-
Provinzheld
Solstheim, Moesring-Berge, Isinfier Ebenen, Hügelgrab
Mit dem nächsten Augenaufschlag blickte Thorin in einen abendlich roten Himmel, der bereits vereinzelt von dunklen, grauen Wolken bedeckt wurde. Kalter, eigentlich schon fast eisiger Wind streifte über seine Nase und zerrte an seinem Bart. Seine Glieder waren so müde, wie schon lange nicht mehr und selbst auf der Wanderung hatte er sich noch vergleichsweise frisch gefühlt. Jetzt war er mehr ein Wrack seiner selbst – und dass sogar in doppelter Bedeutung. Körperlich am Ende – und genauso emotional.
Mit einem gequälten Stöhnen und neuerlichen Tränen in den Augen stemmte er sich auf seine Ellbogen hoch. Der Schnee unter ihnen knirschte, als er mit Thorins Gewicht belastet wurde. Einen Augenblick später hörte dieser schwere Schritte auf sich zukommen. Es dauerte nicht lange, bis sich zwei weiße, pelzige Beine in sein Sichtfeld drängten und einen Schritt von ihm entfernt anhielten. Schlussendlich senkte sich der kräftige Körper von Hulfgar herab auf die Knie und wieder knirschte das Weiß, als es zusammengedrückt wurde.
Die rotbraunen Haare des stämmigen Jägers hingen in klebrigen Strähnen in dessen Gesicht und der Bart war halb gefroren. Die hellblauen Augen des älteren Mannes musterten Thorin einen Moment lang eingehend und wurden schlussendlich weich und ebenso traurig, wie dieser sich fühlte. „Alles in Ordnung?“, brummte Hulfgar dann tief und ein wenig nuschelnd, um seine eigenen Gefühle etwas zu verbergen. Ein Mann seiner Art, Größe und Aussehens zeigte allgemein weniger, wie er sich fühlte. Seine Augen verrieten Thorins Freund aber dennoch.
„Könnte schlechter gehen, schätze ich“, erwiderte er dann traurig und grimmig zur selben Zeit. Alles in ihm schrie mittlerweile danach, den verhassten Werwolf endlich zu erledigen und ihren Freund zu rächen. Jede noch so kleine Faser seines Körpers – einfach alles schrie nach Rache und Vergeltung. Die unendliche Trauer über den Verlust trieb diese Gefühle nur noch weiter an. Thorin wusste einfach nicht, ob er schreien, weinen oder einfach nur liegen bleiben sollte. Seine Trauer sagte weinen, sein Hass schreien und seine Müdigkeit das Letzte.
Allerdings zwang er sich dazu, keines der Dinge zu tun und all seine Gefühle aufzuheben – ja, zu konservieren – für den richtigen Moment, wenn er sie auf das richtige Ziel lenken konnte. Hulfgar streckte nun seinen rechten Arm aus und Thorin schlug ein. Ihre Hände umfassten den Unterarm des jeweiligen Gegenübers und der stärkere Jäger zog seinen Freund dann auf die Füße. Leicht schwankend durch die Müdigkeit blieb Thorin dann von alleine stehen.
Gondrim brachte ihm seinen Speer und Rulmgar kniete noch etwas abseits neben einem Haufen von größeren und kleineren Steinen, aus dem ein weiterer Speer mit einem Eisbärenhelm drauf herausragte. Thorin kannte diese Art Grab nur zu gut. Eine Ehre und Schande gleichermaßen. Ehre, weil einen ehrenhaften Tod im Kampf gestorben war und Schande, weil keiner der Vier ihren Freund auf diese Weise hatte verlieren wollen und schon gar nicht so früh. Das Brândil an sich nicht direkt im Kampf gestorben war, spielte dabei keine Rolle, eher der Teil des ehrenhaften Todes war ausschlaggebend, für Thorins gespaltene Meinung. Ein wenig fühlte er auch noch Stolz. Stolz für die Stärke, die ihr Freund bewiesen hatte.
