sodass er herum gewirbelt wurde. So konnte er verschwommen die weißen Schemen des Werwolfs erkennen, bevor eine weitere, geballte Faust heran flog und ihn gegen die Brust traf. Den aufkommenden Schmerz aus dieser registrierte er zu diesem Zeitpunkt nur noch am Rande seiner Wahrnehmung. Rücklings stolperte er dann über die Kante der steinernen Platte unter seinen Füßen und fiel in die Tiefe. Wie tief er fiel, konnte Thorin nicht sagen, aber einige Schritte bestimmt. Unten blieb er im Flug mit der linken Schulter an einem Stein hängen, sodass er noch einmal herum gewirbelt wurde. Die feurigen Schmerzen überwältigten ihn und überlagerten einander zu einem einzigen, heißen Feuer in seinem ganzen Körper.
Bevor er die Sinne verlor, schoss ihm noch ein letzter Gedanke durch den förmlich platzenden Schädel. Er spielt mit mir. Dann landete er rücklings in eiskaltem, knöcheltiefem Wasser …
Geändert von KingPaddy (19.02.2012 um 12:09 Uhr)
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