Einmal mehr tauchte Tarrior in die schmutzige Welt des großen Flüchtlingslagers ein, das sich wie ein überdimensionaler Gürtel um Ebenherz zog. Dutzende Zelte und Kochstellen standen wild und ungeordnet in der Gegend herum. Dicht an dicht drängten sich die Vertriebenen hier auf engen Raum zusammen. Zwischen den provisorischen Unterkünften, die neben Zelten auch aus schnell zusammen gezimmerten Hütten bestanden, hatten sich fast so etwas wie Straßen und Gassen gebildet. Auf diesen patrouillierten Hlaalu- und Redoranwächter und ab und an auch ein paar Kaiserliche Wachen. An manchen Stellen boten fahrende Händler ihre Waren feil und an anderen Stelle wurde Suppe an die Bedürftigen, was wohl den Großteil der Flüchtlinge ausmachte, ausgegeben und an anderen Stellen gerieten auch schon einmal zwei von ihnen wegen einem Stück Brot aneinander. Auch immer wieder traf er auf Leute die für ihre Götter Predigten abhielten und das Volk dazu anhielten um Vergebung und Erlösung von der daedrischen Plage zu bitten. Die Wenigsten von ihnen waren Gesandte des Tempels. Er war entzückt das es tatsächlich stimmte, das der Tempel langsam zu Grunde ging, doch dafür waren jetzt die Schergen des Kaiserlichen Kultes und sogar einiger Deadra-Kulte auf großem Seelenfang. Doch neben den Gläubigen die Hoffnung und Erlösung versprachen, gab es auch die, die den Untergang schon nahen sahen und die große Masse in pure Panik versetzten. Tarrior ging gerade an einem Mann vorüber, der den Untergang Nirns gepredigt hatte und nun von einigen Wachen verprügelt und festgenommen wurde. „Verständlich“: fand er. Die Deadra hatten das Volk schon genug und Panik versetzt, da mussten nicht noch die verrückten Propheten ihre eigenen apokalyptischen Fantasien dazugeben. Er fand es sowieso abscheulich, zu was das einst prächtige Vvardenfell zusammengeschrumpft war. „Die Daedra konnten frei im Zentrum der Insel wüten, als würde sie ihnen gehören. Die Telvanni konnten derweil ihren eitlen Streitereien mit der Magiergilde weiter frönen und die Häuser unterminieren sich immer wieder gegenseitig, wie der Fall des sich langsam aufzulösenden Hauses Indoriil beweist. Und das Volk muss nun hier in solchen Lagern hausen, wie Ratten in ihren Häusern“: dachte er und schüttelte innerlich heftigst den Kopf. „Wie konnte es nur soweit kommen“: fragte er sich und langte derweil endlich an einem Ausgang aus dem Labyrinth der Zelte und Verschläge an. Der Ausgang lag direkt an der Straße, die das eher abgelegene Ebenherz mit den Ascadia-Inseln verband. Folgte er ihr würde er an die Seen gelangen und folgte er ihr weiter, würde sie ihn sicher nach Pelagiad und weiter in Richtung Balmora tragen. Er wollte das Lager gerade verlassen, als ihm ein Dunmer neben einem Guar von beeindruckender Größe auffiel. Er war von einer Vielzahl von Leuten umringt. Tarrior fragte sich was es dort so interessantes gab und ließ von seinem bisherigen Ziel noch einmal ab und ging hinüber. Er schnappte sich einen der umher stehenden Leute.