Trotz der Müdigkeit in seinen Gliedern wandte Thorin sich schließlich nach Süden. Irgendwo dort hatte sich der Werwolf und Mörder verkrochen. Irgendwo dort in einem der Gräber wartete er nun, um dieses bösartige Spiel zu beenden. „Ich weiß nicht, wie ihr es seht, aber ich werde heute noch aufbrechen“, gab Thorin dann entschlossen und fest, aber auch schmerzerfüllt in die Runde.
„Keiner von uns, würde dich alleine gehen lassen“, erwiderte Gondrim von irgendwo hinter ihm. Damit war die Frage auch schon geklärt. Müdigkeit und emotionale Probleme hin oder her, es musste früher oder später enden. Früher war besser, da waren sie sich alle einig – auch ohne, dass sie es aussprachen. Ein letztes Mal warf Thorin einen traurigen Blick auf Brândils Grab, dann stapfte er los in den bereits recht dunklen Wald der Isinfier Ebenen und gegen den stärker werdenden Wind ankämpfend.
Bevor sie schließlich zwischen den Bäumen verschwanden, warf Thorin noch einmal einen Blick zum Himmel. Die Wolken, die er am späten Nachmittag gesehen hatte, waren bereits sehr nahe gekommen und zerfetzte Ausläufer der dunklen Decke befanden sich am Himmel über ihnen. Im Westen verschwand die Sonne irgendwo hinter dem Meer und war noch unbehelligt von den Wolken, allerdings hätte es wohl ohnehin nicht mehr lange gedauert, bis diese ihr den Platz streitig gemacht hätten. Im Osten war das dunkle Band bereits weiter nach Norden gezogen und auch ihnen fielen mittlerweile die ersten, leichten Flocken entgegen. Angepeitscht durch den Wind, schnitten sie auch manchmal durch die kalte, raue Haut auf Thorins Gesicht. Dann tauchte die Jägergruppe auch schon ins Dunkel des Waldes ein ließ den roten Himmel und all seine Pracht hinter sich.
Der Schnee hier war teilweise fester und weniger tief, was das Vorankommen erleichterte. Es dauerte auch nicht lange, bis Thorin die ersten Spuren – dieses Mal die Abdrücke von nackten Menschenfüßen – entdeckte. Da die Nacht aber bereits dämmerte, würde es wohl nicht mehr lange brauchen, bis sie wieder zu Wolfsspuren wurden. Auch wenn er wenig Hoffnung hegte, den Gejagten einzuholen, bevor er sich wieder verwandelte, beschleunigte er sein Schritttempo. Seine schweren Füße brachen gelegentlich durch eine leichte Eiskruste auf der Oberfläche des Schnees, aber es tat seiner erhöhten Geschwindigkeit keinen Abbruch. Sein Herz raste wieder, als wenn es mit einem anderen um die Wette pumpte und all seine Sinne waren über das normale Maß hinaus angespannt. Die Müdigkeit wich dem Adrenalin und der Wut, die Thorin innerlich schürte.
Mit dem Einbruch der Nacht waren sie schließlich bereits in Sichtweite des ersten großen Hügels. Auf der Spitze der Erdanhäufen befanden sich einige große Steine – künstlich von Nordhand dort aufgestellt – die es als das kennzeichneten, was es war: ein Hügelgrab. Wenn sich Thorin nicht irrte, war dieses hier das Grab eines gewissen Jolgeirr. Den Nachname des Mannes kannte er allerdings nicht.
