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Drachentöter
Cheydinhal -> Bravil -> Cheydinhal
Nach etwa einer halben Stunde ging sie langsam und wie in Trance zurück zum Haus. Erst als sie im Badezimmer vor dem großen Spiegel stand und ihren verbitterten Gesichtsausdruck betrachtete, fiel ihr auf, was sie für ein Glück gehabt hatte, nicht überfallen worden zu sein. Dieses mal hätte sie es erst gemerkt, wenn es zu spät gewesen wäre. Und jetzt konnte sie wieder weiter nichts tun, als zu warten. "Du musst wirklich unglaublich dumm sein.", sagte sie leise zu ihrem Spiegelbild. Sie wusste, dass sie die Sache am besten beenden sollte, wenn sie jemals frei von ihm sein wollte. Sie hatte sich das ganze ohnehin selbst zuzuschreiben, wäre sie damals nicht so weich gewesen wäre Feryn schon längst Geschichte.
Sie überlegte kurz, ob sie vielleicht doch mit Mordan reden sollte, entschied sich dann aber dagegen. Auch wenn sie ihm vertraute, diskutierte sie ungern solche Probleme mit anderen sondern machte es lieber mit sich allein aus. Außerdem hätte er ihr ohne zweifel angeboten, sich um Feryn zu kümmern, und das wollte sie nicht. Wenn dann muss ich es selbst tun. Es war nicht so dass sie es wollte, aber sie wusste welchen gefährlichen Einfluss er auf sie haben konnte. Jeden anderen ihrer "Freunde" hätte sie ebenfalls ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht nach einem derartigem Verrat, ob das jetzt der Kaiserliche aus Skingrad oder S'Dar war. Und bei Feryn sollte es einfach werden, er schien ihr immer noch zu vertrauen, oder eher noch zu denken sie wäre ihm noch genauso hörig wie vor zehn Jahren. Womit er nicht unrecht hat, oder Dreveni?
Den Rest des Abends verbrachte sie auf ihrem Zimmer, ohne Mordan über den Weg zu laufen. Leider musste sie in der Nähe des Hauses oder zumindest Cheydinhals sein, wenn sie Feryns Spur nicht verlieren wollte. Er würde ihr zweifellos hier irgendwo eine Nachricht hinterlassen.
Sie musste nicht lange warten, am Abend des übernächsten Tages stand der Argonier wieder vor ihrer Tür. Nachdem sie dem Argonier ein paar Münzen in die Hand gedrückt hatte und ihm mit einem Giftigem Blick bedacht hatte, nahm sie den Brief ohne ein Wort von ihm und ging nach draußen. Ihr war egal ob der Argonier etwas für ihre schlechte Laune konnte, immerhin überbrachte er nur die Nachricht, aber nachdem der wahre Grund gerade nicht greifbar war, mussten es eben andere ausbaden. Es war noch hell genug, um den Brief zu lesen. Feryn war auf dem Weg nach Bravil, und er wollte sie kurz außerhalb der Stadt treffen. Wunderbar, Bravil...
Als sie wieder ins Haus ging, erntete sie von Mordan nur einen erstaunten Blick. Sie wunderte sich nicht weiter, sie gab sich immerhin keine Mühe, ihre Laune vor irgendjemandem zu verbergen. Er tat ihr fast etwas leid, aber sie würde Mordan alles erklären, wenn sie die Sache ein für alle mal geklärt hatte. Sie hoffte nur ernsthaft, dass sie noch so entschlossen sein würde, wenn sie Feryn wieder gegenüberstand. In ihrem Zimmer zog sie sich um, hier im Haus hatte sie ein Kleid getragen, das war zu unpraktisch für den langen Ritt nach Bravil. Sie kleidete sich in den Overall, zog noch eine Tunika darüber da es nachts relativ kühl wurde, und hängte ihren Mantel über. In einen großen Beutel packte sie ein paar Sachen die ihr nützlich sein konnten, dazu ein paar kleine Glasfläschchen mit Gift sowie ein paar Septime. Als sie die Treppe runterging, lief sie direkt Mordan in die Arme, der sie in ihrem Zimmer anscheinend räumen gehört hatte.
"Ich muss etwas erledigen.", antwortete sie nur fahrig auf die unausgesprochene Frage in seinem Gesicht.
Im Stall sattelte sie ihr Pferd, befestigte Bogen und Langschwert am Sattel und machte sich auf nach Bravil. Inzwischen war es fast dunkel geworden, aber das war ihr egal. Sie ritt bis zum nächsten Morgen, als sie von Banditen überfallen wurde. Sie hatte die Brücke südlich der Kaiserstadt noch nicht ganz erreicht, als sie zufällig aus dem Augenwinkel den Bogenschützen im Gebüsch sitzen sah. Das reflektieren seiner leichten Kettenrüstung hatte ihn Verraten.