„Gibt es hier etwas umsonst“: fragte er. „Im Gegenteil. Der dort oben verkauft seinen Guar“: antwortete er ganz aufgeregt. „Und was soll an einem Guar so besonders sein?“ „Es ist ein prächtiger Reitguar. Habt ihr seine Statur gesehen? Groß und mit muskulösen Beinen. Ein wahrhaft perfektes Reittier“: schwärmte der Mann. Ohne auch nur auf die Lobreden zu reagieren trat er an ihm vorbei um sich den Guar aus der Nähe zu bestaunen. Zumindest hatte der Mann nicht gelogen. Das Tier war größer als jeder Guar den er bisher gesehen hatte und die Beine schienen wie Baumstämme. Die Augen des Tieres wirkten aber sanft. Sein Interesse war nun geweckt. Er trat zu dem anderen Dunmer. „Ihr hörte ihr wollt euren Guar verkaufen. Stimmt das?“: fragte er den Mann. „Da habt ihr richtig gehört. Er könnt gerne mit bieten. Der jenige welcher am meisten zu zahlen bereit ist, kriegt ihn. Derzeit sind wir bei 300 Draken, oh nein jetzt sind es 400“: erzählte der Dunkelelf ihm. „Wenn ich fragen darf, warum wollt ihr dieses schöne Tier verkaufen?“: fragte er. „Ganz einfach ich brauche Geld für eine Überfahrt zum Festland und für ein Zimmer in Gramfeste. Ich glaube nicht, dass Vvardenfell noch lange durchhält. Almalexia mit seinen mächtigen Mauern, wird gewiss standhalten“: erklärte er. „Wenn das so ist biete ich 700 Draken“: sagte er dann und die Menge sog scharf die Luft ein. Bei den ganzen Flüchtlingen hier, konnte wohl kaum jemand einen derart hohen Drakenwert überbieten. In diesem Moment war er heilfroh über die große Belohnung, die ihm Behram für seine Sklavendienste bezahlt hatte. Der Dunmer der seinen Guar verkaufte, ließ den Blick noch einmal durch die Menge schweifen und dann verkündete er, dass Tarrior nun der neue Besitzer seines Reittieres wäre. Er lächelte. Tarrior gab ihm das Geld und trat an das eindeutig gutmütige Tier heran. Es scheute nicht vor ihm zurück und er tätschelte ihm ein wenig über die ledrige Haut. Der Guar gab ein leises Brummen von sich und beugte sich ein Stück zu ihm herüber, ähnlich einer Katze die schmusen will. Tarrior streichelte ihm über die breite Schnauze und wieder ertönte ein zufriedenes Brummen. „Hat er auch einen Namen“: fragte Tarrior den ehemaligen Besitzer. „Ja er heißt Fryrr“: antwortete der Verkäufer. „Fryrr das ist aber ein eigenartiger Name für einen Guar“: bemerkte er. „Ja das kann sein. Ich war früher fahrender Händler. Ich habe Fryrr als kleinen Guar in Himmelsrand gefunden und ihm einen Namen der Nord gegeben. Er ist das einzige was mir noch geblieben ist, als die Deadra Ald’ruhn eroberten. Ich hab die Stadt vor dem Angriff mit Fryrr verlassen, nun ist er der einzige der mir noch geblieben ist“: erzählt er. „Und da wollt ihr ihn verkaufen? Ihr habt doch sicherlich viel gemeinsam durch gemacht“: staunte der Dunmer.

„Es ist mir auch nicht besonders leicht gefallen, aber ich glaube das Vvardenfell keine Zukunft mehr hat. Almalexia ist meiner Meinung nach die einzige Stadt, die den Deadra noch etwas entgegensetzen kann. Es ist schade drum, aber es muss so sein. Aber ihr könnt euch glücklich schätzen er ist ein treues und sehr intelligentes Tier“: sagte er mit ehrlichem Bedauern in der Stimme. „Wenn dem so ist, werde ich mich gut um ihn kümmern“: sagte er und tätschelte Fryrr noch einmal die Schnauze und erntete wieder das arttypische Brummen. Dann packte er dem Guar sein Gepäck auf den Rücken und der Verkäufer half ihm beim Aufsteigen. „Habt ihr schon einmal einen Guar geritten“: fragte er ihn. „Ja, aber es ist schon eine gewisse Weile her“: antwortete er. „Ich denke aber ich kriege es schon hin“: fügte er noch hinzu. „Kümmert euch bitte gut um Fryrr und eine gute Reise“: verabschiedete er Tarrior. Dieser drückte dem Guar die Stiefel und die Flanken und das Tier setzte sich ohne zu Murren in Bewegung. Die Guars waren eigentlich nicht als schnelle Reittiere, sondern eher als langsame Packtiere bekannt, doch Fryrr legte ein für einen Guar erstaunliches