Die Spuren führten sie auf der westlichen Seite des Hügels recht nahe am Fjord entlang. Immer wieder konnte er die Wellen gegen das Land rauschen hören und hätte das Weiß des Schnees dieses nicht erhellt, so hätte er das schwarze Nass gar nicht erkennen können. Irgendwie verwunderte es Thorin dann auch nicht im Geringsten, dass die Spuren nicht zu Jolgeirrs Hügelgrab führten, sondern weiter nach Süden, wo sich bereits ein weiterer Hügel mit großen, langen Steinen auf der Spitze aus der Dunkelheit schälte. Es machte auch wesentlich mehr Sinn, nun da ihm wieder in den Sinn kam welches andere Grab sich ebenfalls in diesem Gebiet befand. Nun, an sich war es nicht das Grab, sondern vielmehr das, was an dem Grab dran hing. Es machte Sinn als ein einzelner, schneller Jäger sich in enge Tunnel zu verkriechen, damit der Feind seine größere Zahl nicht nutzen konnte. Eines musste Thorin ihrem Wolf also lassen: intelligent war er. Eine Bestie nichtsdestotrotz, aber intelligent.
Es dauerte nicht besonders lange, bis sie Jolgeirrs letzte Ruhestätte hinter sich ließen und nun näher an das neue Hügelgrab heran kamen. Der Eingang aus den dunklen, glatten Steinplatten wies dieses Mal in ihre Richtung. Thorin verlangsamte seinen Schritt wieder und hob dafür seinen dunklen, ebenhölzernen Speer so, dass er blitzschnell zustechen konnte, wenn etwas zu nahe an ihn heran kam. Die anderen drei Jäger hinter ihm, taten es ihm nach. Hören konnte Thorin das an dem leichten Knirschen von Leder, wenn es zu straff um einen Gegenstand gewickelt wird. Die schweren Schritte seiner Freunde hinter ihm wurden auch wesentlich langsamer und vorsichtiger.
Erst jetzt bemerkte Thorin, dass die Fußabdrücke bereits wieder halb Wolf, halb Mensch waren. Es war also nicht zulange her, dass ihr Gejagter hier entlanggekommen war. Es verwunderte ihn nun absolut nicht mehr, als die Spuren direkt vor dem runden Eingangsstein endeten. Der verzierte Stein, der den Eingang eines jeden Hügelgrabes markierte, war geschlossen. Allerdings konnte Thorin im fahlen Schein der Nacht einige tiefe, parallel verlaufende Furchen erkennen: Kratzspuren. Offen sichtlich hatte der Werwolf erfolgreich den Stein beiseite geschoben und befand sich nun im Inneren des Grabes oder dem direkt angebundenen Höhlensystem.
„Sieht so aus, als würden wir im Dunkeln tappen“, knirschte Gondrim mit den Zähnen, als er neben Thorin anhielt und ebenfalls auf die Kratzspuren im Stein schaute. „Vielleicht sollten wir ihn aushungern“, gab der ebenfalls sehr kräftige Jäger dann grimmig in die Runde.
„Einen Werwolf?“, kam es dann von der tiefen Stimme Hulfgars skeptisch und ein wenig tadelnd. „Damit machst du ihn nur noch so richtig wild. Nein, das ist keine gute Idee, glaube mir. Jetzt oder nie.“ Gondrim schwieg.
„Sehe ich auch so“, mischte sich dann Thorin wieder ein und rammte seinen Speer in den Boden, damit er beide Hände frei hatte. „Helft mir hier mal“, forderte er dann seine Freunde auf, als er mit den Fingen in die leichte Mulde griff, die sich zwischen Torstein und Rahmen bildete. Hulfgar platzierte seine Hände oberhalb von Thorins, Gondrim unterhalb. Rulmgar blieb zurück und hielt den Speer zum Wurf bereit erhoben. „Auf drei.“
„Eins“, begann unvermittelt Hulfgar zu zählen.
„Zwei“, setzte Gondrim fort.
„Drei“, beendete Thorin und die drei Jäger begannen zu ziehen, so sehr sie konnten. Begleitet von leisen, unterdrückten Schreien, die neue Kraft freisetzen sollten. Mit all ihrem Gewicht lehnten sie sich in die Richtung der entgegengesetzten Seite des Eingangs und mit den Füßen drückten sie. Der Schnee gab anfangs nur wenig Halt, aber als sie einmal auf festem, gefrorenem Boden waren, begann sich der runde Stein zu bewegen. Erst nur langsam, dann aber schneller werden und immer begleitet vom tiefen, mahlenden Geräusch wenn Stein über Stein rieb.