Nach einem gut gezieltem Feuerball noch vom Pferd aus rührte er sich nicht mehr. Vielleicht war es ein Nord gewesen, dann konnte er tatsächlich schon tot sein. Der zweite stand inzwischen herausfordernd mit einem Langschwert aus Feinstahl auf der Straße. Dreveni stieg vom Pferd und zog dabei ebenfalls ihr Langschwert aus der Befestigung am Sattel. Vermutlich hatte der Bandit es bis jetzt nicht gesehen, denn auf einmal machte sich ein erstaunter Ausdruck auf seinem Gesicht breit. Nichts desto trotz hob er entschlossen das Schwert und stürmte auf Dreveni zu. Die Dunmer sprach schnell einen Schildzauber, hob ebenfalls ihr Schwert, da hatte der Bandit - vermutlich ein Bretone - sie schon erreicht. Krachend schlug seine Klinge auf die ihre, als sie seinen Schlag blockte. Der gebrochene Arm war anscheinend schon wieder verheilt, jedenfalls registrierte sie nur kurz, dass sie keinen Schmerz in ihrem Arm spürte. Ihr Gegner war gut, aber Dreveni wurde außerdem noch von der Wut auf Feryn und auf die gesamte Situation angetrieben. Nach einem kurzen Schlagabtausch hatte sie ihm das Schwert aus der Hand geschlagen, und bevor der Bretone noch richtig wusste, wie ihm geschah, hatte sie ihm das Schwert durch die Brust gestoßen. Die alte Lederrüstung hatte ihr nicht viel widerstand geboten, und er sah ihr noch einen Moment erschrocken in die Augen, bis er sie nach oben verdrehte und röchelnd zu Boden sank, als Dreveni ihr Schwert zurückzog.
Eigentlich war das ja nicht unbedingt ihr Stil, überlegte sie sich, als sie ihr Schwert am Umhang des toten Banditen säuberte. Es reichte ihr normalerweise, wenn sie solches Gesindel in die Flucht schlagen konnte, aber die beiden waren ihre jetzt gerade Recht gekommen. "Verflucht." Es wurde wirklich zeit etwas zu unternehmen, bevor sie den letzten Rest ihrer Beherrschung verlor. Sie durchsuchte kurz die beiden Leichen, konnte aber nichts wirklich nützliches finden, außer ein paar Septimen. Pferde konnte sie in der Nähe auch keine sehen. Sie ritt noch weiter über die Brücke und rastete gegen Nachmittag ein paar Stunden.
Lange nach Mitternacht erreichte sie schließlich Bravil. Im Silberheim am Wasser nahm sie sich ein Zimmer und versuchte etwas Schlaf nachzuholen, Müdigkeit schadete nur ihrer Konzentration, und um die stand es zur Zeit eh nicht zum besten. Als sie nach ein paar Stunden immer noch müde erwachte, war es gerade Nachmittag. Sie wollte noch warten bis es dunkel wurde, bevor sie die Stadt verlassen würde. Sorgfältig präparierte sie den Dolch und ihr Stilett mit Gift, danach versuchte sie sich auf ein Buch zu konzentrieren, dass sie mitgenommen hatte. Es handelte von der Geschichte Morrowinds, aber sie nahm die Sätze kaum auf, die sie las. Dass Dreveni öfter ein Buch dabei hatte, war von einigen ihrer Kollegen schon belächelt worden, aber es ließ sich nicht immer vermeiden, auch mal ein paar Tage warten zu müssen. Und immerhin konnte sie sehr gut lesen, Mordan hatte neben dem Training mit Waffen auch auf Bildung bestanden. Damals hatte sie das gelangweilt, inzwischen war sie ihm dankbar dafür.
Als es dämmerte verließ sie die Herberge, nur mit dem Dolch am Gürtel und das Stilett unter dem Ärmel ihrer Tunika verborgen. Sie hängte sich den Umhang um, zog die Kapuze tief in die Stirn und wich kurz nach der Brücke zum Stadttor vom Weg ab und ging in den Wald. Kurz hinter der Ayleidenruine Anutwyll wollte sich Feryn mit ihr treffen. Dieses mal war sie vorsichtiger unterwegs, allerdings konnte sie sich nicht unbemerkt anschleichen, wollte sie ihn nicht misstrauisch machen. Mit ihrer Entschlossenheit war es inzwischen auch nicht mehr weit her, als sie hinter sich ein leises knacken hörte. Hätte sie nicht damit gerechnet, wäre es ihr nicht weiter aufgefallen. Schwungvoll drehte sie sich um, und Feryn stand hinter ihr. Noch bevor er ein Wort sagen konnte, war sie es, die ihm dieses Mal um den Hals fiel. "Du hast mir gefehlt", hauchte sie ihm ins Ohr, bevor sie ihn wieder losließ und einen Schritt zurück ging. Der kurze Ausdruck von Erstaunen in seinem Gesicht wandelte sich wieder in seine übliche selbstsichere Überheblichkeit.