Tempo vor. Zwar kam das noch lange nicht an die Geschwindigkeit eines Pferdes heran, doch Tarrior kam mit ihm schneller und auch gemütlicher vorwärts, als zu Fuß. Im Osten sah er die nahen und hoch aufgetürmten Wohninseln der Götterstadt Vivec. Es war ein herrlicher Anblick die Inseln in der hoch erhobenen Sonne schimmern zu sehen. Auf den nah am Ufer liegenden Inseln sah er ein regelrechtes Großaufgebot von Ordinatoren. Die Stadtgarnison schien vollbesetzt zu sein. Vermutlich gab es nicht einen einzigen unbewachten Platz in der ganzen Stadt. Er konnte zwar den Mann verstehen, der ihm Fryrr verkauft hatte, aber daran zu glauben, dass die Deadra Vivec so einfach überrennen würden, war reine Hysterie. Dass die Stadt fallen würde, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Selbst nach Vivecs verschwinden, war die Stadt immer noch randvoll mit Ordinatoren und Kriegswappenträgern. Die Deadra würden die Stadt unmöglich überrennen können. Doch noch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, hatten er und Fryrr die Stadt des Manngottes hinter sich gelassen und bogen auf die große Straße ein, die von Vivec aus ins Zentrum der Ascadia-Inseln führte. Er ritt an der Brücke vorüber, die in die Bitterküsten Region führte. Einige Kaiserliche Soldaten hatten sie besetzt und regulierten den Flüchtlingsstrom. Soweit er erfahren hatte, befand sich ein weiteres Flüchtlingslager ja in Seyda Neen, dem anderen Hafen an Vvardenfells Südküste der Fahrten zum Festland anbot. Auch hier ritten sie vorüber. Langsam hatte er doch Hunger bekommen. In der Entfernung konnte er ein Bauernhaus ausmachen. Er wollte gerade darauf zu halten, als ihm einfiel was Ugning ihm gesagt hatte. Das er sich von den Höfen fernhalten solle, aus welchen Gründen auch immer. Er ritt an dem Hof vorbei und hielt auf das Ufer des Hairan Sees zu und stieg ab. Fryrr trottete auf das Ufer zu und steckte die Schnauze ins Wasser. Tarrior derweil sammelte ein paar Beeren von einem Busch und ließ den Guar etwas grasen. Er stopfte sie sich in den Mund. Es war zwar keine wirkliche Mahlzeit, aber für den kleinen Hunger sollte es doch durchaus ausreichen. Er verspeiste gerade die letzte Beere und nahm noch einen Schluck Wasser aus dem Fluss, das er mit seiner Hand schöpfte. Im Anschluss stieg er wieder auf Fryrr, strich im mit Hand über die Haut und presste die Stiefel wie in die Flanken des Guars, der sich wieder in Bewegung setzte und weiter nach Pelagiad trottete.

Unterwegs trafen sie ab und an auf weitere Flüchtlinge, Kundschafter oder Söldner. Desöfteren hielt er an um mit ihnen zu reden. Er erhoffte sich noch ein paar Informationen, doch er wurde enttäuscht. Die meisten berichteten ihm auch nur das was er bereits aus Ebenherz wusste. Vor Banditen hatte er nicht wirklich Angst. Da sich so viele Leute auf den Straßen befanden, glaubte er nicht, dass sie sich trauen würden direkt anzugreifen. Langsam dämmerte es schon am Horizont und die zunächst gelbe Sonne ging langsam in ein Orange über. Doch weit hatte er es nicht mehr, denn er stand kurz vor Pelagiad. Er hatte den Wegweiser erreicht. Einige Pfeile zeigten weiter nach Norden und kennzeichneten die Straße nach Balmora. Der eine andere Pfeil zeigte nach Osten und zeigte die Straße, die nach Pelagiad führte. Eigentlich war Pelagiad sogar ein kleiner Umweg und wenn die Garnison dort so freundlich geworden war, wie die in Ebenherz, dann würde er sich vermutlich durch etliche Kontrollen mühen müssen, bis sie sicher waren, das er kein Anhänger der Mythischen Morgenröte war. Er erinnerte sich, dass es in der Nähe eine Höhle gab, die man vor einiger Zeit von einer Banditenbande gesäubert hatte. In ihr konnte man sicher auch gut übernachten, wenn er den Stress bedachte den er in Pelagiad haben würde. Er stand noch unentschlossen vor dem Wegweiser und überlegte wo er nun übernachten sollte. „In der Höhle oder in Pelagiad?“: wälzt er seine Gedanken hin und her.