Sie schoben den Eingang nicht komplett auf, das wäre unnötig gewesen. Der einen Schritt breite Durchgang, den sie aufgeschoben hatten, reichte aus. Der Wind blies sichtlich durch den Spalt. Die Flocken tanzten umher und verschwanden dann im Dunkel des Grabes. Erstaunlich warme Luft schlug Thorin entgegen, als er seinen Speer aus dem Boden zog und einen Schritt auf das undurchdringliche Schwarz zu machte. „Hat jemand eine Fackel im Gepäck? Sieht nicht so aus, als wenn hier drin noch etwas brennt“, fragte er in die Runde. Keiner antwortete. „Feuersteine zum Anzünden einer der alten Fackeln?“, versuchte er dann noch eine andere Option. Dann viel ihm ein, dass er sowieso selbst immer ein Paar dabei hatte. „Vergesst es, sucht ein paar Fackeln, wenn ihr drin seid.“
Auf keine Antwort wartend und es nun beinahe kaum noch abwarten könnend, ging Thorin als Erster ins Dunkel. Den Speer hatte er nun auf Hüfthöhe und immer bereit zuzustoßen. Werfen ging auf so engem Raum nicht besonders gut. So leise Thorin konnte, stapfte er durch die Finsternis. Als sich seine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er zumindest bis zu den Wegbiegungen auf beiden Seiten des Eingangs sehen. Das spärliche Licht, dass vom Eingang her herein kam, machte das möglich. Fackeln entdeckte er jedoch auf den ersten Blick keine.
Vorsichtig schlich er auf eine der Ecken zu. Er hatte einmal gewusst, warum die Hügelgräber alle den gleichen Grundaufbau hatten. Warum in der Mitte des Eingangsbereichs ein großer Block aus Stein – oder mehrere Steine, die einen Block formten – war und somit zwei schmale Gänge links und rechts formte. Dahinter liefen diese Beiden Gänge wieder zusammen, genau dort, wo der eigentliche Eingang in die Grabkammer war. Allerdings hatte er es mittlerweile wieder vergessen und an sich spielte es auch keine Rolle. Nicht jetzt.
Die drei anderen Jäger waren inzwischen ebenfalls im Grab angekommen und Thorin warf einen Blick von der links zum Eingang befindlichen Ecke zurück. Schnee lag bereits in einer kleinen Schneise, wo der Wind ihn hatte hin blasen können und immer mehr Flocken fanden ihren Weg ins Grab. Ein Teil von ihnen schmolz in der wärmeren Luft, bevor er landen konnte, und der Rest wurde allmählich zu Matsch. Die, verglichen mit der Außentemperatur, regelrecht heiße Luft im Inneren, ließ Thorin schwitzen und sein Atem ging bereits jetzt wieder schwer. Und dann war da ja auch noch sein wie wild schlagendes Herz.
„Hulfgar“, hauchte er beinahe, um nicht zu laut zu sein. Der muskulöse Jäger dreht sich in seine Richtung. „Du kommst mit mir, die anderen Beiden nehmen den rechten Gang. Wir treffen uns mit ihnen in der Grabkammer“, erklärte Thorin dann weiter und immer noch sehr leise flüsternd.