"Es freut mich dass du dich anscheinend auch wieder an die guten Dinge erinnert hast damals, wenn du jetzt gekommen bist.", sagte er leise mit einem lächeln. "Ich dachte schon du hattest vergessen, wie ähnlich wir uns sind.", fuhr er fort, während er er jetzt einen Schritt auf sie zutat und seine Hände auf ihre Schultern legte. In diesem Moment sah Dreveni die ganze Sache so klar wie niemals zuvor. Er hatte sie nicht angelogen, er hatte sie geliebt und tat es vermutlich immer noch, auf seine eigene kranke Weise, genauso wie sie ihn. Und er hatte Recht damit, wie ähnlich sie sich waren. Sie hatte nie einen Mer wie ihn getroffen. Mordan stand sie natürlich auch Nahe, aber er war ganz anderes als Dreveni selbst. Es war faszinierend gewesen, in Feryn jemanden zu treffen, den sie nur anzusehen musste, um zu wissen, was er dachte, und genauso selbst ohne Worte verstanden zu werden. Er hatte sie damals nicht reingelegt - sie hatte sich nur geweigert, es zu sehen. Und genau dass ist der Grund, warum das hier nicht gut enden kann, dachte sie sich bitter.
"Ja, da hast du recht.", sagte sie schließlich, und legte ihre Arme wieder um seinen Hals. Ein Teil von ihr schien die ganze Szene von außen zu beobachten, und konnte kaum glauben, dass sie Feryn so leicht hereinlegen konnte, als sie sich küssten und Dreveni vorsichtig das Stilett unter ihrem Ärmel hervorzog. Aber genau das war der Punkt. Vertraue keinem Feryn, warum musst du meinen Fehler von früher jetzt wiederholen? Sie umfasste den Griff der Waffe mit der rechten Hand, zögerte einen Sekundenbruchteil, bevor sie ihm in den Rücken stach, dort wo in etwa sein Herz war. Er sah sie nur absolut überrascht an, bevor er zu Boden sank. Nachdem er ein ganzes Stück größer war als Dreveni, konnte sie ihn nicht wirklich halten. Sie sah ihm noch einen Moment in die Augen, und er versuchte, etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Dann wurden seine Augen starr und sein Kopf sank nach hinten. Mit verschlossenem Gesicht sah sie ihn an, das Blut lief an seinem Rücken über ihre Hand die immer noch das Stilett hielt. Im Grunde war Feryn in dem ganzen Drama genauso gefangen gewesen wie sie, und vermutlich wäre sie selbst an der Reihe gewesen früher oder später. Trotzdem konnte sie keine Erleichterung empfinden, als sie die Waffe aus Feryns Rücken zog und ihn vorsichtig auf den Waldboden legte. Irgendwie fühlte sie gar nichts, außer einem leisen Schmerz irgendwo ganz tief in ihrem Herzen.
Sie hoffte ernsthaft, dass er dort blieb, und nicht größer wurde, als sie leise zurück ging und ein gutes Stück vor den Stadttoren zum Ufer des Niben hinabstieg um das Blut von ihren Händen zu waschen. Danach setzte sie sich auf einen größeren Stein und sah zu den zwei Monden. Inzwischen fühlte sie sich ausgesprochen schlecht, auf eine Weise, die sie kaum richtig einordnen konnte. Sie hatte nie jemanden verloren, der ihr nahe gestanden hatte, denn so etwas gab es einfach nicht. Außer Mordan fiel ihr niemand ein, das brachte ihre Art zu leben einfach mit sich. Natürlich gab es alte Freunde von Mordan, die sie auch lange kannte, aber das war eine komplett andere Ebene. Wer wert auf zwischenmenschliche Beziehungen legte, war als Assassine definitiv falsch dran. Seufzend erhob sie sich und ging zurück zum Tor. Es war noch vor Mitternacht, also nicht besonders auffällig, wenn sie jetzt zurückkam. Die Leiche würde auch keinen großen Verdacht erwecken, wenn man sie überhaupt fand. Erstens kannte Feryn hier keiner, zweitens würde man denken, es war irgendetwas aus der Ayleidenruine gewesen. Dreveni wusste zwar nicht, was in dieser lebte, aber irgendwas lebte immer in diesen Dingern. Deswegen konnte Dreveni sie auch nicht ausstehen. Anstandslos wurde sie durch die kleine Tür neben dem Stadttor gelassen, und in der Herberge angekommen ließ sie sich kraftlos auf das Bett fallen. Sie hatte sie noch nie so alt, leer und einfach nur müde gefühlt. Sie konnte tatsächlich etwas schlafen, und am nächsten Vormittag brach sie nach einem kurzen Frühstück auf und ritt wieder Richtung Cheydinhal, auch wenn sie dort schon genug Zeit verbracht hatte die letzten Wochen. Sie wusste nicht, wohin sonst.
Die Geschichte wird im Gruppenthread "Schildstadt" fortgesetzt.
Geändert von KingPaddy (06.07.2011 um 00:43 Uhr)
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