Der Mann in Schneewolfsrüstung nickte grimmig, gab die Taktik an Rulmgar und Gondrim weiter und kam dann langsam auf Thorin zu. Dieser wandte sich bereits dem weitaus dunkleren Gang tiefer unter die Erde zu. Wenn er sich richtig anstrengte, konnte er ungefähr fünf Schritte weit sehen, danach verschwand alles in der Finsternis. Dann war Hulfgar bei ihm und sie machten sich nebeneinander auf den Weg. Langsam und nur Schritt für Schritt. Die Vorgehensweise hatte einen ganz bestimmten Grund. Die Gänge waren überall breit genug, um zwei kräftige Nord nebeneinander zuzulassen. Mehr aber auch nicht. Daher waren Gruppen aus zwei Personen besser und wesentlich sicherer, als allein oder größer. Außerdem konnten sie zumindest hier im Hügelgrab sicher gehen, dass ihr Gejagter keinem von ihnen in den Rücken fiel.
Mit jedem Schritt den sie machten, hörte Thorin das scharfe Pfeifen des eindringenden Windes immer lauter. Es jagte ihm unangenehme Schauer über den Rücken und ein wenig übertönte es ihre Schritte und – wie er befürchtete – auch andere, leise Geräusche.
Als sie etwa die Mitte des Ganges erreicht hatten, bemerkte Thorin seinen kleinen Irrtum. Der Eingang in die anschließende Höhle lag nicht auf dieser Seite des Hügelgrabs, sondern auf der von Gondrim und Rulmgar. Er hatte Hulfgar extra zu sich geholt, weil dieser besonders groß und stark war. Nicht zu vergessen dessen Schnelligkeit. Wenn der Werwolf also aus der Dunkelheit des Höhleneinganges zugeschlagen hätte, so wäre ein Erfolg mit Hulfgar an der Seite wesentlich wahrscheinlicher gewesen.
Zu Thorins Erleichterung vernahm er jedoch kein drohendes Knurren von irgendwo aus der Dunkelheit. Stattdessen schlich er noch um eine weitere Biegung und im immer weniger werdenden Lichtschein konnte er sehen, wie auch die andere Zweiergruppe gerade um die andere Ecke bog. Schlussendlich trafen sie in der Mitte, direkt vor dem Durchgang zur Grabkammer aufeinander. „Nichts, nehme ich an?“, fragte Gondrim leise mit einer leichten, umfassenden Bewegung seiner linken Hand. Es war nicht besonders schwer zu verstehen, dass er auf die Fackeln anspielen wollte. Thorin schüttelte den Kopf.
Gondrims Mine wurde nun noch ernster und der Jäger mit dem kurzen Bart und Thorin wandten sich der Grabkammer zu, während Rulmgar und Hulfgar jeweils die Gänge Richtung Ausgang im Auge behielten. Thorin konnte nahezu nichts erkennen und das schneidende Geräusch des Windes war hier hinten irgendwie noch lauter, wie er fand. Das schwache Licht, das durch den Schnee von der Nacht reflektiert und in das Hügelgrab geworfen wurde reichte kaum noch in diesen Teil. Dass die Gänge nicht gerade verliefen sondern scharfe Kurven schlugen, tat dem Ganzen nichts Gutes. Thorins Trauer war für den Moment komplett all seinen Jagdinstinkten und der enormen Anspannung gewichen. Sein Herz raste, als wenn es versuchte aus ihm herauszuspringen. Schweiß rann in Strömen über seine Haut und ließ seine Leinenkleidung, die er unter all seinen Lagen aus Leder und Fell trug, unangenehm an ihm kleben.
Möglichst leise setzte er einen Fuß vor den Anderen und seinen Speer hatte er immer noch stoßbereit auf Hüfthöhe. Gondrim hielt sich ein wenig hinter Thorin, wie dieser am Geräusch der Schritte erkennen konnte. Dann stoppten sie und auch Thorin hielt inne, mehr aus Instinkt und Erfahrung, als bewusst. „Dort vorn, direkt vor dem steinernen Altar, Thorin“, hörte er die Stimme seins Freundes flüstern. Angestrengt schaute er an die genannte Stelle. Oder besser: er versuchte sie erst einmal zu finden. Da alles – Boden, Wände und „Einrichtung“ – aus demselben, schwarzen Stein gemacht war, war es schwierig sie in der Dunkelheit auszumachen.
Schlussendlich machte er noch einen Schritt nach vorn und erkannte dann die Kante des Altars, der nicht ganz zu seiner Hüfte reichte. Thorins Augen wanderten langsam von der Kante nach unten. Alles in seinem Gesicht schmerzte, so angestrengt versuchte er zu sehen, was Gondrim gemeint hatte. Unterbewusst machte er noch einen weiteren Schritt nach vorne und schlussendlich fand er, was sein Freund gemeint hatte. Ein breites Grinsen stahl sich auf seine Lippen und den letzten Schritt machte Thorin nun ganz schnell, dann kniete er sich auf den harten Steinboden.
Seinen Speer legte er nun ebenfalls ab, da Gondrim dicht neben ihm stand. Thorins Hände tasteten am Boden entlang, weil er die zwei Gegenstände wieder aus den Augen verloren hatte. Es dauerte einige Augenblicke, dann bekam er eine der beiden Fackeln zu fassen. Genau in diesem Moment vernahmen sie alle, das tiefe, schleifende Geräusch vom Eingang, als der runde Stein diesen wieder verschloss. Thorin blieb beinahe das Herz stehen, als jedwedes, noch verbliebenes Licht um sie herum verschwand und erst jetzt bemerkte er, wie hell sie es eigentlich gehabt hatten. Nun konnte er nicht einmal seine eigene Hand vor Augen sehen. Mit dem Abschneiden des Windes, wurde es dann auch wieder totenstill um sie herum.
Rulmgar und Hulfgar schienen gerade wieder näher zu kommen. Zumindest ließen das die langsamen, ein wenig stolpernden Schritte vermuten. „Thorin, mach‘ die verdammte Fackel an“, flüsterte Gondrim ernst vor ihm. Irgendwo in der Dunkelheit fielen zwei kleine Steine zu Boden und das Klacken schallte gänsehauterregend durch die Gänge.
„Schon dabei“, entgegnete Thorin angespannt und seine Sinne waren bis auf Anschlag getrimmt. Mit den groben, pelzigen Händen fummelte er ein wenig unter seinem Schneebärenharnich herum, um an seine kleinen Lederbeutel zu kommen. Es dauerte einige Momente bis er seine Feuersteine gefunden hatte. Schlussendlich schlug er sie dann aber gegeneinander. Das Klacken der Aufschläge hallte weit und unangenehm laut durch die Dunkelheit um sie herum. Jedes Mal, wenn die Steine aufeinander trafen, zuckte Thorin zusammen und horchte auf. Wenn er nichts weiter hörte, schlug er erneut die Feueranzünder zusammen, nur um die Prozedur erneut zu durchlaufen. Manchmal glaubte er auch tropfendes Wasser zu hören, aber es war leise und die Abstände groß. Die Echos machten es obendrein auch noch unmöglich zu sagen, von wo es kam.
Am Ende stoben einige Funken durch die Dunkelheit und mit dem achten Versuch – er hatte unterbewusst mitgezählt – trafen diese schließlich auch die Fackel. Innerhalb von einem Augenblick zum Nächsten fing diese Feuer und ein warmer, flackernder Lichtkreis umgab sie. Erleichtert schaute Thorin zu Gondrim auf, nur um im Augenwinkel etwas Glitzerndes zu sehen. Im gefror förmlich das Blut in den Adern.
Sein Herz setzte aus, schlug dann wie wild weiter, setzte wieder aus und schlug dann weiter. Das Ganze wiederholte sich ständig und sein Kopf wurde leicht schummrig. Wie in Zeitlupe drehte Thorin diesen nach links und starrte am Ende auf eine schwarze, feucht glitzernde Wolfsnase. Dann zogen sich die Lefzen zurück und entblößten lange Fangzähne von denen zähflüssiger Speichel troff. Alles begleitet von einem tiefen, bedrohlichen Knurren und nur eine Hand breit von seinem Gesicht entfernt …
Stichworte
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln