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Thema: [Obl] Rollenspielthread # 3 (Signatur aus)

  1. #281

    Vvardenfell-Distrikt, Westspalte, Heerlager am Aschlandpass

    Als sie aus dem Zelt herauskamen, führte Alina ihn durch die engen Gassen der Zeltstadt. Geschickt wich sie dabei marschierenden Soldaten und herumlungernden Freiwilligen aus. An den Zelten konnte Tarrior nun auch erkennen, dass sie sich langsam in den Bereich bewegten, in dem die Gilden ihre Unterkünfte aufgeschlagen hatten. Die Zelte waren größer, sahen ordentlicher und auch geordneter aufgestellt aus. Die roten Banner mit dem Schwert wehten im aufkommenden Wind, der etwas frische Luft in den Mief dieser Versammlung blies. Tarrior begrüßte regelrecht den salzigen Geschmack der Seeluft, die von Westen kam, auf der Zunge, als sie den Gestank von Kot, Urin und Schweiß für einen Moment hinwegfegte. „Da vorne ist unser Zelt. Da die Magiergilde keine eigene Heeresgruppe geschickt hat, sind wir Freiwillige von der Liga mehr oder weniger die Vertretung der Gilde hier“: sagte Alina und deutete auf ein hellblaues Zelt mit eingestickten silbernen Verzierungen, dass deutlich aus der Masse herausstach und zudem noch etwas erhöhter stand, als der Rest des Lagers. Im Näherkommen sah er, dass die kleineren Schlafzelte der Magier genauso aussahen. Das ihm bekannte Banner der Liga der Magischen Gewalt fiel ihm sofort ins Auge. An großen Standarten aufgehängt umgab es den ganzen Teil des Magierlagers, das tatsächlich auf einem kleinen Hügel errichtet war. Der Weg wurde daher auch steiler und der Dunmer und seine Begleiterin arbeiteten sich den steinigen Pfad hinauf. Die Höhe des Hügels war zwar nicht sonderlich beachtlich, doch gewann er trotzdem einen guten Eindruck vom gesamten Heerlager. Tarriors Augen tasteten diese Decke aus unterschiedlichen Zelten ab, die sich über das Land der Westspalte gelegt hatte. Tatsächlich dehnte es sich hier vom Pass bis an die Klippen des Aschebackens aus, in dem die Festung Andasreth lag. Die Nord-Süd-Ausdehnung war hingegen nicht so groß, womit es sich eher in die Länge, als in die Breite zog. Im Süden verlor sich sein Blick in der Entfernung. Wenn er sie zusammenkniff, glaubte er die Turmspitzen von Caldera zu erkennen. Im Westen schnitten die Klippen seine Sicht auf die Bitterküste und das Meer ab und im Osten Selbiges für das Aschland. Im Norden zeigten sich nur die unberührten Weiten der Westspalte. Irgendwo in dieser Richtung lagen Gnisis und die anderen Hafenstädte der Redoraner. Nochmals lenkte er seinen Blick auf das Innere der Insel. Hinter den Klippen zum Aschland stiegen gewaltige Rauchsäulen auf. Besonders eine stach ins Auge.

    „Ist das der Rote Berg?“: fragte Tarrior die Bretonin. „Ja das wird er wohl sein. Komisch. Ich dachte er wäre inaktiv seit der Vernichtung Dagoth Urs damals“: wunderte sie sich. Er erinnerte sich noch daran, dass er diese Rauchsäulen auch schon bei seiner Ankunft in Ebenherz vor einer ganzen Weile gesehen hatte. „Wie lange raucht er denn schon?“: wollte er nun wissen. Alina zuckte mit den Schultern, bevor sie antwortete: „Ich habe da gar nicht darauf geachtet. Hättet ihr mich nicht darauf hingewiesen, wäre mir nicht einmal aufgefallen, dass der Vulkan wieder aktiv zu sein scheint.“ Tarrior kratzte sich das Kinn. „Wirklich eigenartig. Wer weiß? Vielleicht haben die ganzen Oblivion-Tore das Land in Unruhe versetzt“: dachte der Dunmer laut. „Ein Grund mehr sie von der Insel zu tilgen“: meinte die Bretonin und bat mit einem Wink, ihr ins Zelt zu folgen. Er fuhr noch einen Moment den Horizont ab. Die Sonne stand inzwischen schon wieder ziemlich tief. Es würde bald dunkeln. Tarrior riss sich los und folgte der Magierin in das Zelt.

    Im Inneren war es deutlich dunkler als draußen. Der blaue Stoff fing eine Menge Licht auf und ließ nur sehr wenig davon hindurch dringen. Zudem war die Beleuchtung eher spärlich. Es dauerte einen Moment, bis sich seine Augen an den Unterschied gewöhnt hatten, doch dann konnte er endlich mehr von der Einrichtung erkennen. Er hatte schon den Besprechungsraum im großen Zelt als luxuriös empfunden, doch dies hier, stellte es noch einmal in den Schatten. Feingearbeitete Holzmöbel bis hin zu Kleiderschränken, Kommoden und Schubladen waren Pflicht. Feines alchemistisches Gerät lag auf vollen drei Tischen bereit, während scheinbar vollgestopfte Transporturnen die nötigen Zutaten bereitstellten. Ein Bücherregal, gefüllt mit magischer und alchemistischer Fachliteratur, gab dazu dann genaue Anweisungen. Den Boden hatte man wieder mit Teppichen ausgelegt. Sie waren nichts besonderes, doch man konnte hier bequem ohne Schuhe laufen. Auch hier wurde die Mitte des Raumes wieder von einem großen Tisch eingenommen, der mit Karten und Dokumenten übersät war. „Meine Vorgesetzten sind im Moment nicht da. Wahrscheinlich sitzen sie noch in der Festung und besprechen die nächste Lieferung und versuchen den Generalsrat von einem Angriff zu überzeugen. Der Rest dürfte derzeit in Caldera oder Balmora sein und versuchen neue Mitstreiter in den Gildenhallen zu finden und auszubilden. Unglücklicherweise sind die Meisten, die sich uns anschließen, noch junge Novizen und daher weder besonders gut im magischen, wie im kämpferischen Bereich. Zumindest tragen sie ihr Herz am rechten Fleck“: sagte die Bretonin und ging zu einem kleinen Schrank mit vielen Fächern hinüber und zog aus einem in der Mitte ein Stück Pergament hinaus. Dies legte sie zusammen mit einer Schreibfeder und einem Tintenfass auf den Tisch und bat ihn sich zu setzen. Tarrior kam dieser Aufforderung gerne nach und sah sich das Schriftstück an. Es handelte sich um einen Mitgliedskontrakt. Mit seiner Unterschrift würde er dann Teil der Liga werden.

    „Ihr müsst nur noch unterschreiben und werdet Teil unserer Vereinigung. Dann werden wir gemeinsam die magische Zerstörung über die daedrische Brut bringen. Natürlich sobald ihr Haus Hlaalu davon überzeugt habt, dass unser Angriffsplan der einzige Weg ist, diese Dämonen zu besiegen“: forderte sie ihn zur Unterschrift auf. „Vergesst nicht euren Teil der Abmachung. Ich will nach Mar Gaan und ihr werdet dafür sorgen, wenn ich euch helfe“: erinnerte Tarrior sie. Alina nickte. „Habt keine Sorge. Redet ihr nur mit dem Abgesandten eures Hauses“: beruhigte sie ihn und hielt dem Dunmer die tintengetränkte Feder entgegen. Mit kurzem Zögern ergriff er das Schreibgerät und setzte geschwungen seine Unterschrift unter den Kontrakt. „Gut das wäre erledigt. Der Abgesandte eures Hauses wird wahrscheinlich noch vor der nächsten Lieferung hier eintreffen. Natürlich wollen wir eure Gegenleistung vor eurem Aufbruch haben“: sagte sie. „Vertraut ihr mir etwa nicht?“: fragte Tarrior scheinheilig. „Doch natürlich, aber wer wird mit eurem Abgesandten reden, wenn ihr in Mar Gaan seid. Außerdem nehmt es als kleine Vorsichtsmaßnahme. Es hängt viel davon ab, dass dieser Angriff gestattet wird. Wenn die Daedra schneller als wir sind, ist es aus für Vvardenfell“: machte sie ihm die Bedeutung des Angriffs noch einmal bewusst. Derweil setzte sie ein kurzes Schreiben auf, dass sie mit dem Wappen der Liga siegelte, zusammenfaltete und ihm übergab: „Dies weist euch als Mitglied unserer Vereinigung aus. Nun können wir leider nur noch warten.“ „Dann empfehle ich mich hiermit. Ich werde mich noch etwas im Lager umschauen“: verabschiedete sich der Dunmer und verließ ohne eine weitere Reaktion Alinas das Zelt. „Ganz toll!“: dachte er resignierend: „Jetzt bin ich Mitglied in diesem Verein von Fanatikern und muss auch noch diesen Angriffsplan unterstützen. Wenn das Heer vernichtet wird, dann ist meine Reputation Geschichte.“

    Tarrior ging den Hügel, auf dem die Liga ihr Lager aufgeschlagen hatte, wieder hinunter. Sofort tauchte er in das wilde Gewusel des Heerlagers ein. In Anbetracht der Tatsache, sich wieder durch diese Menge quetschen zu müssen, kam ihm eine Idee. Behände streckte er seinen Geist aus. Natürlich konnte er den Verstand der Leute um ihn herum nicht kontrollieren, aber er konnte ihre Gehrichtung in etwa erahnen und konzentrierte sich zwecks der Genauigkeit nur auf die Leute, die ihm direkt entgegen kamen. So war es ihm möglich, sich mit einer ungewöhnlichen Grazilität durch die Massen zu bewegen und nur selten irgendjemanden anzurempeln. Unter Führung seines geistigen Auges gelangte er schnell zurück zum Verpflegungszelt, in dem er sich schon zu einem früheren Zeitpunkt des Tages aufgehalten hatte. Erschöpft von der zurückliegenden geistigen Anstrengung ließ er sich auf eine schlecht gezimmerte Holzbank sinken und brauchte einen Moment, um die Welt wieder mit seinen normalen Sinnen klar und deutlich wahrzunehmen. Er rieb sich die Augen. „Ich werde schwächer“: erkannte er in Gedanken.

    Seine geistigen Fähigkeiten, schon immer vorhanden, aber erst durch das ständige Training und die Macht Dagoth Urs im Kult des Sechten Hauses gereift und gestärkt, verließen ihn langsam wieder. Lange Zeit hatte er nicht trainiert und es fehlte die Anleitung durch den Meister in seinen Träumen. Zuviel Zeit war ohne die wichtigen Meditationen verstrichen. „Ich werde schwächer“: wiederholte sich die schreckliche Erkenntnis in seinen Gedanken. Er erhob sich von seinem Platz und schlenderte zur Essensausgabe hinüber. In seinem Geist rang der Wunsch nach Nahrung mit dem drängenden Bedürfnis, sich sofort in Trance zu vertiefen. Sein Gewissen gebot ihm, sich dem Verfall seiner geistigen Kräfte umgehend anzunehmen, doch sein Verstand überzeugte ihn, zuvor etwas zu essen, da der hungrige Körper danach verlangte und sich bereits körperliche Schwäche ausbreitete. Umso glücklicher war Tarrior, als er endlich an die Reihe kam und ihm eine Fleischpampe mit Aschekartoffeln aufgetan wurde. Das Gewissen drängte der Anblick des Essens einen Moment zurück und er setzte sich wieder an den Tisch. Der erste Bissen verzerrte sein Gesicht. So lieblos wie das Gericht aussah, schmeckte es auch, doch forderte der Magen mehr davon. Gierig schlang er die braune Fleischtunke hinunter, griff über den Tisch und zog eine herrenlose Mazte-Flasche an sich heran und nahm einen kräftigen Schluck, der den Geschmack sofort wegspülte. Mit einem Keuchen setzte er ab und nahm noch einen tiefen Schluck. Als Tarrior die Flasche wieder zurück stellte, war sie nur noch halb so voll. Er lehnte sich zurück, schloss für einen Moment die Augen und spürte wie der Alkohol langsam durch seinen Körper gepumpt wurde. „Ich muss wieder meditieren. Ich muss vor der Reise nach Mar Gaan vorbereitet sein“: entschied er, denn seine Fähigkeiten erlaubten ihm die kurzzeitige Kontrolle von Kreaturen minderer Intelligenz wie Skampen und das Zerstören von Bindungen zwischen Beschwörern und ihren Kreaturen, sodass letztere ihre Rufer angriffen. Doch wenn ihn schon der Weg durch das Lager erschöpfte, wie sollte das noch gelingen. Training war geboten.

    Die Dunkelheit senkte sich über bereits über die Westspalte und das Lager, als Tarrior zwei Stunden später einen geeigneten Ort auf einer winzigen Erhebung außerhalb der Zeltstadt gefunden hatte und sich unter dem dortigen einsamen Baum niederließ. Während das Licht schwand und sich die ersten Sterne am nur leicht bewölkten Himmel hervorhoben, entzündete man zu seinen Füßen erste Feuer und pflanzte Fackeln auf. Erst jetzt bemerkte Tarrior, dass man im Kreis um die Zelte einige provisorische Wachtürme, die man eher als Bretterverschläge bezeichnen sollte, errichtet hatte. Untereinander verband eine Kette aus Fackeln die Türme. Die Fläche um das Lager schien vollkommen ausgeleuchtet. Man wollte wohl vermeiden, dass sich jemand heimlich des Nachts einschlich. Tarrior hielt es für sinnlos. Dort unten herrschte den ganzen Tag über ein reges Kommen und Gehen. Allein heute hätten sich genug Spione der Mythischen Morgenröte einschleichen können. Gewiss gab es von ihnen genug zwischen den ganzen tapferen Kämpfern. Ein Schwall der abgestandenen Luft wehte zu ihm hinauf, als sich der Wind drehte. Es war das einzige Zeichen des Lagers und der vielen Menschen dort unten, das zur ihm herauf drang. Ansonsten hatte er sich mit seinem Aufstieg von der Beengtheit, der Unruhe und dem Makel der vielen Stimmen und Sinne dort unten befreit.

    Er schaute nun vor sich auf den Boden. Für seine Zwecke war dieser Ort perfekt. Er saß inmitten eines kargen Flecks Erde, auf dem nur spärlich das Gras wuchs. Perfekt für ein Feuer. Er erkannte es gleich nach seiner Ankunft und sammelte sofort abgestorbene Äste des Baumes auf, die er zu einer Feuerstelle aufschichtete. Das Holz hatte er danach mit verschiedenen Kräutern aus der Umgebung abgedeckt, die einen anregenden Geruch verströmen würden, wenn er sie entzündete. Genau dies tat er nun mit einem Schnippen seiner Finger. Knisternd fingen die Äste Feuer und rauchend gaben die feuchten Kräuter ihre Aromen preis. Tarrior nahm einen tiefen Zug, setzte sich im Schneidersitz vor die Flammen und schloss die Augen. Die Meditation begann.
    Geändert von KingPaddy (03.08.2011 um 00:12 Uhr)

  2. #282

    Vvardenfell-Distrikt, Westspalte, Heerlager am Aschlandpass

    Eine gefühlte Ewigkeit schwebte Tarrior durch die Dunkelheit der Meditation, doch plötzlich flammten helle kleine Punkte vor ihm auf. Wie Sterne den Nachthimmel erhellen, so erschienen nun immer mehr Lichtpunkte in der Dunkelheit seines Geistes. In der Entfernung unter ihm war es, als füllten sie ein Becken. Hunderte, womöglich Tausende ballten sich dort dicht an dicht zusammen. Mit den Lichtern veränderte sich auch die Schwärze. Langsam ging der einige schwarze Mantel zurück, enthüllte grau und nahm landschaftliche Konturen an. Wo zuvor nichts gewesen war, stand nun ein Abbild der Landschaft um das Feldlager. Sein Geist projizierte es aus seinen Erinnerungen direkt vor sein geistiges Auge. So verschwommen wie Erinnerungen oftmals waren, war auch dieses Abbild der Welt. Die Konturen waren seltsam unscharf, verschwommen und verwackelt und über Allem hing Nebel. Nichts war wirklich, sondern nur eine Einbildung seines Geistes. Die Lichter schienen dem zum Trotz wie kleine Sonnen und wirkten fast schon stofflich. Während das visualisierte Bild einer Landschaft seinen Erinnerungen entsprang, waren diese Lichter das Ergebnis seiner bescheidenen telepathischen Fähigkeiten. Sämtliche Geräusche, Gerüche und Empfindungen aus der „wirklichen“ Welt waren nun komplett ausgeschaltet. Inzwischen ging Tarrior in den Zustand ein, den sein Lehrmeister als Trance bezeichnet hatte. Eben der Ausschluss ablenkender Sinneseindrücke schärfte seinen Geist und machte ihn empfänglich für die subtileren Energien um ihn herum. In jedem Licht spiegelte sich der Geist eines Bewohners des Lagers. Seine Fähigkeiten reichten nur um das Lager in den Fokus zu rücken. Weder die Personen in der Festung im Westen noch die Bürger Calderas waren auch nur annähernd nahe genug, um sie spüren zu können. So gleich auch die Geister der unterschiedlichen Personen wirkten, so unterschiedlich waren sie dann doch, wenn man sie fokussierte.

    So konnte man an ihnen die Stärke, Entschlossenheit und Gedankenaktivität ablesen oder auch einfach nur feststellen, ob die Person schlief oder wach war. Ganz je nachdem, wie gut man seine eigenen Fähigkeiten im Griff hatte. Tarrior sah sich nur als Anfänger in den geistigen Fähigkeiten. Was die erleuchteten Schläfer oder gar die Aschenvampire, Fürst Dagoths Brüder, alles Kraft ihrer geistigen Fähigkeiten und über Visionen vermochten... – seine eigenen Kräften waren dagegen lachhaft. Von Fürst Dagoth war gar nicht erst zu reden. Er konnte sämtliche Bewohner Vvardenfells sehen und ihren Verstand über Träume und Visionen manipulieren, sie sogar in den Wahnsinn treiben. Zwar waren seine Kräfte auch an die Notwendigkeit der großen und kleinen Aschestatuen als Sender und Verstärker gebunden, doch kam niemand seinen Fähigkeiten gleich. Selbst die so genannten Götter des Tribunals vermochten nicht, ihn zu stoppen oder sich ihm entgegen zu stellen. Tarrior selbst konnte froh sein, wenn er jemandem auf diesem Wege eine Nachricht übermitteln konnte. Auch reichte seine Kraft um den Verstand niederer Kreaturen, wie Goblins zu manipulieren und die geistigen Verbindungen zwischen Beschwörern, sofern sie nicht zu mächtig waren und deren Kreaturen zu zerstören oder schwächere beschworene Wesen zu übernehmen. Aber im Vergleich zu den möglichen Kräften war das wirklich nur Anfänger-Niveau.

    Er streckte seine Sinne aus und es war als würde sich sein Geist von seinem Körper trennen, obwohl er das natürlich nicht tat, doch bewegte er sich in Gedanken durch das geistige, verschleierte Abbild der Welt. Er war körperlos und an keinerlei physikalische Gesetze gebunden. Mit einem kurzen Sprung hob er einfach vom Boden ab und besah sich das Lager von oben. Ab und an stieß er herab um sich einige der Lichter aus der nähe anzusehen. Einige der schlafenden Soldaten berührte er sogar mit seinem eigenen Geist. Immer nur sekundenlange Bruchstücke erhaschte er bei der ersten Berührung aus ihren Träumen, die sofort unruhiger wurden, wenn er sich ihnen näherte. Viele hatten Alpträume von den Daedra. Während des Schlafes mussten sie sich Bilder von eingebildeten Schlachten und Blutbädern ansehen. Tarrior entfernte sich nach einer Zeit wieder von den Träumenden, denn langsam sickerte deren Unruhe ihn hinein. Stattdessen schickte der Dunmer seinen Geist auf Wanderschaft und flog zu den Hügeln, die das Landesinnere von der Westspalte trennten. Doch noch bevor er deren Fuß erreichte, war es, als prallte er gegen eine unsichtbare Mauer. Das Land jenseits der Mauer war nur ein einziger verwaschener Fleck. Er vermochte nicht seinen Geist weiter als bis zu diesem Punkt auszustrecken und legte nun alle Kraft in die Konzentration. Auch wenn er sich nicht sehen und die Anstrengung in seinem Körper nicht spüren konnte, so war sich Tarrior dennoch sicher, dass er nun schwitzend und mit gerunzelter Stirn auf dem Hügel saß. Ganz langsam materialisierte sich aus dem verschwommenen Grau des jenseitigen Gebietes die geisterhafte Halbwelt, wie sie bisher auch das Lager dargestellt hatte. Unter Mühen wurde ihm langsam möglich weitere Schritte zu machen, bis er schlussendlich am Fuße des Hügels stand, doch weiter kam er nicht. Von einem Moment auf den anderen brach die Welt um ihn herum in sich zusammen. Die Nebelschicht begann zu verwirbeln und zog alles mit sich. Seine Konzentration hatte sich erschöpft. Tarrior verfolgte gelassen, wie er aus der Trance herausgerissen wurde. Mit schnellem Atem riss er die Augen auf. Das Feuer war fast herunter gebrannt. Nur kleine Flämmchen züngelten nach Luft. Er fühlte sich unglaublich müde. Die Meditation kostete ihn unheimliche Kraft. Mit einem Seufzen gab er seinem Körper und somit dem drängenden Gefühl nach Ruhe nach. Der Dunmer kippte einfach zur Seite und fiel ihn einen langen Schlaf.

    Ein kräftiges Rütteln holte ihn aus den Tiefen seiner Träume. „Geht es euch gut?“: fragte eine Stimme besorgt und mit einem schlecht gelaunten Brummen richtete sich Tarrior auf. Ganz behutsam öffnete er die Augen, da er erwartete vom Licht der Sonne gepeinigt zu werden, doch tatsächlich war nur stark gedämpfte Helligkeit um ihn. Zeltleinen verdeckte seinen Blick gen Himmel und das einzige Licht kam von einigen flackernden Öllampen. „Wo bin ich?“: fragte er und versuchte sich aufzusetzen. Ein stechender Schmerz fuhr durch seinen Kopf und er ließ sich augenblicklich unter einem Stöhnen zurücksinken und faste sich an die rechte Schläfe. „Ihr seid wieder im Lager. Meine Männer fanden euch bewusstlos in den Hügeln“: antwortete die Stimme, die er jetzt endlich Alina zuordnen konnte. Er drehte den Kopf vorsichtig um sie anzuschauen. Sie saß auf einem kleinen Schemel neben dem Feldbett, in dem er nun lag. „Wie spät ist es?“: fragt Tarrior. „Schon um die Mittagszeit. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Als wir euch am Morgen im Lager nicht finden konnten, habe ich einige der Mitglieder der Liga angewiesen die Gegend abzusuchen. Sie haben euch dann neben einer Feuerstelle liegend vorgefunden, konnten euch aber nicht aufwecken. Sie haben euch dann hierher gebracht. Ihr trugt keine äußeren Verletzungen und wir befürchteten schon ein Kultist der Mythischen Morgenröte hätte euch vielleicht mit seiner Magie erwischt. Was ist passiert“: redete sie ohne Pause. Die vielen schnellen Worte überschlugen sich in seinem ausgelaugten Geist, der im Moment absolut nicht aufnahmefähig war und verhedderten sich in Knäuln. Es dauerte eine Weile bis er den Sinn ihrer Sätze verstand. „Ich kann mich an Nichts erinnern. Ich wollte mir eine Stelle zum Schlafen suchen und dann ist Nichts mehr“: log er. „Es ist besser diese verrückten Fanatiker erfahren Nichts davon, dass ich über gewisse Fähigkeiten verfüge“: überlegte er dabei. Sie runzelte die Stirn und machte ein besorgtes Gesicht.

    „Wenn sie euch etwas antun wollten, haben sie offenkundig versagt. Ich werde beantragen, dass die Wachposten in und um das Lager herum verstärkt werden“: nahm sie sich vor und rief einen Mann in Rüstung zu sich, der wohl eine Botschaft mit entsprechendem Inhalt an jemand Entscheidungsbefugten übermitteln sollte. Als er abgetreten war, wandte sich Tarrior an die junge Bretonin: „Es heißt ja nicht, dass die Mythische Morgenröte dafür verantwortlich ist. Vielleicht könnten…“ „Banditen dafür verantwortlich sein? Macht euch nicht lächerlich. Außerdem ist es egal wer oder was es getan hat, sondern wichtig ist, dass es passieren konnte. Wir hätten euch als unseren Fürsprecher verlieren können!“: schlug sie den Einwand nieder. „Aha. Es geht euch also vor allem um die Fürsprache“: stellte der Dunmer etwas beleidigt fest. „Natürlich wäre der Tod eines aufrechten Mannes wie euch immer ein Verlust“: beeilte sie sich nun noch hinzuzufügen. „Aber im Moment seid ihr für uns vor allem aus ersterem Grund besonders wichtig. Deswegen habe ich auch versucht euch aufzuwecken, was mir, den Neun sei Dank, auch geglückt ist. Ein Bote ist heute früh eingetroffen, um den Anführerrat darüber zu informieren, dass der Abgesandte des Rates von Haus Hlaalu gestern Morgen bereits in Balmora eingetroffen ist. Er wird wohl noch an einigen Besprechungen in der Stadt teilnehmen und sich dann auf den Weg machen. Die Chance steht nicht schlecht, dass er auf den Nachmittag hier eintrifft, da er in Caldera keinen Halt einlegen will. Wenn sich alles zu unseren Gunsten fügt, könntet ihr noch heute mit eurem Haus-Genossen reden. Es wird unsere Sache sicherlich einen großen Schritt voranbringen“: erklärte sie seinen Einsatz für den Plan der Liga zum Hauptanliegen.

    „Da der Moment schon so nahe ist, möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass ich auf der Gegenleistung bestehe. Habt ihr mit den Verantwortlichen in der Festung Andasreth bereits gesprochen?“: erinnerte Tarrior sie an ihren Teil der Abmachung. Alina wich daraufhin seinem Blick aus und schwieg. Der Dunmer erkannte sofort, dass wohl nicht alles zu seiner Zufriedenheit lief. Mit einem Mal kam mit schnellerem Herzschlag auch wieder etwas Kraft in seinen Körper. Schnell stand er aus dem Bett auf, packte sie mit beiden Händen an den Schultern und zwang die kleinere Frau zu ihm aufzusehen und direkt in seine rotglühenden Augen zu schauen. „Nun sagt schon!“: verlangte er ruhig, aber bestimmt. Die Bretonin schluckte und holte noch einmal tief Luft. Dann begann sie zu erzählen: „Ja ich habe einen Boten zur Festung gesandt um dem Führungsstab der Liga euer Anliegen zu unterbreiten und habe mich mit dem Verweis auf euren Einsatz für unsere Sache auch für euch eingesetzt. Euer Ersuchen wurde jedoch mit dem Hinweis abgelehnt, dass sie keinen unerfahrenen Hlaalu-Scholaren auf diese wichtige Mission ansetzen wollen. Es hänge zu viel von den Lieferungen ab, als das man einen Neuling damit betrauen könne. Durchaus erkennen sie aber den Willen uns zu unterstützen an.“ Tarriors Hände krampften sich etwas fester um die Schultern der armen Frau, die nun langsam Abwehrreaktionen zu zeigen begann. „Soll das heißen ich erscheine den Herren in der Festung zu schwach?!“: wollte er nun etwas lauter wissen. Alina konnte nur hilflos nicken. Er ließ sie endlich los. „Ich hoffe ihr werdet uns dennoch helfen, schließlich geht es ja auch um die Sicherheit Vvardenfells“: kam sie nun auf seinen Teil der Abmachung zu sprechen, obwohl sie den Ihren nicht einhalten konnte. Was so auch nicht ganz stimmte, wenn es Tarrior recht bedachte: „Sie hat nur gesagt, dass sie tut, was sie kann. Und bei Dagoth das wird sie!“

    Er wandte sich um und ging wild einige Schritte in dem Zelt auf und ab, bis ihm wieder schwindlig wurde und er sich auf einen nahestehenden Holzstuhl sinken ließ. „Ihr seht noch nicht wieder fit aus. Ihr solltet euch noch etwas ausruhen“: sorgte sie sich. „Ja natürlich. Ich kann ja sonst nicht mehr für euren Plan werben“: zischte er säuerlich. Die Frau setzte nun einen beleidigten Gesichtsausdruck auf. „Ihr seid jetzt ein Kamerad der Liga und deshalb sorge ich mich ganz selbstverständlich um euch. Es geht nicht nur um eure Fürsprache. Ich mache mir wirklich Sorgen. Und ich kann verstehen, dass ihr wütend seid, dass eure Bitte abgelehnt wurde, aber ich habe mein Möglichstes versucht“: wies sie den Vorwurf scharf von sich. Beim letzten Satz lag etwas Entschuldigendes in ihrer Stimme. Bei Tarrior wollte sich dennoch kein versöhnliches Gefühl einstellen. Es hing viel davon ab, dass er es nach Mar Gaan schaffte. „Sie kann nicht einmal im Ansatz verstehen, wie wütend ich bin! Ich würde diesen Telvanni-Hund nur zu gerne in Stücke reißen, aber leider hat er mich in der Hand. Ich habe eine Möglichkeit an Beweise gegen ihn zu kommen, aber ständig legen die Götter und diese fanatischen Trottel mir Steine in den Weg. OH JA! Ich bin wütend!“: brodelte es in den Gedanken des Dunmers. Äußerlich zeigten nur ein starkes Stirnrunzeln und ein stechender Blick, wie es hinter seiner Stirn tobte. Eben mit jenen durchdringenden Augen wandte er sich nun an die Bretonin. „Oh Ja. Du wirst mir helfen!“: dachte er nur. Wenn die Magier der Liga ihn für zu schwach hielten, bedurften sie wohl eines Beweises. „Ihr habt euch für mich eingesetzt, doch hat das leider nichts genützt“: sprach er sie an. Alina zuckte zusammen, denn Tarriors Stimme klang nun hart und boshaft, ganz anders, wie sie es bisher erlebt hatte. Ein Schauer durchlief sie, als er fortfuhr: „Ihr werdet daher etwas anderes für mich tun!“ Die Worte und die Art, wie er sie aussprach, ließen keinen Zweifel daran, dass er darauf bestehen würde.

    „Wenn die Führung der Liga mich für zu schwach hält, würde ich ihnen gerne das Gegenteil beweisen. Ich werde mit dem Abgesandten meines Hauses heute Nachmittag sprechen. Dafür werdet ihr mich morgen früh zur Festung Andasreth begleiten und eurem Anführer sagen, dass ich gegen ihn kämpfen möchte, um meine Kampfkraft unter Beweis zu stellen“: eröffnete er ihr seinen neuen Plan. Ihr Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie diesen Vorschlag ablehnte. „Das könnt ihr nicht verlangen!“: stieß sie hervor und war in diesem Moment genauso trotzig und stur, wie gegenüber dem Nord am vergangenen Tag. „Achja und wieso nicht?“: fragte er und nahm ihr damit den Wind aus den Segeln. „Ich habe zugesagt euch zu helfen und ihr wolltet euer Möglichstes tun. Glaubt ihr euer Möglichstes bestände allein darin einen Brief zu schreiben? Ich habe euch gerade eine weitere Möglichkeit eröffnet, was getan werden kann“: argumentierte Tarrior. Seine Stimme hatte nun wieder einen normalen Ton. Offenbar hatte Alina mit einem stur geführten Streit, wie mit dem Nord gerechnet, doch damit enttäuschte der Dunmer sie. Sie war nun verunsichert: „Aber es ist schwierig euch Zutritt zur Festung zu verschaffen. Wegen der Mythischen Morgenröte und all dem Ganzen… Außerdem wenn ihr uns nicht helft, werden die Daedra Vvardenfell vielleicht überrennen. Müsst ihr denn wirklich unbedingt zu diesem Schrein pilgern? Und euren Bekannten geht es bestimmt gut.“

    Er ergriff sie wieder, doch diesmal nur ihre Hand und drückte sie sanft mit seiner Eigenen. „Ich muss“: sagte er mit einem Ton, der von absoluter Gewissheit zeugte. Dabei blickte er tief in ihre blauen Augen. Wieder schluckte Alina, drehte den Kopf aus seinem Blickfeld und seufzte. „Zumindest an eurer Einsatzbereitschaft werden sie nicht zweifeln, da ihr unbedingt daran teilnehmen wollt. Ich stelle euch der Gildenleitung vor“: sicherte sie ihm nach einigen Augenblicken zu. Tarriors Stimmung hellte sich umgehend auf. Er war am Ziel. Sein Blutdruck sank wieder und mit ihm seine Kräfte. Er fühlte sich, als würde er zu Boden gerissen. „Ich danke euch“: bedankte er sich artig und brachte wieder ein Lächeln zustande, um die bedrohliche Kulisse, die er selbst verschuldet hatte, einzureißen und die Stimmung wieder zu normalisieren. Alina konnte schließlich Nichts für die Absage der Gildenleitung. Sie nickte stumm, aber schien trotzdem sehr nachdenklich. „Ihr habt Recht. Ich fühle mich noch recht schwach. Ich werde mich noch etwas ausruhen. Weckt mich, wenn der Ratsherr eintrifft“: erbat er sich noch etwas Ruhe. Während sich der Dunmer wieder auf das Feldbett legte, verließ die junge Frau das Zelt.

  3. #283

    Skingrad -> Chorrol -> Hammerfell

    Die zweite Nacht in Folge bekam der Rothwardon keine Auge zu, denn abermals wurde ihm bewusst, wie nah er an dem Tod vorbeigeschrammt war in der dunklen Seitengasse. Zuerst der Einbruch, dann der Mord im Wald, zuletzt das Zusammentreffen in der Seitengasse. Ich scheine den Ärger anzuziehen, aber wieso? Vielleicht war er schon immer so gewesen? Er schüttelte im Liegen den Kopf. Nein. Er hatte nicht das Gefühl, schon immer solche Probleme gehabt zu haben. Aber was sagten seine Gefühle schon aus; laut der Dunmerin war er 'alles andere als schlecht ausgebildet', Töten sollte laut ihr zu seinen Fähigkeiten gehören. Glauben konnte er dies nicht, allerdings bewiesen die Bewegungen und die Waffen etwas ganz anderes.
    Kaum war der erste Lichtstrahl durch das Fenster zu sehen, erhob sich der Rothwardon, kleidete sich an und verließ sein Zimmer. Er musste raus aus der Stadt, hier war es zu stressig und zu gefährlich. Anvil war bestimmt besser, sprich weniger gefährlich, aber das war in Anbetracht seiner Erfahrungen mit Skingrad auch keine Kunst. Nur in welche Richtung lag diese Stadt? Wenn er hier irgendwen fragen würde, würde dies nur Aufmerksamkeit erregen, und von der hatte er definitiv schon genug als ihm lieb war. Er brauchte trotzdem Informationen, aber woher sollte er diese bekommen?
    Nachdem er sich von der Besitzerin der Herberge verabschiedet und sie von seiner Abreise in Kenntnis gesetzt hatte, lief der Rothwardon zunächst ziellos durch Skingrad, in der Hoffnung, irgendwelche wegweisenden Schilder zu erblicken. Vor die Stadttore traute er sich noch nicht, denn die Wache würde ihn mit Sicherheit in den Fokus nehmen, wenn er das Tor passierte, nur um auf ein Schild zu schauen.
    Schließlich ergab es der Zufall, dass er auf dem großen Platz vor der Kapelle landete. Ein Priester würde mir bestimmt leichtfertig glauben, dass ich nicht von hier bin und mir weiterhelfen.
    Mit dieser Hoffnung betrat er das große Gebäude. Um diese Zeit war es noch nicht allzu gut besucht, die Morgenmesse war scheinbar schon vorbei, nur eine einzelne Gläubige kniete vor einer Statue mit gesenktem Kopf und murmelte unverständliche Worte in ihre gefalteten Hände. Angestrengt blickte der Rothwardon auf die Schriftzeichen, welche an dem großen Altar im Schiff der Kapelle eingemeißelt waren. "Julianos...", murmelte er vor sich hin und ging langsam auf den Hochelfen zu, welcher neben dem steineren runden Podest stand und einen silberner Kelch ausgiebig und in ruhigen Kreisen polierte. Als er den Rothwardonen bemerkte, blickte er auf und musterte sein Gegenüber etwas abweisend, und als der Altmer den Mund aufmachte, wusste der Rothwardon sofort, an wen er da geraten war.
    "Ja, ihr wünscht?", gab der Hochelf in einem hochnäsigen und herablassenden Ton von sich.
    "Verzeiht die Störung, ich dachte, ihr könnt einem...Reisenden helfen", antwortet der Redguard verunsichert.
    Der Altmer gab keinen Ton von sich, sondern wartete nur ab, wie als wäre er des Fremden jetzt schon überdrüssig.
    "Könnt ihr mir sagen, wie ich nach Anvil oder...Charrol komme?", versuchte es der Rothwardon weiter.
    Der Priester rümpfte mürrisch die Nase, überlegte einen Moment und antwortete dann: "Es heißt Chorrol. Dahin kommt ihr, indem ihr die Stadt zum Osttor verlasst. Anvil liegt in westlicher Richtung.".
    "Habt Dank", sagte der Rothwardon und wendete sich mit einer leichten Verbeugung ab, um die Kapelle zu verlassen. Eigentlich hatte er noch vor, den Priester zu fragen, ob er ihn kenne, aber damit hätte er wohl auf Granit gebissen, dieser Priester wollte ganz offensichtlich nicht gestört werden und sich nicht mehr als nötig mit dem Fremden abgeben.
    Wieder draußen, lenkte der Rothwardon seine Schritte auf die Hauptstraße. Anvil oder Chorrol? Aus den Erzählungen des Mädchens erinnere ich mich, dass sie sagte, Anvil liege am Meer...wenigstens etwas, an dass ich mich erinnere. Ich fühle mich jedoch gar nicht zum Meer hingezogen. Was sollte ich dort? Etwas sagt mir ich sollte nach Chorrol. Aber kann ich mich darauf verlassen, was mir mein Innerstes sagt? Letztendlich blieb ihm nicht anderes übrig, als irgendwohin zu gehen und zu hoffen, sich zu erinnern, so schlug er den Weg zum Osttor ein und ging hindurch. Aufgehalten wurde er von der Stadtwache nicht, diese war gerade damit beschäftigt, einen Händler und dessen Karren zu durchsuchen.

    Tatsächlich fand er draußen ein Schild, welches ihm die Richtung nach Chorrol angab. Darunter war noch 'Kaiserstadt' und 'Bruma' zu finden. Welch seltsame Namen...aber alles hier ist seltsam. Wie weit es wohl bis Chorrol ist? und er blickte sich etwas hilflos um. Die Meisten, welche die Stadt verließen, entfernten sich zu Pferde oder mit einem Wagen. Was würde dagegen sprechen, wenn er sich nach Chorrol auf dieselbe Weise transportieren lassen würde wie er nach Skingrad gekommen war? Wie auf Kommando fuhr gerade ein Karren vorbei, und der Rothwardon stellte sich leicht in den Weg, sodass der Mann halten musste. "Was zum...", fluchte der Nord auf dem Bock und setzte schon zu einer Schimpftriade an. Der Rothwardon hielt ihm aber schon eines seiner Goldstücke unter die Nase.
    "Fahrt ihr nach Chorrol? Könnt ihr mich mitnehmen?".
    Die Augen des Mannes weiteten sich.
    "Junge, dafür würd ich mitten ins Herz von Himmelsrand fahren, nackt und ohne etwas zu essen", die Stimmung des Händlers schlug merklich um. "Worauf wartet ihr noch, springt auf", und der Rothwardon war kaum auf den Wagen geklettert, da fuhr der Nord auch schon los. Das ist nicht der Erste, der seltsam reagiert auf diese Münzen, dachte er sich, sagte aber nichts, sondern verbrachte den Großteil der Fahrt schweigend neben dem Händler.

    Nach einer Weile wurde es dem Nord wohl zu langweilig, denn er suchte zuerst den Blick des Rothwardonen neben sich und sprach ihn dann an. "Sagt, Junge, nicht dass ich euch zu nahe treten will, aber warum kauft ihr euch von dem Gold nicht gleich ein eigenes Pferd? Davon habt ihr länger etwas, wärt schneller und müsstet nicht mein Gesaufe ertragen", lachte er und nahm einen Schluck aus dem Krug Met, den der Nordmann schon zum x-ten Mal nachgefüllt hatte. Ein ganzes Pferd? Für eine lumpige Goldmünze? Er wusste nicht was er sagen sollte und zuckte stattdessen nur mit den Schultern. Der Nord nahm dies rülpsend zur Kenntnis, gab aber sein Vorhaben, etwas über seinen Mitfahrer herauszufinden, nicht auf. "Was wollt ihr in Chorrol, Junge?".
    "Herausfinden wer ich bin...", nuschelte der Rothwardon teils als Antwort, teils zu sich selbst.
    Zunächst herrschte Stille, dann lachte der Nord. "Ah, verstehe, einer dieser vieldeutigen Antworten. Versuchen wir nicht alle Herauszufinden, wer wir sind?", und er ließ ein ersticktes Glucksen hören; ab dann war er ruhig, bis sie schließlich bei Abenddämmerung Chorrol erreichten.
    "Endstation, Junge", grinste der Nord den Rothwardonen an. Dieser nickte jedoch nur und stieg ab. "Ich danke euch", sagte er schließlich noch, wandte sich zum Stadttor und kehrte dem Nord den Rücken zu.
    "Komischer Junge...", murmelte der Händler noch, wendete den Wagen und fuhr Richtung Kaiserstadt davon.

    Auf dem Weg zum Tor dachte der Rothwardon nochmal über die Dunmerin nach. Wem genau er es zu verdanken hatte, dass er noch lebte, wusste er selbst nicht. Sich selbst? Ihr? Einer höheren Macht? Vielleicht diesem Julianos, dem die Kirche in Skingrad gewidmet war? Was war, wenn sie ihm gefolgt war? Verstohlen blickte er sich um, aber außer den Stallungen, dem mit Fackeln beleuchteten Stadttor und den davor positionierten Wachen konnte er niemanden sehen. Aber hier auf dem Platz war er eine ideale Zielscheibe, also nichts wie rein. Die Wächter hielten ihn nicht auf beim Betreten der Stadt, dachten sie wohl er wäre ein Landstreicher wegen seiner schäbigen Robe.
    Drinnen fiel dem Rothwardonen sofort die Statue gegenüber des Tores auf, und er blieb davor stehen und versuchte in der Dämmerung die Inschrift zu lesen. "St. Osla...", murmelte er vor sich hin und betrachtete die Bildhauerkunst. Ein gefallener Soldat wurde von einer Frau versorgt. Oder trauerte sie um den Mann? Für den Redguard war die Szene nicht eindeutig, auch was so etwas auf einem scheinbar öffentlichen Platz zu suchen hatte erschloss sich ihm keinesfalls. Schulterzuckend wandte er sich ab, zu viel Merkwürdiges hatte er schon gesehene in den letzten Tagen, da kam es auf eine komische Statue mehr oder weniger auch nicht mehr an.
    Gleich hinter dem Brunnen erblickte er das Schild einer Herberge, soviel hatte er dieser Tage schon gelernt, aber abermals war es der Name, der ihm suspekt erschien. Eiche und Krummstab? Wie bitte?, stand er etwas verwirrt vor der Herberge. In Zukunft würde er sich über keine Namen mehr wundern, das würde ihn nur noch mehr zu Grübeln geben, und damit betrat er die Taverne.

    Drinnen stach sofort die Bar ins Auge, dahinter stand ein seltsam anmutendes Katzenwesen. Er hatte davon gelesen, kam aber nicht mehr auf den Namen ihrer Rasse. Außer der Khajiit, welche sich als Besitzerin der Herberge herausstellte, befanden sich nur zwei weitere Gäste hier im Raum; ein Ork an der Bar, welcher regungslos in den Krug vor sich starrte, und eine Kaiserliche mit mittellangen, braunen Haaren im mittleren Alter am Kamin.
    Der Rothwardon trat an die Bar, die Schnurrhaare der Khajiit zuckten und sie blickte auf. "Willkommen im Eiche und Krummstab, der Herberge, welche besser ist als die graue Stute. Ich bin Talasma. Was kann ich für euch tun?".
    Hatte ich nicht etwas von einem seltsamen Akzent dieser Wesen gelesen? Egal. Der Rothwardon nickte. "Ich hätte gern ein Zimmer und etwas zu essen", und nach einer kleinen Pause entschloss er sich zu etwas Forschheit und legte eines der Goldstücke auf den Tisch, "ich zahle auch im Voraus". Die Ohren von Talasma zuckten, als sie das Goldstück in den Pfoten drehte und wendete, den Neuankömmling wachsam musterte, dann aber nickte. "Natürlich, ich werde euer Zimmer herrichten lassen, derweil bekommt ihr etwas zu essen. Setzt euch. Was wollt ihr trinken?".
    Der Rothwardon zuckte mit den Schultern. "Ich nehme einen Wein, egal welchen.". Tatsächlich war dieses Getränk das Einzige, was ihm auf Anhieb einfiel. Damit ließ er sich an einem der Tische im Raum nieder und stützte den Kopf in die Hände. Das alles hier kam ihm so unwirklich und suspekt vor. Wie als wäre alles ein böser Traum, aus dem er nicht aufwachen würde, egal was er tat.
    Er hing noch eine Weile seinen Gedanken nach, dann endlich kam sein Essen und der Wein. Beides vertilgte er rasch, ihm war gar nicht bewusst gewesen, welchen Hunger er die ganze Zeit gehabt hatte. Sogleich kam Talasma an seinen Tisch und legte einen Schlüssel darauf. "Euer Zimmer ist die Treppe hinauf, geradezu. Ich wünsche euch eine gute Nacht, oder habt ihr noch einen Wunsch?".
    Der Rothwardon schüttelte den Kopf, erhob sich und schleppte sich mehr als er ging die Treppe hinauf. Ihm war mit einem Mal schwindlig, und das erste Mal an diesem Tag hatte er wieder diese pochenden Kopfschmerzen, dieselben wie in der Ruine aus der er geflohen war. Er machte etwas hektisch die Tür hinter sich zu und schloss sie schnell ab, er konnte es sich nicht leisten, dass jemand seine Ausrüstung sah, welche er, nach der Robe, achtlos vor den Schrank fallen ließ. Er legte sich auf das Bett, der ganze Raum drehte sich; die Hände vor den Augen flüsterte er sich selbst gut zu. "Tief durchatmen, kein Grund, jetzt durchzudrehen...", und langsam öffnete er wieder die Augen. Der Raum drehte sich immer noch, allerdings nicht mehr so stark wie davor. Er strich sich mit den Händen über den nackten Oberkörper, er war verschwitzt, kalte Schweißtropfen rannen ihm durch die Finger. Plötzlich bemerkte er, dass seine linke Schulter taub wurde. Genauer gesagt strahlte dies von seiner linken Brust auf seine Schulter und von da auf den gesamten Arm. "Was zum...", murmelte er ungläubig und wollte sich aufrichten, aber es ging nicht. Er spürte Panik in sich aufsteigen, aber diese wurde jäh unterbrochen, als ihm schwarz vor Augen wurde...

    Er stand, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, aufrecht vor dem mit Schlangenhaut bekleideten Mann. Die Musterung seiner Robe verlieh ihm etwas Mystisches, etwas Erhabenes, etwas...Unantastbares. Um ihn herum standen Menschen und bildeten einen Kreis um sie beide, sie alle hatten etwas gemeinsam: Sie trugen grotesk anmutende Masken, dabei machten sie seltsam, ruckartige Bewegungen, was durch das dämmrige Fackellicht eine unheimliche Note bekam; aber er fühlte keine Angst, nein, eher geborgen, und dabei blickte er sich ruhig um. Der Mann vor ihm sang ein Lied in einer seltsamen Sprache und sah ihn dabei unentwegt an. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht, und fest erwiderte er den Blick. Neben dem Mann stand ein Korb. Langsam nahm der Schlangenmann den geflochtenen Deckel des Behältnisses ab, legte ihn behutsam beiseite, griff hinein. Eine schiere Ewigkeit verharrte er so, es schien, als würde er sich nie wieder aufrichten. Dann aber tat er es doch, und um seinen Arm, welchen er behutsam aus dem Korb zog, hatte sich eine schwarze Schlange gewickelt, welche bedrohlich zischelte und ihren Kopf nach allen Richtungen ausstreckte, als würde sie etwas suchen. Das Zucken der umstehenden Personen hatte, sobald das Tier sichtbar wurde, aufgehört, und alle schienen die Schlange voller Ehrfurcht anzusehen. Der Mann mit der Schlange an seinem Arm trat auf ihn zu und blieb vor ihm stehen, streckte den Arm mit dem gefährlichen Tier in seine Richtung aus, und die Schlange fixierte ihn sofort wütend, zischelte immer bedrohlicher; abgesehen davon herrschte Totenstille. Er hatte keine Angst, blickte dem Mann weiterhin ins Gesicht, wendete die Augen dann auf die Schlange und starrte diese ebenso an. Der Mann hob schließlich seine freie Hand, ballte sie zur Faust, und mit einem mal riefen er und die Umstehenden laut: Satakal, zeig deine Gnade und schenk uns ein weiteres Kind! Heil Yokuda!
    Die Schlange, durch diesen plötzlichen Bruch der Stille aufgeschreckt, griff sofort an. Sie schoss aus ihrer S-Haltung hervor und grub ihre Zähne in seine linke Brust. Er spürte förmlich das Gift des Tieres in sich schießen und sich in seinen Blutbahnen ausbreiten. Er stand noch einen Moment da, die Schlange hatte bereits von ihm abgelassen und kroch davon. Seine Augen lagen auf seiner Brust, zwei kleine Einstiche, aus denen Blut quoll, waren sichtbar. Langsam hob er den Blick, der Mann vor ihm lächelte und hatte die Arme zum Nachthimmel gestreckt; dann gaben seine Beine nach, er sank auf die Knie und fiel vornüber in den Wüstensand. Als er bereits auf dem Boden lag, kam es ihm vor, als würde er immer noch fallen, aber dann umgab ihn plötzlich nur noch Schwärze und er fühlte sich schwerelos, während die Bewusstlosigkeit von ihm Besitz ergriff...


    Die Augen weit aufgerissen, schreckte er vom Bett hoch. Er atmete schwer und befühlte seinen Körper, wie als könne er nicht glauben, endlich wieder wach zu sein. Was für ein verrückter Traum. Aber...war es ein Traum? Panik ergriff ihn, als er an die Schlange dachte, an den priesterähnlichen Mann, an die grotesken Figuren um sich herum. Ein Rundumblick verriet ihm, dass er sich jedoch tatsächlich im Zimmer der Herberge befand, zugegebener Maßen in einem sehr Schönen. Draußen war es noch dunkel, so hatte er keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte oder wie spät es war. Schwerfällig und mit zittrigen Knien stand er auf und zündete die Kerze neben dem Bett an. Mit ihr in der Hand ging er zu einem großen Garderobenspiegel, welcher sich gleich neben dem Kleiderschrank befand, und blickte hinein. Das Kerzenlicht ließ ihn unheimlich erscheinen, augenblicklich dachte er wieder an die lodernden Fackeln und das unrhythmische Zucken der Figuren...und an die Schlange, welche ihn biss. Der Rothwardon ging näher an den Spiegel und betrachtete seine linke Brust; sie wies das Tattoo einer Schlange auf, auf den ersten Blick sehr kunstvoll, aber für ihn hatte es seit dem Traum eine abschreckende Wirkung. Er blickte es genauer an...und traute seinen Augen nicht, er ging noch näher an den Spiegel und hielt die Flamme der Kerze fast bis an seine Haut. Die Augen der tätowierten Schlange waren ausgespart, und in ihnen ließen sich zwei kleine, punktförmige Narben erkennen. Wie von einem Schlangenbiss. Wie von dem Schlangenbiss in seinem Traum.
    Entgeistert musterte er sein entsetztes Gegenüber im Spiegel; wie lange er hier gestanden hatte, wusste er nicht, dann jedoch drehte er sich um und ging zurück zum Bett, stellte die Kerze auf das kleine Tischchen und legte sich wieder hin. An Schlafen war jetzt abermals nicht zu denken, stattdessen lag er wach im Bett und starrte an die Decke. Hatte er jetzt Angst vor dem Schlafen? Ja, irgendwie schon; andererseits hatte er das Gefühl, dass dieser Traum gar keiner war, sondern vielmehr eine Erinnerung aus seinem Leben. Was konnte es also schaden, noch mehr zu erfahren? Schon fühlte er, wie ihn die Müdigkeit übermannte, aber diesmal fiel er in einen traumlosen Schlaf, aus dem er erst spät am nächsten Tag wieder erwachte.

    Kaum war er aufgestanden, hatte sich der Rothwardon einen Zettel von dem Tisch gegriffen und mit der dabei liegenden Feder drauflos geschrieben, denn er wollte keineswegs vergessen, was ihm diese Vision mitgeteilt hatte. "Satakal...Yokuda...Schlange...nein, giftige Schlange, ja...Masken", murmelte er während des Schreibens vor sich hin und betrachtete danach kurz sein Werk. Ihm kam dies alles so grotesk vor, aber darüber konnte er sich ein andermal den Kopf zerbrechen. Eilig kleidete er sich an und verließ das Zimmer und die Herberge hastig. Erst draußen vor der Tür, wobei er feststellte dass schon später Nachmittag war, fiel ihm auf, dass er ja gar nicht wusste, wohin er nun gehen, geschweige denn was er mit den Informationen anfangen sollte. Ziellos wandte er sich nach rechts, und wie es der Zufall wollte, erblickte der Rothwardon sogleich ein Schild, auf dem stand 'Renoits Bücher'. Hier gibt es bestimmt etwas, dass mir weiterhelfen kann, dachte er und betrat das Geschäft.
    Drinnen wurde er sogleich von einer Bretonin freundlich empfangen. "Estelle Renoit, freut mich", überschüttete sie den Rothwardonen förmlich mit ihrer Freundlichkeit und wartete neugierig dreinblickend ab, was er denn hier wollte.
    "Guten Tag", stammelte er zunächst nur, dann aber überwand er sich aufgrund des freundlichen Blickes der Frau dazu, mit der Sprache heraus zu rücken. "Ich suche Informationen über den oder das Satakal, und über einen Yokuda. Hat das zufällig etwas mit Schlangen zu tun? Oder Masken?". Erst als er das ausgesprochen hatte, wurde ihm bewusst, wie unzusammenhängend das geklungen haben musste. Diese Annahme wurde durch das fragende Gesicht der Bretonin bestätigt.
    "Verzeiht...", setzte der Rothwardon erneut an und reichte ihr den Zettel, blickte sich dann um, und als er niemanden weiter in dem Laden erblickte, fuhr er halblaut fort. "Ich habe mein Gedächtnis verloren und habe letzte Nacht von den Dingen auf dem zettel da geträumt. Ich bin mir bewusst, wie absurd das ganze ist, aber könnt ihr mir weiterhelfen? Ich habe das Gefühl, dass diese Dinge etwas mit meiner Identität zu tun haben.".
    Er erwartete jetzt so etwas wie Ablehnung, Gelächter oder dergleichen; stattdessen aber machte die Frau einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und studierte den Zettel. Eine Zeitlang war es vollkommen still, dann blickte Estelle auf und musterte den Rothwardonen, ehe sie antwortete.
    "Ich hoffe für euch, dass ihr nicht mit den Satakal in Verbindung steht, denn das was ich über sie las, ist alles andere als erfreulich gewesen...", begann sie halblaut, fuhr dann aber fort. "Ich habe nicht viele Bücher zu ihnen da, keines was sich speziell mit ihnen beschäftigt. Yokuda allerdings, dabei handelt es sich schlicht und einfach um die Provinz Hammerfell. Die Satakal sind ein alter Nomaden-Stamm, der dort lebt und auch dementsprechend etwas...altmodische Weltanschauungen und Glaubensrichtungen vertritt." Es folgte eine Pause. "Redet mit Casta Scribonia. Sie ist Autorin und hat schon oft über Hammerfell und seine Geschichte geschrieben, sie wird euch bestimmt weiterhelfen können. Ihr findet sie in der Taverne Eiche und Krummstab. Vielleicht auch der Priester Otius Loran in der Kapelle, er ist ebenfalls sehr bewandert was die alten Bräuche und Kulturen angeht. ich hoffe, ich konnte euch helfen...", endet die Bretonin schließlich.
    Der Rothwardon seinerseits war zunächst etwas überrascht. Mit sovielen Informationen hatte er nicht gerechnet, sodass der jetzt nur ein aufrichtiges "Habt Dank" hervorbrachte und den Laden verließ. "Casta Scribonia? In derselben Taverne wie ich? War das etwa die Frau unten am Feuer?". Etwas hektisch machte er sich auf den Rückweg zur Herberge, und dort angekommen spricht er sogleich die Khajiit an.
    "Casta Scribonia? Ja, sie wohnt hier. Aber im Moment ist sie nicht im Haus. Sie schlendert gern des Tages durch die Stadt, spricht mit Menschen oder genießt die Ruhe in der Kapelle. Warum, kann ich etwas ausrichten?", und die Ohren der Katze zuckten neugierig. Der Rothwardon aber winkte ab, verließ die Herberge wieder und schaute sich suchend um. Die Kapelle? Wo war die Kapelle? Er brauchte einen Moment, ehe er begriff, dass er geradewegs darauf starrte. Nun wurde ihm bewusst, dass er in Hektik verfiel. Er musste sich beruhigen, nur dann war es möglich, klare Gedanken zu fassen. Aber hatte er das nicht schon viel zu oft erfolglos versucht? Ja, das schon, aber nun war die Situation eine andere. Er hatte eine Spur.

    Als er die Kapelle betrat, umfing ihn eine wohlige Kälte. Rein vom Baulichen her unterschied sich diese Kapelle nicht groß von der in Skingrad, abgesehen von der anderen Heiligkeit, die hier angebetete wurde. In der Kapelle selbst sah der Rothwardon zunächst niemanden, allerdings wirkte das Bauwerk auch nicht verlassen. Er machte ein paar Schritte, bis er auf dem Teppich stand, welcher zum Altar führte, und blickte sich um. Immer noch war niemand zu sehen, aber er bemerkte eine Treppe, die nach unten führte. Vorsichtig spähte er hinab, aber außer einer von Fackeln erleuchteten Tür sah er nichts. Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter, der Rothwardon erschrak und fuhr hastig herum; nun blickte er in das freundliche Gesicht eines Kaiserlichen.
    "Habt keine Furcht, mein Junge...", säuselte der Mann und ließ ein Lächeln sehen.
    Ganz anderes Kaliber als noch in Skingrad, schoss dem Rothwardonen durch den Kopf. Er straffte sich und sprach den Mann an. "Entschuldigt mich. Ich suche den Priester Otius Laron...".
    Der Kaiserliche grinste noch breiter als davor. "Man nennt mich zwar Otius Loran, aber eure Suche hat wohl ein Ende. Sagt, was ist euer Begehr?", und er faltete die Hände, anscheinend wollte er wirklich aufmerksam zuhören, und das einem Fremden gegenüber.
    "Man sagte mir, ihr kennt euch mit der Geschichte von Yokuda aus. Die Buchhändlerin hier im Ort hat mich an euch verwiesen. Ich habe mein Gedächtnis verloren und suche Antworten. Ich habe von den Satakal und Yokuda geträumt...", platzte er mit einem Mal heraus, und im Gesicht des Priesters war deutlich zu sehen, dass er etwas überrumpelt war. Aber ehe er etwas dazu sagen konnte, trat eine Frau hinter einer Säule hervor, ebenfalls eine Kaiserliche.
    "Satakal? Habe ich das richtig verstanden?", und schon gesellte sich die Frau zu ihnen. Der Priester aber hob beschwichtigend die Hand.
    "Ruhig, Casta, lasst ihn doch erst einmal in Ruhe erzählen".
    Der Rothwardon erkannte die Frau aus der Herberge, und der Name gab ihm die letzte Gewissheit, dass er jetzt die besagte Autorin Casta Scribonia vor sich hatte.
    Nach einem kleinen Gespräch führte sie der Priester in ein kleines Zimmer, welches wohl als eine Art Arbeitszimmer fungierte. Hier erzählte der Suchende ihnen seine Geschichte; von der Ruine, von seinen Weg nach Skingrad und seinen Erlebnissen dort (die Dunmerin und seine Feststellung, dass er wohl sehr geübt im Töten war, ließ er gekonnt aus), und von seinem Traum, den er gehabt hatte.
    Nachdem er geendet hatte, blickten sich die Autorin und der Priester an, und dann ergriff Letzterer als erster das Wort.
    "Nun, mein Junge, wir glauben euch. Anscheinend hat euch das Schicksal kein schönes Los ausgeteilt, doch was die Neun Göttlichen euch auch für Prüfungen auferlegen, sie müssen einen Grund dafür haben. Stendarr...", dann aber wurde er jäh von Casta unterbrochen.
    "Otius, ich glaube, ihr könnt euch diese Schicksals- und Göttereinleitung sparen, er wird sie nicht verstehen...", und dabei grinste sie vielsagend, dieses poetische Gerede des Priesters schien öfters vorzukommen, denn er nickte entschuldigend und fuhr dann fort.
    "Verzeiht mir, mein Junge. Also, aus euren Erzählungen entnehme ich, dass ihr aus Yokuda, auch Hammerfell genannt, stammt. Es liegt an der nordwestlichen Grenze Cyrodiils und ist die Heimat der Rasse, der ihr angehört, Rothwardon. Euer Volk ist für sein robustes Auftreten bekannt, dieser Einschätzung scheint ihr auch voll und ganz zu entsprechen, wenn ich euch so ansehe, denn bei dem, was ihr durchgemacht habt in den letzten Tagen würde unsereins bei weitem nicht noch so gut erhalten aussehen. Aber ich schweife wieder ab, verzeiht abermals. Die Rothwardonen sind auch sehr traditionstreu, und viele in Hammerfell halten noch an den alten Gebräuchen fest, zu denen auch das Nomadentum zählt...", und der Priester blickte auffordernd zu Casta, welche sofort weiter erzählte. "Die Satakal, die ihr erwähntet, sind einer dieser Nomadenstämme, die der ehrenwehrte Otius soeben ansprach. Ich vermute stark, dass ihr zu ihnen gehört, denn was ihr dort aus eurem Traum beschrieben habt, ist ein Aufnahmeritual in den engsten Kreis der Satakal. Sie beten einen Schlangengott namens Satakal an, und dabei wird, wie sollte es auch sonst anders sein, die betreffende Person von einer giftigen Schlange gebissen. Nur wenige überleben dies, aber wenn sie es tun, dann wird ihnen als eine Art Anerkennung eben jene Tätowierung einer Schlange verliehen wie ihr sie mit euch herumtragt. Da dieser Aufnahmeritus sehr verschleißend ist was die Überlebenden angeht, wird er nur bei besonderen Leuten vollzogen, was uns zu der Frage bringt, wodurch EUCH diese Ehre zu Teil wurde. Ein Priester seid ihr nicht, zumindest seht ihr nicht danach aus, und solche verlassen auch ihren Stamm nicht, sondern bleiben stets bei ihm. Auf das Oberhaupt trifft dasselbe zu. Bleibt also nur einer der sogenannten Jäger. In unserer Sprache würden sie wohl Vollstrecker oder Assassinen heißen; sollte es Probleme mit anderen Stämmen oder unliebsamen Personen geben, kümmern sich diese Jäger darum. Sie werden nicht bezahlt, noch geht es um Ehre oder dergleichen; sie tun dies einzig und allein aus Ergebenheit zu ihrem Gott Satakal, und sehen die Priester ihres Stammes als Sprachrohr an.".
    Der Rothwardon hatte geschwiegen, aber mittlerweile wusste er, worauf die Autorin hinauswollte. Er war also wirklich ein Auftragskiller. Quasi wirklich wie diese Dunmerin in Skingrad, wie war doch gleich ihr Name. Dabei machte es für ihn keinen Unterschied, ob er dies aus Ergebenheit zu irgendeinem Schlangengott tat oder um des Geldes willen.
    Es herrschte eine Weile Schweigen, Otius und Casta beobachteten den Rothwardonen, wie er mit leerem Blick zu Boden starrte.
    Seine Gedanken rasten. Gut, du bist ein Auftragskiller ohne Gedächtnis. Was für eine Ausgangssituation. Willst du wirklich noch mehr wissen? Was ist mit deinem Namen? Wenn du ihn erfährst, erinnerst du dich bestimmt auch an alles andere; wer weiß wen du schon umgebracht hast. Du könntest ein neues Leben beginnen. Hier, in Cyrodiil, oder wie auch immer der Ort hier heißt. Aber würde dich das Glücklich machen? Wenn du dich Jack oder Otius oder sonstwie nennen würdest? Diese Namen sind so fremd, das wärst nicht du. Und was ist wenn du dich plötzlich irgendwann erinnern würdest? Dein Leben würde abermals zerbrechen. Nein, es liegt schon alles in Trümmern, das muss nicht nochmal passieren...
    Mit einem Mal blickte er auf. "Wie finde ich meinen Stamm?", fragte er unverhohlen, und die beiden Kaiserlichen waren sichtlich überrascht und blickten sich an. Der Priester fand zuerst seine Stimme wieder.
    "Das wird nicht so einfach wie gedacht, Junge. Die Satakali sind wie alle anderen Nomaden auch. Sie haben keinen festen Ort, an dem sie sich aufhalten. Einzig die Alik'r-Wüste wäre als Gebiet zu nennen, auf das sie sich beschränken. Freut euch jedoch nicht zu früh, es gibt einige verschiedene Stämme, welche Fremden und ganz besonders anderen Stammes-Mitgliedern alles andere als freundlich gesonnen sind. Außerdem ist die Wüste nicht gerade klein.". Die Autorin sagte nichts, aber für den Rothwardon stand seine Entscheidung schon fest. Er würde in die Wüste gehen und erfahren, wer er ist; lieber würde er dabei umkommen als sich weiter wie ein Fremder zu fühlen.
    "Ich werde gehen...", sagte er mit fester Stimme und blickte in die Gesichter.
    "Es ist eure Entscheidung, mein Junge...", meinte der Priester diplomatisch, die Augen von Casta Scribonia jedoch fingen an zu leuchten.
    "Wenn ihr es schafft, helft ihr mir ein Buch darüber zu schreiben?". Der Rothwardon war überrascht über diese Bitte, und auch der Priester schnappte nach Luft. "Casta...ich muss doch bitten!", keuchte er, aber diese ließ sich nicht beirren, und so nickte der Rothwardon schließlich vage, bevor er sich verabschiedete und die Kapelle verließ.

    Lange musste er nicht suchen in Chorrol, da hatte er schon einen rothwardonischen Händler gefunden, welcher mit seinem etwas exotischen und sandverkrusteten Wagen auf dem Marktplatz gastierte und seine Waren feil bot. Als der ihm unbekannte Mann an seinen Stand trat, ließ der Händler von der Kundin, die er gerade noch beraten hatte, ab und wendete sich ihm zu.
    „Grüße. Wann fahrt ihr wieder nach Hammerfell?“, fragte der Rothwardon und musterte ihn. Seine Gewänder waren einfach und leicht, wie man es erwarten würde, wenn jemand länger in einer warmen Region unterwegs ist. Seine Haare waren mithilfe vieler kleiner Perlen zusammengeflochten, man konnte den Eindruck gewinnen, dass er typisch traditionell wirken wollte um seine Waren besser verkaufen zu können. Der Mann blickte etwas skeptisch drein, antwortete dann aber: „Mein Wagen ist so gut wie leer. Warum, wollt ihr mitkommen?“. Er muss den Händler fragend angeschaut haben, denn dieser setzte sofort nach: “Schaut nicht so; Ihr seht so aus als ob ihr aus der Wüstengegend stammt, ich habe einen Blick dafür. Wenn ich euch mitnehme, erwarte ich aber, dass ihr mir erzählt, was euch hier in diese Gegend verschlagen hat.“. Der Gedächtnislose nickte, was hatte er schon zu verlieren, wenn er diesem Mann alles erzählte, was er wusste, ausgenommen die Sache mit den Auftragsmorden. Wer weiß, vielleicht erfuhr er neue Einzelheiten aus Hammerfell.
    Kurze Zeit später baute der Händler seinen Stand ab. Der Rothwardon half ihm dabei, ihm kam es fast so vor, als wäre der Mann etwas neugierig und würde deswegen sein Lager früher abbrechen, denn noch lagen einige Waren auf dem Karren.
    Die Sonne war schon am Untergehen, als sie auf dem Karren saßen und auf der Straße nach Hammerfell fuhren. Die Gespräche drehten sich größtenteils nur um das Erlebte des Rothwardonen, wobei er jedoch geschickt die Geschehnisse mit der Dunmerin aussparte. Viel Neues hatte der Händler nicht zu berichten, er erzählte ein Wenig über die Gegend und die Wüste. Hilfreich wurde es erst, als er auf die Stämme zu sprechen kam. „Alle beten sie diesen komischen Schlangengott an. Wenn ihr wirklich einer von ihnen seid oder wart, dann wirkt ihr ganz und gar nicht wie diese Verrückten. Fremden gegenüber sind sie wirklich nicht sehr freundlich gesonnen. Am Besten, ihr sucht euch eine Karawane und reist mit dieser mit, als Wächter oder Helfer, dann seid ihr relativ sicher und könnt nach Erinnerungen suchen oder hoffen, dass euch jemand erkennt.“. Mittlerweile war es schon dunkel geworden, der Händler fragte auch schon ob sie lieber rasten sollten, aber der Rothwardon winkte ab und bewegte den Mann zum Weiterfahren. Den aufkommenden Hunger stillten die beiden mit Trockenfleisch und irgendwelchen stachelbewehrten Früchten, welche noch auf dem Karren herumlagen.
    Zum Glück war es eine klare Nacht, so konnte der Rothwardon die sich verändernde Umgebung auf ihren Weg nach Hammelfell sehr gut wahrnehmen. Die großen Laub- und Nadelbäume waren schon lang verschwunden, und je weiter sie Richtung Grenze kamen, desto mehr verkam die Vegetation zu kleinen Sträuchern, und auch das Terrain wurde bergiger. Kaum eine Stunde später waren sie dann in Hammerfell. Der schlammige Untergrund der Straße verwandelte sich immer mehr in groben Schotter, das Gras und die Felsen der Umgebung in trockene, nur noch mit vereinzelten Grasbutzen verzierte Steppe. In der Ferne türmten sich hohe Berge auf, welche im Mondlicht wie spitze Zacken gen Himmel wuchsen, und einige Zeit kam es dem Rothwardonen so vor, als würden sie ins schwarze Nichts fahren; dann aber erkannte man am Fuße der Gebirgskette schwache Lichter, welche rasch näherkamen. Ein fragender Blick Richtung Händler entlockte ihm nur ein Achselzucken und ein monotones Murmeln von wegen „Nur eine Siedlung“.

    Diese Siedlung entpuppte sich als eine kleine Ansammlung von geduckten Häusern aus gehauenen Felsen und wurde Steinmoor genannt. Der Händler lenkte seinen Wagen zu einem der Häuser, an welchem sich seitlich ein kleiner Anbau befand, stieg ab und klopfte an die Tür. Sogleich wurde geöffnet, und zur Verwunderung des Rothwardonen blickte ihnen eine Hochelfe entgegen mit dem typischen, überheblich wirkenden Blick welcher wohl bei allen Vertretern dieser Rasse zu finden war. Der Händler aber ließ sich nicht beirren und redete auf die Frau ein, und schließlich wurden sie eingelassen. „Habt ihr Geld?“, fragte der Händler, und daraufhin bekam er von dem Rothwardonen eine der Goldmünzen, mittlerweile waren es nur noch wenige. Der Händler bekam große Augen und beäugte das Goldstück, steckte es dann aber ein und bezahlte von seinem eigenen Geld die Hochelfe, scheinbar war das hier so etwas wie eine Herberge, denn sie bekamen zwei Schlüssel und die Elfe deutete auf zwei verwahrlost aussehende Türen.
    Die Skepsis, welche sich beim Anblick der Tür in dem Rothwardonen angesammelt hatte, wurde leider bestätigt, denn in dem kleinen Raum, der nicht größer war als ein kleiner Schuppen, stand lediglich ein modrig aussehendes Gestell mit einer grob geflochtenen Hängematte, darauf ein fleckiges Kissen und eine dünne Leinendecke; gar kein Vergleich zu der Herberge in Skingrad und Chorrol, soviel stand fest. Als er sich darauf niederließ, knackte die Konstruktion bedrohlich, und er traute sich die ganze Nacht nicht, sich bequem hinzulegen, aus Angst, mit der Hängematte zusammenzubrechen.

    Am nächsten Morgen stand der Rothwardon mit dem ersten Sonnenstrahl auf; er hatte nicht viel geschlafen, eher vor sich hingedämmert, aber zu seinem Staunen hatte dieses „Bett“ wirklich gehalten. Einen Spiegel gab es hier nicht, und er war sich sicher, dass er den spöttischen Blick der Hochelfe draußen am Tresen mehr als verdient hatte, so wie er wahrscheinlich aussah. „Ist der Händler schon wach?“, fragte er mit etwas gequälter Stimme, seine Knochen schmerzen von der unbequemen Nacht. Wortlos schob sie ihm einen zettel hin, auf dem mit krakeliger Schrift geschrieben stand:
    Bin wieder zurück nach Cyrodiil. Für dein Gold habe ich euch eines meiner Pferde vor der Tür gelassen. Reitet gen Norden über North Hall und Vulkneu Town nach Riverpoint, dort gibt es viele Wüstenkarawanen. Ich wünsche euch viel Glück.
    Darunter war weder ein Name noch sonst ein Kürzel zu sehen. Der Rothwardon schob den Zettel zurück und verließ wortlos das Haus; die Hochelfe quittierte das mit einem verächtlichen Schnauben und zerknüllte den Zettel.
    Draußen vor der Tür stand tatsächlich das schwarze Pferd des Händlers samt Sattel. „Wer weiß, am Ende ist das Gold soviel wert, dass er davon 10 neue kaufen kann“, murmelte er vor sich hin und löste das Pferd von dem Zaun, an welchem es angebunden war, und saß auf. Reiten bereitete ihm keinerlei Probleme, zu seiner eigenen Verwunderung, im Gegenteil, es kam ihm vor als hätte er das früher schon immer sehr gerne getan und auch sonst nichts anderes gemacht. Die Reitkunst soll ja bei meinem Volk auch eine große Rolle spielen, dachte er so für sich und erinnerte sich an dieses Buch, was er gelesen hatte. Große Krieger und viele Helden, ja, so komm ich mir allerdings ganz und gar nicht vor. Allerdings rutschte er etwas ungeduldig wirkend in dem Sattel hin und her, irgendwie war ihm das doch sehr unbequem zumute, aber wenn man so ritt, warum nicht. Er wollte gerade einen der mürrisch aussehenden Handwerker nach dem Weg fragen, als er ein verwittertes Straßenschild entdeckte, welches auf den Weg deutete, der genau in das Gebirge führte. Darauf stand geschrieben „North Hall“, und darunter in kleineren Lettern „Vulkneu Town“. Misstrauisch blickte der Rothwardon auf die Berge, ihm wurde bei der Höhe schon etwas mulmig zumute, zumal die Wolken, welche um die Formationen herumzogen, alles andere als einladend aussahen. „Egal, ich muss weiter…was kann mir schon groß passieren außer ein wenig Regen“.

    Als er einige Stunden später an einer steilen Felsböschung hing, sich in verdorrtes Wurzelwerk krallte und sich wünschte, sie würde nicht immer mehr nachgeben während es leicht nieselte, hätte er sich für seine Leichtsinnigkeit ohrfeigen können.
    Vor einiger Zeit hatte er North Hall passiert, welches in einem Gebirgskessel gelegen hatte. Die Gewitterwolken waren dabei immer näher gekommen, aber noch hatte er sie nicht erreicht, denn die hing genau über den Gipfel der Bergkette, welche er nun auf den Weg nach Vulkneu Town vor sich hatte. Kurz überlegte er, ob es besser wäre, abzuwarten dass sich das Wetter besserte, aber er entschied sich dagegen. Mittlerweile war er voller Tatendrang und fühlte sich den Antworten auf alle seine Fragen viel näher, da konnte man doch unmöglich warten. Außerdem, was konnte ein Gewitter schon anrichten. Dieser Frage ging er kurze zeit später auf den Grund. Der Pfad war breit genug, um darauf zu reiten, und der Rothwardon kam gut voran, aber dann fing es an zu regnen; erst nieselte es nur, aber mit der Zeit entwickelte sich das Ganze zu einem gehörigen Wolkenbruch, der den Rothwardonen zum Absteigen zwang und er das Pferd an den Zügeln weiterführte, während er vorauslief. Jetzt spielte er mit dem Gedanken, sich irgendwo unter zu stellen, denn er hörte Donnergrollen und der Weg wurde auch immer schmaler, und den Boden zu seiner Linken hatte er durch den Regen auch schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. So schlängelte er sich den leicht nach oben führenden Bergpfad entlang, rechts eine schroffe, steil nach oben führende Felsböschung, links ein ebenso steil abfallender Hang, welche in einiger Entfernung einfach aufhörte und in einen Abgrund endete. Beim ersten Donner und dem darauffolgenden Blitz scheute das Pferd, und auch er selbst erschrak; die Idee, weiterzugehen, als er in der Siedlung war, erschien ihm immer unüberlegter, aber er ging weiter. Immer wieder zerrissen Donner und Blitz das Geräusch des prasselnden Regens, mittlerweile waren die Sachen des Rothwardonen vollgesaugt mit Wasser und eine schwere Last. In der Monotonie des Vorankommens, immer einen Schritt vor den anderen setzend und sich mehr an der Wand als am Abgrund orientierend, vernahm der Rothwardon das entscheidende Donnern nur unterbewusst. Erst als winzige Steine vor ihm herüberrollten, wurde ihm bewusst, dass das Pferd an seinen Zügeln zog und das Donnergrollen einen durchgehenden und immer lauter werdenden Ton angenommen hatte. Er blickte die Böschung hinauf und sah eine Welle aus kleineren Steinen auf sich zurollen, gefolgt von einer größeren mit richtigen Felsbrocken, welche jeder für sich die Größe eines normalen Hauses hatten. Er war wie hypnotisiert von diesem Anblick, sodass er nicht reagierte. Das Pferd riss sich los, sogleich wurde der Rothwardon von der ersten Welle der Steine von den Füßen gerissen und rutschte mit ihnen die Böschung hinunter, auf den Abgrund zu. Das Pferd sah er nicht mehr, die Welt drehte sich, in dem Donnergrollen hörte er nur mit Mühe ein jämmerlich klingendes Wiehern heraus. Sein Körper schüttete Adrenalin aus; so konnte es nicht mit ihm zu Ende gehen, er war nicht so weit gekommen um in einer Gerölllawine zu sterben. Reflexartig versuchte er sich an irgendetwas festzuhalten oder sich wenigstens erst einmal zu orientieren. Er rutschte gerade mit dem Rücken auf der Böschung entlang, um ihn herum rumpelten die kleinen Steine, malträtierten seine Arme, den Nacken, den Kopf. Er drehte sich unbewusst, rutschte nun auf dem Bauch, zerschrammte sich die Arme. Geistesabwesend krallte er sich in den Abhang und suchte Halt. Seine Handflächen wurden aufgerissen und er bekam immer wieder einen Schlag von vorn, wenn er irgendwie das Tempo verlangsamte. Dann plötzlich spürte er es noch steiler bergabgehen. Die Steine rollen jetzt nicht mehr, sie flogen nur noch so an ihm vorbei, und in einer panischen Bewegung bekam er etwas Festes zu greifen, was nicht aus Stein oder Moss bestand. Mit beiden Händen griff er danach und hielt sich mit aller Gewalt daran fest. Hart schlug er gegen die steil nach unten führende Felswand und ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst. Die Steine flogen über die Kante der Böschung hinweg und verfehlten den Rothwardonen nur knapp.
    Nachdem die ganze Lawine die Böschung passiert hatte, vergingen Stunden, zumindest kam es dem Rothwardonen so vor. In Wirklichkeit waren es nur wenige Sekunden die das ganze Ereignis gedauert hatte, und nachdem nur noch kleine Steinchen über die Kante gerollt kamen, wurde der Regen schwächer und auch das Gewitter klang wie auf Kommando ab. Nun wagte es der Rothwardon, sich nach oben zu ziehen; vielmehr versuchte er es, scheiterte jedoch kläglich. Er strengte sich nur ein wenig an, aber die Wurzel nahm die kleinste Kraftanstrengung gleich persönlich, indem sie nachgab und den Mann noch eine Sektion tiefer rutschen ließ.
    An seinen Armen floss das Blut von den Händen hinunter, und vorsichtig riskierte er einen Blick nach unten. Was er sah, ermutigte ihn nicht, denn nichts als gähnende Leere bot sich ihm dar. Was sollte er nun tun? Ewig konnte er hier nicht herumhängen, und darauf zu hoffen dass ihn irgendjemand fand auch nicht. Wer ist schon so dämlich und läuft bei diesem Wetter über den Pass? "Du natürlich...", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und unternahm einen weiteren Versuch, sich nach oben zu ziehen; aber dies sollte sein Letzter sein, denn im selben Moment gab das Wurzelwerk vollendens nach und der Rothwardon stürzte in die Tiefe...

    Von dem Fall wusste der Rothwardon so gut wie nichts mehr. Auch nicht wie er hiergekommen war. Mit dröhnenden Schädel wachte er schließlich auf und schaute sich um. Er war in einer Steinhütte. Und es war heiß. Brütend heiß. Unglaublich heiß. "Was zum...", murmelte er und versuchte sich auf dem mit groben Leinen bezogenen Bett aufzusetzen, aber sein Körper machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Es ging gar nichts. Gerade einmal die Finger schaffte er zu bewegen und den Kopf zu drehen, auch wenn selbst das ihm Schmerzen bereitete und die Halswirbel knackten wie als wären sie eine Zeit lang nicht mehr bewegt worden. Angestrengt versuchte er den Kopf zu heben und an sich herunter zu blicken. Er war vollkommen nackt, abgesehen von dem Lendenschurz und der Decke über seinen Unterschenkeln. Dunkelrote und bläuliche Flecken verzierten seinen Körper, den schmerzen nach zu urteilen Prellungen. Sein linker Arm und selbiges Bein waren mit Holz bandagiert und sahen professionell verbunden aus, anscheinend waren sie gebrochen. Angestrengt dachte er nach, was war passiert? Mein Gedächtnis, die Satakal, der Abgrund, die Wurzel...ich bin gefallen. Hoffnungsvoll stellte er fest, dass er sich wohl schwer verletzt hatte, aber vielleicht war jetzt seine Erinnerung wieder da? Schläge oder Stürze helfen doch?! Er konzentrierte sich, kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder....
    Nichts. Absolut gar nicht. Das darf doch nicht wahr sein. Er erschlaffte, legte den Kopf zur Seite und sah sich deprimiert um. Das Haus hatte eine normale Größe, direkt gegenüber des Bettes, welches längs zur Wand stand, befand sich der Eingang, welcher mit einer Decke verhängt worden war, dasselbe bei den beiden Fenstern links und rechts davon. Ein kleiner Tisch samt Stühle stand links an der Wand, nachdem er den Kopf gehoben hatte, rechts sah er fremdartige Verzierungen an den Wänden und auf dem Boden, außerdem direkt neben seinem Bett eine weitere Schlafmöglichkeit. Als Lichtwelle identifizierte er nur eine fremdartig aussehende Lampe auf dem Tisch, ansonsten reichte die Sonne, welche durch die Ritzen zwischen Mauerwerk und Decke hineinschien, vollkommen aus um den Raum in angenehmes Licht zu tauchen. Nichtsdestotrotz war es stickig und heiß. Wo war ich gleich nochmal? Hammerfell, ja...wie bin ich hierher gekommen, von Sand war doch in den Bergen weit und breit nichts zu sehen.
    Erst jetzt hörte er es von draußen. Musik. Oder besser gesagt, Trommeln und Rasseln. Wie konnte das sein? Und warum kam sie ihm so bekannt vor? Wo bin ich nur?
    Sein Gedankengang wurde jäh unterbrochen, als der Vorhang plötzlich beiseite geschoben wurde. Das Licht von draußen blendete ihn und ließ die Person, welche in der Öffnung stand, wie eine geisterhafte Lichtgestalt wirken. Erst als sie eintrat und die Decke wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückglitt. Und dann sah er sie. Vor ihm stand eine Rothwardonin mit fein geschnittenen Gesichtszügen, langen schwarzen Haaren und einem Körper, welche die Rundungen genau an der richtigen Stelle hatte um sie insgesamt als eindeutig schön betiteln zu können. Auf ihrem Arm hielt sie eine Schüssel mit Wasser und hatte ein Tuch darum gelegt. Die dunklen Augen musterten ihn sanft, und mit langsamen Schritten kam sie näher und kniete sich vor ihm hin. Sie kam ihm bekannt vor...so verdammt bekannt. Sie schwieg, er ebenfalls. Und als sie die Stille durchbrach und seinen Namen nannte, war es als ob eine Blitzbombe vor seinen Augen explodieren würde.

    Unzählige Bilder rasten dahin. Schlangen. Sand. Sonne. Tänze. Dörfer. Blut. Schlangen. Sahi. Jagd. Sand. Ruine. Dunkelheit. Es war als würden alle Erinnerungen auf einmal sich in seinen Kopf drängen wollen, als könnten sie sich nicht einigen, wer zuerst den Weg zurück in sein Gedächtnis findet. Farbige Punkte platzten vor seinen Augen, verwandelten sich in weitere Bilder, welche er in Sekundenbruchteilen in die richtige Chronologie brachte und so nach und nach alle Lücken füllte, welche er in seinen Erinnerungen hatte. Ungeheure Kopfschmerzen breiteten sich aus, schickten sich an, seinen Schädel zum Platzen zu bringen, so kam es ihm vor.
    Doch mit einem Mal war alles verschwunden. Das Rauschen in seinen Ohren, das Kaskadengeräusch wenn die bunten Kugeln explodierten, die Kopfschmerzen, alles. Plötzlich sah er nur noch das Gesicht der Frau vor sich, ganz nah vor seinem. Sie strich ihm durch das Haar und sah besorgt aus. "Komm schon, Raccan, sag etwas...wie geht es dir...", flüsterte sie immer wieder unentwegt und streichelte sein Haar.
    Entgeistert starrte er die Frau an. Raccan, Raccan. Der Name war ihm vertraut. Es ist sein Name. Ohne Zweifel. Auf einmal erschien ihm dieser Umstand so klar. Warum kam er nicht darauf? Raccan. Es ist doch das Natürlichste der Welt, dass ich Raccan bin. Seine Augen mussten verraten haben, dass er abwesend war, denn noch immer flüsterte die Frau ihm zu.
    "Raccan, verdammt nochmal, jetzt rede mit mir...", flüsterte sie erstickt und man konnte erkennen, dass sie kurz davor war, zu weinen. Ohne groß nachzudenken schluckte er einmal und sprach, ohne zu wissen wieso und weshalb er dies tat: "Fang jetzt nicht an zu heulen, Sahi...". Ihm kam dieser Satz so selbstverständlich vor. Er entsprach genau seiner Art, wie als wär er nie weg gewesen. Mit Galgenhumor, ja so kannte ihn seine Schwester. Ihr Gesicht zeigte Erstaunen, dann plötzlich brach sie in Tränen aus, warf sich an seine Schulter und schluchzte. Kurz darauf ging das Ganze in ein ersticktes Lachen über; sie löste sich von ihm und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Dummkopf...", nuschelte sie, aber lächelte nun wenigstens wieder.
    "Wo bin ich, Sahi...was ist passiert...", fragte er sie nach einer Pause, welche ihm endlos lang vorkam. Die Frau setzte sich bequemer und blickte ihn aufmerksam an. "Du weißt es nicht? Du bist zuhause, in unserem Dorf. Ein paar Banditen fanden dich in einer Schlucht zwischen North Hall und Vulkneu Town. Laut ihnen hast du Glück gehabt dass du genau in die Bäume der Oase, welche sich dort befindet, gefallen bist. Ein Wunder, dass d noch lebst....ein großes Wunder...oh, naja, jedenfalls erkannten sie deine Tätowierung und brachten dich her. Sie wollten dich an uns zurückverkaufen. Zalanu hat sie...verschwinden lassen...", senkte sie die Stimme, es war unmissverständlich was sie damit meinte. Raccan nickte entwaffnend, so gut das möglich war in seiner Position. "...du hast eine Menge Knochenbrüche und Prellungen. Sag, wo warst du nur? Dieser Weg lag doch gar nicht auf deiner Route...", und besorgt blickte sie ihn an. Der Rothwardon ließ ein wenig Zeit verstreichen um seine Gedanken zu ordnen. "Zalanu gab mir den Auftrag, einen Khajiit zu finden und zu töten. Ich habe ihn verfolgt, er ist nach...Cyrodiil geflüchtet. Ich bin in eine Ruine gestürzt und hatte...alles...vergessen. Mich. Dich. Das alles Hier. Aber...Satakal hat mich zurückgeführt...", lächelte er sie an.
    Nachdem sie ein wenig geredet hatten, schickte sich Sahi an, sich zu erheben. "Zalanu will mit dir reden, ich werde ihn holen". Sie erhob sich und schaute, in der Tür stehend, nochmal zu Raccan zurück. "Ich bin froh, dass du wieder da bist, Brüderchen...", gab sie nochmals kund und verschwand dann.
    Es dauerte nicht lang, da betrat ein großer, kräftiger, jedoch etwas dicklicher Mann mit einem braungebrannten Teint den Raum. Über den ganze Körper hatte er Schlangentattoos verteilt, selbst im Gesicht. Bekleidet war er mit einem Kürass der aussah wie aus vielen kleinen zusammengeklebten Strohhalmen, und einem ledernen ausladenden Lendenschurz. Stumm musterten sich die beiden Männer, ehe das Stammesoberhaupt das Wort ergriff.
    "Raccan...du sahst auch schon einmal besser aus...", und ein Lächeln umspielte die Mundwinkel Zalanus. Dann aber wurde er ernst. "Hast du den Auftrag ausgeführt?".
    "Nein, Zalanu, vergib mir. Das reudige Katzenwesen ist nach Cyrodiil geflüchtet. Durch einen Sturz verlor ich mein Gedächtnis und habe es nur Satakal zu verdanken, dass ich wieder zurückkehren konnte, um dir davon zu berichten.".
    Zalanu nickte, bedachte Raccan mit einem nichtsagenden Blick und fuhr dann fort. "Dein Auftrag ist noch gültig, Assassine. Dein Schwur verlangt von dir, ihn zu beenden.".
    Raccan nickte nur.
    "Du warst mir immer ein zuverlässiger und treuer Anhänger. Deine Erfolge verschafften dir und deiner Schwester hier ein besseres Leben. Setz das nicht auf's Spiel...".
    Wieder nickte Raccan nur. Er wusste, je besser und effizienter die Anhänger des Stammes ihre Aufgaben erfüllten, desto angesehener und höher in der Rangfolge waren sie hier und genossen gewisse Privilegien. Der Rothwardon sah sich um. Ein eigenes Haus war nur wenigen vergönnt, ebenfalls hatte er es geschafft, seine Schwester aus diesen ihm befremdlichen Ritualen der Satakal-Priester, welche meistens mit Orgien oder Vergewaltigungen im Namen der Schlange einhergingen, herauszuhalten, wenngleich er wusste, dass diese geifernden Säcke nur darauf lauerten, seine schöne Schwester in einem dieser Rituale zu schänden. Dementsprechend warteten sie darauf, dass er eine Reihe von Fehlern beging, die seinen Status abträglich wären. Allein das war Motivation genug, über Leichen zu gehen.
    "Gut. Ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen. Wir reden weiter, wenn du genesen bist", und damit drehte sich Zalanu um und verließ das Haus.

    Die folgenden Wochen waren für Raccan nicht leicht; anders als in der "zivilisierten" Welt benutzte der Stamm keine Wiederherstellungszauber, um Verwundete zu pflegen. Der Rothwardon war schon in Städten in Hammerfell gewesen und hatte die Magier beneidet. Einmal Handauflegen, und größere Verletzungen waren innerhalb von Sekunden Geschichte. Hier aber lief das anders ab. Der Kult sah die eigenständige Genesung als eine Form der Erschwerung des vom Schicksal bestimmten Weges, und diese Hürde hatte man nur mit eigener Kraft, ohne Magie, zu nehmen. Raccan machte sich in dieser Zeit nützlich und half hier und da, wo er konnte. Als er dann so weit genesen war, dass er sich wieder eigenständig bewegen konnte, begann er mit dem Training. Bogenschießen, der Kampf mit den Wurfmessern, Schwertkampf und waffenloser Kampf; Konditionstraining in der Wüste, Kletterpartien steile Felswände hinauf, Übungen in der Herstellung von Giften und Tränken. All das war für ihn ganz normal, vergessen war die Zeit, als er noch ziellos durch die Steppe irrte und nicht einmal wusste, wer er war. Es war, als wär er nie weg gewesen.

    Als er sich fit genug fühlte, bat er bei Zalanu um eine Audienz, welche ihm überraschend schnell genehmigt wurde, und sogleich trat er in das Haus des Anführers.
    Hier drin war es stickig und heiß, Raccan war nur selten hier drin. Es gab nur zwei Gründe, um hier zu sein: Entweder hatte man etwas falsch gemacht, oder die Obrigkeit hatte etwas mit einem vor. Aus anderen Gründen wurde so gut wie die eingewilligt, Zalanu "einfach so" zu treffen. Der Raum hatte eine runde Form, und allerlei Verzierungen hingen an den fensterlosen Wänden. Totenschädel, Wollgeflechte, bemalte Schlangenhäute. Selbst die beiden Wächter, welche drinnen links und rechts neben der Tür standen, machten schon beinahe den Eindruck, als gehörten sie zum Inventar. Eine Lederrüstung, mit Schlangenhaut bespannt, dazu ein Speer in der Rechten und ein ebenfalls mit der Schlangenhaut verzierter Rundschild verliehen den Kolossen den Eindruck, als ob es Statuen wären, denn sie zeigten keine Regung, als Raccan an ihnen vorbeischritt. Sie waren etwas größer und breiter als Raccan, was schon etwas heißen mochte, denn von schwacher Statur war er selbst ebenfalls nicht. Der Rothwardon versuchte die Wächter zu ignorieren und trat vor den hölzernen Thron, auf dem Zalanu saß und ihn interessiert musterte.
    Er deutete eine leichte Verbeugung an. "Hallo, Zalanu. Ich bin nun bereit, meiner Pflicht nachzukommen und die Aufgabe, bei der ich versagt habe, erneut in Angriff zu nehmen.".
    Der Mann nickte bedächtig. "Es freut mich, dass du dein Wort hälst, Raccan, ich hatte schon beinahe nicht mehr mit dir gerechnet und mir...Schritte überlegt. Deine Schwester wird es dir danken.".
    Unmerklich zuckte Raccan zusammen, was dem Häuptling anscheinend sehr gut gefiel.
    "Also, Raccan...", und er holte eine Schriftrolle aus Schlangenhaut hervor, "...hier ist dein Auftrag. Du sollst den Khajiit Hawa'ajala finden. Er ist ein Verräter unseres Clans und hat sich schuldig gemacht, Informationen an verfeindete Stämme weitergegeben zu haben, wofür ihm die Todesstrafe zusteht. Gemäß unserem Kodex muss er eine Wiedergeburt erfahren, damit Satakal sich seiner unreinen Seele annehmen kann.".
    Raccan nickte stumm. Die Wiedergeburt war ein Ritual, welches die Häutung der Schlange symbolisieren sollte. Jenes Tier geht aus dieser gestärkt hervor. Der Khajitt wohl eher...tot, denn eine Häutung bei lebendigen Leib war für niemanden zu überleben. Es war brutal, pervers und bestialisch, aber Raccan wusste es nicht besser, mittlerweile war dieses Vorgehen für ihn wieder normal, und er mochte sich nicht ausmalen, dass das Ganze für ihn vor noch nicht einmal zwei Monaten alles andere als nachvollziehbar gewesen wäre.
    Zalanu fuhr fort, nachdem er Raccan die Rolle in die Hand gegeben hatte. "Du wirst des nachts aufbrechen, denn heute Abend wird deine Waffe, welche du erhalten wirst, von Sahi geweiht, und es würde sie sicherlich schmerzen, wenn du währenddessen nicht anwesend wärst.".
    Raccan nickte wieder, verbeugte sich leicht und entfernte sich wortlos aus dem Zelt.

    Die Zeit bis zum Abend verbrachte der Rothwardon damit, seine übrigen Ausrüstungsgegenstände zusammen zu suchen und sie vorzubereiten. Wurfmesser, einen Bogen aus dunklem Stahl, Pfeile aus demselben Material, ein doppelschneidiger breiter Zeremoniendolch. Die Rüstung, welche er bei dem ortsansässigen Schmied erhielt, war eine dunkle, "weltliche" Lederrüstung. Anders, so waren sich die Ältesten, welche die Jagd abgesegnet hatten, einig, würde er sich in Cyrodiil nicht bewegen können, da er wie ein Ortsansässiger wirken musste. Skeptisch betrachtete der Rothwardon die Rüstung. Sie sah warm aus, war geschlossen und besaß eine Kapuze. Die Hose bestand aus dickem schwarzen Leder, die etwa wadenhohen Stiefel hatten eine kompliziert aussehende Verschnürung und saßen wie für ihn gemacht, desweiteren waren sie leise, boten viel Halt und hatten eine verstärkte Schuhspitze, ideal zum Klettern oder auch zum Zutreten. Abgesehen davon dass sich Raccan fragte, wie sehr er wohl in diesem Ding schwitzen würde, war ihm die Rüstung eigentlich ganz angenehm.

    Die Sonne senkte sich langsam über den Drachenschwanzbergen, als die Weihe begann. Alle Stammesangehörigen saßen im Kreis auf dem großen Platz in der Mitte des Lagers, einige waren bunt geschmückt und tanzten zur Trommelmusik. Raccan, bereits in voller Montur, setzte sich zu Sahi, welche ein freizügiges seidenes Gewand trug, dass nur ihre Brüste und den Unterleib bedeckte. An dem losen Seilgürtel hingen zwei Stiletts, welches sie wohl für den Hauptteil des Rituals brauchte, denn sie hielt vor sich auf dem Schoß ein Silberlangschwert mit schlangenförmigen Gravuren, dass zweifellos für Raccan bestimmt war.
    Kaum war die Sonne hinter den Bergen verschwunden, wurden Fackeln entzündet, der Lautstärkepegel fiel drastisch ab und die Weihe begann.
    Sahi erhob sich und ging auf die Mitte des Platzes zu, das Silberschwert in der Hand; hunderte Augen folgten ihr auf ihrem Weg zu dem Korb, welcher dort in der Mitte stand. Langsam legte die die Waffe auf den Boden, nahm den Deckel vom Korb und warf das Behältnis um. Ein wütendes Zischeln erklang, als die große Schlange aus dem Korb schleuderte und im Staub landete. Sie war schwarz wie die Nacht und blickte sich hektisch nach dem Unruhestifter um, und sogleich fand sie ihn in Sahi. Diese hatte inzwischen die beiden dünnen Waffen gezogen und hielt sie in Abwehrhaltung vor sich, die Augen fest auf das Tier fixiert. Raccan machte sich um seine Schwester keine Sorgen, er wusste dass es für sie ein Leichtes war, die Schlange auszuschalten. Das Einzige, was er ihr immer wieder vorwarf war die Tatsache, dass sie es liebte, mit ihr zu spielen, sie zu necken und das Unausweichliche, nämlich die Tötung des Tieren, in die Länge zog. Aber so war sie nun einmal, sie wollte ihr Können darbieten. So auch jetzt. Immer wieder wich sie geschmeidig den Angriffen der Schlange aus. Diese spritzte mit ihrem Gift, schnappte nach Sahi, versuchte sie in die Enge zu treiben, sie zu überraschen; aber nichts was das Tier tat brachte sie auch nur im Entferntesten in Bedrängnis. Im Gegenteil, es sah fast so aus als würde sie mit der Schlange tanzen. Der Tanz wurde schneller und schneller, bis man deutlich bemerkte, wie der schwarze Riese müde wurde. Auch Sahi registrierte das und brachte sich in Pose. Abermals schoss die Schlange auf die Rothwardonin zu, diese wich aber diesmal nicht zurück, sondern stach mit beiden Stiletts gleichzeitig zu. Blut spritzte, als die spitzen, dünnen Klingen in den Rachen der Schlange eindrangen durch ihr Hirn fuhren und sie auf der Stelle töteten. Mit weit aufgerissenen Maul wurde sie aufgespießt, das Gift traf Sahi auf Arme und Oberkörper, aber es richtete keinen Schaden an. Von der Menge gab es anerkennende Zurufe, und die Trommeln begannen wieder schneller und lauter zu werden, während des Tanzes waren sie nur dezent im Hintergrund zu hören gewesen. Sahi zögerte nicht lang. Sie griff nach dem Silberschwert, setzte es am Rachen der Schlange an und stieß zu. Die gesamte Klinge der Waffe verschwand in der Schlange, die Menge jubelt und schrie. Sogleich zog sie die Waffe wieder heraus und, blutverschmiert wie sie war, reckte sie sie in die Luft.
    Damit war das Weiheritual beendet, später am Abend wurde Raccan von seiner Schwester die Waffe ausgehändigt, samt dazugehöriger Schwertscheide, welche mit dem Leder jener Schlange bezogen war, die vorhin zugunsten des Schwertes geopfert wurde.

    Der Abschied fiel recht nüchtern aus. Ziemlich genau um Mitternacht trat Raccan, in voller Kampfmontur an den Häuptling heran. Dieser musterte ihn kurz, schien mit dem Anblick zufrieden und berührte die Stirn des Rothwardonen. "Satakal schütze dich...", sprach er mit kehliger Stimme. Raccan nickte stumm und wandte sich zum Gehen. Das Pferd vor seinem Haus, ein Achal-Teke-Pferd, welches sich durch hohe Zähigkeit auch bei trockenen Klima auszeichnet, war aufgezäumt und bereit zur Abreise. Auch ein Sattel befand ich darauf, auch wenn Raccan lieber ohne ritt. Aber er musste sich der "zivilisierten" Welt anpassen, da gehörte dies wohl einfach mit dazu. Er wollte gerade Aufsitzen, als ihm eine Hand auf die Schulter gelegt wurde.
    "Typisch, wie immer vergisst du dich zu verabschieden...", hörte er die sanfte Stimme seiner Schwester hinter sich.
    Er drehte sich um und blickte sie von oben bis unten an. Ungefragt wischte er ihr einen Tropfen Blut von der Wange, noch ein Überbleibsel des Rituals. "Entschuldigung...", erwiderte er und setzte ein Schuljungen-Blick auf, bei dem Sahi wie immer anfing zu lachen.
    "Dummkopf...pass auf dich auf...", und sie schloss ihn in die Arme und drückte ihn herzlich. Nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, drückte sie ihm noch ein kleines geschnitztes Ding an einer Halskette in die Hand. Ein S war eingeritzt.
    Fragend blickte Raccan sie an.
    "Eine Pfeife. Probier sie.".
    Er tat wie ihm geheißen, ein hochfrequenter Ton erklang, fast nicht zu hören. Erst geschah nichts, dann aber landete ein Falke auf dem Sattel des Pferdes und blickte die beiden Rothwardonen vor sich fragend an.
    "Er heißt Jail. Ein Kurierfalke. Wir bleiben in Kontakt...er sucht dich auf wenn ich eine Nachricht für dich habe, und anders herum auch...zum Beispiel, wenn ich einen Mann gefunden habe...", grinste sie breit.
    "Vorsicht, Schwesterchen...aber ich danke dir...", sagte Raccan, umarmte Sahi abermals und schwang sich dann in den Sattel; der Falke war bereits wieder verschwunden und die Pfeife hatte er sich um den Hals gehängt und unter seine Rüstung versteckt. Leicht drückte er seine Fersen in die Flanken des Pferdes und es setzte sich in Bewegung. Sein nächstes Ziel würde Chorrol sein; aber diesmal würde er diese Stadt betreten als ein Jemand. Diesmal wusste er, wer er war. Er war Raccan...

  4. #284

    Wüste -> Taneth -> Wald -> Rihad -> Grenze Cyrodiil

    Was war das doch für ein Gefühl. Zu wissen wer er war. Zu wissen wo er war. Zu wissen wohin er ging. Raccan genoss den Ritt durch die unebene Steinwüste im Zentrum Hammerfells und nutzte dabei die ausgetrampelten Wege, welche die Karawanen hinterlassen hatten, um sein Pferd zu schonen. Kurzfristig hatte er sich um entschieden und den Weg Richtung Taneth eingeschlagen, um dann weiter über Roseguard und Rihad nach Anvil zu kommen. So konnte er Cyrodiil vom äußersten Rand nach und nach absuchen. Die Chance dass jemand den Khajiit dort gesehen hatte war zwar verschwindend gering, denn sicherlich war er nicht so dumm sich so nah an der Grenze Hammerfells aufzuhalten, aber so hatte Raccan die für ihn nicht alltägliche Möglichkeit, Cyrodiil kennen zu lernen. Als er so durch die Nacht ritt, musste er plötzlich an die Autorin denken. Er hatte ihr versprochen, vorbei zu schauen und ihr bei einem Buch zu helfen über die Satakal. Er schüttelte sich. Plötzlich kam ihm dieses Versprechen nicht mehr allzu schlau vor, denn was sollte er ihr erzählen? Den Khajiit verfolgte er, weil er Geheimnisse des Stammes weitergegeben und verkauft hatte; nichts anderes würde Raccan tun wenn er der Autorin Informationen geben würde. Ich muss mir das Ganze durch den Kopf gehen lassen, irgendwas muss ich ihr erzählen. Irgendetwas Belangloses, was sowieso jeder weiß. So hing der Rothwardon seinen Gedanken nach und bewegte sich mit moderaten Tempo auf Taneth zu.

    Er erreichte die Stadt pünktlich zum Sonnenaufgang. Die Szenerie sah wie gemalt aus. Die Türme der Stadtmauer reckten sich in die Höhe und endeten in zipfelmützenähnlichen, abgerundeten Spitzdächern und verliehen der Stadt ein orientalisches Aussehen. In der Mitte der Stadt erhob sich ein gewaltiges Gebäude, welches alle anderen Gebäude überragte und wie ein großer Ableger der Wachtürme aussah. Tempel, Stadthalle, Rathaus, Militärzentrale. Dies alles vereinte das mächtige Bauwerk in sich und war somit der Dreh- und Angelpunkt von Taneth. zusammen mit der über dem Wasser aufgehenden Sonne im Hintergrund bot dieses Bild ein einzigartiges Kartenmotiv, welches sich noch in Raccans Gedächtnis hielt, als er schon fast beim Stadttor angekommen war.
    Das Tor war geöffnet, das Fallgatter hochgezogen, und geschäftige Menschen strömten in und aus der Stadt. Die Wachen mit ihren Speeren und den bronzenen Metallrüstungen an den Toren blickten aufmerksam drein und beobachteten den Strom der Leute. Anders als in kleineren Städten in Hammerfell war die Bevölkerung Taneths bunt gemischt an Rassen, auch wenn den Hauptteil immer noch die Rothwardonen ausmachten. Händler aus allen Teilen Tamriels trafen sich hier, was auch an dem Hafen lag, der einer der wichtigsten Knotenpunkte in Hammerfell darstellte.
    Einer der Wächter fasste Raccan ins Auge, als dieser abstieg und das Pferd an den Zügeln in die Stadt führen wollte. Alle Leute der Stadtwache waren Rothwardonen; vom kleinsten Stallburschen bis zum Heerführer, diese Institution duldete nur Leute der heimischen Rasse. Der Mann hatte einen stechenden Blick und einen kahl rasieren Schädel, dazu kantige Gesichtszüge und einen Körperbau wie ein Bulle. Den Speer mit beiden Händen quer vor sich haltend baute er sich von Raccan auf, sodass dieser anhalten musste.
    "Wohin des Weges, Reisender...", brummte der Wächter.
    Raccan war sonnenklar, warum er angehalten wurde. Er sah mit seiner Rüstung, welche weder dem Stil der Rothwardonen noch den Temperaturen hier angemessen war, auffällig genug um kontrolliert zu werden. Dennoch machte er keine Anstalten, eine Ausrede zu erfinden oder sich demütig zu zeigen. Raccan kannte nicht viele Leute außerhalb des Stammes, und doch war er vergleichsweise weltgewandt, da es immer er war, der Dinge außerhalb der Wüste in der Zivilisation zu erledigen hatte. Und wie es das Schicksal wollte, kannte Raccan diesen Wächter.
    "Nur auf der Durchreise, Kalion", erwiderte er kurz angebunden und zeigte den leichten Anflug eines Lächelns.
    Der Wächter stutzte, musterte Raccan genauer und seine Gesichtszüge entspannten sich deutlich. "Raccan...du siehst jedes Mal anders aus. Was hast du jetzt wieder verbrochen dass sie dich in diese Brutkammer gezwängt haben?", und der Mann nickte auf die Rüstung seines Gegenübers. Als Raccan keine Anstalten machte zu antworten, nickte Kalion. "Verstehe. Stammesangelegenheiten?", worauf Raccan nickte. "Ich werde nie begreifen, warum du immer noch dieser Ansammlung von...Verrückten...angehörst. Du könntest es bei uns weit bringen.".
    Raccan zuckte mit den Schultern. Zum einen gehorchte er den Befehlen seines Häuptlings und der Priester blind und führte jeden Auftrag ohne nachzufragen aus, auf der anderen Seite hatte er nicht den Fanatismus bei der Sache dass er auf solche Äußerungen wie Kalion aggressiv reagierte. Er wusste, dass die Gebräuche der Satakal für Außenstehende befremdlich wirkten und den Sinn verstand er nicht immer, aber für ihn war sein Stamm sein Leben. Moment. Wirklich sein Stamm? Nein, eher seine Schwester. Und sie gehörte zu den Satakal, also war sein Erfolg und Gehorsam zeitgleich ihr Leben. Ein Leben ohne Sorgen und Nöte.
    Kalion schmunzelte. "Wortkarg wie eh und je, aber das werden die Frauen an dir lieben. Gute Zuhörer sind begehrt...", grinste der Wächter, trat zur Seite und entlockte Raccan damit eine hochgezogene Augenbraue.
    "Mach's gut, Kalion. Wir sehen uns...", verabschiedete sich der Rothwardon von seinem Freund und setzte seinen Weg durch die Massen aus Händlern und Reisenden fort.
    Die Hauptstraße, welche einmal mitten durch die Stadt führte und an der das große Hauptgebäude lag, war gesäumt von Marktständen und entsprechenden Händlern. Teppiche, Packtiere, Rüstungen, Nahrungsmittel, exotische Waren, Zauberwasser und Totenschädel. Es gab hier nichts, was nicht versucht wurde an die arglose Kundschaft zu veräußern. Raccans Körpersprache aber half ihm dabei, sich den Großteil der Marktschreier vom Hals zu halten, welche wohl dadurch erkannten, dass bei ihm nichts zu holen war und es besser war, sich auf die kaufwilligere Kundschaft zu konzentrieren. Der Rothwardon entdeckte einen Stand an dem gefüllte Wasserschläuche verkauft wurden. Sogar Wasser wird verkauft, diese Betrüger. Entgegen jeder Logik war das Angebot aber gut besucht, hauptsächlich von Reisenden, denen man ansah, dass sie nicht von hier stammten.
    Auf Höhe des Hauptgebäudes bog Raccan in eine Nebenstraße ein und stand kurz darauf vor einem kleinen Brunnen. Es war schon fast lustig. Da wurde auf der Straße Wasser zum Verkauf angeboten, und 20 Meter weiter befand ein Brunnen, an dem sich jeder kostenlos soviel Wasser nehmen konnte wie er wollte. In aller Ruhe füllte der Assassine seine Vorräte auf und lenkte seine Schritte danach wieder zurück auf die Straße. Taneth war einzigartig, auch was die Logistik anging. So gab es außerhalb der Stadt keine Ställe, sondern vor jedem Etablissement gab es einen Platz, wo man sein Reittier anbinden konnte. Wer es sicherer wollte, brachte seinen tierischen Begleiter in einen der geschlossenen und bewachten Ställe, welche über die ganze Stadt verteilt waren, aber dies kostete einen kleinen Obolus. Raccan blickte zum Himmel. Es würde ein warmer, wenn nicht sogar heißer Tag werden; er wusste dass sein Pferd diese Strapazen locker wegstecken würde, aber man musste es nicht provozieren. Kurz vor dem südlichen Tor wusste er von einer Herberge, welche auch einen Stall besaß und bei der schon öfters genächtigt hatte.
    Er machte sich auf den Weg und war fast angekommen, als er von einem Händler angesprochen wurde, welche hier gegen Ende keinesfalls weniger wurden, denn es gab hier keine Hauptverkehrsrichtung, an beiden Stadttoren konnte man gleichgut Profit machen. Raccan wollte sich schon abwenden, als er die Auslagen betrachtete. Es handelte sich um einen Schmuckstand, und plötzlich kam ihm in den Sinn, was er immer tat wenn er auf Reisen war: Er brachte Sahi ab und an etwas schönes mit wenn er etwas sah. Das würde er auch jetzt tun, aber der Falke würde das Ganze erleichtern. Aufmerksam musterte er die Gegenstände. Ringe, Ketten, Armbänder, Haarreifen, Ohrringe. Der Großteil war Plunder und nichts wert. Er wollte sich wieder Abwenden, als ihm eine feingliedrige Silberkette in's Auge fiel mit einem kleinen Schlangenanhänger. Sie kunstvoll gearbeitet aus und unterschied sich deutlich von den umliegenden Gegenständen. Der Händler bemerkte Raccans Interesse und trat hinzu.
    "Ah, ein Kenner. Da habt ihr euch mein bestes Angebot herausgesucht...", grinste er und wartete anscheinend auf ein Angebot.
    Raccan überlegte. Diese Kette mochte gut und gerne einige hunderte Septime wert sein, er kannte die überhöhten Preise der Händler nur zu gut. "50 Septime", machte Raccan das Eröffnungsangebot.
    Der Händler grinste noch breiter. "Nicht euer Ernst? Diese Kette ist mindestens...", und man sah es im Schädel des Händlers arbeiten, "500 wert".
    Raccan winkte ab. 500 waren viel zuviel. Allerdings kannte er die Taktik dieser Leute. Wenn er dem Mann um 50 entgegenkam, würde dieser nur um 20 oder weniger sein Angebot senken. Darum rechnete er schnell im Kopf durch, ließ sich aber absichtlich etwas mehr Zeit. Schließlich sagte er: "Treffen wir uns bei einer runden Summe in der Mitte zu eurem Gunsten. 300.". Dieser Preis war gerade noch angemessen für diese Kette, von der er mittlerweile überzeugt war, dass es sich um echtes Silber handelte. Und 300 war ihm seine Schwester allemal wert.
    Der Mann wirkte überrascht, es war nicht üblich, dass man so früh den Ausspruch für das in der Mitte treffen anwandte. Dass er überrumpelt wurde, sah man ihm deutlich an, und Raccan schien es, als habe er mit dem Wert der Kette genau in's Schwarze getroffen. Lange sagte der Mann nichts. Dann aber fing er sich wieder. "400, und kein Septim weniger".
    Raccan war von der Dreistigkeit des Händler nun ebenfalls überrascht, aber dann schüttelte er den Kopf. "Nein. 300 wäre mein Maximum.". Als der Händler keine Anstalten machte, noch weiter zu verhandeln, verabschiedete sich der Rothwardon knapp, wandte sich ab und ließ den Händler einfach stehen. Die Kette war zwar wirklich schön, aber es würden sich bestimmt noch mehr Möglichkeiten ergeben, Sahi ein Geschenk zu besorgen. Als er sich von dem Stand entfernte und sich Richtung Herberge begab, kam ihm das eben Geschehene sogar wie ein Glücksfall vor. Warum sein Geld für ein Geschenk aus Hammerfell ausgeben, er würde etwas Schönes in Cyrodiil finden, das würde Sahi noch mehr freuen.
    Die Herberge befand sich in Sichtweite zum Südtor von Taneth und machte einen gemütlichen Eindruck. Das Haus war aus gelblichen Sandsteinen errichtet worden und hatte eine kleine Veranda und Markise an der Front, auf der sich einige Stühle und Tische befanden. An einem davon saßen zwei Personen, vermutlich Händer vom Aussehen her, und unterhielten sich angeregt während sie an ihren Getränken nippten.
    Raccan begab sich mit seinem Pferd zielstrebig auf die Rückseite des Hauses, hier war der Stall. Ein Wächter schob davor Wache, dabei hatte er es sich auf einem Hocker bequem gemacht, der im Schatten platziert war. Als er Raccan erblickte, macht er große Augen.
    "Ist doch recht warme Kleidung bei diesen Temperaturen, nicht wahr?", versuchte er ein Gespräch in Gang zu bringen.
    "Es geht...", erwiderte Raccan knapp und gab dem Mann die Zügel in die Hand, zusammen mit 15 Septimen. Dieser verstand, nickte und brachte das Pferd in den Stall. Der Rothwardon bedankte sich und betrat dann die Herberge über die Veranda, wobei ihn die Geschäftsleute keines Blickes würdigten.
    Drinnen war alles sehr spartanisch, aber gemütlich eingerichtet. Der Empfang befand sich rechts der Tür, links war eine Kommode platziert auf der eine seltsam anmutende Skulptur stand. Hinter dem Tresen, auf dem das Gästebuch lag, stand eine ältere, etwas dickliche Rothwardonin und schrieb in einem anderen Buch irgendwelche Zahlen auf das Papier. Es war schön kühl hier drinnen, was eine willkommene Abwechslung zu der schwülen und drückenden Hitze draußen darstellte. Als die Frau aufblickte, erkannte sie den Mann vor sich sofort.
    "Raccan, schön dich wieder zu sehen. Lang ist's her, was verschafft mir die Ehre?!", er hatte schon fast vergessen wie freundlich und lieb sie war. Fast wie die Mutter, die er nie hatte.
    "Hallo Jaline, ich bin nur auf der Durchreise und bräuchte ein Zimmer zum Schlafen und danach etwas zu essen", und fast war es ihm ein wenig peinlich, dass ihm jetzt nicht danach war, sich groß zu unterhalten.
    Die Frau bedachte Raccan mit einem tadelnden Blick, blätterte dann aber in dem Gästebuch. Einen Kommentar konnte sie sich jedoch nicht verkneifen. "Du warst auch schonmal gesprächiger, Raccan. Hast mir erzählt was bei dir und Sahi so los ist. Aber du wirst schon deine Gründe haben. Das Zimmer die Treppe hoch links. Das Essen stell ich dir heute Abend auf den Tisch davor. Hoffentlich hast du dann bessere Laune. Wenn du einen Auftrag hast bist du immer so in Plauderlaune...".
    Unversehens musste Raccan dran denken, dass diese Frau wirklich wie eine Mutter war, wusste sie doch worum es ging ohne dass er groß etwas gesagt hatte. Vielleicht hatte sie als Herbergenleiterin auch schon zuviel gesehen und erlebt als dass man ihr etwas vormachen könnte. Der Rothwardon bedankte sich, nahm den Schlüssel für das Zimmer und begab sich ohne Umschweife dorthin.
    Der Raum war spärlich, aber funktionell eingerichtet. Eine Matratze mit Kissen und dünner Decke in einem grob gezimmerten Bettgestell stand der Tür direkt gegenüber am Fenster, welches auf eine Nebenstraße hinausging und vor dem eine Art Gardine hing. Daneben ein Kleiderschrank, an der linken Wand eine Kommode und daneben ein Spiegel. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner Tisch mit 2 Stühlen. An der rechten Wand befand sich eine Tür, die zu einem Badezimmer führte. Dies war einer der Grund, warum Raccan diese Herberge schätzte, abgesehen von Jaline; jedes Zimmer hatte ein eigenes kleines Badezimmer, was hier in Taneth keinesfalls Standard war. Eine weitere Besonderheit waren die kleinen Tischchen draußen auf dem Flur vor jedem Gästezimmer, hier wurde beispielsweise das Essen abgestellt, wenn der Gast nicht gestört werden wollte, sodass er es sich hereinholen konnte wann immer er wollte.
    Raccan verlor nicht viel Zeit, er legte die Rüstung ab und verstaute sie ordentlich im Kleiderschrank; Ordnung war für ihn schon immer das A und O gewesen, nur dann war er sich sicher, dass seine Sachen funktionell blieben und lange hielten. Er hatte nun nur noch ein Leinenhemd und eine schwarze Hose aus demselben Material an und begab sich ins Badezimmer. In dem kleinen Raum stand ein normalgroßer Waschzuber mit Wasser gefüllt, daneben ein kleiner Beistelltisch. Nach einer Fühlprobe stellte sich das Wasser als angenehm kühl heraus, solange konnte es also noch nicht hier drin sein, was ihn freute. Rasch entledigte er sich seiner Kleider, die er achtlos davor auf den Boden warf, und steig in das Wasser. Angenehme Kälte umfing ihn und er legte den Kopf zurück, um zu entspannen. Aber dies währte nicht lang, er hörte eine Tür und horchte auf. Schritte hallten dumpf über den Steinboden, jemand war in seinem Zimmer. Und sie kamen näher. Rasch öffnete Raccan die Augen und blickte zur Badezimmertür, als diese geöffnet wurde und eine junge Frau mit etwa schulterlangen, braunen Haaren und einem etwas längeren, luftigen Kleid, welches nicht mit eindeutigen Einblicken sparte, erschrocken in der Tür stand und ihn anstarrte. Auf den zierlichen Armen hatte die Rothwardonin einen Stapel Handtücher, und erst jetzt bemerkte Raccan, dass sich hier ja noch gar keine von selbigen befanden. Trotz ihrer gebräunten Haut war deutlich zu sehen, dass sie rot wurde und ihr für den ersten Moment die Luft fehlte um etwas zu sagen. Auch der Assassine sagte nicht und fand es beinahe schon etwas amüsant. Dann aber fing sie sich und begann zu stottern.
    "Oh, verzeiht...ich wusste nicht, dass ihr schon...ich....hier, Handtücher für euch...", und sie hielt ihm ein paar davon hin. Raccan setzte einen fragenden Blick auf, denn um die Tücher anzunehmen hätte er aufstehen müssen aus dem Wasser, und er war sich nicht sicher, ob das Mädchen nun genau das beabsichtigte oder nicht. So beließ er es dabei, dass er andeutete, aufzustehen, aber sofort sah man es im Gesicht des Zimmermädchens arbeiten und eine noch intensivere Rötung schoss ihr in die Wangen.
    "Oh, nein, ich...", wehrte sie ab und wedelte mit den Tüchern. Dann platzierte sie sie rasch auf den kleinen Tischchen und zog sich rasch in den Türrahmen zurück, wobei sie etwas bedröppelt dreinblickte. "Ich...ähm...verzeiht...", stammelte sie und schloss dann schnell die Tür hinter sich beim hinausgehen. Schnelle Schritte entfernten sich und die Zimmertür wurde geschlossen.
    Auch als er sich schon längst wieder angekleidet hatte und auf dem Bett saß wollte das leichte Grinsen noch nicht von seinem Gesicht verschwinden. Er empfand zwar etwas Mitleid für das Mädchen welches wohl einfach nur unter Schock gestanden hatte, aber letztendlich überwog doch die Erheiterung darüber. "Immer mit einem positiven Gedanken einschlafen...", murmelte er lächelnd vor sich hin, legte sich auf das Bett und schlief kurz darauf ein...

    Pünktlich zum Sonnenuntergang wachte Raccan wieder auf. Der Schlaf hatte gut getan, er fühlte sich ausgeruht und war bereit zur Abreise. Erst als er sich schon halb angekleidet hatte und den Kürass anlegen wollte, fiel ihm auf, dass er Hunger verspürte. Wer weiß, vielleicht stand das Essen ja schon draußen? Sogleich schaute er nach, und tatsächlich stand ein Tablett auf den kleinen Tischchen mit allerlei Nahrungsmitteln. Er holte es rein und setzte sich an den Tisch, um zu essen. Ein Stück Trockenfleisch, frischer Salat und Brot mit Käse befanden sich auf dem Teller, daneben ein Glas Guarmilch und zwei Äpfel. Jaline besteht wohl neuerdings auf gesunde Ernährung, dachte Raccan bei dem Gedanken an die großen gebratenen Fleischstücke, die er hier schon gegessen hatte. Letztendlich verspeiste er aber alles ohne groß zu Murren und kleidete sich dann komplett an. Mittlerweile war die Sonne am Horizont verschwunden und die Dunkelheit breitete sich aus.
    Raccan trat unten an den Tresen, und Jaline hielt dort wie eh und je die Stellung. Der Rothwardon ließ 30 Septime au den Tresen klimpern und die Frau strich das Geld wortlos ein.
    "Also dann, ich verabschiede mich, Jaline...", sprach Raccan mit ruhiger Stimme.
    "Das nächste mal erschrickst du mir aber nicht meine Mädchen...", meinte die Frau ernst, aber Raccan wusste, dass sie ihn nur aus der Reserve locken wollte. Sogleich fuhr sie fort. "Bis zum nächsten Mal, mein Großer", und sie schenkte ihm doch tatsächlich ein herzliches Lächeln.
    "Wir sehen uns...", erwiderte Raccan, hob die Hand zum Gruß und verließ die Herberge.
    Draußen war es kühl geworden, Auf den Straßen waren nur noch leere Stände und hier und da ein Wachmann oder Passant zu sehen. Diese Temperatur empfand er als sehr angenehm, gerade zum Reisen, und so lief er schnurstraks in die Nebenstraße zu den Stallungen. Der Wächter davor war neu, aber zum Glück war sein Pferd das Einzige im Stall. Als der Wächter es herausholte und Raccan es entgegennahm, begann der Mann mit einem Gespräch, anscheinend war ihm langweilig.
    "Wozu steh ich hier noch herum wenn der Stall sowieso leer ist?".
    "Wir alle haben unsere Pflichten zu erfüllen...", erwiderte Raccan diplomatisch und kontrollierte das Zaumzeug.
    "Ja, schon, aber was bewache ich dann hier? Das Stroh? Die Tür? Oder klaut jemand gar den ganzen Stall?", der Wächter wirkte mehr als gelangweilt.
    "Wenn ihr jetzt von eurem Posten verschwindet und der Stall ist morgen wirklich weg möchte ich euer Gesicht sehen...gehabt euch wohl...", und Raccan bewegte sich zurück Richtung Hauptstraße. Hinter sich hörte er den Wächter lachen, und so war er zufrieden, dass wenigstens einer heute seinen Spaß hatte.

    Das Stadttor passierte Raccan ohne Vorkommnisse. Wenn er um diese Uhrzeit hinein gewollt hätte, wäre er wohl kontrolliert worden, aber beim Hinausgehen gab es keine Probleme. Die Wachen sahen das ganze pragmatisch: Ein potentieller Unruhestifter weniger in der Stadt. Davon abgesehen sahen die Wächter alles andere als motiviert aus und würdigten den Rothwardonen mit seinem Pferd nur eines uninteressierten Blickes bevor sie sich abwandten.
    Raccan beschloss, ein etwas höheres Tempo anzuschlagen, denn es war kühl und der Mond wies ihm durch den beinahe wolkenlosen Himmel sehr gut den Weg, sodass er auf Fackeln oder dergleichen verzichten konnte. So kam er nach bereits einer Stunde in Roseguard an, und auch die etwas verlebt aussehende Hängebrücke über den Fluss vor der Stadt Taneth stellte sich als äußerst stabil heraus.
    Zunächst dachte Raccan, das Dorf sei verlassen, weil er nirgends Licht oder dergleichen ausmachen konnte, aber schließlich tat er dies als Spinnerei ab; es war bestimmt kurz vor Mitternacht, und hier lebten zumeist Arbeiter und Bauern, welche, geschafft von dem Tag, zeitig schlafen gingen. So hielt sich der Rothwardon nicht lange damit auf das Dorf zu inspizieren, sondern ritt zügig weiter.

    Der Wald, den er nun durchquerte, war schon ein etwas anderes Kaliber, dass musste Raccan zweifelsohne zugeben. Hier gab es keine weitläufige Flächen auf der man Feinde schon von weitem erspähen oder vor ihnen flüchten konnte; das Dichte Gestrüpp links und rechts des Weges verbreitete ein unbehagliches Gefühl in Raccans Magengegend, und auch das immer wieder vorkommende Rascheln und knistern verbesserten diese Vorahnung nicht. Angespannt und nur im Schritttempo ritt er über den dunklen Waldweg. So langsam aber sicher kam er sich beobachtet vor und fühlte sich hier, hoch zu Pferde, wie eine Zielscheibe. Langsam saß er ab und führte das Reittier an den Zügeln hinter sich her.
    Lange Zeit geschah nichts, entgegen aller Vorahnung griff ihn niemand an und auch kein Tier brach aus dem Gebüsch. In der Ferne aber entdeckte der Rothwardon plötzlich Fackeln. Als er näher kam, sah er sich 3 Männern mit eben diesen Leuchtmitteln gegenüber welche auf einer steineren Brücke standen, die über einen kleinen Fluss führte. Schon am Aussehen der Männer erkannte der Rothwardon, dass es sich hierbei um Wegelagerer handelte. Die schäbigen Rüstungen und das schmutzige Aussehen sprachen Bände. Als Raccan näherkam, lösten sie sich von den Geländer der Brücke und verstellten den Weg, sodass Raccan kurz vor der Brücke anhalten musste. Der kleinste von den Männern trat einen Schritt auf ihn zu, wohl der Anführer, und begann mit quäckender Stimme zu sprechen.
    "Zollkontrolle...alles was du hast...oder Lasse schießt dir deinen Kopf vom Hals", und er grinste dreckig.
    Raccan musterte den gesamten Verein. Der Kleine hatte einen 3-Tage-Bart, grobe Gesichtszüge und wirkte untersetzt. Zweifelsohne handelte es sich um einen Kaiserlichen, der mit einem eisernen Kurzschwert bewaffnet war. Die beiden Männer hinter ihm waren beide Nords, grobschlächtige Typen denen Raccan nichtmal zutraute, ein vernünftigen Satz zu sprechen. Einer von ihnen trug Schild und Axt, der andere einen Zweihänder auf dem Rücken. Kopf vom Hals schießen? Was meint er damit? Plötzlich dämmerte es ihm und er wandte den Kopf herum. Keine 10 Meter hinter ihm stand ein hager aussehender Waldelf mitten auf der Straße und hatte eine geladene Armbrust auf ihn gerichtet. Hat mich mein Gefühl nicht getäuscht, immerhin etwas. Dies war ein schwacher Trost, und er wandte sich wieder dem Anführer zu und lächelte ihn entschuldigend an. Mit diesen Kerlen war nicht zu verhandeln, das sah jeder der Augen im Kopf hatte.
    Noch immer das Lächeln auf dem Gesicht, ging alles ganz schnell. Raccan duckte sich blitzschnell, wendete und schon flog das Wurfmesser durch die Luft, direkt auf den Waldelfen zu. Dieser drückte ab, sichtlich von Panik ergriffen, und der Bolzen schoss los. Im selben Moment schlug auch das Wurfmesser leicht seitlich versetzt in den Hals des Bosmers ein. Eine Blutfontäne schoss aus der Wunde im Hals wo das Messer steckte, und er stürzte röchelnd zu Boden. Der Bolzen flog über Raccan hinweg, nur knapp an dem Anführer vorbei, welcher dem Projektil verdutzt nachblickte und schlug in die linke Brust des Nord-Kriegers mit dem Zweihänder ein. Noch bevor der massige Körper auf dem Boden aufschlug war bereits jegliches Leben aus dem Fleischberg gewichten und er war tot.
    Noch in gehockter Haltung hatte sich Raccan wieder zu dem Anführer und seinem Helferlein umgewandt. Langsam erhob er sich wieder und zog den Dolch mit der linken und sein Langschwert mit der rechten Hand. Ausdruckslos starrte er die beiden Männer an, denen deutlich anzusehen war, dass sie mit sich rangen. "Treffsicher war euer Lasse ja, das muss ich sagen...", flüsterte Raccan halblaut und mit monotoner Stimme, und wie zur Bestätigung folgte aus dem Hintergrund ein ersticktes Röcheln von dem Waldelf, der sich im Todeskampf befand und auf dem Boden umherzuckte. Langsam zog der Anführer seine Waffe und bewegte sich einen Schritt auf Raccan zu, was der Nord als Signal verstand und sich auch daran machte, seine Axt und den Schild vom Rücken zu nehmen. Der Rothwardon erkannte die Situation mit geschulten Augen. Der Nord war noch nicht kampfbereit, und ein weiteres Zögern hätte zwei Gegner zur Folge. So griff er mit dem Langschwert den Anführer einen Wimpernschlag später an, welcher seine Waffe hob und den Schlag von oben abblockte. Darauf hatte jedoch Raccan nur gewartet, er wusste dass die meisten Gegner Probleme bekamen, wenn zwei Waffen im Spiel waren, und so war es für ihn ein Leichtes. Mit einem schnellen, kraftvollen Vorstoß trieb er den Dolch in die linke Seite des Schlüsselbeins, während sich der Kaiserliche noch auf das Langschwert konzentriert und es geblockt hatte. Blitzschnell änderte Raccan den Griff an der Waffe und riss sich mit seinem ganzen Körpergewicht nach links herum. Der Dolch schnitt wie ein heißes Messer durch Butter und riss dem Anführer den gesamten Halsbereich von links nach rechts auf. Durch den Schwung mitgenommen, machte Raccan nach der Drehung einen Seitenschritt nach links und ließ den Banditen vorneüberfallen, sodass ihn auch der Blutschwall, der aus der durchtrennten Halsschlagader schoss, verfehlte. Ein paarmal zuckte der Mann noch, dann blieb er regungslos liegen, während die Blutlache immer größer wurde und sich auf dem Waldboden ausbreitete.
    Der Rothwardon hatte ein paar Blutspritzer im Gesicht abbekommen und blickte nun, das Silberschwert und den blutigen Dolch in der Hand, den Nord an, welcher in der Bewegung erstarrt war und den Schild und die Axt kraftlos in den Händen hielt. Raccan trat an den Leichnam des Anführers heran, kniete sich hin und wischte den Dolch an dessen Sachen ab. Dann ließ er beide Waffen in den dazugehörigen Holstern verschwinden und musterte wieder den Nord. "Entweder suchst du jetzt das Weite und begegnest mir nie wieder, oder ich muss dich töten.". Der Barbar schien unsicher, dann aber griff er die Waffen fester, brüllte und lief mit erhobener Axt auf Raccan zu. Dieser warf erneut in einer flüssige Bewegung eines seiner zwei verbliebenen Messer, und diesmal traf er richtig, denn es bohrte sich genau mittig in den Hals des Nords und durchtrennte das Rückenmark. Wie vom Blitz getroffen fiel das Opfer vorneüber und rumpelte auf den Boden, wo er kurz hinter der Leiche des Anführers zum Stillstand kam.
    Eine unheimliche Stille breitete sich im Wald aus, und Raccan verschaffte sich einen Überblick. "Diesmal hat mir Satakal wohl ausnahmsweise mal geholfen", murmelte er sarkastisch vor sich hin als er den vom Bolzen getroffenen Nord musterte. Ein Geräusch ertönte wieder hinter ihm, und nach einer Blickprobe sah er, dass der Waldelf wohl immer noch nicht das Zeitliche gesegnet hatte. Das gefiel dem Rothwardonen gar nicht, nach Möglichkeit tötete er seine Gegner sofort, außer es war Sinn und Zweck der Sache, dass das Opfer Qualen leiden musste. Als er auf den Bosmer zuschritt, musste er an seinen Auftrag denken. Die Wiedergeburt würde grässlich werden. Nicht für ihn, er hatte dabei die Angewohnheit, in Monotonie und Gleichgültigkeit zu verfallen, aber für den Khajiit würde es eine Qual werden. Dagegen waren die Schmerzen des Armbrustschützen zu seinen Füßen eine Streicheleinheit. Rasch kniete sich Raccan nieder, nahm den Kopf von Lasse in beide Hände und riss ihn, ohne auf die flehenden Augen zu achten, herum. Sogleich verstummte das Röcheln, als das Genick mit einem lauten Knacken brach.
    Die Durchsuchung der Leichname brachte nicht viel zutage. 40 Septime insgesamt, dazu ein halbes Brot und zwei Heiltränke minderer Qualität fand er in den Habseligkeiten der Banditen. Gerne hätte er die Männer vergraben, denn trotz ihrer Taten sah er keinen Grund, sie nach ihrer gerechten Strafe respektlos zu behandeln; jedoch hatte er weder Schaufel noch andere Möglichkeiten, und so warf er sie, nachdem er seine Wurfmesser an sich genommen und ihnen die Augen geschlossen hatte, von der Brücke in den Fluss, wo sie in das Meer gespült wurden, und bei jedem "Begräbnis" wünschte er ihnen eine gute Reise in das Totenreich im Namen von Satakal. So recht glaubte er nicht daran dass die Banditen den Weg dahin finden würden, aber es gab ihm ein gutes Gefühl, die Toten mit Würde zu behandeln.
    Die Brücke war nun gesäubert, und erst jetzt blickte sich Raccan nach seinem Achal-Tekkiner um. Dieser stand am Wegesrand vor der Brücke und wirkte irgendwie teilnahmslos. Abwesend tätschelte der Assassine den Hals des Pferdes. "Jaja, ich weiß. Hoffentlich musst du sowas nicht öfters erleben...", redete er auf das Tier ein, welches diesen Satz mit einem Schnauben quittierte, welches man beinahe für Zustimmung halten könnte. Einen Augenblick lang musterte Raccan verblüfft das Pferd, bevor er es an die Zügel nahm, die Brücke überquerte und seinen Weg Richtung Süden fortsetzte...

    Später in der Nacht sah er am Horizont die Lichter der Stadt Rihad auftauchen. Die Stadt war in ihrer Architektur Taneth sehr ähnlich, jedoch gab es kein Hauptgebäude, welches alles überragte, sondern die Stadt wirkte natürlicher. Es gab keine Hauptstraße, nichts war geplant in dieser Stadt, in dem Straßennetz ließ sich kein System erkennen; die Gebäude waren so gebaut worden wie man sie brauchte. Obwohl sie unkoordinierter wirkte, war sie ein wichtiger Handelspunkt in Tamriel, denn sie verband die Provinzen Hammerfell und Cyrodiil und war deswegen für die Wirtschaft unersetzlich, was sie vor allem ihrer Nähe zur Grenze verdankte.
    Raccan hatte jedoch nicht vor, die Stadt zu betreten. Vorräte brauchte er nicht, und bei dem Irrweg durch Rihad würde er wahrscheinlich mehr Zeit verlieren als wenn er Drumherum gehen würde. Nachdem der Wald lichter wurde, saß er wieder auf seinem Pferd auf und ritt in leichtem Trab auf den Umgehungsweg entlang. Viel wurde dieser nicht genutzt, denn fast jeder Reisende und Händler machte in Rihad Halt, sei es um die Stadt zu besichtigen oder um Profit zu machen. Als die Sonne sich langsam am Horizont bemerkbar machte, war Raccan bereits an der Grenze, welche durch den Fluss Brena symbolisiert wurde. Eine große Steinbrücke führte hier herüber. Auf der Hammerfell-Seite hielten die typischen Rothwardon-Wachen den Grenzverkehr im Auge, auf der anderen Seite auf Cyrodiil konnte man aus der Ferne bereits die grauen Rüstungen der kaiserlichen Wache erkennen. Die Grenzkontrolle an sich fiel recht sporadisch aus, denn die Wächter waren Rothwardonen gegenüber sehr viel aufgeschlossener als jeder anderen Rasse. So wurde er durch gewunken, lediglich ein größerer Grenzsoldat frotzelte "Und pass bloß auf die Nords auf, die sind in letzter Zeit überall", und dabei ließ er ein dröhnendes Lachen hören.
    Raccan hoffte nur dass er auf der Cyrodiil-Seite ebenso leicht durchkommen würde, denn allzu begeistert sahen die Wächter nicht aus als er langsam näher kam und sie ihm den Weg versperrten...

  5. #285

    Kaiserstadt

    Der Brief selbst war nicht besonders lang:

    Derjenige, der dies liest, hat die Ehre von meinen Dieben ausgesucht worden zu sein.
    Ich suche momentan nach Mitgliedern für die Diebesgilde. Du solltest also darüber
    nachdenken, ob du uns wirklich beitreten willst. Wir dulden keine späteren Aussteiger,
    also überlege es dir gut. Zeig einem Bettler diesen Brief und er wird dir helfen können
    die Gilde zu finden. Du würdest es bereuen ihn einem Wachmann zu geben. Wir werden
    es herausfinden, wenn du uns verrätst. Wenn du jedoch beitrittst und dich anstrengst,
    ist dir ein schneller Aufstieg gewiss. Du könntest viel verdienen und dir so einiges
    leisten. Ich hoffe auf die richtige Entscheidung.

    Der Graufuchs

    Rylt atmete schneller. Eine Diebesgilde! Der perfekte Job für mich. Er dachte gar nicht daran, den Brief einem Wachmann zu geben. Also machte er sich auf einen Bettler zu finden. Sollte nicht zu schwer sein, hier gibt es bestimmt haufenweise von denen. Und er wurde nicht enttäuscht. Er brauchte zwei Minuten, bis er den ersten fand. "Hast du mal ne Münze?", fragte er. "Klar, habe ich ein bisschen Geld für dich." Er gab ihm ein Goldstück und holte den Brief raus. "Weißt du auch was das ist?" Die Augen des Bettlers weiteten sich. "Ah, ich sehe die Diebesgilde braucht deine Fähigkeiten. Es ist gut, dass du zu mir gekommen bist. Ich sage dir, wo du hin musst. Geh um Mitternacht zum Garten von Dareloth." "Garten von Dareloth? Wo ist der?" Der Bettler grinste. "Neu hier, was? Naja, geht mich wohl nichts an. Der Garten ist hinter dem Haus mit der vernagelten Tür, da vorne." Rylt zwinkerte ihm zu und gab ihm noch eine Münze. "Für deine Hilfe." "Ach, das macht der alte Ralf doch gerne." Rylt war zufrieden. Er hörte aus der Ferne einen Wachmann die Uhrzeit rufen. Was, schon 10 Uhr? Der Waldelf hatte gar nicht gemerkt, dass die Sonne untergegangen war. Ich glaube, so früh komm ich heut nicht mehr ins Bett. Er vertrieb sich die zwei Stunden, indem er ein bisschen das Hafenviertel erkundete, fand aber nichts Interessantes. Also ging er zu dem Garten, wo zwei Personen warteten. Es waren ein Khajiit und ein Rothwardone. Als der Rothwardone den angehenden Dieb kommen sah, fing er an zu sprechen: "Ah, du bist gekommen. Wir können dich gut gebrauchen, falls du uns nicht enttäuschst." Er richtete nun das Wort an beide Rekruten: "Mein Name ist Armand Christoph. Um der Diebesgilde beizutreten, müsst ihr zuerst einen Test bestehen. Dann sehen wir weiter." Der Khajiit schaute selbstsicher. "Den besieg ich doch mit links." Na, der wird sich wundern. Ich werde den beiden zeigen was ich drauf habe. Armand ergriff wieder das Wort. "Also gut. Eure Aufgabe ist folgendes: Brecht in das Haus des Kaiserlichen Arcturus ein und bringt mir sein Claymore. Er hütet es wie einen Schatz, also wird es nicht einfach. Wo er wohnt, müsst ihr selbst herausfinden. Wer Dietriche braucht, kann sie hier bei mir kaufen. Kehrt morgen um Mitternacht hierher zurück. Also los!" Rylt und der Khajiit liefen los.

    Wo ist er? Er muss doch irgendwo hier sein. Dann sah er ihn um die Ecke huschen. "Hey! Ralf, warte!" Der Bettler drehte sich um. "Schön, dass man sich wieder sieht. Was ist los?" "Weißt du wo das Haus von Arcturus ist?" Der Bettler lächelte. "Der Test, was? Ich weiß, wo er wohnt. Für die richtige Summe könnte ich es dir verraten." Rylt verdrehte die Augen. "Reichen 15 Goldstücke?" Der Bosmer reichte ihm das Geld. Ralf freute sich: "Danke. Arcturus wohnt im Tempelbezirk. Dort vorne durch das Tor. Es ist das höchste Gebäude dort, abgesehen von den Türmen." Der Waldelf rannte sofort los. Auf seinem Weg zum Tor sah er den Khajiiten auf eine Dunkelelfin einreden. Er sah wütend aus. Hat wohl noch nicht herausgefunden wo das Haus ist. Ich muss aufpassen, dass er mir nicht folgt. Rylt schlich durch die Schatten an ihm vorbei und ging durch das Tor. Zwei Minuten später stand er vor dem Haus. Es war nicht schwierig gewesen es zu finden. Er prüfte das Schloss. Nicht besonders gut. Sollte leicht aufzukriegen sein. Er zückte einen Dietrich und schob ihn sachte in das Schloss. Bloß nichts falsch machen... geschafft! Mit einem Klicken öffnete sich das Schloss. Der Einbrecher lächelte zufrieden und schlich hinein. Innen angelangt, schaute er sich um. Hm, ziemlich groß hier. Der muss ziemlich reich sein. Vielleicht gibt es hier etwas mehr zu stehlen, als das Claymore. Aber das ist Nebensache. Wo könnte das Claymore sein? Ich schätze mal, er bewahrt es ganz oben in seinen Gemächern auf. Der Dieb ging zur Treppe. Die Tür oben war auch verschlossen, stellte aber kein großes Problem dar. Nach einer Minute war er oben. Er war
    sehr vorsichtig. Ich darf die Bediensteten nicht wecken. Diese schienen einen festen Schlaf zu haben, er kam ohne Probleme in die Gemächer des Hausherrn. Das Claymore lag auf der Kommode hinter dem Bett, in dem der Kaiserliche schlief. Rylt ging darauf zu... er war nur noch einen Meter davon entfernt... "Hm? Wasn los?" Rylt warf sich auf den Boden und hielt die Luft an.Ist er aufgewacht? Sieht er mich? Er drehte sich auf dem Boden um und sah auf das Bett. Der Hausherr schlief tief und fest.Der soll sich mal abgewöhnen im Schlaf zu reden. Das war knapp. Er schnappte sich das Claymore und machte sich auf den Rückweg.

    Rylt saß in der Taverne und aß. Der Einbruch war erfolgreich gewesen, er hatte sogar noch etwas Geld mitgenommen. Er musste nur noch bis Mitternacht warten. Er war hundemüde, deswegen stand er auf, bezahlte für ein Zimmer und ging die Treppe hoch. Das Claymore legte er unter das Bett. Er schlief schnell ein. Als er aufwachte, hörte er wie ein Wachmann draußen die Uhrzeit verkündete. Schon 6 Uhr nachmittags? Gähnend stand er auf und griff unter das Bett. Das Claymore war nicht mehr da. Rylt erstarrte. Das muss der Khajiit gewesen sein! Ich muss es zurückholen. Er ging sofort runter in die Taverne. Dort stand der Besitzer der Taverne hinter dem Tresen. "Entschuldigen sie? War hier gestern ein Khajiit? Er ist blond und trägt eine Lederrüstung." Der Ork dachte einen Moment nach. "Ja, an den erinnere ich mich. Hat hier gestern ein Bier getrunken. " Er schaute finster drein. "Mit dem würde ich mich nicht anlegen. Ist ein finsterer Kerl. Der saß das ganze letzte Jahr im Gefängnis." "Wissen sie, wo er wohnt?" "Klar, der wohnt im Hafenviertel. Aber leg dich nicht mit ihm an. Das kann nicht gut enden." Der Bestohlene ging hinaus. Mit dem werd ich schon fertig. Eine Stunde später stand er vor der Hütte. Er hatte mal wieder Ralf gefragt, welche Hütter der Khajiit bewohnt und der hatte es ihm sogar ohne Gegenleistung verraten. Rylt prüfte das Schloss. Es war nicht verschlossen. Was für ein Idiot! Vergisst der doch glatt, abzuschließen. Drinnen war niemand. Er griff sich schnell das Claymore, das auf dem Tisch lag und ging wieder. Um Mitternacht ging er dann zum Garten von Dareloth und traf dort Armand Christoph und den böse dreinblickenden Khajiit. Er gab Armand das Claymore. "Sehr gut. Du hast bestanden. Dein erster Auftrag erwartet dich morgen. Selber Ort, selbe Zeit." Der Khajiit flüsterte, als er an ihm vorbeiging: "Na warte, das wird noch ein Nachspiel haben."
    Geändert von Muffin (18.08.2011 um 14:26 Uhr)

  6. #286

    Grenze Cyrodiil -> Anvil -> Skingrad

    Lange musste der Rothwardon nicht umherschauen um den Ursprung der schlechten Laune der Wache vor sich auszumachen; im Hintergrund, direkt am Ansatz der Brücke, diskutierte ein Händler wild gestikulierend mit den Wächtern, aus Wortfetzten hörte Raccan heraus dass es wohl um zollpflichtige Gegenstände ging, die in den Augen des Geschäftsmannes keine waren. Er nahm sich vor nicht großartig aufzufallen und kam dem Kaiserlichen in der schweren Rüstung vor sich mit Einsilbigkeit entgegen.
    "Habt ihr etwas zu verzollen?"
    "Nein."
    "Wenn ich etwas finde, zieht das eine Strafe nach sich."
    "Ja."
    "Dann schau ich jetzt nach."
    Stumm gab er seine Zustimmung dazu, er glaubte nicht, dass der Mann etwas finden würde. Allerdings hatte er weder die Satteltaschen noch die Taschen der Rüstung bis jetzt genauer untersucht. Ziellos kramte der Wächter in den Taschen herum, anscheinend machte ihm das nur zu viel Spaß, in den Sachen anderer Leute herumzuwühlen. Misstrauisch beäugte er hier und da die Gegenstände: Essen, einen Kompass, weiterer Wurfmesser, diverse rituelle Gegenstände, ein kunstvoll aussehendes Gerbermesser. Raccan musste unbehaglich von einem Bein auf das andere treten, denn er wusste, wofür ihm diese Gerätschaft eingepackt wurde. Der Kaiserliche aber kümmerte sich nicht darum, etwas Ungewöhnliches fand er nicht, und dies verhagelte ihm noch mehr die Laune.
    "Einer von diesen Nomaden-Verrückten, wunderbar...", richtete er das Wort nach der Taschenkotrolle an Raccan. Er nahm dies schweigend zur Kenntnis und wollte sich auf das Pferd zubewegen, als der Wächter ihn argwöhnisch musterte. "Und was ist das da? Schmuggelware?", und der Finger der Zollkontrolle deutete auf das Silberschwert an seinem Gürtel, was in der mit Schlangenleder bespannten Scheide steckte.
    "Nein. Ein Geschenk meines Stammes, welches mich auf meiner Reise beschützen soll", antwortete Raccan mit fester Stimme.
    Einen Augenblick lang schaute der Kaiserliche verdutzt drein, dann plötzlich lachte er schallend los und winkte nach einem seiner Kollegen, der sofort herbeieilte. "Das musst du dir anhören. Dieses bunte Teil da an seinem Gürtel wird ihn beschützen auf seiner Reise...", und beide fingen abermals an zu lachen, was Raccan aber mit stoischer Ruhe ertrug. Nachdem das Gelächter abgeklungen war, straffte der Mann die Schultern. "Das Ding wird dich nicht beschützen, sondern nur die Aufmerksamkeit von Plünderern auf sich ziehen. Aber ich bin der letzte, der sich darüber aufregt, dass ein weiterer eurer Sorte das Zeitliche segnet...verdammte Nomaden...der Wegzoll beläuft sich auf 15 Septime, weitere 10 für das Pferd", und der Wächter streckte die Hand heraus.
    Ich hätte jetzt nicht übel Lust, dir in deine lächerlich grinsenden Visage zu schlagen, aber anstatt sich auch nur das Kleinste nach außen hin anmerken zu lassen, kramte er in seiner Hosentasche und ließ 25 Sepime in die Hand des Wächters klimpern, nahm die Zügel des Pferdes und kehrte den beiden Männern mit einem "Gehabt euch wohl" den Rücken. Sie rissen noch weitere Witze, aber Raccan schenkte ihnen keinerlei Beachtung mehr. Auch den Händler passierte er ohne große Probleme, dieser war sowieso damit beschäftigt, seine Edelsteine als Imitate zu deklarieren, aber die Wächter sprangen nicht darauf an und forderten eine hohe Geldsumme. Der Rothwardon war etwas von der Brücke entfernt, erst dann steig er auf und ritt in leichtem Trab die Handelsstraße gen Süden Richtung Anvil entlang...

    Das Landschaftsbild hier in Cyrodiil entlang der Handelsstraße änderte sich recht zügig, je näher Raccan der Hafenstadt kam und weiter er sich von Hammerfell entfernte. Die Steppe, welche in der Nähe von Rihad nur von einigen wenigen niedrigen Bäumen gesäumt war, wich hier sanften Wiesen mit schon recht ausgeprägter Nadelbäumen. Ab und an begegnete der Rothwardon Reisenden und Händlern, welche aber keine Notiz von ihm nahmen, aber Raccan war das nur Recht. Auffallen wollte er nun wirklich nicht. Es dauerte nicht lang, da erblickte er einen kleineren Weg, der von der Handelsstraße Weg führte, und unweit davon konnte man auf einer kleinen Anhöhe eine Statue erkennen. Ein kräftig wirkendes Wesen, welches einem Ork ähnelte, hielt ein zweihändiges Schwert über den Kopf, als wollte es zu einem gewaltigen Schlag direkt von oben ausholen. Vor dem Denkmal standen Bänke und ein Rednerpult, und an letzteren stand ein Ork in einem Leinengewand und trug aus einem Buch vor. Nicht wenige Zuhörer hatten sich um ihm versammelt, einige ebenfalls mit Kutten bekleidet, andere sahen aus wie normale Reisende. Raccan hielt einen Moment inne und lauschte dem Ork, aber sehr viel konnte er nicht verstehen; nur soviel dass er begriff dass es sich hierbei um den Schrein einer Gottheit handelte. Bedächtig musterte er das Denkmal. Sympathisch sah dieser Kerl ja nicht gerade aus, aber schnell rügte er sich für diesen Gedanken. Was verehrte er denn denn? Schlangen, von der in jeder einzelnen ein Stück von Satakal selbst enthalten war. Wie sah Satakal eigentlich aus? Er hat viele Gestalten, äffte er in Gedanken die Priester seines Stammes nach, welche ihn für so eine Frage wahrscheinlich gleich wieder einem ihrer vielen Rituale unterzogen hätten, um ihm diese blasphemischen Äußerungen auszutreiben. Raccan zuckte mit den Schultern und folgte dem Richtung Anvil, ohne sich um die Pilger weiter zu kümmern.
    Der restliche Weg blieb ereignislos; außer der ein oder anderen Burgruine und Anwesen am Horizont bekam er nichts Bemerkenswertes mehr in Sicht, und selbst damit hatte er Glück, denn nur selten gaben die überall herumstehenden Bäume genug freie Sicht, um weit zu schauen. So war er froh, als mit Anvil endlich wieder Abwechslung in Aussicht gestellt wurde.

    Eine einfache, bullige Stadtmauer, Rundtürme, eine alles überragende Kathedrale und im Hintergrund das große Schloss der Gräfin von Anvil. Ein Blickfang war ebenfalls der große Hafen mit den unzähligen Schiffen. Insgesamt betrachtet war Raccan dennoch etwas enttäuscht. Er hatte sich die Stadt etwas einzigartiger vorgestellt, war er doch den Anblick der pompösen und einzigartigen Städte Hammerfells gewohnt. Diese hier sah aber nicht großartig anders aus als dieses Chorrol oder Skingrad. Einfach zu bauen wenn man nicht immer wieder neue Dinge erfinden muss..., schmunzelte Raccan in sich hinein und hielt auf das Stadttor zu.
    Die Stadtwache machte ihm keine Probleme, zumindest bis zu dem Zeitpunkt an dem er sein Pferd aus Gewohnheit an den Zügeln in die Stadt führen wollte. Der Torwächter stellte sich ihm in den Weg und blickte ihn grimmig an.
    "Wo wollt ihr denn hin?!", fuhr er Raccan an.
    Der Rothwardon blieb zunächst verdutzt stehen, dann dämmerte ihm sein Fehler. "Verzeiht, in Hammerfell ist es nichts ungewöhnliches, sein Pferd mit in die Stadt zu nehmen.".
    "Jaaaahhhh...", der Wächter setzte einen Blick auf der irgendwie sagte Wo kommst du denn her, aber dann nickte er Richtung Stallungen und verschränkte die Arme, "...aber hier handeln wir das nicht so.".
    "Ja, danke für den Hinweis...", bedankte sich Raccan freundlich und führte seinen Achal-Tekkiner zu dem Mann, der vor den Stallungen stand und desinteressiert seine Fingernägel musterte. Auf Nachfrage des Rothwardonen verlangte er 5 Septime und nahm ihm nach Erhalt des Geldes die Zügel aus der Hand. Etwas misstrauisch war Raccan, so weit entfernt von seinem Pferd entfernt zu sein, da war ihm nicht wohl zumute; aber wenn das hier alle so taten, dann würde das schon seine Richtigkeit haben. Nochmal einen letzten skeptischen Blick zurück zu den Stallungen werfend (und dabei registrierend, dass ihn der Wächter musterte, als habe Raccan nicht mehr alle Latten am Zaun) betrat er schließlich Anvil durch das nördliche Tor.
    Cyrodiil scheint ein teures Pflaster zu sein, dachte er als er den Vorplatz betrat, denn er war erst wenige Stunden hier und hatte schon 30 Septime berappen müssen. Wer weiß was die Herbergen hier kosteten. Raccan schaute sich um. Links befand sich ein kleiner See mit der Statue einer Frau auf der anderen Seite. Hier auf dem Platz reckte sich ein mächtiger Baum in die Höhe, und allerlei interessanter Gebäude fanden sich hier. Aufmerksam ließ er seine Augen über die Schilder gleiten. Kriegergilde, Magiergilde, eine Schmiede und ein Wohnhaus. Rechts führte der gepflasterte Weg eine Anhöhe hinauf, wo er einen weiteren Platz mit Baum sehen konnte, sowie weitere Häuser. Eine Herberge oder Taverne war nicht zu sehen. Aber er war nicht hier um sich auszuruhen, sondern um den Khajiit zu finden. Einige Personen waren auf den Straßen unterwegs, aber keine sah irgendwie nach einem Katzenwesen aus. Kurzerhand wandte sich Raccan an eine Stadtwache, welche gerade vorüberschritt.
    "Entschuldigt. Kennt ihr einen Khajiit namens Hawa'ajala?". Im nächsten Moment bereute er diese Frage, er konnte doch nicht einfach durch die Stadt laufen und offen nach so etwas fragen. Er wollte sich schon abwenden, als ihn die Antwort des Mannes überraschte.
    "Was seid ihr, Kopfgeldjäger? Normalerweise verachte ich euresgleichen, aber wenn ihr solches Gesocks wie Khajiit und diese Echsen jagt, kann ich das nur unterstützen. Leider weiß ich aber nicht, wo ihr diesen Hawadingsbums finden könnt. Aber ich gebe euch einen Rat: Seid vorsichtig mit euren Fragen, wenn es die Falschen hören habt ihr schneller einen Mob dieser Katzen- und Echsenbefürworter am Hals als euch lieb ist. Haltet euch am besten an die Bettler, die bekommen alles mit und für ein paar Goldstücke lassen sie euch daran teilhaben.".
    Die Ausführungen der Wache hatten Raccan überrumpelt, sodass er sogar vergaß, danke zu sagen während er sich verabschiedete. Waren diese Khajiit hier wirklich so verhasst wie die Wache ihm begreiflich machen wollte? Egal, um politische Angelegenheiten brauchte er sich nicht zu kümmern. Der Mann hatte etwas von Bettlern gesagt, und Raccan blickte sich nach eben solchen um. Augenscheinlich war hier keiner von diesen am Platz, so beschloss der Assassine, am Hafen nachzusehen, denn solche Leute befanden sich immer an gut besuchten Orten, und was das anging war die Anlaufstelle für Schiffe die erste Wahl. Auf seinem Weg dahin (er nahm an, dass er nur der Hauptstraße nach oben folgen musste) kam er an dem zweiten großen Platz vorbei. Ein Rundumblick verriet ihm, dass hier hauptsächlich nur Wohnhäuser ansässig waren, aber auch eine pompös aussehende Herberge fasste er in den Fokus. Generell sahen die ganzen Gebäude aus, als wären sie nicht gerade billig und einfach gehalten, sondern sie strahlten eine gewisse Eleganz aus. Raccan mochte gar nicht daran denken, was es kosten würde, in der Taverne zu übernachten, so nahm er sich vor, sobald wie möglich weiter zu ziehen.

    Der Hafen überraschte den Rothwardonen nicht sonderlich, denn im Grunde waren sie alle gleich aufgebaut. Unzählige Piers, große und kleine Schiffe, Stapel von Kisten auf den Planken, geschäftige Packer und Geschäftsleute, Seemänner und Kapitäne überall. Schiffe aus allen Regionen erkannte er hier, auch eines dessen Besatzung ausschließlich aus Rothwardonen bestand. Ein wenig Heimweh hatte er bei diesem Anblick schon, allerdings wurde dies ganz schnell von der Erwartung überdeckt, viele neue Dinge hier in Cyrodiil zu sehen. Raccans wache Augen musterten die Menschen, und in all dem Getümmel sah er am Straßenrand einen Bettler sitzen. Zielstrebig ging er auf den schmutzigen Mann in den zerrissenen Kleidern zu und vor ihm in die Hocke. Müde Augen blickten ihn an.
    "Seid gegrüßt. Habt ihr von einem Khajiit gehört, der in letzter Zeit hier in Anvil angekommen ist?", und Raccan reichte dem Bettler ein paar Septime in die schmutzige Pranke. Dieser musterte das Geld einen Augenblick und ließ dann ein zahnloses Grinsen sehen. "Geht in die Schwimmende Schüssel hier hinter mir, fragt Bert, er sitzt am Tresen und bechert sich die Hucke voll; der bekommt alles mit. Sagt, dass Ulfgard euch schickt", und plötzlich war das Geld verschwunden und der Bettler verfiel in seine Trance zurück. Etwas erstaunt darüber, wie ein paar Septime doch die Zunge lockerten und dieser griesgrämigen Person ein Lächeln entlockten, erhob sich Raccan und schaute sich die Spelunke hinter dem Bettler an. Auf dem Schild stand "Zur Schwimmenden Schüssel", und diese "Taverne" sah alles andere als einladend aus. Aber wenn er Informationen wollte, musste er wohl da rein, und so schob er die knarrende Tür auf und betrat das Haus.
    Drinnen hielt Raccan erst einmal inne, der Geruch, der ihn entgegenschlug, raubte ihm den Atem. Eine Mischung aus Fisch, Erbrochenen, Bier und Schimmel, dies beschrieb es ziemlich genau. Nachdem sich der Rothwardon gefangen hatte, trat er ein paar Schritte in den Schankraum hinein. Der Laden war gut besucht, an jedem morschen Tisch saßen Seemänner, vereinzelt auch Frauen, und unterhielten sich lautstark über belanglose Themen wie der Seefahrt, Prügeleien, Alkohol oder Ungeheuer. Einige warfen Raccan einen mürrischen oder feindseligen Blick zu, als dieser sich zum Tresen vorkämpfte. Er fühlte sich hier nicht recht wohl, ein falsches Wort oder Blick, so kam es ihm vor, konnte dazu führen, dass er hier von der versammelten Mannschaft zusammengeschlagen wurde, und darauf hatte er nun gar keine Lust. An der Theke stand ein Bosmer und unterhielt sich mit einem Artgenossen. Raccan stutze. Nein, nicht nur mit einem Artgenossen. Er unterhielt sich....mit sich selbst! Der Rothwardon hielt erst einmal überrascht inne, und die beiden Waldelfen bemerkten seinen Blick.
    "Schau mal, Maenlorn, noch einer, der noch nie Zwillinge gesehen hat", meinte der linke spöttisch. Der rechte nickte. "So zu starren ist aber auch reichlich unhöflich.".
    Raccan schüttelte hastig den Kopf. "Nein, nein, Verzeihung. Ich suche Bert, Ulfgard meinte, ich fände ihn hier drinnen.". So etwas Seltsames aber auch, außer den Klamotten gab es keine Unterschiede.
    "Bert, soso...", und die Blicke der beiden Elfen fielen auf die Bewaffnung von Raccan. "Wenn du hier Stress machen willst, verlässt du dieses Haus nicht mehr stehend", motze Maenlorn (oder war es doch der andere? Raccan hatte es vergessen) und deutete auf einen zerrissen aussehenden Typen in der Ecke, der einsam in einen halbvollen Krug Bier starrte. Der Rothwardon bedankte sich freundlich und kämpfte sich zu dem Bettler durch, wobei er den ein oder anderen gehässigen Ellenbogenschlag oder gestellten Bein ausweichen musste. Bei Bert angekommen ließ er sich auf dem freien Platz dem Mann gegenüber nieder; dieser blickte nicht einmal auf. Zunächst musterte Raccan den Kerl vor sich: Unrasiert, Bettlerkleidung, recht kräftig, Bretone, fettige schulterlange braune Haare. Sympathisch war etwas anderes, aber dennoch schlug der Assassine einen freundlichen Tonfall an.
    "Hallo, Bert. Ulfgard schickt mich von draußen, er meint ihr könntet mir bei der Suche nach einem Khajiit helfen. Ich muss wissen ob einer in der letzten Zeit angekommen ist hier in Anvil.".
    Eine lange Zeit geschah nichts, der Mann zeigte auch keine Reaktion. Raccan dachte schon, dass der Bretone ihn nicht verstanden hatte und wollte schon noch einmal ansetzen, als dieser plötzlich leise zu sprechen begann, ein wenig lallen schwang in der Stimme mit.
    "Diese dämlichen Katzen. Zum Glück, nein, keine angekommen. Nur die üblichen verdammen Echsen hier in Anvil. Und die dämlichen Wachen. Dämliche Brut. Dämliche Händler. Alles dämlich. Khajiit? Nein, wirklich nicht. Und das wüsste ich. Ich hasse dämliche Khajiit."
    Der Rothwardon war etwas verwirrt. Konnte er diesem sturzbesoffenen Kerl trauen? Auf der anderen Seite sprachen Betrunkene meistens die Wahrheit. Sehr viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen hatte er allerdings nicht, denn plötzlich wurde er von einer verführerischen, weiblichen Stimme angesprochen.
    "Ihr seid nicht von hier, das sieht man..."
    Raccan blickte auf, und neben ihm stand eine wunderschöne Rothwardonin mit langem schwarzen Haaren und einem blauen Kleid, welches ihren attraktiven Körper genau an den Rundungen betonte, welche einem Mann sofort ins Auge fielen, und auch der Assassine blieb mit seinem Blick zunächst an ihrem Ausschnitt hängen, bevor er ihr in die braunen Augen blickte, was aber wohl eher daran lag, dass er saß und sie stand. Die Frau quittierte dies mit einem warmen Lächeln, legte ihm ungefragt ihren Arm um die Schultern und bewegte ihren Lippen so nah an sein Ohr, dass sie ihn fast berührte.
    "Wenn du sehen willst, was sich unter dem Kleid versteckt, komm kurz vor Mitternacht zu dem Bauernhof südöstlich von Anvil. Ich warte auf dich...", und die letzten Worte stöhnte sie ihm beinahe ins Ohr. Dann löste sie sich geschmeidig von ihm und ehe er fragen konnte, was das bedeutete, drehte sie sich um und verließ mit schwingenden Hüften die Spelunke, wobei sie neugierige und geifernde Blicke nach sich zog. Raccan jedoch blieb noch einen Moment lang verdutzt sitzen, eher er ein "Ich danke euch" Richtung Bert sprach und sich erhob; Bert quittierte dies seinerseits mit einem lauten Rülpser und starrte dann weiter in seinen Krug. Der Rothwardon bewegte sich eilig auf den Ausgang zu. Was war denn das gerade eben? ging ihm dabei durch den Kopf, und er stieß die Tür auf und trat hinaus.
    Er wollte die Frau finden, ihm kam das Ganze sehr suspekt vor, aber sie war verschwunden; so sehr er sich auch bemühte, sich immer wieder umblickte und mit den Augen den Hafen absuchte, sie war verschwunden. Enttäuscht stemmte er die Hände in die Hüften. "Na dann werde ich wohl weiterreisen; in Anvil ist der Khajiit ja nicht", und er wollte sich zum gehen wenden. Dazu kam er jedoch nicht, denn plötzlich packte ihn eine kräftige Hand an der Schulter, riss ihn herum, und er sah eine Faust auf sich zufliegen.

    Die Pranke des Nords traf ihn wie eine Dampframme, und er flog zurück und landete mit dem Hintern auf den Planken. Sein Mund füllte sich mit Blut, und er betrachtete, noch etwas benommen, sein Gegenüber. Es handelte sich um einen kahlköpfigen Nord mit dem Körperbau eines Kleiderschranks. Unzählige Tattoos und Verzierungen schmückten seine Arme und Beine, die meisten hatten etwas mit der Seefahrt zu tun. Der Muskelprotz schwankte ein wenig, ganz offensichtlich war er stark alkoholisiert, was bei einem Nord wohl bedeutete, dass er ein ganzes Fass voll Schwarzgebrannten intus haben musste. Raccan schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden und rappelte sich langsam auf. Kaum war er auf den Beinen, spuckte er das Blut auf den Boden, was der Nord mit einem zufriedenen Grinsen quittierte. Um die beiden herum hatte sich ein Kreis gebildet, keiner traute sich einzumischen, aber dennoch waren genug Leute neugierig was hier denn vor sich ging.
    "Diiieeehhh Frauuu gehööört miiiir...", lallte der Barbar plötzlich lauthals los und zeigte mit dem Finger auf Raccan. "Mmmmmich hat seee zuuuuerssst ange....ange...besprooochn".
    Dem Rothwardonen dämmerte jetzt, worum es ging, und er hatte die Ahnung, dass mit dieser Alkoholleiche nicht vernünftig zu reden war. Trotzdem versuchte er es. "Ich will doch gar nichts von ihr...".
    "Duuuuhhhh lügst, duuuuh hast auf ihre....Brüüüühste gestaaaaahrrt", und der Kollos machte einen schwankenden Schritt auf Raccan zu.
    Leugnen zwecklos, das habe ich tatsächlich wirklich, und dabei muss er leicht gegrinst haben, denn nun brachen bei dem Nord alle Dämme und er stürzte auf Raccan zu. Dieser machte einen Ausfallschritt zur linken Seite und wich dem Koloss aus, was angesichts dessen Zustandes ein Leichtes war, denn der Nord reagierte beinahe nur im Zeitlupentempo. Raccan hatte nicht die Absicht, ihn zu töten, aber um dieses Tier umzuhauen bedurfte es mehr als einen einfachen Schlag. Er ballte die linke Faust, und kaum hatte sich der Nord, in leicht gebückter Haltung den Kopf zu ihm gedreht, schlug Raccan zu. Dabei hatte er weit ausgeholt und darauf geachtet, sein gesamtes Körpergewicht hinter die Faust zu bekommen, was ihm offensichtlich sehr gut gelungen war. Krachend schlug seine Linke gegen die rechte Gesichtshälfte des Nords, und dieser brach wie ein nasser Sack zusammen und schlug bewusstlos auf den Boden auf. Ein Raunen ging durch die umstehenden Leute, und abwechselnd blickten sie ungläubig zwischen Raccan und dem Nord hin und her. Der Rothwardon inzwischen hatte seine Körperhaltung gelockert, blickte um sich und massierte sein Handgelenk; ihm kam es gerade so vor als habe er gegen eine Wand aus Stahl geschlagen, und dies machte sich in seinen Knochen bemerkbar. Wortlos drehte er sich um und ging Richtung Stadttor davon. Das Kapitel Anvil war für ihn beendet, hier ist der Khajiit nicht durchgekommen; und sich noch länger hier aufhalten wollte er auch nicht, am Ende hatte er noch eine ganze Horde betrunkener Nord-Seeleute am Hals, das konnte er nicht brauchen. An die Frau dachte Raccan auch nicht mehr, zu plump und spontan war ihm diese Offerte vorgekommen als dass sie wirklich ernst gemeint war.
    Kurze Zeit später fand er sich wieder auf seinem Pferd wieder und ritt Richtung Skingrad & Kvatch. Jetzt noch ärgerte er sich, dass er die 5 Septime bezahlt hatte, er war nicht einmal eine Stunde in Anvil, da hatte sich diese Investition nicht gelohnt. Etwas außerhalb der Stadt saß er ab und befühlte seine Wange. Der Nord hatte ordentliche Arbeit geleistet, die Stelle wo er getroffen hatte, schmerzte und fing an zu schwellen, vielleicht war der Knochen sogar angebrochen. Hastig kramte er in der Satteltasche und holte einen kleinen abgedeckten Becher hervor, in dem eine dunkelgrüne Paste war. Eine Fingerspitze nahm er heraus und verschmierte sie auf seiner Wange, bis sie nicht mehr zu sehen war. Diese Salbe, aus Frauenmantel und Steinpilzen, vermengt mit Fett, unterstützte die natürliche Regeneration des Körpers um ein Vielfaches, innerhalb von ein paar Stunden würde er sich besser fühlen. Ordentlich verstaute er wieder alles, schwang sich in den Sattel und setzte seinen Weg fort.
    Auf seinem Weg Richtung Skingrad kamen ihm allerhand Reisende entgegen, allerdings sahen die wenigstens sonderlich glücklich aus. Im Gegenteil, gehetzte und panische Gesichter erblickte er und musterten ihn, einige Frauen weinten und zogen ihre Kinder mit sich. Auffallend war, dass nur wenige Richtung Skingrad zogen, und wenn dann handelte es sich dabei um kleine Trupps Wachen oder um Händler mit ihren Wagen. Er fragte sich ernsthaft, ob es schlau war, weiterzuziehen, denn es dämmerte langsam und schon ein Gasthaus hatte er links liegen lassen. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und der Wald wurde dichter, schon fast hatte er sich damit abgefunden, die Nacht hier draußen zu verbringen, als ein Haus am Wegesrand auftauchte. Es stellte sich als Gottshaw-Herberge heraus, mit einem überdachten Stall an der Seite. Es war niemand zu sehen, so brachte er sein Pferd einfach da hinein und betrat dann das Haus durch den Vordereingang.
    Drinnen war es dunkel, abgesehen von der Kerze, welche am Tresen brannte. Die Einrichtung präsentierte sich hauptsächlich im rustikalen Stil; einige Tische standen herum, an denen aber die Stühle hochgestellt waren. Insgesamt betrachtet sah das Ganze wenig einladend aus; wie als wäre die Herberge geschlossen worden. Etwas verwirrt trat er an die Kerze heran und schaute sich um.
    "Hallo? Ist hier jemand?", rief er einfach mal auf gut Glück. Man hörte ein gedämpftes Poltern, dann wurde eine Tür hinter dem Tresen geöffnet und ein Waldelf trat heraus, der sichtlich überrascht aussah und Raccan fragend anblickte. Als er keine Anstalten machte, etwas zu sagen, bohrte der Rothwardon weiter.
    "Bekommt man hier noch ein Zimmer?".
    "Ihr wollt ein Zimmer?", große Überraschung schwang in der Stimme des Bosmers mit.
    "Ja, eigentlich schon, aber zuerst müsst ihr mir sagen warum das alles hier aussieht als ob ihr nicht mehr offen habt".
    Der Waldelf machte ein forschendes Gesicht; so recht schien er Raccan dessen Ahnungslosigkeit nicht abzunehmen. "Von wo stammt ihr?", fragte er stattdessen.
    "Aus Hammerfell", und kaum hatte der Assassine die Worte ausgesprochen, zeigte sich Erkenntnis bei dem Mann.
    "Hammerfell, da ist diese Krise noch nicht so verbreitet. Obliviontore, ich sag's euch. Überall im ganzen Reich, Unmengen von Daedra. Und als ob das nicht genug wäre, haben sie zu allem Überfluss gleich mal Kvatch überrannt. Kvatch ist nicht weit von hier wie ihr vielleicht wisst. Demzufolge kann ich meine Herberge erst einmal schließen, wer will schon in der Nähe dieser Hölle rasten. Schon ich selbst bekomme meine Zweifel, ob ich hierbleiben sollte. Ich habe Bekannte in Anvil, zu denen werde ich gleich aufbrechen. Also tut mir leid, ich habe kein Zimmer für euch. Ich würde euch auch empfehlen, sofort weiter zu ziehen nach Skingrad, wenn ihr ein gutes Tempo anschlagt schafft ihr es bis Mitternacht. Und macht einen Bogen um die Garnison, welche an der Abzweigung Richtung Kvatch rastet. Mittlerweile ist es so schlimm, dass sie jeden Vorbeiziehenden zwangsrekrutieren, der auch nur im Entferntesten danach aussieht als ob er kämpfen könnte.".
    Raccan nickte stumm und verließ die Herberge. Das war nicht das was er hören wollte. Sich mit Daedras anlegen zu müssen war so gar nicht in seinem Sinne, auch wenn er nur im Entferntesten überhaupt wusste, was Daedra überhaupt waren. Irgendetwas Übernatürliches aus der roten Ebene, er hatte die Priester oft davon erzählen hören, mit klaren Aussagen war es bei denen aber nicht weit her, zu oft verloren sie sich in Metaphern, die das Ganze nur allzu stark verfälschten. Eine Katastrophe in Kvatch also, das erklärt Einiges. Raccan machte das Pferd fertig und reiste weiter den Weg entlang Richtung Skingrad; aufsteigen jedoch unterließ er, sondern er führte das Tier zu Fuß an den Zügeln hinter sich her, um so zu vermeiden, dass er der von dem Bosmer erwähnten Garnison in die Arme ritt.

    Das Lager an der Abzweigung Kvatch-Skingrad hatte Raccan hinter sich gelassen, dabei gestaltete sich diese Unterfangen einfacher als gedacht. Schon von Weitem hatte er es gesehen und sich im Schutze der Nacht einfach ins Gebüsch geschlagen und war zum Weg parallel mitgelaufen ehe er einige hundert Meter hinter dem Lager wieder auf die Straße getreten war; Angst vor wilden Tieren hatte er nicht, die würden sich nicht so nah an ein großes Lager herantrauen. Im nachhinein betrachtet war das sicherlich leichtsinnig, Cyrodiil ist soviel anders als Hammerfell, warum sollten sich dann auch die Tiere gleich verhalten. Raccan schob den Gedanken beiseite und setzte seinen Weg fort, aber weit kam er nicht, da wurde ihm der Weg schon wieder versperrt. gerade noch rechtzeitig bemerkte er es, sodass er abermals ins Gebüsch ausweichen konnte.
    Die Straßensperre stellte sich als Machwerk von Banditen heraus, welche die Straße blockierten und so arglose Reisende, Händler oder gar Flüchtlinge abfingen. Zuerst dachte Raccan an eine Maßnahme der Armee, aber die bunten Rüstungen und die zusammengewürfelte Truppe mutete doch sehr nach Kriminellen an. Da es sich um etwa 10 dieser Plagegeister handelte und Raccan weder die Lust hatte, sich ausnehmen zu lassen, noch sich mit ihnen anzulegen (wobei eine offene Konfrontation ausschied und nur das zeitraubende Infiltrieren bliebe) entschied er sich für dieselbe Variante wie bei dem Garnisonenlager. So schlug er sich mitsamt Pferd abermals in die Büsche, diesmal in nördliche Richtung, um dann den parallelen Weg zu nehmen. Diesmal holte er jedoch etwas weiter aus, da er sich nicht sicher war, wie weit nun die Wachen des Lagers verstreut standen.
    Letztendlich brauchte der Rothwardon viel länger als beabsichtigt, was aber weder an dem unwegsamen Gelände noch an der Dunkelheit lag. Denn kaum hatte er den Weg Richtung Osten eingeschlagen, stolperte durch Zufall über eine Ruine - Miscarcand.
    Diese alten Gemäuer zogen ihn in einen Bann, dem er sich, trotz der Dunkelheit, nur schwer entreißen konnte. Zuerst hatte er sich fluchend durch das Gehölz geschlagen und stand dann plötzlich vor der Statue eines Phönix, umgeben von weißem Gestein und geschwungenen Rundbögen. Selbst für Raccan, der nicht viel für Magie außer der eigenen Illusionen übrig hatte, war die Präsenz von etwas Höherem an diesem Ort spürbar. Die Tatsache, dass die Ruine selbst, wie auch immer, ein leichtes bläuliches Licht abstrahlte, verstärkte diesen mystischen Eindruck nur umso mehr. Gefesselt zog Raccan den Handschuh aus und berührte das Mauerwerk. Es fühlte sich kalt an, und überhaupt nicht magisch; dennoch bildete sich der Rothwardon ein, dass er an einem besonderen Ort gelandet war, und so Unrecht hatte er damit nicht. Er begutachtete die leuchtenden Mauern und fand auch ziemlich schnell die Ursache dieses Leuchtens. Kleine blaue Splitter, wie Glas, lagen überall verstreut, anscheinend waren sie mal Teil eines ganzen Steines, Raccan wusste es nicht, er hatte so etwas noch nie gesehen. Die Priester jedoch kannten diese...Dinger...bestimmt. Ein etwa fingernagelgroßes Stück hob er auf und begutachtete es. Ein leichter Schimmer ging von ihm aus, und er wusste, dass er hier das Geschenk für Sahi vor sich hatte, nach dem er schon die ganze Zeit gesucht hatte. Er würde es einem Schmied zukommen lassen und es zu einem Anhänger für eine Halskette verarbeiten lassen. Rasch steckte er das Bruchstück ein und erhob sich. Er musste weiter, aber irgendwo in seinem Hinterkopf flammte der Wunsch auf, die Ruine zu betreten und zu erforschen. Er würde hierher zurückkehren und sein Vorhaben in die Tat umsetzten, das nahm er sich an dieser Stelle vor. Noch ein letztes Mal ließ Raccan die Augen über diese riesige Anlage wandern, dann packte er das Pferd an den Zügeln und zog es weiter Richtung Osten.
    Nach einigen hundert Metern schlug der Assassine wieder den südlichen Weg ein und traf kurze Zeit später auf die Hauptstraße. Links und Rechts war nicht von den Banditen zu sehen, und so setzte er seinen Weg nach Skingrad fort.

    Erst spät nach Mitternacht traf er an dem Tor der Stadt ein und ein merkwürdiges Gefühl übermannte ihn, als er das Pferd in den Stallungen abgab und anwies, dass es am kommenden Morgen zur anderen Seite gebracht werden sollte, denn er rechnete nicht damit, den Khajiit hier zu finden. Sein Kloß im Hals verdankte er aber den Umstand, dass seine "Geschichte" quasi hier ihren Lauf genommen hatte. Bestürzt blickte auf den seitlich abgehenden Weg vor dem Tor und musste an die Dunmerin im Wald denken, welche er um ein Haar gelyncht hatte und welche wahrscheinlich nur darauf wartete, ihn zu beseitigen, schließlich kannte er ihr Handwerk als Außenstehender. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sehr viel offenherziger als erlaubt durch die Gegend reiste. Er durfte keine Aufmerksamkeit erregen, sonst würde er sie nur auf seine Fährte führen, sie konnte schließlich hinter jeder Ecke lauern. Der Wächter vor dem Tor hielt sich nicht lange mit Kontrollen auf und ließ Raccan schließlich ohne Proteste passieren.
    Drinnen blickte sich der Rothwardon zunächst etwas ratlos um. Er erinnerte sich an seine Behausung, welche schon recht vornehm war. Dahin wollte er jetzt nicht mehr unbedingt, denn er hatte auch nicht vor, wieder so mit Gold um sich zu werfen wie noch bei seinem ersten Besuch in dieser Stadt, das konnte er sich auch gar nicht erlauben. Jedoch kam ihm diese andere Taverne in den Sinn, hatte die Dunmerin sie nicht erwähnt? Oder war er von selbst darauf gekommen? Raccan wusste es nicht mehr, aber er beschloss, dass dies der bessere Ort zum nächtigen war, zumindest für einen "einfachen" Reisenden. Kurze Zeit später betrat er das robust gebaute Haus, welches er entgegen aller Befürchten auf Anhieb gefunden hatte.
    Drinnen musste er sich erst einmal orientieren. Er hatte den Eingang genommen, welcher seiner Meinung nach der Hauptzugang war, aber ein Tresen war weit und breit nicht zu sehen. Stattdessen befand er sich auf einer höheren Etage, deren Mitte ausgespart wurde, sodass man in den unteren Bereich blicken konnte. Tische und Stühle, viele davon, und der Tresen, hinter dem eine Hochelfe auf einem Stuhl saß und in einem Buch blätterte. Als Raccan die knarrende Holztreppe heruntergestiegen kam und an die Theke trat, blickte die Elfe auf und schaute freundlich drein.
    "Ein Zimmer?", fragte sie mit ruhiger Stimme.
    Raccan nickte und musterte die Elfe genauer. Weiße Haare, glatte hellgelbe Haut, eine zierliche Gestalt. Das Alter zu schätzen viel ihm nicht leicht, denn das war es bei Elfen nie, aber schließlich machte er sie bei etwa um die 30 (nach Menschenjahren) fest. Während die noch in dem Gästebuch blätterte und ein Zimmer suchte, versuchte Raccan ein Gespräch in Gang zu bringen. "Ihr gehört zu den zwei Schwestern?".
    Die Hochelfe schaute erst entrüstet auf, aber als sie Raccans ahnungsloses Gesicht sah, schmunzelte sie wieder. "Nein, Nein. Ich bin nur die Nachtwache, und wenn dann ist sowieso nur eine Schwester hier, der anderen gehört die Pferdezucht draußen vor den Toren der Stadt. Ich heiße Elda. Euer Name, damit ich ihn eintragen kann?".
    "Raccan", mehr sagte er nicht, denn wie schon so oft in letzter Zeit war ihm nicht groß nach reden zumute, woran das genau lag wusste er jedoch nicht.
    Die Hochelfe nickte, kramte in einer Schublade nach dem Schlüssel und legte ihn auf den Tresen, dann deutet sie hinter den Rothwardonen in einen Gang. "Da entlang, die Treppe hinauf, die erste Tür rechts. Auf das Essen müsst ihr wohl bis morgen früh warten. Ich wünsche gute Nachtruhe", und Elda setzte sich wieder auf den Stuhl und blätterte in ihrem Buch weiter.
    Raccan bedankte sich einsilbig und begab sich auf sein Zimmer. Er schloss die Tür hinter sich und blickte sich erst einmal um. Ein einfaches Bett, ein Tisch mit zwei Stühlen, eine Truhe und ein Spiegel. Ja, was brauchte man denn auch mehr? Einen Blick warf er auf die Tür und einen auf das Fenster, beide sahen stabil aus; trotzdem steckte er den Schlüssel von innen und verschloss die Tür, ebenso prüfte er das Fenster; er wollte nicht schon wieder des nachts überfallen werden, er hatte das nicht vergessen. Dann legte Raccan langsam und ordentlich die Rüstung auf die Truhe und legte sich auf das Bett. Morgen schreibe ich Sahi eine Nachricht. Ja, ganz bestimmt. Oder ich suche erst einmal einen Schmied. Oder sollte ich lieber... aber da wurde es auch schon schwarz um ihn herum und er schlief ein...

  7. #287

    Skingrad -> Großer Forst -> Pells Tor

    Mit schmerzenden Rückgrat erwachte Raccan früh am Morgen, und ächzend erhob er sich aus dem Bett. Wie kann man auf diesen Matratzen schlafen, dachte er sich und ließ durch ausschweifende Bewegungen seine Knochen knacken. In Hammerfell waren die Betten anders; härter würde es ganz gut beschreiben. Schwerfällig kleidete sich der Rothwardon an und begab sich in den Schankraum.
    Viel war hier nicht los, aber dafür erkannte Raccan unter den drei Personen, welche anwesend waren, zwei bekannte Gesichter. Zum Einen Elda, welche gerade ihren Platz am Tresen räumte und sich dabei freundlich mit einem älteren Kaiserlichen unterhielt, und zum anderen saß eine ihm nur allzu bekannte Bosmerin an einem der Tische, las ein Pergament namens Rappenkurier und trank ein Glas Milch. Etwas anders als das letzte Mal sah sie schon aus; die Haare waren länger, sie trug ein Giftgrünes Kleid, welches einen tiefen Ausschnitt besaß der ihre Rundungen nur zu gut betonte, und hatte wertvoll aussehende Ringe in den Ohren und an den Fingern. So ganz passte dies nicht in das Bild der aufmüpfigen Tochter eines Adligen (abgesehen von den kurvigen Reizen), die er noch vor Wochen (oder waren es Monate?) bei seinem Aufenthalt ohne Gedächtnis hier in Skingrad kennengelernt hatte. Kennengelernt? Wie hieß sie eigentlich? Jetzt schämte sich der Assassine ein wenig, er hatte diese Frau eigentlich nur für den Zweck der Informationsbeschaffung benutzt. Gerade überlegte er ob er sich zu ihr setzen sollte, da blickte sie auf und schaute ihn direkt an. Kurz darauf wandte sie die Augen wieder ab, und Raccan fragte sich schon, ob er die Frau vielleicht verwechselte, dann aber blickte sie ihn wieder an, diesmal mit einer Art, welche aussagte, dass sie nun wusste wer er war. Sie lächelte, und der Rothwardon setzte sich dann, nachdem er an den Tisch getreten war, ihr gegenüber.
    "Schön, euch wieder zu sehen, Namenloser...", grinste sie ihn an, woraufhin Raccan ein verdutztes Gesicht machte. "Nun schaut nicht so, ich kenne euren Namen ja noch immer nicht...".
    Der Assassine räusperte sich. "Ich heiße Raccan, entschuldigt, dass ich dies letztens...vergaß", und damit sagte er mehr oder weniger sogar die Wahrheit.
    "Raccan...", wiederholte sie säuselnd und lächelte zweideutig. "Ist nicht schlimm, ich habe euch ja auch nicht meinen gesagt. Adya...", und sie schenkte ihm einen kecken Blick; genauer betrachtet konnte sie nicht älter als zwanzig sein, so würde es zumindest Raccan einschätzen, aber bei den Elfen wusste man dies ja nie so genau.
    "Eure freie Phase habt ihr jetzt wohl überstanden...", und er nickte Richtung Kleid und dem Schmuck. Daraufhin verdrehte die Waldelfe jedoch die Augen.
    "Mein Vater gibt keine Ruhe, also mach ich ab und an sein Brave-Tochter-Spiel mit", meinte sie entnervt und nippte an ihrem Glas. Sogleich fuhr sie fort. "Aber ihr habt euch auch sehr...verändert...", und mit unverhohlenen Blick musterte sie den Rothwardonen. "Ich habe euch fast nicht erkannt...".
    "Ja, ich habe in den letzten Wochen einige...Dinge geklärt...", und nun fragte sich Raccan, warum er mit dieser quasi Fremden so offen redete; warum sie das tat war offensichtlich, der Spass, den sie sonst abgriff, schien ihr nicht zu genügen. Dennoch stellte sich die Frage, warum er sich schon wieder mit ihr einließ, normalerweise war sie weder der Art Mensch noch die Art Frau mit der er sich sonst abgab, denn er hatte weder mit dem Adel noch mit lüsternen Frauen groß etwas am Hut. Als Raccan die kurze Schweigepause brach, wusste er die Antwort.
    "Sagt, ihr habt nicht zufällig einen euch unbekannten Khajiiten hier gesehen...", und nun wusste der Assassine, was Sache war. Wieder einmal konnte er es nicht lassen und wollte sie als kostenlose Informationsquelle missbrauchen; dieses Mal allerdings tat er es bewusst und nicht aus Verzweiflung über den Verlust seines Gedächtnisses.
    Die Reaktion auf seine Frage war zunächst ein ungläubiger Blick, der sich einen sekundenbruchteil später in Enttäuschung verwandelte. "Ach, darum geht es euch also...", murmelte sie vor sich hin und blickte, sichtlich geknickt, auf ihr Milchglas. Offensichtlich kam sie sich genauso vor wie Raccan es eingeschätzt hatte. Dann aber konnte man sehen, wie der Glanz in ihre braunen Augen zurückkehrte, und sie setzte ihren frechen Ausdruck aus, welcher nur zu gut zu ihrem fein geschnittenen Gesicht passte. "Wenn ihr versprecht, mich zu dem Bankett meines Vaters zu begleiten, dann helfe ich euch..." grinste sie breit und drippelte mit den Fingern auf der Tischkante herum, während sie den erstaunten Raccan belustigt musterte.
    Der Rothwardon war baff. Von einem Moment auf den anderen war er dermaßen überrumpelt worden, dass er gar keine Möglichkeit fand, zu seiner gewohnten Abgeklärtheit zurückzufinden, und so lehnte er sich, geräuschvoll ausatmend, zurück und betrachtete die hübschen Waldelfe vor sich, die ihn amüsiert beobachtete. Ein Empfang? Ich auf einem Empfang? Mit Leuten, die ich nicht mal im Entferntesten kenne, in einem Kreis, zu dem ich mich nicht einmal ansatzweiße dazugehörig fühle? Ist das ein Test? Nur eine simple Bewährungsprobe von ihr?
    Jäh wurde sein Gedankengang unterbrochen, als die zuckersüße Stimme von Adya erklang: "Jeden anderen, der bei solch einem Angebot so lang überlegt hätte, würde ich schon längst abschreiben...", und die erwartungsvollen Augen, welche allerdings auch einen gewissen Schalk beinhalteten, suchten die seinen und forschten nach einer Antwort.
    Gib dir einen Ruck, das bist du ihr schuldig, schließlich hat sie dir damals sehr weitergeholfen, auch wenn du das noch nicht gewusst hast, und sie will dir auch jetzt unter die Arme greifen. Und so nickte Raccan. "Gut, einverstanden. Ich werde euch begleiten...", antwortete er schließlich, und die Bosmerin zeigte ein freudestrahlendes Gesicht.
    "Das war ja einfach...", frotzelte sie, strich sich durch die langen Haare und belegte den Assassinen mit einem schelmischen Blick.
    "Wann findet das Bankett eures Vaters denn statt?", fragte er sie nach einer kleinen Pause, in der er das Ganze erst einmal sacken lassen musste, denn nun wurde ihm erst bewusst, zu was er hier eigentlich seine Zustimmung gegeben hatte.
    "In zwei Wochen...", flötete sie und war sichtlich glücklich mit sich und der Welt.
    In zwei Wochen? In dieser Zeit könnte ich den Khajiiten suchen. Stattdessen soll ich mich zwei Wochen auf solch ein Bankett vorbereiten? Nein, das darf nicht sein. Mit festen Worten richtete er sich an Adya. "Adya, ich gebe euch mein Wort, dass ich euch begleiten werde. Aber ich bin nicht zum Vergnügen hier in Cyrodiil; ich suche einen Khajiiten, und es ist wirklich wichtig, dass ich ihn finde. Ich schwöre euch, ich halte mein Versprechen, aber bis dahin muss ich wirklich weiter nach ihm suchen, und alles, was ich erfahren kann, könnte der entscheidende Hinweis sein.".
    Die Waldelfe seufzte, als Raccan geendet hatte. "Wie mein Vater, Aufträge hier, Geschäfte dort. Wenn du nicht so süß wärst, würde ich dir das nicht durchgehen lassen...", stichelte sie und wechselte bei dieser Gelegenheit gleich ungefragt ins Du. Raccan schwieg, weil er wusste, dass die Bosmerin gleich etwas nachsetzen würde. "Wie in jeder Stadt sind die Bettler und Landstreicher, so unattraktiv die auch allesamt aussehen, das Auge und Ohr der Stadt. Nichts entgeht ihren Sinnen, und gegen einen kleinen Obolus lassen sie dich gerne teilhaben daran. Wenn du Khajiits suchst, wirst du wohl in Bravil und der Kaiserstadt auch fündig, dort wimmelt es von diesen...Dingern", und Adya rümpfte die Nase. Dann erhob sie sich, trat an Raccan heran und flüsterte mit freundlicher Stimme in sein Ohr: "Aber ich warne dich, wenn du mich versetzt, dann kratze ich dir nicht nur die Augen aus, Raccan...", und sie kicherte, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und ließ den verdutzten Rothwardonen einfach sitzen.
    Verwirrt blickte dieser der Waldelfe hinterher bis sie aus der Herberge verschwunden war, wobei seine Augen nicht ganz so zufällig an ihrem einladenden Hinterteil hängen blieben, war dieses doch durchaus ein Blickfang. Dann drehte er sich wieder zum Tisch und sinnierte über das eben Erlebte nach. Der Umgang gerade war schon mehr als vertraut, dies stand außer Frage; Raccan war sich jedoch sicher, dass den Hauptanteil daran Adya hatte. Ihre Art war sehr bestimmt, forsch und selbstbewusst; sie wusste was sie wollte und wie sie es sich beschaffen konnte, und dabei half ihr neben ihrem blendenden Aussehen auch ihr Verstand, denn der Schachzug mit der Bankett-Einladung war mehr als brillant. Allerdings hatte sie ihm auch sehr gut weitergeholfen; zwar war die Information, dass die Bettler vieles wussten, nicht neu für ihn, jedoch hatte er das schon wieder ganz vergessen gehabt. Außerdem hatte er erfahren, dass sich Bravil als nächste Anlaufstelle ebenso gut eignete wie die Kaiserstadt.
    Zunächst musste er das Ganze erst einmal setzen lassen, und so bestellte er ein Frühstück bei der immer noch anwesenden Elda. Nach der Mahlzeit, welche aus Brot, Fleisch und einem kleinen Kwama-Ei bestand (letzteres kannte Raccan nicht, aber es schmeckte ihm trotzdem), verließ er die Herberge und sah sich auf den Straßen um. Er rechnete nicht damit, hier auf den Khajiiten zu treffen, das wäre zu einfach gewesen; stattdessen versuchte er Adyas Rat zu befolgen und einen Bettler zu finden, aber so sehr er sich auch umsah, keinen konnte er entdecken. Schließlich sprach er einen der Wächter an, der an einer größeren Brücke stand, welche über die Hautstraße führte.
    "Die Bettler? Die sind um diese Uhrzeit bei der Morgenmesse in der Kirche. Der Priester mag zwar keine Bettler, aber sein Gelöbnis zwingt ihn wohl dazu, sich um sie zu kümmern...", spottete der Mann und winkte ab. Raccan bedankte sich und schlug den Weg zur Kirche ein, denn diesen kannte er ja bereits von seinem früheren Besuch in Skingrad.

    Auf dem Vorplatz des Gotteshauses angekommen hielt Raccan inne. Sollte er wirklich in die Kirche gehen und irgendeinen Bettler ansprechen, ihm vielleicht noch ein paar Septime unter die Nase halten und Informationen aus ihm herausbekommen? Das würde doch auffallen, und schließlich hatte er sich vorgenommen, keine Aufmerksamkeit mehr zu erregen; zugegeben, der Schachzug mit der Zusage zu dem Bankett war dabei alles andere als hilfreich, aber dies würde hoffentlich zu einem Zeitpunkt stattfinden, an dem er nichts mehr zu befürchten hatte. Auf dem Platz war nicht viel los, so beschloss der Assassine, auf den Stufen der Treppe, die zur Kirche hinaufführten, zu warten. Von drinnen hörte man Gesang und irgendwelches Gerede, auf dessen Inhalt sich der Rothwardon jedoch keinen Reim machen konnte. Stattdessen blickte er auf das Pflaster vor sich auf dem Boden und dachte über sich nach. Darüber, wie er hierhergekommen war; fremd, allein, ahnungslos. Dann war er mehr als glücklich nach Hammerfell zurückgekehrt und wurde dann unter noch glücklicheren Umständen zu seinem Stamm zurückgeführt. Satakal sei Dank. Ach was, Satakal hat damit rein gar nichts zu tun, was hat der schon für eine Macht außerhalb der Wüste? Raccan wusste, diese Worte laut vor seinem Stamm auszusprechen würde ihm den Tod einbringen. Dennoch kam er nicht umhin, sich zu fragen, warum dieser allwissende Gott ihn denn nun schon wieder in dieses Reich namens Cyrodiil geschickt hatte. War das nicht der Beweis dafür, dass Satakal außerhalb der Wüste ein Werkzeug brauchte; dass er, Raccan, nicht etwa diesen Gott brauchte, nein, der Gott brauchte ihn. Er brauchte Raccan, um seinen Willen Taten folgen zu lassen. Einen Bruchteil einer Sekunde lang spielte der Rothwardon mit dem Gedanken, den Auftrag hinzuwerfen; dann aber kam ihm Sahi in den Sinn. Die liebe, schöne, aber auch von der Tradition verblendete Sahi. Es würde schon reichen, würde der Häuptling auch nur einen Bruchteil der Gedanken von Raccan erfahren, seine Schwester wäre dem Untergang geweiht. In seinem tiefsten Inneren wusste der Assassine, dass das Oberhaupt bereits von seinen Zweifeln ahnte; zu oft und zu begeistert hatte er von der Zivilisation draußen, außerhalb der Wüste, erzählt. Aber solange Raccan tat, was die Priester und Zalanu von ihm wollten, konnten sie ihm nichts. Rein gar nichts. Und das stimmte den Assassinen ruhig, denn das bedeutete, dass auch seine Schwester nichts zu befürchten hatte. Verdammt, Sahi, ich wollte dir doch etwas schicken oder wenigstens einen Brief schreiben..., wurden seine Gedanken jäh unterbrochen, aber zur Wiederaufnahme kam er nicht mehr, denn sogleich öffnete sich das Portal der Kirche und unzählige Menschen strömten heraus...

    Raccan hielt sich abseits der Menge neben der Treppe und fasste die verschiedenen Leute ins Auge. Es handelte sich um eine bunte Mischung von Personen; Adlige, normale Bürger, Bettler, Händler, Geistliche, Arbeiter, sie alle waren dieser Messe beigewohnt, wahrscheinlich die einzige Situation, in der sie alle dasselbe Ziel hatten und auf den Bänken Schulter an Schulter saßen, während sie dem Priester vorn am Altar lauschten. Der Glaube machte sie alle gleich, aber nach den Beobachtungen des Rothwardonen hielt dieser Umstand wohl nur bis zum durchschreiten der Pforte an, denn schon zerstreuten sie sich in alle Richtungen und hatten nicht einmal mehr den geringsten Blick füreinander übrig. Aber dies konnte Raccan gänzlich egal sein, denn kaum hatte sich die Masse aufgelöst, entdeckte er gegenüber der Kirche etwas abseits an der Hauswand einen Bettler sitzen, der ihn schon ins Auge gefasst hatte. Der Assassine straffte die Schultern und ging auf den Mann zu.
    Bei ihm angekommen musterte er sein sitzendes Gegenüber erst einmal, und dieser tat dasselbe bei Raccan. Zerzauste Haare, trübe graue Augen, ein schmutziges Gesicht, verlebte Kleidung. Man sollte meinen, alle Bettler kleiden sich gleich, aber sofort rügte sich Raccan für diesen Gedanken; ob selbst schuld an dieser Situation oder nicht, so zu enden wünschte er niemanden. Er hockte sich vor dem Mann hin und blickte ihn an, und dieser ließ ein zahnloses Grinsen sehen.
    "Ich bin mir sicher, ihr könnt mir helfen...", begann der Assassine mit gedämpfter Stimme, kramte in seiner Tasche und holte zehn Septime hervor.
    "Da b-b-b-b-bin i-i-i-ich mi-i-i-ir s-s-s-s-i-i-i-i-cher...", stotterte der Kaiserliche und griff nach dem Geld, aber sogleich zog Raccan seine Hand weg.
    "Nicht so schnell. Information gegen Septime. Ich suche einen Khajiit, der erst kürzlich hier in Cyrodiil angekommen ist, sein Name lautet Hawa'ajala", und in diesem Moment fragte sich der Rothwardon, ob das Ganze wirklich immer so einfach lief; in die Stadt, einen Bettler suchen, ihm ein paar Münzen in die Hand drücken, Informationen bekommen, denn auch diesmal wurde er nicht enttäuscht.
    "Khajiit hatten wir einige hier, neu auch, ja, aber keiner von außerhalb Cyrodiils. Vielleicht auch nur nicht erwähnt, wenn ihr hinter ihm her seid wäre es unvorsichtig von ihm, mit seinem Namen oder Herkunft durch die Gegend zu laufen, nicht wahr...", sein Stottern war verschwunden, anscheinend war dies nur eine Masche des Bettlers.
    Da ist etwas Wahres dran. Ich muss wohl präziser werden. Raccan holte das Pergament von seinem Häuptling hervor und rollte es auseinander. Darauf zu sehen waren zum einen seltsam anmutende Symbole, die selbst der Assassine nicht verstand, sie waren wohl irgendwelche magische Zeichen von den Priestern des Stammes. In der Mitte der Schlangenhautrolle jedoch wurde das Ganze greifbarer, denn hier war mit Farbe ein Abbild des Khajiits aufgezeichnet, darunter prangte der Name der Katze. Um die Schnurrhaare des Flüchtigen breitete sich schwarzes Fell aus, kurz über der Nase ging es abrupt in einen weißen Streifen über und der Rest des Gesichts hatte eine sandige Farbe; der Khajiit hätte durchaus als Allerweltsaussehen betitelt werden können, wenn er nicht zwei hervorstechende Merkmale hätte. Zum Einen sah sein linkes Ohr äußerst lädiert und ausgefranst aus, als wäre er einmal nur knapp einer Attacke entgangen, zum anderen hatte er mitten auf der Stirn einen schwarzen Punkt aus Fell, der den ebenmäßigen sandigen Farbton unterbrach. Die Augen von Hawa'ajala waren gelb und blickten verschlagen drein. Es war wirklich eine sehr originalgetreue und lebensechte Zeichnung, da hatten die Priester ganze Arbeit geleistet, befand selbst Raccan.
    Nachdem der Bettler die Zeichnung studiert hatte, zog er eine Grimasse. "Ihr meint es wohl wirklich ernst mit ihm, was...", und er schielte nach den Septimen. "Wenn ich euch weiterhelfen soll, kostet euch das doppelt soviel...", und er machte ein unschuldiges Gesicht.
    Raccan hatte diesen Mann durchschaut, selbst wenn er nun ablehnen und andeuten würde zu gehen, würde ihn der Bettler die Information auch für zehn Septime geben. Aber er legte es nicht darauf an, so griff er nochmal in seine Tasche, gab dem Mann sein Geld und schaute ihn auffordernd an.
    Der Tagelöhner konnte sein Glück erst gar nicht fassen und drehte die Münzen jede einzeln ehrfürchtig in den Händen hin und her, ehe er sie unter seiner Kleidung (gar nicht dran zu denken wo genau) verschwinden ließ. "Vielen Dank. Auch wenn ihr jetzt enttäuscht sein werdet, aber ich habe ihn nicht gesehen. Aber ich kann euch sagen, dass er ganz sicher noch nicht hier in Skingrad war oder ist, so eine Fratze hätte ich mir gemerkt...".
    Das war nicht das, was ich hören wollte, dachte Raccan zerknirscht. Auf der anderen Seite war es natürlich auch ganz gut zu wissen, dass der Khajiit hier nicht durchgekommen war, das grenzte die Suche weiter ein. Blieb nur die Frage, inwieweit man dem Bettler trauen konnte. Für Geld würde dieser bestimmt auch behaupten, dass ein Kaktus mit einem Gehstock hier durchgekommen wäre. Aber was blieb dem Assassinen anderes übrig, als ihm zu vertrauen; jeden Bettler konnte er nicht bestechen um die Informationen abzugleichen, sein Geld war endlich, und genug Zeit hatte er auch nicht, der Stamm wollte Ergebnisse sehen und dann war da noch ein Bankett, auf das er "eingeladen" wurde. Der Rothwardon erhob sich, nachdem er dankend genickt hatte, und schlug den Weg Richtung Stallungen ein.
    "Komischer Kerl...", nuschelte der Bettler, als er Raccan hinterher blickte, dann aber widmete er sich wieder ganz seinen neuen Besitztümern.

    Einen halben Tag nach dem Gespräch mit dem Bettler fand sich Raccan auf der Goldstraße inmitten des großen Forstes wieder. Er hatte diesen Weg schon einmal genommen, damals allerdings noch als gedächtnisloser Niemand. Zwangsläufig fiel ihm im Angesicht des dichten Gestrüpps der Raubüberfall in Hammerfell ein, und er blickte sich aufmerksamer um, nachdem er sein Pferd angehalten hatte und abgesessen war. Außer dem Zwitschern von Vögeln und dem Rauschen der Blätter war nicht viel mehr zu hören, und mehr als Baumstämme und dichte Büsche gab es nicht zu sehen. Wenigstens jetzt hatte er ein wenig Zeit um die Umgebung zu studieren, bei seinem Weg damals durch den Wald war er nicht ganz er selbst, und so sog er gierig die frische Waldluft ein. Dieser Geruch war neu, die Wälder in Hammerfell waren spärlich und wurden sehr von dem Seeklima beeinflusst, und im Inland hatte man, bedingt durch das warme Klima, alles andere als frische Luft, eher handelte es sich dabei um stickige Dschungel. Nachdem er so eine Weile dagestanden hatte und schon überlegte, ob er ein Lager aufschlagen sollte um erst einmal zu rasten, riss er sich selbst noch gerade so von diesem Gedanken los; er hatte keine Zeit, der Khajiit musste gefunden werden. Hier gab es doch an jeder Straße in regelmäßigen Abständen Gasthäuser und Herbergen, so zumindest Raccans bisherige Erfahrung; da konnte er doch ebenso darauf verzichten, es sich hier draußen gemütlich zu machen und ohne Nachtwache allein im Wald schlafen war schließlich das reinste Risikounternehmen.
    Kurze Zeit später hatte er den Wald hinter sich gelassen und fand sich an einer Weggabelung wieder, zum Glück mit Straßenschildern. Ein Wegweiser zeigte nach Norden und war beschriftet mit 'Kaiserstadt', 'Chorrol' und 'Bruma', ein weiterer wies gen Südosten und verkündete 'Bravil', 'Leyawiin', 'Cheydinhal' und 'Pells Tor'. Als der Assassine den Namen Chorrol las, musste er plötzlich an die Autorin in eben jener Stadt denken. Auch ihr hatte er etwas versprochen, nämlich ihr bei einem Buch zu helfen. Diese Provinz verleitet dich zu etlichen Versprechen. Das Bankett, die Ruine, das Buch, und er schüttelte den Kopf. Erst einmal ging es für ihn nicht nach Chorrol, das stand fest. Nun aber musste die Entscheidung getroffen werden, in welche Richtung es weiterging. Raccan versuchte logisch zu überlegen. Wäre ich der Khajiit, würde ich Unterschlupf suchen. Er kennt hier niemanden, zumindest kann man nicht davon ausgehen. Es wäre einfach, in einer großen Stadt unterzutauchen, außerdem wird die Kaiserstadt der Knotenpunkt in alle anderen Provinzen des Kaiserreichs sein. Andererseits, nach dem was ich so mitbekam, sind die Vorurteile gegenüber Argoniern und Khajiit noch immer nicht ausgestorben. Das heißt, sie müssen zusammenhalten. Wo also wäre es wahrscheinlicher als in Bravil, dass er sich Hilfe gesucht hat? Er müsste nur behaupten, dass er auf der Flucht sei, und schon ständen ihm alle Türen offen bei seinesgleichen. Nach dem was mir Adya erzählt hat, ist Bravil eine dreckige Hochburg voller Schurken und Gauner, da würde er gut hineinpassen. Kaiserstadt oder Bravil...Hauptstadt oder Schmugglerloch.... Je länger sich Raccan das Straßenschild betrachtete, desto unentschlossener wurde er. "Ich kann mich nicht entscheiden, was sagst du?", wandte er sich an sein Pferd, welches aber nur gelangweilt schnaubte. "Dankeschön...", grummelte der Assassine und starrte entnervt auf die Wegweiser. Typisch, wenn man einmal Satakals Hilfe wirklich benötigt, aber natürlich sprach er dies nicht laut aus, sondern fuhr sich nachdenklich mit der Hand über den Hals und berührte mit seinen Fingern die Kette, an der die Pfeife hing. Einen Moment zögerte er. Warum nicht, der Falke ist von Sahi, er wird mir bestimmt weiterhelfen.... Kurzerhand griff er nach dem Geschenk seiner Schwester und blies hinein; nichts war zu hören. "Was zum...", stutzte er und blies abermals hinein, diesmal kräftiger. Kein Geräusch erklang. Skeptisch besah sich der Rothwardon das geschnitzte Stück und wollte es schon als nicht funktionstüchtig abtun, als plötzlich ein Schatten über ihn hinwegfuhr und das charakteristische eeeek ertönte . Rasch richtete er die Augen zum Himmel und sah einen großen, prächtig gemusterten Falken eine ausschweifende Kurve fliegen, ganz offensichtlich befand er sich im Landeanflug auf Raccan, zumindest hoffte es dieser. Instinktiv streckte der Rothwardon den Arm aus, und kurz darauf grub das Tier seine scharfen Krallen in den Unterarmschutz des Mannes, als es aufsetzte und die mächtigen Schwingen anlegte. Schwarze, wache Augen musterten Raccan. Der Vogel besaß einen kräftigen Rumpf, großen Kopf, relativ lange, etwas dreieckige, spitze Flügel und einem mittellangen, leicht gerundeten Schwanz. Der Schnabel war dunkelgrau und endete in einem rasiermesserscharfen Haken. Die Oberseite des Gefieders hatte eine dunkelbraune Färbung schwarzen Pigmenten, und der Bauch war cremefarben; die Größe des Vogels betrug in etwa fünfundvierzig Zentimeter.
    Einen Moment lang starrten sich die beiden nur an, dann "ergriff" Raccan das Wort. "Du heißt also Jail. Gut, Jail, du kommst also von Sahi?". Der Falke schwieg, aber seine Art zu antworten war mit wachem Blick umher zu sehen und keinen Ton von sich zu geben. "Gut. Dann sag mir, soll ich nach Bravil gehen oder in die Kaiserstadt?", und der Assassine deutete mit seiner freien Hand auf die Wegweiser; der Falke aber rührte sich nicht und blickte den Rothwardonen nach dem Motto 'was willst du eigentlich von mir' an. Raccan machte ein zerknirschtes Gesicht und bewegte den Arm, auf dem Jail saß, leicht in die Richtung der Wegweiser, wie als würde er Schwung holen damit sich der Vogel abstoßen konnte. Und tatsächlich, mit Kraft stieß sich der Falke ab, tat einen Flügelschlag und landete schließlich auf dem Schild mit den Lettern 'Bravil'. "Na also, warum nicht gleich so...", rief Raccan dem Tier erleichtert zu, aber dieses saß so teilnahmslos auf dem Stück beschrifteten Holz, dass seine Absicht durchaus bezweifelt werden konnte. Zufrieden saß der Rothwardon auf dem Pferd auf, konnte sich aber eine Spitze nicht verkneifen. Er nickte zu dem Falken und sprach zu dem Achal-Tekkiner "Warum hast du dich nicht auf den Wegweiser gesetzt, ist doch nicht so schwer...", und dieser schüttelte sich daraufhin kurz, aber heftig. So langsam glaube ich, dass er jedes Wort versteht, wunderte sich Raccan abermals über die Reaktion des Tieres, aber sogleich meldete er ernste Zweifel an seinem eigenen Verstand an, denn er führte hier eine Konversation mit einem Pferd und einem Falken, also das war ebenfalls nicht normal. Ich bin wohl doch einsamer als ich mir eingestehen will, und ihm kam das Gespräch mit Kalion vor den Toren von Taneth in den Sinn, sogleich auch Adya und ihre selbstbewusste Art. Woran lag das jetzt, dass ihm ausgerechnet diese aufmüpfige Waldelfe wieder einfiel, die ihn schön sauber hereingelegt hatte mit ihrer mehr oder weniger freiwillig-erzwungenen Banketteinladung? Schnell schob er den Gedanken, der in ihm aufkeimte, beiseite, und setzte sich schulterzuckend Richtung Südosten in Bewegung, und als er sich nach ein paar Metern noch einmal umschaute, war der Falke bereits wieder verschwunden...
    Der Weg nach Bravil gestaltete sich für den Assassinen sehr abwechslungsreich. Kurze Zeit nach seinem Aufbruch von den Wegweisern kam nahe des Pfades der weiße Stein in Sicht, den er schon einmal im Wald vor Skingrad gesehen hatte. Er saß von seinem Pferd ab und betrachtete das Gebilde genauer. Helle, geriffelte, teilweise abgebrochene und bemooste Säulen reckten sich um ein ringförmiges Gebilde in die Höhe, und in der Mitte des Ringes leuchtete es bläulich. Von diesem Ort ging eine starke Magie aus, das spürte selbst der relativ unbegabte Raccan. Vorsichtig näherte er sich dem Ayleiden-Brunnen, aber auf der Säulenebene hielt er inne; ein flaues Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, er zweifelte daran, dass es eine gute Idee war, hier näher heran zu gehen, aber andererseits war der Rothwardon auch neugierig, was er hier denn nun vor sich hatte. Er war sich sicher, die Priester seines Stammes würden ihn für dieses Verhalten bestimmt auslachen, aber Raccan war sich zu unsicher als dass er jetzt den Mut hatte, näher heran zu gehen, und so zog er sich langsam Richtung Pferd von dem Brunnen zurück. Aus der Ferne betrachtete der Assassine nochmals die magische Quelle, und schüttelte langsam den Kopf. Nein, er würde auch diesmal seine Neugier im Zaum halten, der Auftrag war wichtiger als dass er es sich leisten konnte, von irgendeiner magischen Konzentration in tausend Stücke gerissen zu werden. Langsam führte er das Pferd von dem Ayleiden-Nachlass weg Richtung Süden, saß dann wieder auf und ritt weiter, noch immer mit dem "was wäre gewesen, wenn" im Kopf. Kurz darauf wurden seine Gedanken wieder unterbrochen, denn schon wieder sah er sich dem weißen Gestein gegenüber, welches sich unweit des Weges befand. "Wie viel von diesen Überbleibseln gibt es eigentlich hier?!", fragte sich Raccan laut, und sein Reittier gab seinen Kommentar in Form eines beiläufigen Schnaubens dazu ab. Im Vergleich zu seiner ersten Begegnung mit einem solchen Bauwerk wirkte diese hier geradezu mickrig, denn sie bestand nur aus ein paar verwitterten Wegsteinen, einer Handvoll zerstörter Säulen und einem Eingang, dessen weiße Tür inmitten der Wildnis dastand wie ein Fremdkörper. Immer mehr spürte er die Versuchung in sich, eine solche Ruine einmal zu erkunden. Wer weiß, was sich darin befand. Andererseits musste es doch einen Grund haben, warum man um die alten Bauwerke nie jemanden sah. "Nach dem Auftrag...", murmelte nun schon leicht zerknirscht, denn diese ständige Denk-an-deinen-Stamm-Ausrede ging ihm allmählig auf die Nerven, aber Raccan ermahnte sich wieder. Diese Provinz schürte seine blasphemischen Gedanken, dessen wurde er sich soeben mehr als deutlich bewusst, und bei seiner Rückkehr nach Hammerfell musste er dieses Gut so schnell wieder loswerden. Dann aber wurde er jäh aus seiner Nachdenklichkeit gerissen, denn ein kleiner Tropfen landete auf seinem Kopf. Er blickte nach oben, und sogleich traf ihn ein weiterer, dann noch einer, dann zwei. Es fing tatsächlich an zu regnen. "Wunderbar...", fluchte der Rothwardon. Der Himmel sah tatsächlich alles andere als einladend aus, warum war ihm das die ganze Zeit über nicht aufgefallen. Noch dazu dämmerte es bereits, es würde wohl bald dunkel werden, und als ob dies nicht genug sein würde, blitzte es in der Ferne hell und ein paar Sekunden später ertönte ein dumpfes Grollen. "Hat man Worte...du kannst wohl Gedanken lesen, Schlangengott...", knurrte er missmutig, drückte seine Fersen in die Flanken des Pferdes und setzte seinen Weg in flotter Geschwindigkeit fort; irgendwann musste doch so etwas wie ein Gasthaus in Sicht kommen...

    Pitschnass und triefend vor Nässe saß er eine Stunde später in dem Gasthaus "Die Schlafende Stute" an dem kleinen Holztisch im gemütlich eingerichteten Schankraum und verzehrte hungrig das Stück Fleisch, welches die bretonische Gastwirtin für ihn zubereitet hatte. Überhaupt war es ein Glücksfall, dass ihm die kleine Ortschaft "Pells Tor" aufgefallen war, denn zum einen war es stark zugezogen und der Starkregen machte die Sicht nicht besser, zum anderen bestand die Ansiedlung aus kaum mehr als einer Handvoll Häuser und dem Gasthaus, die sich schützend in den dichten Laubwald duckten; ohne den fast unbedeutend wirkenden Wegweiser wäre er glatt an dem kleinen Pfad, welcher hierhin führte, vorbeigeritten. Aber das war vergessen, denn für 20 Septime hatte er ein Zimmer für eine Nacht gemietet und noch dazu ein Essen bekommen und sein Pferd unterstellen dürfen. Die Wirtin hatte sich als Candice Corgine vorgestellt und machte auch sonst einen freundlichen Eindruck, wenn auch Raccan das Gefühl hatte, dass die 20 Septime Gesamtpreis nicht die Normalität waren, denn der mitleidige Blick der Bretonin in Anbetracht des klatschnassen Reiter-Reittiergespanns musste sie wohl dazu bewegt haben, weniger zu verlangen als sie es für gewöhnlich tat. Schweigend stand sie hinter dem Tresen und beobachtete ihren einzigen Gast, was aber gar nicht störend oder aufdringlich wirkte. Als Raccan aufgegessen hatte, trat sie an den Tisch, räumte das Geschirr ab und stellte eine Flasche Bier auf den Tisch. "Das geht auf's Haus, wenn ihr mir ein wenig von euch erzählt", sagte sie mit ruhiger Stimme und setzte sich dem Rothwardonen gegenüber. Dieser musste dieses Angebot unbewusst mit einem fragenden Blick quittiert haben, denn sie setzte nach: "Ich will euch nicht aushorchen, keine Sorge. Hier kommen viele Fremde und Reisende vorbei, aber von so weit weg wie ihr wirkt doch eher selten...", und sie lächelte.
    "Und ich dachte, ich hätte mich kleidungsmäßig Cyrodiil angepasst...", erwiderte Raccan kurz angebunden und musterte das Bier skeptisch. Die Bretonin musste wirklich sehr weltgewandt sein wenn sie ihn auf den ersten Blick als Nicht-Cyrodiiler erkannt hatte, aber vielleicht war seine "Anpassung" auch nicht so gut wie er bis jetzt gedacht hatte.
    "Das schon, aber euer restliches Aussehen wirkt nicht wie als wärt ihr von hier...", antwortete sie auf die Mutmaßung des Rothwardonen.
    Warum nicht, was kann es schaden, sich mit einer netten Wirtin zu unterhalten. "Ich komme aus dem Zentrum Hammerfell und bin in...geschäftlicher Sache in Cyrodiil", sagte Raccan, und die Quittung war ein Stirnrunzeln der Wirtin und eine kurz darauf eintretende Stille, wie als wollte die Bretonin erforschen, was genau er mit Geschäft meinte.
    "Ihr seht nicht aus wie ein Händler, ich hoffe dass ist euch bewusst, wenn ihr vorhabt, diese Formulierung öfters zu wählen", sie nickte Richtung Schwert und Wurfmesser, und Candice versetzte den Assassinen dabei in Erstaunen. Sie ist gut, das war anscheinend zu durchschaubar.
    Raccan ertappte sich dabei, dass er nun leicht lächelte. "Gut, ihr habt recht, so geschäftlich ist die Sache nicht. Ich bin auf der Suche nach einer Person", und er blickte sich um ob auch wirklich niemand weiter zuhörte. Dies registrierte die Bretonin.
    "Macht euch keine Sorgen, ich weiß, wann ich meinen Mund zu halten habt. Ihr sitzt hier so sanftmütig und ruhig in meiner Herberge, aber in euren Augen sehe ich, dass ihr auch ganz anders sein könnt. Ich kann es nicht so ganz deuten, aber ich möchte euch nicht weiter in Verlegenheit bringen oder mir gar euren Zorn zuziehen, darum werde ich diese Information für mich behalten...", und sie blickte ernst drein.
    Meine Augen? Was meint sie? Aber sie besitzt eine große Menschenkenntnis. Als Wirtin kann sie mir vielleicht weiterhelfen. Raccan ließ sich Zeit mit einer Antwort, er überlegte was der eleganteste Weg wäre, aber dann entschied er sich für den direkten Vorstoß. "Sagt, ist ein Khajiit vor einem oder zwei Monaten hier durchgekommen?", richtete er die Frage an die Bretonin.
    Der Blick von Candice verwandelte sich in reine Überraschung, aber nur kurz, dann wurde daraus Abgeklärtheit. "Ihr seid sehr schlau. Ihr lasst mich zugeben, dass ich Respekt und auch ein wenig Furcht vor eurem Zorn habe, und fragt mich dann nach der Person die ihr sucht in dem Wissen, dass ich euch wohl kaum anlügen werde...". Raccan war für den ersten Moment etwas erstaunt, das war nun gar nicht seine Absicht, aber dann lächelte er stumm um vorzutäuschen, dass er genau dies vorgehabt hatte. "Gut...", seufzte sie, "...es sind tatsächlich einige Khajiit hier durchgekommen, aber ich erinnere mich an keinen Namen. Direkt im Gasthaus habe ich schon seit Ewigkeiten keinen mehr gehabt, meistens machen sie im Dorf Rast um dann weiter zu ziehen, diese Wesen leben ja lieber in der Natur als in einem stickigen Haus...", und damit ließ sie schon so ein wenig durchblicken, dass sie in Khajiit wohl mehr die Katze als das menschenähnliche Wesen sah. "Könnt ihr ihn beschreiben?", setzte sie nach, woraufhin Raccan nickte und ihr das Schlangenhaut-Pergament reichte. "Was ist das für ein Material...", murmelte sie, rieb es zwischen den Fingern und blickte den Rothwardonen fragend an, als dieser aber keine Anstalten machte, zu antworten, konzentrierte sich Candice auf die Zeichnung. Minutenlang herrschte Stille im Schankraum, bis die Wirtin diese brach. "Ja, der war hier in Pells Tor. Glaube ich. Sicher bin ich mir nicht, nein, gar nicht. Aber ich glaube schon, dieses Ohr, ja...wollte weiter nach Bravil, glaube ich zumindest, er ist in diese Richtung verschwunden. Aber ich kann mich auch täuschen, wie ich schon sagte, Khajiit sind sehr selten direkt hier bei mir...", und sie reichte dem Rothwardonen die Zeichnung mit einem entschuldigenden Blick zurück.
    Raccan aber hörte nach den ersten Worten der Wirtin nur noch mit halben Ohr zu. Also war der Khajiit wirklich hier, es bestand zwar die Möglichkeit, dass sich die Frau irrte, aber was soll's, es war zumindest ein Hinweis, dass er auf der richtigen Spur war.
    "Nun gut, wenn ihr noch einen Wunsch habt, kommt nur zu mir.". Damit erhob sie sich, nickte freundlich und ließ den Rothwardonen wieder allein. Dieser griff nun nach der Flasche und schaute sich geistesabwesend die Flüssigkeit darin an; sehr viel erkennen konnte er nicht, und so roch er daran und nahm schließlich einen Schluck. Das Getränk war bitter und etwas ungewohnt für den Gaumen des Assassinen, etwas angewidert verzog er zunächst das Gesicht; der Nachgeschmack allerdings rundete den Gesamteindruck wieder ab, und so trank er schließlich die gesamte Flasche leer. Etwas schummrig wurde Raccan nun schon; er trank zwar ab und an Alkohol, aber dies nicht regelmäßig, und hierbei musste es sich wohl um eine etwas stärkere Sorte gehandelt haben. Schwerfällig erhob er sich von dem Stuhl und ging mit langsamen Schritten Richtung seines Zimmers. Dort angekommen, verschloss er rasch die Tür hinter sich und blickte sich erst einmal um, insofern ihm das möglich war, denn es war doch recht finster hier drinnen. Abhilfe schaffte das Gewitter draußen, denn als es blitzte, erhellte dieser für einen kurzen Moment den Raum. Ein Doppelbett, ein Tisch am Fenster, zwei Stühle daneben, ein großer Kleiderschrank, eine Kommode, ein Spiegel, eine Truhe am Fußende des Bettes. Der kurze Moment reichte dem Rothwardonen, um ein Bild der Raumaufteilung vor dem geistigen Auge zu haben, und so tastete er sich Richtung Bett. Als er es endlich erreichte und sich daran machte, seine Kleidung abzulegen. Aber wohin mit den Sachen, etwa auf den nächsten Blitz warten? Hier musste doch auch irgendwo eine Kerze sein. Blind fühlte er neben das Bett auf dem kleinen Tischchen, und tatsächlich wurde er fündig. Nun stellte sich aber die Frage, wie er sie entzünden sollte. Seine Feuersteine befanden sich in den Satteltaschen, und die waren unten. Ebenso hatte er sich schon seit langem einmal vorgenommen, einen Feuerzauber zu erlernen um wenigstens Kerzen und Lagerfeuer zu entzünden. Ein wenig Magie beherrschte er, diese aber bezog sich eher auf die Schule der Illusion, und dies auch nur auf einen Spruch, um sich weniger sichtbar oder für ein paar Sekunden ganz unsichtbar zu machen. So musste er hoffen, dass er hier in dem Zimmer etwas fand. [/I]In der Schublade müsste doch etwas sein, falls eine da ist[/I], und er fummelte im Dunkeln an dem kleinen Nachttischchen herum, bis er endlich einen Knauf ergriff. In dem Fach fand er dann auch endlich zwei kleine, sich kantig anfühlende Steinchen. Die Kerze stellte er wieder auf den Nachttisch und entzündete sie schließlich. Endlich konnte er sich gezielter in dem Raum bewegen, der nun von der kleinen Kerze bei Weitem nicht vollständig, aber ausreichend ausgeleuchtet wurde. Seine Sachen hing Raccan auf die beiden Stühle zum Trocknen, wobei dies schon fast nicht mehr nötig gewesen wäre, denn mittlerweile waren sie schon fast nicht mehr nass. Das Bier hatte seine Spuren hinterlassen und im Kopf des Assassinen pochte es dumpf gegen die Innenseite seines Schädels. Ich wollte doch noch Sahi einen Brief schreiben...verdammtes Bier, dachte er sich und bewegte sich Richtung Bett. Als er dort so dalag und an die Decke schaute, wurde ihm etwas mulmig zumute. Was war, wenn die Wirtin mit dem Khajiiten unter einer Decke steckt? Wenn das Bier vergiftet war? "Unsinn", murmelte Raccan halblaut und schüttelte langsam den Kopf. Du wirst paranoid. Trotzdem raffte er sich noch einmal auf, schlurfte zur Tür, verschloss sie von innen und ließ den Schlüssel stecken bevor er sich wieder ins Bett legte und in einen traumlosen Schlaf fiel...

  8. #288

    Vvardenfell-Distrikt, Westspalte, Heerlager am Aschlandpass

    „Wacht auf! Ihr müsst aufwachen!“: rief ihm jemand zu und schüttelte ihn unsanft. Verschlafen öffnete Tarrior die Augen und blickte in Alinas Augen. Sie sah nicht sonderlich glücklich aus. „Der Abgesandte Haus Hlaalus ist eingetroffen. Ihr müsst aufstehen. Vergesst unsere Vereinbarung nicht“: redete sie auf ihn ein. Mit einem Wink seiner Hand scheuchte er sie zur Seite, sodass er sich aufsetzen konnte. Bei dem Versuch wurde ihm umgehend wieder schwindlig. Noch immer hatte er sich nicht ganz erholt. Die Meditation forderte ihren Tribut. Er hoffte, dass er für den Kampf wieder genug Kraft gesammelt haben würde. Er fuhr sich mit der Hand noch einmal durch das Gesicht und massierte sich kurz die Augen, bevor er langsam das Bett verließ. Zwei Kaiserliche in einfacher Kleidung standen etwas abseits im Hintergrund, wie er bemerkte. Auf ein Nicken von Alina kamen sie näher und der Dunmer erkannte, dass sie eine Schüssel mit Wasser und frische Kleidung dabei hatten. „Nicht alle Mitglieder der Liga sind Kämpfer. Diese beiden Diener werden euch in Ordnung bringen, damit ihr uns nicht vor dem Abgesandten blamiert. Nichts gegen euch, aber diese feinen Politiker sind bekanntlich etwas eitel und respektieren daher ein feines Auftreten. Aber als Hausmitglied dürftet ihr dies ja wissen. Ich lasse euch nun allein und erwarte euch dann vor dem Zelt“: erklärte sie und überließ ihn der Obhut der Bediensteten. Misstrauisch beäugte der Dunmer die beiden Männer. „Ungewöhnlich für einen derart paranoiden Haufen, sich Bedienstete zu halten. Vermutlich sind sie sowieso nur für den Bedarf der Führung hier“: überlegte er und ließ die Prozedur über sich ergehen. Alina hatte Recht. Es machte wirklich einen besseren Eindruck, wenn er nicht verschmutzt und verschwitzt dem Abgesandten gegenüber trat, zumal eine delikate Vereinbarung ausgehandelt werden sollte. Er legte die dreckige Kleidung mitsamt seinem Lendenschurz ab und setzte sich auf den kleinen Hocker neben dem Feldbett.

    Ohne ein weiteres Wort machte sich der Diener ans Werk und rieb seinen Körper mit einem Lappen ab, den er immer wieder in der Schüssel nass machte. Ein angenehmer Duft nach Blüten verbreitete sich im Zelt. Scheinbar war das Wasser mit irgendwelchen Duftstoffen versetzt. „Alina will wohl wirklich einen guten Eindruck hinterlassen“: dachte Tarrior mit einem unmerklichen Verdrehen der Augen. Zu guter Letzt musste er sich noch nach vorne beugen, damit der Mann auch noch seine roten Haare waschen konnte, was aber glücklicherweise nicht mehr solange dauerte. Danach legte ihm der andere Diener die frische Kleidung bereit, die offenkundig aus einem teuren Gewebe gefertigt war, aber auch nicht zu imposant wirkte. Die Farben waren in dezenten gelb- und brauntönen gehalten. Nur die eingearbeiteten Stickereien waren mit einem Goldfaden gemacht. Der Schnitt des Stoffes war eindeutig nach kaiserlicher Mode und das Hemd und die Hose waren weiter ausgelassen, als es seine eigentliche Form zuließ und das Hemd zudem etwas zu knapp. Offenkundig gehörten die Tücher jemand anderem. Ein kurzer Blick zur Seite auf sein Gepäck verriet ihm, dass man es wohl nach etwas Repräsentativem durchsucht hatte. Doch befand sich im Moment Nichts in seinem Besitz, dass Alina ausrechend erschienen wäre. Tarrior wollte sich damals nicht mit unpraktischer Kleidung belasten, als er von der Plantage aufgebrochen war. Er zog sie sich über, aber lehnte die bereitliegenden Spitzschuhe ab, die vor einiger Zeit ein richtiger Trend unter den Ratsherren Haus Hlaalus waren und zog sich lieber die Stiefel seiner Knochenrüstung an, die man ihm abgenommen hatte. Die Diener betrachteten ihn kritisch, aber nickten dann zufrieden. Er ließ sich erneut auf den Hocker sinken und schon platzierte sich einer der Kaiserlichen hinter ihm und kämmte seine inzwischen schon wieder langen Haaren und band sie auf Tarriors Wunsch in dessen Nacken mit einem Lederband zu einem Knoten zusammen. „Ihr seht gut aus, Herr. Ich denke es dürfte für das Treffen ausreichen“: meinte der Andere Bedienstete und geleitete ihn zum Zeltausgang. Man gönnte ihm nicht einen Moment der inneren Vorbereitung.

    „Da seid ihr ja endlich. Wir müssen den Abgesandten abpassen, bevor dieser Feigling von einem Nord seine Zweifel bei ihm streut und das wäre…“: wandte sie sich um, als Tarrior die Zeltplane zurückschlug und verstummte. Eine leichte Röte bildete sich auf ihrem Gesicht. „Ihr seht gut aus. Ähm… das dürfte… ähm unserem Anliegen… sicher nützlich… sein“: fuhr sie etwas überrascht fort. Tarrior blinzelte gegen das Licht und schenkte ihr ein müdes Lächeln. Persönlich fand ihr diesen Aufwand unnötig, aber vermutlich tat er dennoch seinen Zweck. Die Sonne stand bereits tief und begann sich rot zu verfärben. Wenn der Gesandte eine längere Reise hinter sich hatte, würden sie ihn wirklich bald ansprechen müssen, ansonsten wäre er vermutlich nicht mehr in der Stimmung für ein Gespräch. „Dann sollten wir uns auf den Weg machen, bevor euer Plan dadurch ruiniert wird“: schlug der Dunmer vor. Die Bretonin nickte. „Ich habe dem Abgesandten einen Boten geschickt. Er erwartet uns im Versammlungszelt der Hlaalu-Truppen hier im Lager. Zu unserem Glück liegt es ebenfalls am Rand und wir müssen uns nicht erst durch das Gedränge dort unten hindurch kämpfen. Die Essensausgabe beginnt bald und dann ist dort Dagon los“: erklärte sie und schickte die Diener, die ebenfalls aus dem Zelt traten mit einer herrischen Geste weg. „Gut dann lasst uns gehen“: meinte Tarrior, der dieses Pflichttreffen möglichst schnell hinter sich bringen wollte. Seine Geduld war knapp bemessen. Sein einziges Ziel war den Telvanni endlich auszuschalten und jede dieser lästigen Störungen kostete ihn nur wertvolle Zeit.

    Alina nickte auf seinen Vorschlag hin und sie machten sich auf dem Weg. Tarriors Gedanken schweiften dem Treffen zu und er überlegte sich, wie er den Plan am Besten an den Mann bringen sollte. Dabei berührten seine Gedanken die Frage, welchen Ratsherrn man mit dieser Aufgabe überhaupt betraut hatte. Seit der Sache mit der Mine Shulk vor ein paar Wochen hatte sich sein Ansehen sicherlich etwas verbessert, aber bestimmt war er für die Meisten immer noch eher ein Außenseiter. Er stand nur mit wenigen Ratsherren in guten Beziehungen. Außerdem fand er zwar den Plan sinnvoll, aber diese Einschätzung musste das Haus ja nicht unbedingt teilen. Das Risiko, da hatte der Nord Recht, war hoch und keineswegs eine Katastrophe auszuschließen. Die Risikobereitschaft im Haus beschränkte sich aber in der Regel auf illegale Geschäfte und den ein oder anderen Auftragsmord. So gesehen bestand aber auch eine Möglichkeit sich gegenüber den Redoranern zu profilieren. Tarrior war den ständigen Bürgerkrieg zwischen den Häusern leid. Jetzt wo das Kaiserreich seinen Herrscher verloren hatte und auch dessen sämtliche Erben tot waren, wäre es endlich möglich Morrowind wieder in die Unabhängigkeit zu führen, aber das konnte nur gelingen, wenn die mächtigsten Häuser dazu an einem Strang zogen. Die Hauskämpfe zwischen Redoran, Hlaalu und Telvanni nach dem Verschwinden des Nerevarine hatten Vvardenfell und ganz Morrowind in eine tiefe Krise gestürzt und es erheblich geschwächt. „Nur so“: erklärte sich Tarrior: „konnten diese verfluchten Daedra so schnell Fuß fassen“. Allerdings führte die Invasion zu dem Burgfrieden, der jetzt die Politik auf der Insel beherrschte. Redoran und Hlaalu arbeiten für die Rettung ihrer Gebiete zusammen. Nur die Telvanni, obwohl offiziell auf Seite der Allianz, hielten sich wie üblich aus allem heraus. „Und wollen sich vermutlich das krallen, was nach dem Krieg übrig bleibt“: ätzte Tarrior in Gedanken gegen die feigen Magier. Im Gegenzug zu diesen zwielichtigen Robenträgern erschienen ihm seine Leute, wie der Inbegriff von Ehrhaftigkeit. Seine Gedanken schweiften ab, doch glücklicherweise riss ihn die Ankunft im Hlaalu-Lager aus den Selbigen.

    Zwei Hlaalu-Wächter traten vor. „Was ist euer Begehr?“: verlangten sie zu wissen. Alina kümmerte sich darum: „Wir sind mit dem Abgesandten eures Hauses verabredet. Er erwartet uns.“ Die Wachen schauten sich gegenseitig an. „Davon wissen wir nichts. Verzeiht Herrin, aber wir haben Anweisungen niemanden einzulassen, der nicht auf der Liste der Gäste steht. Ein Meuchelmörder hat versucht den letzten Abgesandten zu erdolchen“: verweigerte der Soldat ihnen den Einlass. „Bitte was?!“: war Alina schockiert: „Davon wusste ich Garnichts.“ Der Wächter beugte sich vor: „Es ist auch besser, wenn nicht soviele davon Wind bekommen. Die Lage hier im Lager ist angespannt und die politische Situation alles andere als einfach. Wenn herauskommt, dass jemand den Hlaalu-Abgesandten ermorden wollte, kommen nur unschöne Gerüchte in Umlauf. Dabei konnte die Identität des Auftraggebers nicht geklärt werden. Also verzeiht, dass wir euch nicht einlassen dürfen. Wir haben unsere Befehle.“ Tarrior verdrehte die Augen. Schon wieder kosteten ihn Sicherheitsbestimmungen kostbare Zeit. Deshalb trat er jetzt in imposanter Pose vor die Wache, die leider ohne die Rüstung nur halb so beeindruckend war, wie erhofft. „Ich bin Hlaalu Tarrior Gildres, Ratsherr von Haus Hlaalu. Dies hier ist doch wohl ein Lager des Fürstenhauses, also wünsche ich meinem Rang entsprechend behandelt und untergebracht zu werden. Gewährt mir also Zugang! Und die Dame an meiner Seite ist eine Offizierin der Liga der Magischen Gewalt. Ich verbürge mich hiermit für sie. Gewährt auch ihr Einlass!“: forderte er. Der Wachmann, dessen Gesicht Tarrior aufgrund des Vollhelms nicht einsehen konnte, schien kurz zu überlegen und beugte sich zu seinem Kollegen hinüber. Im Anschluss wandte er sich wieder an die beiden: „Auf eure Verantwortung, Sera“: gestattete der Mann, dem es offenkundig nicht gefiel, seine Befehle ignorieren zu müssen und trat zur Seite. Mit Alina im Schlepp betraten sie den separierten Hlaalu-Bereich des Feldlagers und hielten direkt auf das größte Zelt am Platz zu.

    Sie hatten gerade den halben Weg überbrückt, da rief jemand von der Seite: „Bei Almsivi, Tarrior! Was macht ihr denn hier?“ Der Dunmer wandte sich rasch nach links und war erstaunt darüber, wen er dort aus einem Nebenzelt kommen sah. Tatsächlich hielt von dort nun Dram Bero mit schnellen Schritten auf sie zu. „Meister Bero“: begrüßte er den älteren Mann und deutete eine leichte Verneigung an. „Ich dachte ihr wolltet auf eure Plantage. Was führt euch denn in dieses Lager“: fragte der Ratsherr, der noch ganz von der überraschenden Begegnung eingenommen war. „Ich wollte mir die Befestigungen gegen die Angriffe der Daedra anschauen. Ich habe dabei diese Dame hier kennen gelernt, die mir einen interessanten Plan zu Befreiung Ald’rhuns vorstellte. Da sie nur sehr wenig Unterstützer unter den örtlichen Kampfgruppenführer gefunden hat, wollte ich vor dem Abgesandten unseres Hauses hier werben. Wir haben gleich einen Termin, doch allerdings hat man uns bei den Wachen nicht angekündigt“: erklärte Tarrior kurz die Gründe für seinen Aufenthalt. Meister Bero hörte aufmerksam zu und ein Lächeln stahl sich im Verlauf der Erläuterungen auf seine Lippen. „Verzeiht euer Besuch wurde mir erst kurzfristig angetragen und ich hatte noch nicht Gelegenheit dazu, die Wachen zu instruieren. Ihr schaut überrascht. Der Abgesandte, mit dem ihr sprechen wollt, bin ich“: deckte der Dunmer nun auch den Grund seiner Anwesenheit im Lager auf. Tarrior hätte sich in diesem Moment vor die Stirn schlagen können. „Natürlich. Es hieß der Abgesandte würde aus Vivec geschickt und Meister Bero lebt in Vivec“: ging ihm das Offensichtliche durch den Kopf. „Ich hoffe ihr hattet nicht zu viel Ungemach mit dem Wachen. Sie sind handverlesen und gehören zu unseren treuesten Soldaten. Sie nehmen ihre Aufgabe ausgesprochen Ernst. Entschuldigt bitte, aber ich hatte wirklich noch keine Zeit“: entschuldigte sich Bero, doch Alina unterbrach ihn: „Herr Gildres hat die Situation schnell geklärt. Es gab keine größeren Schwierigkeiten.“ Erst jetzt schien der ältere Dunmer die junge Bretonin zu bemerken. „Tarrior jetzt seid nicht so unhöflich und stellt mir eure Begleiterin vor“: verlangte der alte Ratsherr mit gespielter Empörung über seine schlechten Manieren. „Dies ist Alina, Offizierin der Liga der Magischen Gewalt und Entwicklerin des Planes, den wir euch vorstellen möchten“: stellte er sie pflichtschuldig vor. Die junge Frau gab Bero die Hand, der sie mit einem missmutigen Blick annahm und schüttelte. Tarrior lachte in sich hinein. Dem alten Ratsherr waren solche Gesten, die das Kaiserreich hier zusammen mit seiner Kultur eingeführt hatte, immer suspekt geblieben, aber er überspielte das Ganze gekonnt mit einem freundlichen Lächeln. „Es freut mich. Tarrior ist nicht leicht von einem Plan zu überzeugen, also muss er wohl gut sein. Dann bin ich gespannt, was ihr euch ausgedacht habt. Lasst uns daher am besten gleich zur Besprechung schreiten. Ihr kennt vielleicht das Klischee, das wir Hlaalu sehr ungeduldig sind. Ich muss sagen es ist wahr, denn wir haben selten weniger als zwei Geschäfte gleichzeitig am Laufen, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen“: lud er sie nun zur Besprechung und gemeinsam betraten sie das große Zelt.

    Im Gegenzug zu dem Innenraum dieses Zeltes verblassten die, doch schon recht ansehnlichen, Unterkünfte der Liga gerade zu. Feingeschnitzte Holzbalken trugen eine reichverzierte Zeltplane oder dienten als Spannhölzer für weitere Planen, die den Innenraum in mehrere Teile teilten. Das Zentrum des größeren, fast kreisrunden Raumes, in dem sie sich jetzt befanden, nahm eine aus dutzenden Sitzkissen und Liegen aufgeschichtete Sitzecke ein, in deren Mitte wiederum eine große Wasserpfeife mit mehreren Schläuchen stand, sodass mehr als nur ein Gast gleichzeitig an der Pfeife ziehen konnte. Prallgefüllte Bücherregale und Schränke mit teurem Geschirr oder wichtigen Papieren standen entlang den Wänden und an den Holzbalken waren Banner und Gemälde angebracht. Auf einem großen Esstisch an der Seite waren Schalen mit frischem Obst und gläserne Karaffen mit rotem Inhalt, vermutlich Wein, drapiert. Zwei große Feuerschalen und viele kleinere Öllampen verbreiteten ein gediegenes Licht und der Geruch nach frischen Kräutern, die man wohl im Feuer verbrannt hatte, waberte durch den Raum. Der Boden bestand, dass bemerkte Tarrior schon beim ersten Auftreten, aus einem festen Unterbau aus Holz, der mit Teppichen aus feinen Stoffen bedeckt war. So wurden er und auch Alina gebeten die Schuhe beim Betreten auszuziehen und sich jeweils ein Paar bereitliegende einfache und saubere Holzpantoffeln zu nehmen. Auf dem Weg ins Zentrum des Zeltes, wo Dram Bero sie hinführte, liefen sie auch über einen großen Teppich, der fast vollständig vom Wappen des Fürstenhauses eingenommen wurde. Im Gegensatz zu draußen, herrschten hier eine angenehme Wärme und dadurch eine sehr heimelige Atmosphäre. Ein Seitenblick verriet Tarrior, dass die Bretonin diesen ganzen Luxus mit einem missbilligenden Kopfschütteln betrachtete. Er persönlich nahm keinen Anstoß daran, denn sein Haus konnte sich diesen Luxus durchaus leisten und musste dafür auch nicht an den Truppenunterkünften sparen, auch wenn ihm das Ganze doch ein wenig zu viel war. Vermutlich stammte das Inventar noch aus den Zeiten von Meister Beros Vorgänger, denn auch der Meister war eher ein schlichtet Mann, wie Tarrior wusste.

    Mit einem lauten Seufzer ließ sich der Ratsherr auf eines der Kissen sinken und begab sich in eine horizontale Position. Mit einem Händezeig bedeute er seinen Gästen, es ihm gleich zu tun. Ohne größeres Zögern legte sich Tarrior auf eine der Liegen. Alina bewahrte hingegen die Haltung und ließ sich in aufrecht sitzender Position auf einem der Kissen nieder. „So was ist dies nun für ein Plan?“: fragte Bero. Während Alina zu erzählen begann, griff Tarrior nach einem der Schläuche der Wasserpfeife und nahm einen tiefen Zug daraus. „Ich hoffe wir bringen dies schnell zu einem Ende“: dachte er nur und nahm einen weiteren Zug.

    Es war schon dunkel als sich die Besprechung endlich ihrem Ende näherte. Meister Bero war anscheinend nicht ganz überzeugt gewesen, dass eine junge Frau wie Alina einen vernünftigen Plan haben könnte, aber die Bretonin hatte ihre Sache gut gemacht. Tarrior hatte sie dabei nach besten Kräften unterstützt und die Zweifel seines alten Freundes entsprechend zerstreut. Die Risiken blieben zwar, doch schlussendlich war der Dunmer auf ihre Argumentation eingeschwenkt: „Es gibt einige Unwägbarkeiten in diesem Plan, aber ihr habt Recht, dass ohne Opfer ein Krieg nicht zu gewinnen ist und das auch noch nie ein Kampf beendet wurde, ohne auch etwas zu riskieren. Ich werde mich, ebenso wie der gute Tarrior hier, für den Plan einsetzen und versuchen ob unser Haus nicht noch mehr Streitkräfte schicken könnte, um unsere Chancen zu verbessern. Die Redoraner werden unserem Ansinnen folgen müssen, wenn sie nicht als Feiglinge dastehen wollen und die Gilden werden sich wohl der Mehrheit beugen. Es ist zwar noch eine Menge Feinplanung erforderlich, doch in Ermangelung irgendeiner vernünftigen Alternative, wird dieser Angriff wohl die einzige Chance sein, gegen die Daedra etwas zu unternehmen.“ Der Ratsherr rieb sich die Augen und nahm einen Zug aus der Wasserpfeife, derweil warf Alina Tarrior ein glückliches Lächeln zu. „Die Besprechung ist zu unseren Gunsten verlaufen“: las er in ihren Zügen. „Ihr seht müde aus, Meister Bero. Eure Anreise von Balmora war bestimmt lang und wir behelligen euch hier schon den ganzen Nachmittag. Ich denke es ist besser, wenn wir jetzt gehen und euch ausruhen lassen“: schlug Tarrior vor. Am kommenden Morgen wollte er zur Festung aufbrechen und dazu wollte er ausgeruht sein, doch der Ratsherr schüttelte den Kopf.

    „Ihr beleidigt mich! Ihr könnt euch doch nicht einfach so davonstehlen!“: rief er mit gespielter Empörung aus. Tarrior brach sofort den Versuch ab aufzustehen und ließ sich wieder niedersinken. „So müde, dass ich einen Freund vor das Zelt schicke, kann ich gar nicht sein. Wir haben hier die ganze Zeit Geschäftliches besprochen, dabei wäre jetzt eine Möglichkeit zu erfreulicheren Dingen zu kommen. Damals in Ebenherz hatten wir schon kaum Zeit miteinander. Also bitte bleibt noch etwas. Ich lasse uns etwas zu essen kommen und ihr erzählt mir von dem Vorfall in Shulk. Ich habe zwar schon in Balmora die gröbsten Dinge darüber erfahren, aber ich bin gespannt darauf, Einzelheiten zu hören“: bat er darum, dass Tarrior noch ein wenig länger blieb. Er hatte keine andere Wahl. Es wäre wirklich eine Beleidigung, wenn er jetzt einfach gehen würde, also stimmte er zu. Im nächsten Augenblick rief Meister Bero schon einige Diener zu sich, die doch bitte ein Mahl für sie vorbereiten sollten. „Werte Frau, möchten sie uns auch noch Gesellschaft leisten“: stellte er es Alina frei, ob sie gehen wolle. Doch diese lehnte freundlich aber bestimmt ab: „Nein. Es tut mir wirklich leid, dass ich mich so davon stehlen muss. Aber die Geschäfte der Liga fordern mich selbst in der Nacht und meine Vorgesetzten erwarten einen täglichen Bericht von mir über die Vorgänge im Lager“: empfahl sie sich. „Wirklich schade, aber als Hlaalu-Ratsherr kann ich diese Verpflichtungen voll und ganz verstehen“: zeigte er sein Verständnis und verabschiedete sie. „Euch erwarte ich morgen früh bei uns im Lager“: sagte sie noch an Tarrior gewandt, bevor sie das Zelt ver- und die beiden Männer allein ließ.

    „Ihr habt auch noch Termine?“: fragte Bero. „Ja, aber keine über die ich im Moment reden möchte“: antwortete er nur knapp. „Dann seid doch so gut und erzählt mir von der Mine“: bat er und Tarrior begann zu berichten.
    Geändert von KingPaddy (16.10.2011 um 08:47 Uhr)

  9. #289

    Westspalte, Heerlager am Aschlandpass / Weg nach Andasreth / Andasreth

    Tarrior rieb sich die müden Augen und schaute missmutig in den Sonnenaufgang. Die Nacht war kurz, sehr kurz. Natürlich war es nicht bei dem Abendessen geblieben, sondern leidlicher Weinkonsum und übermäßiger Genuss der Wasserpfeife füllten die halbe Nacht als Rahmenprogramm für interessante Geschichten, Berichte und politische Diskussionen. Und natürlich blieb ihm keine andere Wahl, als dies über sich ergehen zu lassen. Es war nicht so, dass Meister Bero ihn genervt hätte, allerdings unter den Rahmenbedingungen, wegen denen Tarrior sich überhaupt im Lager aufhielt, waren eben diese Gespräche nur eine weitere Störung, die sich zwischen ihn und sein erklärtes Ziel stellte, den Telvanni büßen zu lassen und auszuschalten. Doch zugleich hasste er sich in diesem Moment für diese Gedanken, denn noch nie hatte er aus der Laune heraus ein so entspanntes Gespräch mit einem seiner Freunde als Belastung beurteilt. Es wurde ihm langsam alles zuviel: Verasas Wiederauftauchen, Tirian war sein Sohn, der verfluchte Telvanni-Hexer hatte immer noch Beweise gegen ihn, die Daedra, die Reise durch Cyrodiil und diese ständigen Hindernisse auf dem Weg nach Mar Gaan. Er wollte endlich seine Ruhe haben und dazu musste es nun endlich vorangehen. Trotz der Müdigkeit packte ihn Ungeduld. Zwar hatte er nur wenige Stunden, als Gast im Hlaalu-Bereich des Lagers geschlafen, aber wenn er nun sowieso schon so früh und unausgeschlafen aufstehen sollte, könnte wenigstens Alina auch endlich kommen, da sie ihn sicherlich schon eine Viertelstunde warten ließ, aber dabei selbst so sehr auf sein pünktliches Erscheinen Wert gelegt hatte. Gerade wollte er eine weitere gedankliche Beschwerde loswerden, die sich nun auf die junge Bretonin als Stein in seinem Weg gerichtet hätte, da tauchte sie unvermittelt und flankiert von den, ihm bereits bekannten, Dienern aus dem großen Zelt der Liga auf.

    „Verzeiht, dass ich euch warten ließ, aber ich wollte mich in Ordnung bringen, bevor wir der Leitung der Liga gegenübertreten. Normalerweise kommunizieren ich und die Führung nur per Boten miteinander, da ist so ein Aufwand nicht notwendig, doch jetzt schien er mir geboten“: entschuldigte sie ihre Verspätung, doch Tarrior, dem noch immer der böse Kommentar im Kopf schwebte, war zunächst von ihrem Auftritt gefesselt. Statt ihrer strengen Robe trug sie nun ein schönes, eng anliegendes Kleid. Da es nicht sonderlich voluminös war, sondern ihren Körper schmeichelnd umspannte, wäre es wohl auch auf einer längeren Reise kein sonderliches Hindernis. Die dominierende Farbe war grün, allerdings war der Stoff mit einem Muster in verschiedenen Brauntönen durchsetzt, das etwas von Ranken und Blättern hatte. Schmuck trug sie keinen dazu, allerdings waren ihre Haare ordentlich zurecht gemacht. Die braunen Locken trug sie nun gekämmt und mit mehreren Haarbändern gebändigt und mit einigen bronzenen Metallstiften hochgesteckt. Die ganze Konstruktion sah zwar äußerst aufwendig aus, war aber vermutlich einfacher herzurichten, wie er sich das vorstellte. Das Bild störten nur der Waffengurt, der etwas klobig ihre Hüfte umschloss, das geradezu martialische Schwert, das jedoch zu ihrer durchaus wehrhaften Persönlichkeit passte und die ledernen Stiefel, die ihr wohl praktischer für die Reise, als schicke Schuhe erschienen waren. Während er ihre Gestalt musterte, die für eine Menschenfrau sehr ansehnlich war und einen Moment lang etwas in ihm berührte, verschwand der vorherige Ärger über ihre Verspätung so, als wäre er nie da gewesen. „Ist etwas?“: sie legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. Erst da bemerkte er, dass er sie angestarrt hatte. „Ich habe nur gerade darüber nachgedacht, ob ich so einfach mit euch in die Festung hinein komme“: log er. „Keine Sorge. Mit eurem Liga-Ausweis kann ich euch als meinen Wächter ausgeben. Die Frage ist eher, ob unsere Anführer euch überhaupt zu einer Audienz vorlassen, denn geschweige sich auf einen Zweikampf einlassen“: machte sie sich andere Sorgen. Tarrior rieb sich das Kinn. „Ich glaube, sofern ich mich dem Rat vorstellen darf, werde ich die Möglichkeit im Zweikampf in jedem Fall bekommen. Man muss nur wissen, wie man die Leute manipuliert“: dachte er laut, aber sparte aus, wie er plante seinen Willen durchzusetzen. Alina zuckte nur mit den Schultern. „Ihr habt euren Teil der Abmachung erfüllt und ich kann wirklich nicht mehr tun, als euch in die Festung zu bringen und euch vorzustellen. Alles Weitere liegt dann bei euch. Und wir sind dann Quitt“: meinte sie daraufhin. Tarrior setzte ein Lächeln auf: „Keine Sorge. Ich werde das schon hinkriegen. Wir sollten aber langsam aufbrechen. Wir haben schon genug Zeit vertrödelt.“ Die junge Bretonin stimmte ihm darin zu und sie machten sich auf den Weg.

    Nachdem sie das Lager hinter sich gelassen hatten, zogen sie in Richtung Westen, wo die Hügelkette, die das Aschebecken, in dem Andasreth lag, einschloss, bereits am Horizont zu erkennen war und sie benötigten nicht viel mehr als eine halbe bis dreiviertel Stunde um zum schmalen Stieg zwischen den Felsen zu gelangen. Ein Außenposten der Redoraner, die Stützpunkt auf dem nahen Hof eines Mitgliedes von Haus Redoran, Drulene Falen, bezogen hatten, sicherte und bewachte den Weg. Doch das Gildensiegel der Liga und die Ausweisung Alinas als Offizierin der Kampfmagier sorgten für ein schnelles Vorankommen über den Pass. Holztore in provisorischen Palisaden wurden zur Seite geräumt und Kriegswappenträger und Redoraner-Wachen mit verkniffenen Gesichtern machten den Weg frei. Auf der anderen Seite des schmalen Durchgangs blickten sie auf die flache Landschaft des mit Felsen übersäten Aschebeckens. Die Festung, ihr Ziel, war als dunkler, dräuender Umriss zu erkennen, der auf einem Hügel am Rand des Talkessels thronte. Ein Pfad war mit Hilfe regelmäßig eingeschlagener Holzpflöcke, die man mit Seilen verbunden hatte, markiert worden. Eben diesen wählten nun der Dunmer und seine Begleiterin, um zur Festung zu gelangen. Im Vorübergehen sahen sie weitere Zelte und kleine Lager, die weit verstreut überall im Kessel lagen und wohl Unterkünfte für redoranische Truppen darstellten, die zur Festung gehörten, aber wohl innerhalb keinen Platz fanden. Nach etwa einer weiteren Stund erreichten die Beiden schließlich den Sockel von Andasreth.

    Die Festung war im typischen Stil der alten Dunmerfestungsarchitektur errichtet. Den unteren Teil der Anlage bildete ein künstlich aufgeschüttetes, in etwa rechteckiges Plateau, das sich von der Sohle nach oben hin schräg verjüngte und dessen Böschung mit großen, groben Platten in schwierigen Winkeln gemauert war, die ein Erklimmen des Plateaus besonders erschweren und Bogenschützen oberhalb Deckung bieten sollte. Das Plateau bildete dabei selbst das eigentliche Gelände der Festung und war nur über einen kleinen Dammweg an der Nordseite der Anlage zu betreten. Die Böschungen verhinderten ein Betreten nach Norden sowie Osten und die besondere Lage, nämlich direkt in die umliegenden Hügel angelehnt, blockierten ebenso die Zugänge von Westen oder Süden auf das Gelände von Andasreth. Somit blieb Tarrior und Alina auch nur der Weg über den Dammweg im Norden, der von einer stattlichen Anzahl an Wachen abgesichert wurde. Ebenso kontrollierten neu errichtete Wachtürme im Stil des Hauses Redoran den Pfad noch einmal von oben. Große Kohlebecken, die man wohl Tag und Nacht brennen ließ, würden selbst in der Dunkelheit der Nacht das Gelände völlig einsichtig halten. Es war kaum vorstellbar, dass sich jemand unbemerkt in die Festung einschleichen könnte. Man wollte wohl ein Eindringen von Agenten der Mythischen Morgenröte um jeden Preis verhindern und tatsächlich konnte der Verrat bei diesen Sicherungsmaßnahmen nur von innen kommen. „Beeindruckend was die Redoraner in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben“: dachte Tarrior laut, denn noch vor ein paar Jahren war Andasreth, wie eigentlich die meisten Festungsanlagen auf Vvardenfell, verlassen und ein beliebter Unterschlupf für Räuber, Diebe und anderes aussätziges Gesindel. Zugegeben dass auch seine Leute vom Kult des Sechsten Hauses häufiger verlassene Festungen als Stützpunkte nutzten. Dies hier jedoch stellte eine neue Qualität dar, denn tatsächlich war die Bausubstanz offensichtlich instand gesetzt und sogar um neue Wehranlagen wie die Türme und einige niedrigere Mauern und Torbögen erweitert worden. Entsprechend der hier herrschenden Sicherheitsbestimmungen, wurden sie umgehend aufgehalten und peinlich befragt, bis Alina ein Treffen mit der Führung der Liga als Grund ihrer Anwesenheit angab und die Wachen einen Boten in das Hauptgebäude schickten, der schauen sollte, ob die Ankömmlinge auch wirklich angemeldet seien.

    Tarrior verdrehte ein aufs andere Mal die Augen. Gewiss gab es diese ganzen Sicherungsvorkehrungen nicht ohne Grund und gewiss stellte die Mythische Morgenröte mit der Unterwanderung des Widerstandes durch Agenten eine latente Bedrohung dar, aber musste das wirklich sein? „Wieder weitere kostbare Minuten, die ich bereits damit verbringen könnte, Beweise gegen den Telvanni zusammen zu tragen“: dachte Tarrior missmutig an sein eigentliches Ziel und in seinen Gedanken formierte sich erneut der Zorn gegen diese verfluchte Liga, der er nun beigetreten war, denn sie zwang ihn überhaupt zu diesem Umweg hierher, weil sie ihn nicht für fähig genug hielt, die Versorgungslieferung zu schützen. „Ich werde diesen Narren zeigen, wer hier nicht fähig genug ist!“: beschloss er innerlich und sammelte seine Wut in einer stillen Ecke seines Geistes, um sie für den Zweikampf gegen den Ligaführer zur Verfügung zu haben. Dieser würde dann ganz und gar Tarriors aufgestaute Frustration zu spüren bekommen! Und von Augenblick zu Augenblick, in der der Bote immer noch nicht zurückkehrte, sammelte sich diese weiter an, während Tarrior sich mit malendem Kiefer ausmalte, was er seinem Gegner so alles im Kampf antun könnte. Das sein Gegenüber stärker sein könnte als er selbst, blendete der Dunmer einfach aus und gab sich ganz der Vorstellung hin, den ganzen aufgestauten Unmut in feurige Magie zu verwandeln und diese die Magier schlucken zu lassen. Entsprechend vertieft in seine Gedanken bemerkte er die Rückkehr des Boten zunächst nicht, der Alinas Geschichte bestätigte. Diese hatte zuvor schon am Morgen einen anderen Boten geschickt, um ihr Eintreffen anzukündigen. So fiel es ihm auch besonders schwer, sich von den Bildern des flehenden Meisters der Liga in seinem Kopf loszureißen. „Geht es euch nicht gut? Ihr seht angespannt aus“: fragte ihn die Bretonin besorgt und riss ihn so zurück in die richtige Welt. „Vielleicht solltet ihr euch vor dem Kampf noch einmal ausruhen oder es euch doch noch anders überlegen. Es wird sich bestimmt irgendwann eine Möglichkeit für euch ergeben, nach Mar Gaan zu gelangen“: schlug sie ihm vor, doch er schüttelte, nun wieder voll anwesend, vehement den Kopf. „Nein es ist Nichts. Ich war gerade etwas in Gedanken. Der Kampf soll möglichst gleich stattfinden. Ich denke dann werde ich mich auch besser fühlen. Ich mache mir wirklich Sorgen um meine Bekannten in der Stadt, das zehrt wohl etwas an meinen Nerven und da hilft es leider nicht, dass ich hier noch mehr Zeit vergeude, sondern nur wenn ich mich versichern kann, dass sie wohlauf sind“: frischte er noch einmal die Lüge von den eingeschlossenen Bekannten auf, um seine Ungeduld in Worte zu fassen. Sie sah ihn skeptisch an und das auch noch, nachdem ein Wächter sie nun endlich durchwinkte und den Weg freigab.

    „Ich hoffe wirklich, dass ihr euch das gut überlegt habt. Der Großmeister wird es nicht schätzen, wenn ihr einfach so in eine Versammlung der Offiziere hinein stürmt und ihn dann auch noch zu einem Duell fordert. Schlimmstenfalls wird er sich gar nicht erst darauf einlassen und ihr hättet euch vor Führung der Liga unmöglich gemacht“: teilte sie noch einmal ihre Sorgen mit und es war deutlich an ihrem Gesicht abzulesen, dass sie sich auch Sorgen um ihre Reputation innerhalb der Liga machte, denn schließlich hätte sie ihm überhaupt erst Zugang zum Großmeister verschafft. „Wie ich euch schon im Lager sagte, bin ich zuversichtlich, dass der Zweikampf stattfinden wird, wenn ich die Herauforderung direkt vortragen kann“: gab sich Tarrior nochmals sicher und ließ auch keine weiteren Einwände mehr seitens Alina zu. Stattdessen konzentrierte er sich nun auf die bevorstehende Konfrontation. „Ich muss diese Fanatiker nur an ihrer Ehre packen und sie werden mit dem größten Vergnügen auf mich losgehen, was allerdings dann besonders mir ein Vergnügen sein wird“: durchdachte er nochmals seine Strategie, da standen sie inzwischen auf dem Plateau. Die eigentlichen Gebäude der Festungsanlage stellten ein großer, mehrstöckiger, rechtwinkliger Bau mit einem weiteren Anbau auf dem Dach sowie ein hohes Gebäude mit etwa quadratischer Grundfläche dar. In Ersterem waren die Soldaten und Offiziere der Redoraner und auch die Soldaten und die Führung der Liga der Magischen Gewalt untergebracht und ebenso lag dort das administrative Zentrum der gesamten Verteidigung der Westspalte. Das zweite Gebäude war die Propylon-Kammer der Festung. Soweit Tarrior wusste, dienten diese seltsamen, magischen Anlagen, die man Propylone nannte, dem Teleport in einem Netzwerk aus solchen Propylonen. So gut wie jede Dunmer-Festung verfügte über so eine Propylon-Kammer und konnte über dieses Netzwerk erreicht werden. Allerdings benötigte man für die Nutzung dieses uralten Transportweges einen so genannten Index, die allerdings über die Jahrhunderte verschwanden. Die Propylone konnten somit heute nicht mehr genutzt werden.

    Aus diesem Grund war Tarrior überrascht, dass vor der Kammer große Banner der Liga gehisst waren, vier Kampfmagier der Liga die Tür ins Innere vollständig blockierten und weitere Kampfmagier das Gebäude umkreisend patrouillierten. Bisher ging er davon aus, dass die Führung zusammen mit den Redoranern im Hauptgebäude saß, aber scheinbar befand sie sich wohl doch in der Kammer. Automatisch schwenkte er vom Weg ab und lenkte seine Schritte auf die Kammer zu, doch Alina hielt ihn mit einer Hand auf der Schulter zurück. „Wir müssen in das Hauptgebäude“: sagte sie. Er war verwundert. „Aber dort sind eure Leute“: wandte er ein. „Das ist auch der wichtigste Ort in der Festung und wir sind für ihn und seine Bewachung zuständig. Aber der Großmeister und die Offiziere haben ihre Räumlichkeiten und den Besprechungsraum im Hauptgebäude von Andasreth“: erklärte die junge Bretonin. Tarrior zuckte mit den Schultern und folgte ihr. Allerdings wollte er nun wissen, was dort vor sich ging: „Wenn es der wichtigste Ort des Festung ist für den ihr zuständig seid, was ist denn dort, wenn nicht die Ligaführung?“ Sie drehte sich zu ihm und kam mit ihrem Gesicht ganz nah an seines. Er konnte ihren warmen Atem auf der Haut spüren und ihre Lippen fast an seinem Ohr. „Dort drin ist das, wegen dem ihr auch gekommen seid. Von dort schicken wir die Versorgungslieferungen nach Mar Gaan. Aber diese Information ist streng vertraulich. Eigentlich dürfte ich euch gar nicht einweihen. Wenn ihr euren Kampf gewinnt, dann werdet ihr es mit eigenen Augen sehen. Ansonsten dürft und solltet ihr auch nicht mehr darüber wissen“: erläuterte sie flüsternd und entfernte sich dann soweit von ihm, dass sie von unten in seine tiefroten Augen schauen konnte und damit noch einmal die absolute Vertraulichkeit dieser Information beschwor. Er schluckte und konnte nur nicken. Dann betraten sie auch schon das Hauptgebäude.

  10. #290

    Vvardenfell-Distrikt, Westspalte, Andasreth

    Während im Vergleich zur Rampe auf dem Hof von Andasreth kaum Leben herrschte, war das Innere des Hauptgebäudes erfüllt davon. Das laute und ständige Rauschen dutzender Stimmen, das die Gänge durchdrang und Subtenor für Waffengeklirr aus den Trainingsräumen war, sowie für etliche Soldaten der Redoraner auf Botendienst, Patrouille oder damit beschäftigt Vorräte und Waffen zu verstauen. Der breite Wandelgang, der an der Außenseite einmal ganz um das Gebäude herum führte und an dem sämtliche Räume im Kern des Baus anlagen, war voll. Manchmal hingen sogar in den Gängen Hängematten. Alina und er bekamen häufig Probleme überhaupt noch voran zu kommen. Die Beengtheit gefiel Tarrior gar nicht und die Luft tat ein Übriges, dass in ihm leichter Schwindel aufkam. Sie war zum Schneiden und roch abgestanden, klamm und schweißgeschwängert. Da die Anlage aus Gründen der Sicherheit keine großen Fenster sondern nur wenige kleine, schlitzartige Öffnungen in der Mauer besaß, konnte auch kein wirklicher Luftaustausch mit draußen stattfinden. Der Dunmer wäre in diesem Moment sogar lieber in den stickigen Kavernen unter dem Roten Berg gewesen, als sich an diesem Ort aufzuhalten. Glücklicherweise konnten sie die Hitze und Modrigkeit der unteren Etagen hinter sich lassen, als Alina sie eine Treppe hinaufführte, womit sie in die obere Ebene von Andasreth gelangten. Hier waren die Gänge nicht ganz so voll und hielten sich auch weniger Personen außerhalb der Kammern auf.

    „Die Führung unserer Liga hat ihr ihre Unterkünfte und ihren Sitzungssaal, ebenso wie die höherrangigen Mitglieder der Redoraner- und Hlaalu-Truppen. Die Generäle der Häuser selbst halten sich in dem kleinen Anbau auf dem Dach auf. Dort hat von unseren Leuten nur der Großmeister Zugang. Diese Männer dort oben treffen die operativen Entscheidungen über Angriffe und Verteidigung. Der Großmeister wirbt schon lange für einen Angriff, aber bisher wollen die beiden Fürstenhäuser nichts riskieren. Wenn euer Freund der Abgesandte, dieser Dram Bero, die Generäle eures Hauses überzeugen kann, dann werden vermutlich auch die Redoraner einknicken und dem Angriffsplan zustimmen und dann natürlich müssten auch die ganzen Gilden und Freiwilligenverbände im Heerlager mitziehen“: erklärte sie die unterschiedliche Bewohnung der Festung und schweifte dann zu ihrem Plan ab. Tarrior lehnte sich einen Moment an die Wand und dachte laut nach: „Die Daedra fallen ja auch im Osten, Südosten und Süden ein. Was wollt ihr eigentlich gegen die unternehmen?“ Die Bretonin verzog bei dieser Frage plötzlich das Gesicht vor Zorn. „Wir kümmern uns zuerst um das Hauptlager der Invasoren am Roten Berg! Die Gebiete, die ihr ansprecht, sind bis auf die Enklave des Tempels in Molag Mar Hoheitsgebiet dieser Totenbeschwörer vom Haus Telvanni. Soweit ich gehört habe, haben Redoran und Hlaalu um ein großes Bündnis und damit um Truppen für die Westspalte und die Ascadia-Inseln ersucht und dafür ihre Hilfe zur Sicherung der Ländereien der Telvanni angeboten, aber diese feigen Magier – so etwas überhaupt Magier zu nennen ist eine Aufwertung, die sie gar nicht verdient hätten! – haben abgelehnt und rühren nicht einen Finger gegen die Daedra. Nur diesen Meister Aryon in den Weidenländern will ich davon ausnehmen. Er hat hart mit den Angreifern zu kämpfen, aber versucht auch sie im Innern der Inseln abzufangen und Boden zurückzugewinnen, doch kämpft auch er alleine. Die restlichen Magier halten sich da komplett heraus, als ginge es sie gar nichts an. Also sollen sie zusehen, wie sie ihr Land gehalten bekommen. Unsere Ziele sind klar und für die Telvanni die Drecksarbeit zu machen, gehört eindeutig nicht dazu“: erboste sie sich über die eigenbrötlerischen Zauberer im Osten der Insel.

    Tarrior stutzte. Die Bretonin schien ihrer Rolle als Offizierin voll aufzugehen und entsprechend über viele Details der militärischen Lage gut informiert zu sein. Das war umso beeindruckender, wenn er sich vorstellte, dass sie wohl vor der Invasion durch die Dämonen Oblivions eine ganz gewöhnliche Zauberin mit Talent für die Schule der Zerstörung gewesen sein musste. Jetzt in ihrer neuen Rolle schien sie sich richtig auszuleben. Während der Hasstirade gegen die Telvanni schwang das gleiche leidenschaftliche Feuer in ihrer Stimme mit, mit dem sie auch schon ihren Kampfplan präsentiert hatte. „Arme Fanatikerin“: bedauerte Tarrior, dass sie diese Leidenschaft dem Ziel dieser Fanatiker von der Liga gewidmet hatte. Doch erkannte er jetzt eine Gelegenheit etwas mehr über seinen Feind herauszubekommen. Wenn auch schon die Weidenländer angegriffen wurden, musste Tel Uvirith doch auch schon längst unter den Daedra zu leiden haben. Vielleicht war Behrams Position schon viel schwächer, als der Hexer sie selbst darstellte. Entsprechend stellte Tarrior nun eine Frage über die Lage in Molag Amur. Alina schaute ihn bei der Frage mit einem merkwürdig-lauernden Blick an. „Was interessiert ihr euch denn so für die Telvanni? Und vor allem für die Stadt dieses Bastards von einer Nekromantenmissgeburt?“: wollte sie wissen. Der Hass, den scheinbar auch Alina gegen Behram Meradanz hegte, war deutlich aus ihrer Stimme herauszuhören. „Mein Interesse ist mehr allgemeiner Natur, denn ich bin gerne umfassend informiert“: log er und fuhr mit einer Frage fort: „aber sagt, ich höre da eine gewisse Abneigung gegen den Magierfürsten von Tel Uvirith heraus, was könnt ihr mir dazu sagen.“ Sie wurde leicht rot. „Verzeiht meinen unbeherrschten Ausbruch, aber die Schlange von einem Dunkelelfen ist für jedes Mitglied der Magiergilde ein rotes Tuch, zumindest für diejenigen, die damals in Vivec zugegen waren, als sich plötzlich eine Brücke unter unseren Füßen auflöste oder Mitglied der Gildenhalle in Sadrith Mora waren“: entschuldigte sie ihr Verhalten und wollte die Sache nun ad acta legen, doch Tarriors Neugier war nun geweckt. Von dem Vorfall in Vivec besaß er zwar bereits Kenntnis, aber konnte da jetzt keine direkte Verbindung zu Behram herstellen und von einer Sache, die die Wolfenhalle betraf, wusste er gar nichts. „Ich habe von diesem Vorfall mit Vivec gehört. Die Brücke soll die Illusion einiger Telvanni gewesen sein und die Magier der Gilde fielen dann ins Wasser. Aber was hat jetzt dieser Magierfürst damit zu tun? Und was ist dies für ein Vorfall in Sadrith Mora, den ihr gerade anspracht?“: wollte er nun Genaueres wissen. Sie seufzte und setzte sich dann nach der Pause, die sie hier am Treppenaufgang eingelegt hatten, wieder in Bewegung und begann während des Laufens zu erzählen.

    „Die Magiergilde und auch die kaiserlichen Institutionen haben Kontakte in den Häusern, damit wir über alles Neue informiert sind. Und eine zuverlässige Quelle hat uns berichtet, dass Behram Meradanz ein mögliches magisches Bündnis zwischen der Magiergilde und den Telvanni, in Vivec ging es ja darum, schon im Vornherein untergraben und die Abgesandten aufgehetzt hatte. Schlussendlich hat er sie wohl auch zu dieser Demütigung angestachelt. Und was Sadrith Mora angeht… da hatte er seine Finger gleich direkt im Spiel. Er stellte in einer offiziellen Rede an die Einwohner unsere Gildenmitglieder als Agenten der Mythischen Morgenröte hin. Er bezichtigte die Magiergilde die Invasion zu unterstützen, da wir uns davon Macht durch die Daedra versprächen. Seiner Hasspredigt verlieh er mit der Tatsache Ausdruck, dass sich kurz zuvor ein Oblivion-Tor auf einer kleinen Felsinsel südlich der Wolfenhalle geöffnet hatte. Daraufhin vertrieb ein wütender Mob aus Bürgern sämtliche unserer Gildenmitglieder mit Gewalt aus der Stadt und sie mussten Zuflucht in der Wolfenhalle suchen, wo die Kaiserlichen Wachen sie beschützen konnten. Die Telvanni-Wachen selbst griffen auf Anweisung des Rates der Telvanni nicht ein. Vermutlich war auch dies ein Verdienst dieses Bastards. Wir Gildenmagier dürfen uns gar nicht mehr aus den Hallen hinein in die Stadt trauen. Es ist uns verboten, da wir die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden. Und soweit ich erfahren habe, ist auch das Klima für Fremdländer in den Städten der Telvanni wesentlich rauer geworden, eben nur mit einer Ausnahme und die sind Meister Aryon mit seiner Stadt Vos. Ich sage euch, wenn es nach uns Gildenmagiern gegangen wäre, die sich nun zur Liga zusammengeschlossen haben, hätten wir längst gegen diese Provokationen zurückgeschlagen. Aber die Gildenführung beschwichtigt, lamentiert und möchte keinen offenen Konflikt riskieren. Dabei können wir uns das nicht leisten, denn sie unterminieren die gesamte Abwehr der Insel und wer weiß nicht, ob sie nicht sogar mit dem Kalkül die gemeinsame Verteidigung untergraben, um sich nach der Invasion als stärkste Macht zu etablieren. Und zum Wohle Nirns und Tamriels darf an solchen verrückten Plänen die Abwehr nicht scheitern“: artikulierte Alina laut und schäumend einen wirklich brennenden Hass auf das gesamte Fürstenhaus, der seinem Zorn auf den Telvanni-Hexer im Speziellen in Nichts nachstand.

    „Und um auf eure Frage zurückzukommen. Dieser Schweinehund Meradanz wird bisher von den Daedra in Ruhe gelassen. Womöglich hält er sie sich mit irgendeinem Zauber fern, den er aber gewiss nicht mit ins teilen will. Trotz der Tatsache, dass er wie Aryon auf dem Festland lebt, scheint er keine Sorgen wegen der Invasion zu haben. Ich vermute, dass er deshalb die Gefahr unterschätzt. Aber auch er wird noch seine Rechnung für seine Arroganz bekommen“: fügte sie noch eine Antwort auf seine Frage betreffs Tel Uvirith an. „Das wird er“: stimmte Tarrior ihrem letzten Satz gedanklich zu. Seine Gedanken schweiften zu den Provokationen durch den Hexer. Nach Aussage des Altmers damals in Chorrol soll wohl auch er für die magische Krankheit des Telvanni-Rates verantwortlich gewesen sein, obwohl er die Schuld der Magiergilde ebenso angelastet hatte. „Was bezweckt er damit? Will er einen Krieg zwischen Gilde und Fürstenhaus auslösen? Aber was hat er davon? Will er vielleicht dadurch seine eigene Stellung im Rat verbessern oder einfach nur die kaiserliche Bevormundung in Sachen Magie brechen?“: fragte sich der Dunmer in Gedanken und kam noch zu keinem wirklichen Sinn hinter diesen ganzen Aktionen, zumal die Telvanni so geschwächt würden. Eigentlich würde ein Krieg zwischen der Magiergilde und den Telvanni die gesamte Insel schwächen und damit den Daedra noch leichter ausliefern. Wenn Behram tatsächlich bereit war für schnöde Machtspielchen die Sicherheit Vvardenfells zu gefährden, dann musste er wirklich bald gestoppt werden. Und in diesem Moment war er ganz froh darüber, dass die jetzige Gildenleitung mit Hannibal Traven an der Spitze der Hauptgilde in Cyrodiil sowie mit der nüchternen Ranis Athrys als stellvertretende Erzmagierin von Vvardenfell die Situation nicht eskalieren ließ. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er an Alinas Worte dachte. Hätten die Fanatiker der Liga in der Gildenspitze eine Mehrheit wären sie wohl schon längst bereitwillig in die Falle getappt. Aber auch so war dieser Verein von leidenschaftlichen Narren ein Pulverfass. Eine Eskalation könnte allein schon dann ausbrechen, wenn die Liga unabhängig von der Gilde losschlägt, denn Behram würde sie als Fußsoldaten der Gilde bezeichnen und dieser damit unterstellen den Angriff zumindest geduldet, wenn nicht sogar unterstützt zu haben. Ihm stand nun deutlich vor Augen, dass es bei dem Treffen mit der Großmeister der Liga um mehr als nur seine Passage nach Mar Gaan gehen musste und eben dies sagte er auch Alina: „Ich denke es ist gut, dass eure Leute noch nicht gegen die Telvanni losgeschlagen haben. Ein Krieg würde furchtbare Folgen für die Verteidigung der Insel haben.“ Dann erläuterte er ihr kurz seine Gedanken. Als er geendet hatte, erreichten sie die angestrebte Tür. „Ihr habt mich nachdenklich gemacht. Allerdings bin ich jetzt nur noch bestärkt darin, diesen Meradanz dafür bluten zu lassen. Aber wir sollten die Gilden wirklich aus dem Spiel lassen. Wenn dieser Bastard nicht so feige wäre, würde ich ihn zum Zweikampf in der Arena von Vivec fordern! Aber egal, denn euer Zweikampf steht bevor. Hinter dieser Tür befinden sich der Sitzungsraum und damit unsere Führung, daher natürlich auch der Großmeister“: meinte die junge Bretonin.

    „Ihr müsst nicht mit hinein kommen, wenn ihr nicht wollt. Ich möchte nicht, dass euer Ansehen in der Liga nur wegen mir sinkt. Allerdings wäre es bestimmt gut, wenn ihr mich vorstellen könntet, denn euer Wort hat wohl in der Versammlung mehr Gewicht als das Meine. Das zumindest würde sie zwingen mir zuzuhören und ich kann das gewünschte Duell fordern, um mich zu beweisen“: bot er ihr an, nicht mit ihm zu gehen. „Der Besuch in Mar Gaan muss wirklich außerordentlich wichtig für euch sein, wenn ihr dafür gegen unseren Anführer kämpfen wollt. Ich werde mit euch kommen, aber ich will euch warnen. Der Großmeister ist ein begabter Schwertkämpfer und ein noch begnadeterer Magier und das nicht nur in der Kunst der Zerstörung. Seid also vorsichtig“: warnte sie ihn, aber war bereit mit hinein zu kommen. So betraten sie gemeinsam nach einem lauten Klopfen den Raum durch die massive Holztür.

    Umringt sahen sie sich bei ihrem Eintreten von mehr als einen Dutzend Augenpaaren. Man hatte mehrere Tische in U-Form um die Tür herum aufgestellt und genau gegenüber dem Eingang saß auf einem Stuhl mit höherer Lehne deutlich erkennbar der Großmeister vor einem riesigen Banner der Liga. Neugierig musterten die Anwesenden die Neuankömmlinge. Da nur spärliches Licht im Raum herrschte – es brannten nur wenige Fackeln an den Wänden und die schmalen Fensterschlitze waren mit Bannern verhängt – lag der Bereich des Großmeisters und seiner höchsten Offiziere im Dunkeln, doch Tarrior konnte die Missbilligung deutlich aus dem Schatten heraus spüren. Er ließ Alina den Vortritt, die sich nun in die Mitte des Raumes zur Hälfte auf den Anführer zu bewegte und mit einem kurzen Schwenk ihres Kopfes alle Anwesenden in den Blick nahm, bevor sie zu sprechen begann: „Ihr kennt mich. Ich war über die Zeit, die diese Krise des Kaiserreiches und damit unserer Gilde andauert, stets der Liga treu und loyal ergeben. Ich habe zusammen mit einigen von euch einen Plan ausgearbeitet, der geeignet schien die Daedra zu schlagen und bis zum Roten Berg zurückzuwerfen. Ein Plan der uns aus der Ohnmacht befreien und unsere Feinde zerschlagen sollte, doch stieß ich damit bei den anderen so genannten Verteidigern auf Ablehnung. Dieser Mann an meiner Seite, Mitglied unserer Magiergilde und auch frisches Mitglied der Liga ebenso wie Ratsherr im Fürstenhaus Hlaalu hat mir in seinem Haus Gehör verschafft und unseren Plan ebenso loyal unterstützt. Er verlangt nicht mehr, als eine kleine Geste der Liga gegenüber einem verdienten Mitglied. Dieser Mann, mit Namen Tarrior Gildres, möchte den nächsten Konvoi nach Mar Gaan begleiten und die Gründe sind dem Rat wohl bekannt...“ Sie wurde unterbrochen, als ein Stuhl umfiel. Neben dem Großmeister war ein bulliger Mann mit kahl rasiertem Schädel aufgesprungen. „Die Gründe sind uns wohl bekannt und euch sollte wohl bekannt sein, dass sein Ansinnen abgelehnt wurde, da wir es nicht riskieren können eine wichtige Lieferung jemanden anzuvertrauen, der nicht voll zuverlässig und entsprechend geeignet ist. Wir haben euren Boten abgewiesen und nun kommt ihr persönlich hierher und bringt diesen Dunmer auch noch hierher. Was wenn er ein Spion der Mythischen Morgenröte ist?!“: empörte er sich und drehte dabei mehrfach ruckartig den Kopf um die Anwesenden alle in seinem Blick zu fangen. Dabei fielen Tarrior dessen spitze Ohren auf, die auf einen Bretonen schließen ließen. Alina wollte etwas entgegnen, doch der Dunmer war schneller, schob sich an ihre Seite und richtete erbost das Wort an den Verleumder neben dem Großmeister. „Mich als einen dieser dreckigen daedra-verehrenden Verräter zu bezeichnen bzw. mir allein der Verdacht angedeihen zu lassen so einer zu sein, ist für mich ein Schlag ins Gesicht. Wagt es niemals wieder so etwas zu behaupten! Meine Anwesenheit ist eben aus dem vorgetragenen Grund mehr als erforderlich. Ihr habt mich aus diesen und jenen Gründen abgelehnt, aber wohl meine angebliche Unerfahrenheit vorgeschoben. So bin ich hier um euch zu beweisen, dass ich mehr als fähig genug bin!“

    Die letzten Worte schrie und spie er regelrecht hinaus und bedachte den Bretonen mit einem wilden Blick. „Wie könnt ihr es wagen…“: wollte dieser ansetzen, wurde aber nun seinerseits von der Hand des Großmeisters zurückgehalten, die sich vor seine Brust schob. Er konnte erkennen, wie sich der Anführer der Liga auf seinem Stuhl etwas vorbeugte und sah, dass es wohl ein Kaiserlicher mit langen, offenen Haaren war, der dort saß. „Genug Ralvit! Sagt Herr Gildres, wie gedenkt ihr uns eure Fähigkeiten zu beweisen? Was glaubt ihr uns hier für nette magische Spielereien vorführen zu können, dass ihr uns als geeignet erscheinen würdet, diese wichtigen Versorgungslieferungen zu begleiten?“: wollte der Großmeister wissen. „Zum Beweis meiner Fähigkeiten fordere ich euch, den Großmeister der Liga der Magischen Gewalt, zum Duell heraus!“: rief er seinen Willen aus.

  11. #291

    Flüchtlingslager von Kvatch

    Rufus seufzte. Er war hier als einer der Ersten gewesen, aber jetzt hatte die ganze verdammte Stadt hier ein Lager aufgeschlagen. Zumindest der Teil, der noch am Leben war. Der Vorteil an der ganzen Sache war, dass sie viel Nützliches bei sich hatten, kaum Wertsachen, hauptsächlich irgendwelche trockenen Brote. Aber es reichte auch Rufus zum Überleben, denn niemand bemerkte, wie er sich alles was er brauchte einfach nahm. Und die, die ihn sahen, hatten genug Angst, um ihm nicht in die Quere zu kommen. Obwohl die meisten der sogenannten Andenken an die Heimat, wo auch immer die gewesen sein mochte, wertloser Schrott waren, fanden sich auch wertvollere Dinge. Wie zum Beispiel ein altes Amulett, das auf eine seltsame Art und Weise Rufus Vorrat an magischer Energie anzapfte. Vielleicht könnte man das den Gildenmagiern verkaufen. Der Nachteil war allerdings, dass all jene, die Rufus während des Angriffs gesehen hatten, wie er ohne Bedenken um sich schlug und denen, die ihm im Weg standen, die Bäuche aufschlitzte, ihn anscheinend für einen äußerst begabten Heiler hielten. Obwohl es schon spät am Tag war, war er eben erst aufgewacht. Dieses Gesindel schaffte ihn. Aber er hatte keine Wahl, irgendwie musste er vorwärtskommen. Er fragte sich, wo seine Jugend geblieben war, als er sich unter Stöhnen von der Bettrolle hochstemmte und gebückt, wegen seiner beträchtlichen Größe, das Zelt verließ, in dem er geschlafen hatte. Als er dann einen Blick auf das Umland warf, blendete ihn die Sonne. Rufus erkannte, dass über den Ruinen von Kvatch noch immer Rauch aufstieg. Dennoch versuchte er, positiv zu denken: Er hatte alle erdenklichen Freiheiten. Ganz Tamriel lag vor ihm. Was mochte die Zukunft wohl bringen?

    Als er aufhörte zu träumen, kam gerade ein Mann auf ihn zu, ein Rothwardone. Seiner Kleidung nach zu urteilen, war er einst ein reicher Mann, jetzt war auch er ein angekokeltes Überbleibsel der vergangenen Katastrophe. Rufus musste schmunzeln, all sein Geld hatte den Mann nicht vor den Daedra schützen können, genauso wenig wie die ach so großartigen Götter. „Gruß Euch, Meister“, begann er, „seid so gut und gewährt einem verzweifelten Flüchtling Heilung.“ „Wie ist Euer Name, Fremder?“, erkundigte sich Rufus rasch. „Voldon“, kam die Antwort. „Voldon, und weiter?“ „Voldon und… und… nichts weiter. Nur Voldon.“ Diese Rothwardonen waren bei der Namensgebung nicht sonderlich kreativ. Rufus entschloss sich, dem nervösen Mann zu helfen, denn dieser Voldon, wenn er wirklich so hieß, führte tatsächlich ein prall gefülltes Geldsäckel mit sich, und vielleicht würde ihn ja jemand vermissen, wenn er als Leiche verendete. Eine großartige Gelegenheit, dieses merkwürdige Amulett für einen viel zu hohen Preis zu verkaufen. „Was plagt Euch denn guter Mann?“, Rufus grinste, den Guten zu spielen hatte einen gewissen Reiz. „Kopfschmerzen, Herr, fürchterliche Kopfschmerzen“. Kopfschmerzen! Was für eine Zeitverschwendung. Zumindest wäre es eine gewesen, wenn es darum ginge, jemandem zu helfen, der wirklich Hilfe braucht. Aber der „Heiler“ sollte ja auch was davon haben. „Wie es der Zufall will, Voldon, “, führte Rufus aus, „besitze ich eben in diesem Moment ein von Stendarr gesegnetes Amulett. Für ein angemessenes Entgelt bin ich bereit es Euch zu überlassen, auf dass sich Eure Kopfschmerzen verflüchtigen mögen.“ Der Rothwardone war verwirrt: „Wie… wie viel soll ich Euch denn zahlen.“ „Wie viel könnt Ihr mir zahlen, Voldon?“ „1000… 1300 Septime, Meister. Aber natürlich habe ich so viel nicht bei mir, all mein Geld, all die Septime sind hier in der Nähe vergraben, und ich werde Euch verraten, wo, sobald ich das Amulett habe.“, stotterte der reiche Mann, wobei er nicht mehr lange reich oder lebendig bleiben sollte. Zumindest nicht reich, mal sehen, dachte Rufus. „In Ordnung, Voldon, hier habt Ihr das Amulett“, und mit diesen Worten nahm er das Amulett aus seiner Tasche, behielt es aber noch in der Hand, „jetzt führt mich zu Eurem Geld!“ Jetzt wurde Voldon erst richtig nervös: „Wenn ich ehrlich sein soll, mein Herr, dann muss ich Euch sagen, dass…“, stotterte er. „Ja?“, hakte Rufus nach. Sollte er gelogen haben, hatte Rufus immerhin ein neues Objekt zum Üben der Nekromantie… „Dass ich das Geld doch bei mir trage. Ich bin ja nicht geisteskrank, ich sage das mit dem Vergraben nur, damit niemand auf die Idee kommt, mich zu töten oder zu bestehlen oder derlei Dinge“, endete der Rothwardone endlich. Rufus musste ein Lachen unterdrücken, jetzt vertraute Voldon ihm vollends. „Dann her mit dem Geld!“, forderte er barsch. „Na… na gut, nehmt es, es ist sowieso wertlos für mich, solange diese Kopfschmerzen jetzt aufhören.“, erwiderte Voldon leicht verängstigt. Er überreichte Rufus den Geldsäckel. „Ach, noch etwas“, ergänzte Rufus, „Es kann sein, dass das Amulett erst in ein paar Tagen seine volle Wirkung entfaltet.“ Gute Idee, das war genug Zeit, ein für alle Mal von hier zu verschwinden. Voldon verabschiedete sich unverständliches nuschelnd, Rufus machte sich auf, seine Sachen für die Abreise zu packen.
    Geändert von KingPaddy (05.11.2011 um 18:13 Uhr)

  12. #292

    Pells Tor -> Bravil -> Wildnis (westlich von Bravil)

    Draußen hatte es aufgehört mit Regnen und die Vögel kündigten den neuen Tag an, da erwachte Raccan; besser gesagt, er schlug die Augen auf, denn zu mehr war er im ersten Moment nicht in der Lage. Ein ohrenbetäubendes und dumpfes Hämmern gegen die Innenseite seines Schädels und den Ohren machte ihm deutlich, dass er in Zukunft die Finger von jeglicher Sorte Bieres hier in Cyrodiil lassen sollte. "Das ist doch alles nicht wahr...", ächzte er und vergrub den Kopf in dem Kissen. Kaum drehte er den Kopf Richtung Fenster, um wenigstens mal heraus zu schauen, meldete auch sofort sein Rücken erneuten Protest an, welcher die vorherige Nacht auf der weichen Unterlage schon nicht gut überstanden hatte und nun noch intensiver schmerzte. "Ich bin das reinste Wrack...", stammelte der Rothwardon und drückte sich schließlich, jeglichen Widerstand seines Körpers ignorierend, von der Matratze hoch und kam schwerfällig auf die Beine. Der ganze Raum drehte sich, schwankte wie ein Schiff bei Windstärke zwölf, und hätte sich Raccan nicht den Bettpfosten gegriffen, er wäre wohl sogleich in den Kleiderschrank getaumelt. So aber rieb er sich mit der freien Hand die Stirn und schloss die Augen, einen Moment lang wollten die farbigen Punkte und das Schwindelgefühl nicht verschwinden, dann aber schien sich sein Organismus an die aufrechte Haltung gewöhnt zu haben, und die Gleichgewichtsstörung verschwand. Erst verweilte der Assassine noch in der Pose, in Erwartung dass das Gefühl überfallartig zurückkehrte; dann aber streckte er sich ausgiebig, was durch ein lautes Knacken der Gelenke und des Rückens quittiert wurde. "Ich komm mir vor wie Koliux...", murmelte er und meinte damit einen alten Hohepriester seines Stammes, von dem niemand so genau wusste, wie alt er genau war; aussehen tat er jedoch wie eine ausgetrocknete Baumrinde und auch seine Antworten und Aussagen ließen vermuten, dass sein Hirn wohl denselben Zustand besaß.
    Auf ein Frühstück verzichtete Raccan, und er war sich auch gar nicht mehr sicher, was er zu der Bretonin noch gesagt hatte. Tatsächlich hatte er keine Ahnung, dass er überhaupt schon aufgebrochen war, und erst hier auf dem Weg Richtung Bravil, an der kühlen, vom nächtlichen Unwetter erfrischten Morgenluft auf seinem Pferd wurde er allmählig klar und das taube Gefühl in seinem Kopf verschwand. Schweigend ritt er dahin und betrachtete abwesend die Ohren des Pferdes, welche sich in unregelmäßigen Abständen in alle möglichen Richtungen drehten, wie als würde das Tier jeden Moment mit einer Gefahr rechnen. Erst jetzt wurde Raccan bewusst, dass er bis jetzt großes Glück gehabt hatte. Die letzte Begegnung mit Banditen hatte er in Hammerfell; seitdem hatte er bis auf Probleme mit einem betrunkenen Seemann und der Umgehung von ein paar Wegelagerern keinerlei Probleme auf den Straßen Cyrodiils gehabt. "Vielleicht gibt es hier nicht so viele Banditen, oder die Wache ist präsenter...", aber wie um ihn Lügen zu strafen, kam kurze Zeit später eine kleine Gruppe Männer in Sicht, daneben ein Pferd. Es handelte sich um drei Personen, alle mit Rüstungen bekleidet, welche er schon am Grenzübergang an den kaiserlichen Wachen gesehen hatte. Zwei von ihnen trugen einen Bogen, der dritte Schwert und Schild, ihm gehörte wohl auch das Reittier, denn er hielt es an den Zügeln fest. Zu ihren Füßen lagen zwei Gestalten, offensichtlich tot, was die 'Verzierung' mit einer nicht zählbaren Anzahl an Pfeilen vermuten ließ. Als Raccan näherkam, merkte einer der Bogenschützen auf und stellte sich in den Weg, sodass der Rothwardon anhielt.
    "Heda, wohin des Weges?".
    "Nur auf der Durchreise nach Bravil", meinte Raccan kooperativ, auf Ärger mit der Wache war er nicht aus, schließlich musste er sich auch beeilen, wer weiß, vielleicht hatte der Khajiit schon Lunte gerochen und war weiter geflüchtet.
    Die Wache blickte sich leicht hektisch um, für Raccans Geschmack war der Mann etwas zu nervös. Die Wächter tauschten Blicke aus, und dann wurde er durch gewunken. Mit einem Nicken bedankte sich der Rothwardon, und nachdem er sich nach zirka hundert Metern nochmals umdrehte, waren die Männer und die Leichen wie vom Erdboden verschwunden. Ihn beschlich ein Gefühl, als ob das gerade eben keine Wachen gewesen waren, sondern vielmehr die toten Körper am Boden, aber das Ganze ging ihn ja nichts an, er spielte hier nicht den Agenten vom Dienst.
    Auf dem ganzen restlichen Weg, welcher durch dichten Wald und an einigen Herbergen vorbei führte, ließ Raccan seine Gedanken schweifen; anders als vermutet drehten sich diese jedoch nicht um die Situation mit den Wachen, sondern um einen Namen für sein Pferd, welches er von Sahi für seine Reise bekam. Und sogleich dachte er auch wieder an seine Schwester, welche nun wahrscheinlich in ihrem Dorf saß und sehnsüchtig auf eine Nachricht von ihrem Bruder wartete. Nur diese bekam sie nicht, weil ihr Bruder immer wieder andere Ausreden fand, es zu verschieben. Er musste sich zusammenreißen; auch für ihre Sicherheit war es von größter Wichtigkeit, dass er sich meldete. Die Zeit ohne Nachricht, als er sein Gedächtnis verloren hatte, führte fast dazu, dass sie ihren Status im Dorf einbüßte, denn jeder rechnete mit dem Tod von Raccan. Also durfte er es diesmal nicht so lang schleifen lassen, daher nahm er sich nun wirklich vor, am heutigen Abend ihr eine Nachricht zu verfassen. Aber bis dahin sollte noch eine Menge 'Arbeit' auf den Assassinen zukommen.

    Bravil stellte wirklich genau das dar, was man auf den Straßen, von Geschwätz, in Büchern und von den Leuten immer und immer wieder erfuhr: Diese Stadt war ein Dreckloch, das sah man ihr schon von Außen an. Die Stadtmauern waren verwittert und schmutzig, die hölzerne, morsch wirkende Brücke zum schäbigen Stadttor sah ebenfalls alles andere als einladend aus, und abseits des Weges lagen hier und da achtlos weggeworfene Trümmer und Müll herum; und auch den kurzen Blick, den Raccan durch das Stadttor in das Innere werfen konnte, stimmte ihn nicht optimistischer, auch wenn mittlerweile die Sonne hoch am klaren Himmel stand und ihr Bestes tat, um Bravil irgendwie einladend zu gestalten. Einzig das aus Brettern sorgsam gebaute Haus mitsamt großen stabilen Zaun vor der Brücke machte einen guten Eindruck, und so saß der Rothwardon von seinem Reittier ab und klopfte an die Tür. Eine Kaiserliche mittleren Alters öffnete ihm und bot ihm den Dienst einer Stallung an. Raccan zögerte; er musste an die Erzählungen der Leute denken. Schmuggler, Diebe, Banditen, quasi alle kriminelle Energie ballte sich in diesem Knotenpunkt, der den Namen Bravil trug. Die Frau, welche sich als Isabeau Bienne vorstellte, bemerkte die Unentschlossenheit des Mannes.
    "Stimmt etwas nicht?", fragte sie zögerlich.
    Raccan schaute nochmals Richtung Stadttor, dann wieder die Frau an. "Ist mein Pferd hier auch wirklich...sicher?".
    Einen Moment lang schwieg Isabeau, dann nickte sie. "Ich zahle den Wachen Schutzgeld, darum traut sich niemand, mich oder die mir anvertrauten Tiere zu behelligen.". Sie sagte das, als ob es etwas ganz Normales wäre, für den Dienst der Diebstahlverschonung zu bezahlen, und das Erstaunen sah man dem Rothwardonen auch an. Die Kaiserliche aber fuhr fort, diesmal etwas leiser. "Ich würde auch keine wertvollen Gegenstände mit in die Stadt nehmen, die könntet ihr sehr schnell wieder los sein. Außerdem seht ihr sehr...sauber aus, ihr werdet auffallen. Eure Sachen könnt ihr bei mir lassen, wenn ihr möchtet, ich werde sie für euch verstecken...", meinte sie mit nettem Tonfall.
    Sie klingt aufrichtig, ich denke ich kann ihr trauen. Und wenn nicht, ich werde mir meine Sachen wiederholen, so oder so. "Gut, einverstanden", nickte Raccan. Sein Pferd wurde in den Stall gebracht und seine Sachen verschwanden in einer Bodenluke, bei deren Öffnung der Assassine noch einige andere Gepäckstücke erspähen konnte. Die Frau lächelte verhalten.
    "Ja, bevor ihr etwas sagt, ich bewahre auch für andere Reisende das Gepäck auf. Bei den Neun, bestimmt nicht für alle, aber für einen Bruchteil schon.".
    "Ich danke euch. Einen Aufenthalt in einer Taverne oder Herberge in Bravil könnt ihr nicht empfehlen?".
    Die Frau schüttelte den Kopf. "Nein, gar nicht. Da könnt ihr froh sein, den nächsten Tag zu erleben, gerade als Fremder ohne Kontakte und Schutz. Da ist es sicherer, wenn ihr im Wald übernachtet. Erledigt eure Angelegenheiten hier in Bravil am Besten so schnell wie irgend möglich.".
    Genau das hatte sich Raccan schon gedacht, er hatte sowieso nicht vor, hier zu verweilen, diese Stadt stank schon von Weitem gegen den Wind, und das nicht nur sinnbildlich gesehen. Er verabschiedete sich von der Kaiserlichen und schritt auf das Stadttor zu. Dabei fragte er sich, was ihn dazu veranlasste, jeder nett wirkenden Person auf Anhieb zu vertrauen. Sicher, in Hammerfell tat er so etwas öfters, aber dort waren die Menschen auch...durchsichtiger...leichter durchschaubar...einfältig...nein. Sie waren schlicht und einfach nett. Raccan erkannte sofort, ob es jemand gut mir ihm meinte oder nicht. Es war einfach die Art der Leute in Hammerfell, die für ihn zu lesen war wie ein offenes Buch. Nur was sagte ihm jetzt, dass er auch hier so agieren konnte? Vielleicht waren die Bewohner Cyrodiils einfach nur schlitzohriger und er zu naiv? Wer sagt dass sie sich nicht alle gut verstellen konnten? Zu viele Vorhaben, zu wenig Aktion, denn er nahm sich schon wieder etwas vor, und zwar in Zukunft etwas skeptischer zu sein. Aber weiter kam er mit den gedanklichen Ausführungen nicht, denn am Tor wurde er erwartungsgemäß aufgehalten.
    Der wenig sympathisch aussehende dickliche Wachmann stellte sich ihm in den Weg und ließ ein gelbes Grinsen sehen, sein Anhängsel (ein schmächtiger Kerl in Wachuniform) stand rechts hinter ihm Spalier. "Was willst du gestriegelter Hund denn in Bravil...", ließ der Fettwanst verlauten und musterte Raccan in seiner im Vergleich zur Umgebung sehr neu wirkenden Rüstung spöttisch von oben bis unten. Der Mundgeruch schlug dem Rothwardonen entgegen, aber er verzog keine Miene.
    Die Kaiserliche erwähnte etwas von Korruption, kam ihm spontan der Geistesblitz. Ohne ein Wort zu sagen griff der Rothwardon in die Tasche, holte ein paar Münzen heraus und drückte sie dem Wachmann per Handschlag in die Hand, wie als ob er ihn gerade begrüßen würde. Es war riskant, wenn er sich irrte, dann würde er jetzt schneller in das Verließ wandern als er gucken könnte, aber seine Menschenkenntnis (auf die er sich eigentlich nicht mehr verlassen wollte, was er erst vor ein paar Sekunden sich selbst versprochen hatte) sagte ihm, dass er damit genau an der richtigen Adresse war; und genauso war es auch.
    Der Mann schaute erst verdutzt, aber als er die Münzen fühlte, grinste er noch breiter als sowieso schon und lachte lauthals.
    "Wir verstehen uns...willkommen in Bravil!", meinte er überschwänglich, schüttelte ruppig die Hand des Rothwardonen, ließ die Münzen verschwinden und trat zur Seite. Hinter sich hörte Raccan den Wächter noch zu seinem Kollegen sagen: "Siehst du, Ulf, so geht das. Autorität ist alles...", und wieder erklang das bellende Lachen.

    Der Rothwardon stellte fest dass der äußere Eindruck der Stadt leider nicht täuschte, und das bedauerte er sehr, denn dieser Ort ließ seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden. Auch in Hammerfell fand man kaum befestigte Wege in den Städten, viel mehr war es festgetretener Sand, Ton und Dreck, was auch hier in Bravil der Fall war; jedoch kam ihm das Gesamtbild in seiner Heimat irgendwie…sauberer vor als dieses Mischmasch aus Matsch, Dreck, Müll und Pflanzenresten, dazu hier und da feuchte Stellen und der Geruch von Schimmel. Bedingt durch seine Lage und unzureichender Bausubstanz mochte sich Raccan lieber nicht vorstellen, wie es im Inneren des Mauerwerks oder gar in den Kellern der wahllos zusammengeschustert wirkenden Holzhäusern aussehen mochte. Die ersten Leute, die ihm bei seinen ersten Schritten durch die Stadt begegneten, waren ebenfalls alles andere als sympathisch und rundeten den ersten Gesamteindruck zu einer sehr eindeutigen Meinung ab. Der Assassine war sich sicher, wenn er nicht aufpasste, würde er heimlich, still und leise in irgendeinem dieser stinkenden Kanäle landen, wo niemand ihn auch nur ansatzweise vermissen würde; im Gegenteil, wahrscheinlich würde man seine Leiche noch nachträglich mit Steinen beschweren um quasi ‚aufzuräumen‘. An eben einem solchen Kanal stand er nun und schaute skeptisch in das schmuddelige Brackwasser. Die Holzstege an den Ufern des Kanals sahen verrottet aus und waren unaufgeräumt, mit kaputten Kisten übersäht, denen man ansah, dass sie wohl niemand mehr abholen würde. Hier und da hockte eine Gestalt auf dem Boden oder saß auf einem Holzstück; Argonier, Khajiit, aber auch menschliche Wesen, wobei die Tierrassen den Hauptanteil dieser Gestalten ausmachten. Einige waren verhältnismäßig gut angezogen, einige konnten über den einen Fetzen Stoff am Leib wohl froh sein. Raccan, der sich gebannt von soviel armer Atmosphäre nicht auf seinen Rücken konzentriert hatte, bemerkte so nun nicht den älteren, zahnlosen Mann, der hinter ihn getreten war und nun ein leises Kichern hören ließ. Der Rothwardon wurde aus seinen Gedanken gerissen und blickte den Anschleicher an. Die grauen langen Haare waren nur noch an der Seite des Kopfes vorhanden, das Gesicht des Bretonen war faltig, er sah mindestens aus wie hundert Jahre. Mit dem Stock in der Hand und der leicht gebückten Haltung sollte man meinen, er wirke gebrechlich und unbeweglich, aber irgendetwas an ihm strahlte Vitalität aus; vielleicht waren es seine grauen Augen, die unter den schweren Augenlidern den Assassinen wachsam musterten und etwas von dem alten Feuer und der Erfahrung verrieten, die in dem Greis noch schlummerten.
    „Erschrocken über soviel Armut, Rothwardon?“, fragte der Bretone grinsend, aber in seiner Stimme schwang etwas Lauerndes mit.
    „Ja, schon ein wenig…“, erwiderte Raccan knapp und nickte. Es trat eine kleine Pause ein, in welcher der Mann überlegen zu schien, was er von seinem Gegenüber halten sollte. Schließlich schlug er einen versöhnlichen Ton an.
    „Wenigstens seid ihr ehrlich. Ihr kommt nicht von hier, Rothwardon, das sehe ich euch an. Hammerfell, richtig? Keine Stadt….die Wüste vielleicht?“, und Raccans überraschtes Gesicht quittierte der alte Mann mit einem weiteren hellen Kichern. „Betont einheimische, aber saubere Kleidung, eure Haut sieht ebenfalls sehr gleichmäßig aus als ob ihr ständig in der Sonne wärt, und euer Schwert da“, und er deutete auf das Langschwert mit dem schlangenhautbespannten Halfter am Gürtel des Rothwardonen, „sieht ebenfalls nicht von hier aus.“. Dieser Kerl ist schlau und weltgewandt, alle Achtung. Raccan versuchte betont lässig zu wirken, aber diese Durchsichtigkeit seinerseits gefiel ihm gar nicht, und das wusste der Bretone mit Sicherheit.
    „Ihr seid gut…“, sagte Raccan und der alte Mann grinste noch breiter als ohnehin schon, „…und ihr kennt euch aus. Könnt ihr mir helfen? Ich bin auf der Suche nach jemanden…“. Das Grinsen des Bretonen gefror in seinem Gesicht, und der Tonfall wurde rauer.
    „Natürlich seid ihr das. Warum sonst solltet ihr hunderte Meilen hierher zurücklegen, Assassine…“, und nun war es an Raccan, seine Gesichtszüge zu Eis erstarren zu lassen. „Nun zieht nicht so eine Fresse, glaubt ihr ich erkenne einen Meuchler nicht wenn ich ihn sehe? Alles an euch schreit nach Kaltblütigkeit, dazu eure Bewaffnung, damit werdet ihr wohl kaum Schmetterlinge jagen mit eurem Bogen und den Messern da, hab ich Recht?“. Raccan sagte nichts, das Gespräch wurde ihm immer unangenehmer; solange man ihm nichts nachweisen konnte, war er relativ sicher, aber zum einen würde, wenn diese Nachricht die Runde machte, es den Khajiit verschrecken, zum anderen konnte er sich nicht sicher sein wie diese korrupten Wachen auf einen Assassinen reagieren würden. Jetzt machte er sich tatsächlich Gedanken darum, wie er den Mann verschwinden lassen konnte, denn dieser war eine große Gefahr. In den Kanal schubsen? Ihn vergiften? Einfach grob abstechen und es wie einen Raub aussehen lassen? Die Möglichkeiten waren vielfältig in einer so von Armut durchzogenen Stadt, niemand würde diesen Greis da vermissen. Als sich Raccan jedoch bereits ausmalte, wie er es anstellen würde, prustete der Bretone plötzlich los und hielt sich krampfhaft an seinem Stock fest um nicht umzufallen.
    „Ihr solltet euer Gesicht sehen, Rothwardone. Gerade malt ihr euch aus wie ihr mich loswerden könnt, weil ich zu viel weiß. Aha, ja, genau so ist es. Aber ich beruhige euch…“, und er blickte sich verschwörerisch um, und als er niemanden weiter sah, fügte er leise hinzu, „…denn ich gehorche der Mutter der Nacht.“. Raccan zeigte keine Reaktion, woraufhin der Bretone skeptisch nachhakte. „Ihr wisst von der Mutter der Nacht? Von Sithis?“. Noch immer zeigte Raccan keine Regung, aber in seinem Kopf arbeitete es. Sithis? Mutter der Nacht? Von was redete dieser Greis? Drehte er jetzt durch? Wieder dieser lauernde Blick des Alten. „Oder gehört ihr gar zur Morag Tong?“, und er musterte den Rothwardonen genauestens. Als dieser weiter schwieg, entspannte sich das Gesicht des Mannes. „Also ein freier Söldner, gut, dann habe ich nichts gegen euch…“, und die Stimme des Bretonen wurde freundlicher, „…im Gegenteil, ich glaube, wir könnten beide voneinander profitieren“, und ein verschlagenes Schmunzeln umspielte die spröden Lippen des Bretonen. Raccan unterdessen machte sich Gedanken, wovon der Mann vor ihm sprach. Morag Tong? War das nicht so eine Mördergilde? Wie hieß doch gleich diese inoffizielle Vereinigung in Hammerfell, von der jeder wusste, aber niemand sprach? Dunkler Bund, oder so ähnlich. Er hatte sich damit nie weiter beschäftigt, für ihn kamen Auftragsmorde gegen Geld nicht in Frage; dass er mit seinen Ritualmorden dabei auch keine bessere Moralvorstellung hatte, verdrängte der Assassine in die hinterste Ecke seines Kopfes, um sich wieder auf die jetzige Situation zu konzentrieren. Er durfte nun nichts Falsches sagen. Der Greis schien zu überlegen, ehe er fortfuhr. „Ihr sucht jemanden? Nun, dann habe ich einen heißen Tipp für euch. Unter der Hängebrücke, auf der Seite der Magiergilde, lungert öfters ein schwarzer Khajiit herum. Der weiß so einiges, man muss ihm nur manchmal etwas….auf die Sprünge helfen, ihr versteht? Holt euch eure Information und erledigt euren Auftrag. Und danach, wenn ihr frei seid, kommt bei mir vorbei, ich erwarte eine Gegenleistung für meine Hilfe…und ich rate euch, zu erscheinen, denn die Mutter der Nacht vergisst nie…“, und damit drehte sich der Bretone um und ließ den verdutzten Raccan zurück.
    Was war hier eben geschehen? Bis eben dachte er, mit seinem Schweigen sei er auf der sicheren Seite. Nichts von sich preisgeben, das war ein guter Weg; in nichts einwilligen oder verwickeln lassen, der neutrale Pfad war immer noch am Besten. Aber dieser alte Mann war an Dreistigkeit nicht zu überbieten, und doch empfand der Assassine ein wenig Bewunderung für soviel Cleverness. Ohne Raccan auch nur den Hauch einer Chance zu lassen las dieser Bretone in ihm wie in einem Buch, versorgte ihn mit einer Information und nahm ihn damit in seine Pflicht. Aber was meinte er mit ‚die Mutter der Nacht vergisst nie‘? Vielleicht irgendeine religiöse Redensart? Er kannte immerhin nicht mal den Namen des Mannes, geschweige denn den Wohnort. Ob er diesen undurchsichtigen Greis je nochmal aufsuchen würde, das wusste Raccan selbst nicht; aber was konnte es schaden, dem Hinweis des Alten auf den Grund zu gehen?

    Unter der Brücke sah es nicht viel anders aus als überall in Bravil. Morsche, kaputte Holzbretter, Schutt, Müll, Gestank, soweit das Auge und die Nase reichte. Hier und da saßen schmutzige Leute und Tierwesen auf Kisten, unterhielten sich oder vegetierten einsam und starr dreinblickend vor sich hin. Oh ja, das hier war kein Ort, an dem man sich gerne aufhielt; nur einer machte den Eindruck, als fühlte er sich hier pudelwohl. Der schwarze Khajiit unterhielt sich angeregt, fröhlich lachend und heiter mit ein paar übel dreinblickenden Kerlen, anscheinend erzählte er eine Geschichte, über die so gar niemand wirklich lachen konnte, aber man ließ ihn gewähren. Als Raccan hinzutrat, würdigte man ihn keines Blickes, und so hatte er Zeit zum studieren der Katze. Aus der Nähe wirkte der Khajiit nicht mehr heiter, sondern eher aufgedreht. Die Pupillen waren geweitet und er zappelte wild herum. Ganz klasse, eine Skoomakatze…, seufzte der Rothwardon gedanklich auf und verschränkte die Arme. Plötzlich blickte der Khajiit auf und Raccan direkt an, und mit einem Mal schien es, als ob jegliche Drogen aus der Blutbahn des Tieres gewichen waren. Angst schlich sich in die nun klaren Augen des Informanten, er war starr vor Schreck und hatte die Geschichte mitten im Satz abgebrochen; und gerade, als sich Raccan fragte, was denn nun schon wieder los sei, fuhr der Khajiit herum, machte einen großen Satz über einen sitzenden Ork hinweg und rannte hektisch davon. Was zum…, Raccan war zunächst zu überrascht, um zu reagieren, dann jedoch setzte er der Katze nach; er war flink, das musste man ihm lassen. Hektisch und sichtlich panisch rannte der Khajiit den Weg, den Raccan gekommen war und der zur Straße führte, hinauf. Der Rothwardon folgte ihm, und oben angekommen sah er gerade noch, wie der Flüchtende von einem Hausdach herunterblickte und dann verschwand. „Wie hat er das…“, fluchte Raccan, überlegte aber nicht groß, sondern tat es dem Khajiit gleich. Das hölzerne Haus bot zum Glück genug Querbalken und Vorsprünge, sodass der Assassine es schnell erklommen hatte; im Vergleich zu den Klettereien in der Wüste an Felswänden hinauf war diese Holzwand mehr oder weniger eine Leiter, und so schwang er sich innerhalb weniger Sekunden auf das Dach und blickte sich um. In etwa vierzig Metern Entfernung sprang der Khajiit von Dach zu Dach und hatte schon einen ordentlichen Vorsprung. Er würde entkommen, Raccan musste alles auf eine Karte setzen, und so nahm er in einer fließenden Bewegung den Bigen vom Rücken, sicherte seinen Stand, legte einen Pfeil in die Sehne, spannte den Bogen und zielte auf den Khajiit. Dieser hatte sich gerade umgedreht und der Schreck war der Katze deutlich anzusehen als sie realisierte, was Raccan vorhatte, und daraufhin rannte sie auf die nächstbeste Dachkante zu. Der Pfeil sauste los, und kurz darauf war er samt Khajiit vom Dach verschwunden. Raccan fluchte, er war sich sicher, verfehlt zu haben; er lief und sprang nun seinerseits über die Dächer auf die Stelle zu, an der sein Geschoß und seine ‚Beute‘ verschwunden waren, im Laufen verstaute er seinen Bogen wieder auf dem Rücken. An der Kante angekommen blieb er stehen und blickte hinunter. Eine schmale Seitengasse bot sich ihm dar, nicht zu hoch zum springen; von dem Khajiit keine Spur. „Verdammt…“, stieß er hervor und ließ sich langsam in die Seitengasse hinunter. Es war etwas düster, aber nicht zu dunkel um die Blutspur auf dem Boden zu erkennen. Die Miene des Rothwardonen hellte etwas auf, also hatte er doch getroffen. Mit den Augen folgte er der Spur, die hinter eine große Kiste führte. Langsam erhob er sich und schlich auf den hölzernen Würfel zu, einen Schritt vor den anderen setzend, und schaute schließlich, was sich dahinter verbarg.
    Die Klinge des Dolches schoss genau auf sein linkes Auge zu, und nur seiner blitzschnellen Reaktion war es zu verdanken, dass er ohne eine Schramme davonkam. Der Khajiit hatte hinter der Kiste gelauert und ihn, kaum dass Raccans Kopf sichtbar wurde, mit dem Dolch zugestoßen. Der Assassine warf sich zurück, als das pelzige Wesen nochmal zustieß und sich dabei mit einer Hand an der Kiste festhielt um aufrecht zu stehen; Raccan Pfeil steckte im Fuß des Informanten und Blut floss in kleinen Rinnsalen auf den Boden. Als der Flüchtende nun ein drittes Mal zustieß, hatte sich der Rothwardon wieder gefangen, packte das Handgelenk des Khajiit und verdrehte es mit einem Ruck, sodass es laut knackte und der Dolch klirrend zu Boden fiel. Ein lauter Schrei ertönte, und sein Opfer machte Anstalten einzuknicken, aber der Assassine war schneller. Noch immer das Handgelenk festhaltend, warf er den Informanten herum, drückte ihn rücklings gegen die nahe hölzerne Hauswand und knallte die Pfote ebenfalls daran. Mit der freien Hand zückte er eines der Wurfmesser und rammte es dem Khajiit bis zum Heft mitten durch die Hand, sodass diese nun an die Wand genagelt war; ebenso verfuhr er mit der anderen Seite, und beide Mal jaulte der Khajiit laut auf. Danach trat Raccan zurück und schnaufte erst einmal durch, aber nur um dem Gekreuzigten an der Hauswand ansatzlos mit der linken Faust einmal kräftig gegen den Kiefer zu schlagen, sodass diese hör- und fühlbar brach und der Khajiit Blut spuckte. So verharrte Raccan vor dem Khajiiten, und auch von Diesem war erst einmal außer ein schmerzerfülltes Wimmern und gurgelnde Geräusche nichts zu hören. Gerade wollte der Assassine das Wort an sein Opfer richten, als er von der Seite angesprochen wurde.
    „Hey, ihr da, was tut ihr da?“, und ein Wachmann trat von der Straße in die Gasse. Verdammte Scheiße, das darf doch nicht wahr sein. Aber was habe ich mir eingebildet, unbemerkt auf Dächer klettern und dann noch darauf hoffen, dass die Schreie des Khajiiten niemand hört? Träum weiter. Er war nun in der Zwickmühle, aber auch jetzt meldete sich sein Geistesblitz. Schnell griff er in die Tasche und erfühlte seinen Beutel voller Septime. Viel war nicht mehr darin, und es war sein letztes Geld, aber er hatte keine Wahl. Er zog den Beutel hervor, zeigte ihn kurz und warf ihn dann der Wache zu. Bitte, Bitte, Satakal, wenn es dich wirklich gibt, wäre das jetzt ein guter Zeitpunkt deine Gunst zu zeigen….
    Der Wächter war sichtlich überrascht, fing den Beutel aber und blickte hinein. Dann schaute er auf, besah sich die Szene und grinste. „Fünf Minuten…“, krächzte er, betont gleichgültig wirkend, drehte sich um und platzierte sich mit verschränkten Armen vor der Gasse, um neugierige Passanten abzuhalten. Der Khajiit hatte die Szene mit hoffnungsvollen Augen verfolgt, aber als sich die Wache abwandte, schüttelte er hektisch den Kopf, aber dies stimmte die Wache natürlich nicht um. Raccan wandte sich wieder an den Khajiiten. „Fünf Minuten würden reichen, um dich zehn Mal zu massakrieren, also sagst du mir lieber, was ich wissen will, du weißt doch sicher, wer ich bin…“.
    Der Khajiit machte keine Anstalten zu antworten, nicht einmal ein Nicken oder Kopfschütteln gab es; Raccan spürte, wie die Wut in ihm wuchs, auf diese Spielchen hatte er keine Lust, und seine Zeit war ebenfalls begrenzt. Er hob den Dolch des Khajiiten vom Boden auf und schaute sein Opfer nochmals fragend an. „Kennst du mich, ja oder nein?“.
    Als immer noch keine Antwort kam, packte einen der pelzigen Finger die kraftlos herunterhingen, setzte die Klinge an und schnitt ihn mit einer kräftigen ab. Wieder jaulte der Khajiit auf, die restlichen Krallen verkrampften sich, aber der Rothwardon hatte schon den nächsten Finger in der Hand und zog den Dolch auch hier gnadenlos durch. Achtlos, wie Müll, ließ er beide Extremitäten vor den Khajiit auf den Boden fallen und stellte sich mit fragendem Blick davor hin. Der Khajiit schnieft und wimmerte, daraufhin zuckte der Assassine mit den Schultern und packte den dritten Finger.
    „Nein!!!“, jaulte der Informant auf als Raccan den Dolch ansetzte, und daraufhin verharrte der Rothwardon in der Bewegung und wartete regungslos. Nach einer kleinen Pause keuchte der Khajiit, leicht nuschelnd durch den gebrochenen Kiefer: „Ja, ich weiß es. Hawa'ajala sagte mir, dass ihr ihn suchen würdet.“. Die Katze spuckte Blut und betrachtete einen Moment lang ihre Finger auf dem Boden. „Aber er soll zu Dagon fahren, für ihn geh ich nicht drauf.“.
    Raccan wunderte sich über die akzentfreie Sprache (abgesehen von der immagniären heißen Kartoffel im Mund), aber das war nun nebensächlich. Ohne den Dolch vom Finger zu nehmen fragte er mit monotoner Stimme: „Wo ist er?“.
    Der Khajiit blickte auf und drehte den Kopf zu Raccan. „Im Westen befindet sich eine einsame Hütte im Wald. Weiß kaum einer davon. Da wollte er hin. Wer weiß ob er es geschafft hat, vielleicht haben ihn auch schon die Wölfe zerfleischt…ihr werdet büßen, Rothwardone…“, zischte das Katzenwesen und spuckte Raccan Blut ins Gesicht.
    Dieser aber nahm den Dolch vom Finger, trat einen Schritt zurück und lächelte, während er sich mit der Hand das Blut aus dem Gesicht wischte. „Wenn du mich angelogen hast, schneide ich dir das nächste Mal etwas anderes ab…“, und kurz unter der empfindlichsten Stelle rammte er die Waffe zwischen die Beine des Informanten ins Holz. Dieser hatte aus Reflex aufgeschrien und blickte nun nach unten; so sah er nicht die Rechte des Rothwardonen heranfliegen, die den Khajiit an der Schläfe traf und ihn ausknockte.

    Nun war es still in der Gasse, und Raccan schnaufte kurz durch. Dies war unschön gewesen, aber nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen würde. Abgeklärt und fast geschäftsmäßig zog er die Wurfmesser aus der Wand und der Khajiit fiel wie ein nasser Sack zu Boden, danach riss er ohne Umschweife den Pfeil aus dem Fuß und verstaute alles. Der Informant blutete stark, aber nicht so dass er sterben würde, und so wandte sich Raccan zum Gassenausgang, ging wortlos an dem Wächter vorbei und ignorierte gekonnt die Blicke der Passanten, als er sich auf das Stadttor zubewegte. Auf dem Weg zu den Stallungen hing er seinen Gedanken nach. Der Khajiit war wirklich verdächtig schnell eingeknickt, es lag nahe dass es sich hierbei um eine Finte gehandelt hatte. Andererseits wirkte die Katze sehr geschockt von Raccans direktem Handeln ohne großes Zögern, und zugegebenermaßen war er selbst ein wenig überrascht von sich. Im Grunde hatte er nicht vor gehabt, ihn so zu verstümmeln, aber nach dem Dolchangriff war er in einen altbewährten Automatismus verfallen; stolz war er auf diese Fähigkeit, emotionslos und ‚spontan-kreativ‘ sein Opfer zu foltern, nicht, aber sie hatte ihm in vielen Situationen schon weitergeholfen.
    Bei den Stallungen angekommen (die Wache hatte ihn ohne Zwischenfälle das Stadttor passieren lassen, freuten sich beide doch immer noch über sein Bestechungsgeld) öffnete Isabeau auf Raccans Klopfen, aber ihr freudiges Gesicht verzog sich zur Grimasse als sie den Rothwardonen erblickte, alles Blut hatte er wohl nicht abwischen können. „Was habt ihr getan…“, fragte sie halblaut und ging einen Schritt zurück, etwas Angst schwang in ihrer Stimme mit.
    „Nichts, was der Rede wert ist. Er lebt noch, falls das eure nächste Frage gewesen wäre. Ich will meine Sachen und das Pferd holen“, erwiderte der Assassine mit monotoner Stimme, und daraufhin holte die Frau hektisch seine Sachen aus der Bodenluke und drücke sie ihm in die Hand, anscheinend konnte sie es gar nicht erwarten, den blutverschmierten Rothwardonen loszuwerden, und Raccan verübelte es ihr nicht. Knapp verabschiedete er sich, dankte für die Gastfreundschaft und sattelte draußen geschwind sein Pferd, um danach sogleich aufzusitzen und Bravil Richtung Westen zu verlassen. Kurze Zeit später saß er wieder ab, schaute sich um ob ihm jemand folgte, und schlug sich dann, als er niemanden sehen konnte, in die Büsche…

    Am Abend saß Raccan am Ufer eines kleinen Sees und hatte hier sein Lager aufgeschlagen. Den ganzen Tag war er durch den Wald gelaufen, aber er war nur schwer vorangekommen; hier lag ein großer Baumstamm im Weg, dort war das Gebüsch zu dicht, an wieder anderer Stelle versperrte eine Barriere aus Felsen den Weg die er umgehen musste. An vielen verwitterten Ruinenresten war er vorbeigekommen, Tiere hatte er gesehen (aber keine Aggressiven) und sich bei dieser Gelegenheit einen genießbar aussehenden Vogel geschossen, der nun über dem kleinen Feuer hing und einen leckeren Geruch verbreitete. An sich war das Lagerfeuer nicht nötig, denn unweit des Sees befand sich eine dieser seltsamen magischen Energiequellen, die der Rothwardon schon an dem Weg nach Bravil gesehen hatte, aber auch jetzt hielt er gehörigen Sicherheitsabstand, er traute dieser Quelle immer noch nicht so ganz und warf ab und an einen argwöhnischen Blick hinüber. Abwesend stocherte er mit einem Stock in der Glut herum, als ihm einfiel, was er ja schon eine Zeitlang machen wollte, und welcher Zeitpunkt war günstiger als jetzt. Schnell war ein Stück Pergament und das Tintenfass mit dazugehöriger Feder in dem Gepäck gefunden, dazu ein glatter Felsen in der Nähe. Raccan hockte sich davor und setzte an, aber sogleich wieder ab. Ja, was wollte er denn schreiben? Wie er vorankam? Dass er Khajiits die Finger abschnitt? Dass er sich in dieser Provinz alles andere als wohl fühlte? Dass er hier wie ein einsamer alter Mann alleine im Wald saß? Der Rothwardon lächelte, er wusste, was Sahi hören wollte, und so begann er erneut.

    Liebe Sahi,
    entschuldige dass ich mich erst jetzt melde, aber es waren ereignisreiche, vergangene Tage. Mein Auftrag steht kurz vor der Erfüllung, ich glaube nun den Aufenthaltsort des Verräters zu wissen; Zalanu, Satakal und auch der Stamm darf sich bald wieder sicher fühlen.
    Dies ist ein fremdes Land, daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ich diesmal mit meinem kompletten Gedächtnis hierher zurückgekehrt bin, denn noch immer verwirrt mich das Verhalten der hier ansässigen Bewohner. Ich lernte eine junge Frau kennen (nein, Sahi, hör auf zu lächeln) welche mich durch geschickte Worte dazu gebracht hat, dass ich sie auf ein Treffen mit Edelleuten begleiten werde. Die Leute sind in einem Moment freundlich und zuvorkommend, im Anderen nehmen sie einen in die Pflicht und zwingen dir ihren Willen auf. Dieses Verhalten ist mir völlig unbekannt; jene Erfahrungen zu machen erweitern meinen Horizont, vergrößern jedoch auch mein Misstrauen gegenüber der Provinz. Außerdem sah ich Städte, große Städte, die mich sehr überraschten. Schmutzige Metropolen, prachtvolle Bauten, rege Geschäftigkeit, jede Stadt hält eine neue Überraschung bereit; ich wünschte du könntest es sehen. Wer weiß was Cyrodiil noch für mich bereit halten wird, ich werde dir davon berichten so gut und oft ich kann.
    Pass auf dich auf.
    Raccan

    PS: Das Pferd ist schlauer als es zugeben will. Hat es einen Namen?


    Bei dem letzten Satz blickte Raccan zu dem Pferd, welches unschuldig am Wasser stand. Nochmals las er den Brief durch, und erst jetzt fiel ihm auf, dass der in der Gasse doch tatsächlich ein gedankliches Stoßgebet an Satakal gesandt hatte, und dieser Schlangengott hatte ihn tatsächlich erhört. Wieder schüttelte er den Gedanken ab. Es war einfach nur Glück gewesen. Ja, ganz genau; Glück, dass in Bravil anscheinend jede Wache korrupt war; Glück, dass er gerade so die nötige Menge an Münzen da gehabt hatte; Glück, dass er es nicht schon vorher für etwas anderes ausgegeben hatte; und es war Pech, dass er nun gar kein Geld mehr besaß, somit war er wohl dazu gezwungen, zukünftig draußen im Freien zu übernachten. Raccan knetete die Hände und rollte dann den Brief zusammen. Von diesen Problemen musste Sahi nichts wissen, sie würde sich nur unnötig Sorgen machen. Ein verschließbarer kleiner Tornister aus leichtem Metall und einer Schlaufe am oberen Ende holte er aus seinem Gepäck und betrachtete das Utensil. Der Schraubverschluss lies sich schwer öffnen, was in Anbetracht des Verwendungszweckes auch angebracht war. Der Brief passte nicht ganz hinein, und so musste der Rothwardon ihn noch enger zusammenrollen. Etwas mühsam und schwergängig stopfte er das Pergament hinein, verschloss das Rohr und stellte es auf den Felsen vor sich. Einen Moment lang musterte er das Metallrohr und setzte sich dann wieder zurück ans Feuer, wo er die Pfeife abnahm und im flackernden Licht betrachtete. Raccan fragte sich, ob ihn der Falke wirklich immer begleiten würde, und so blies er kurzerhand hinein; abermals hörte er keinen Ton, aber kurz darauf das ihm sehr vertraute Flügelschlagen. Jail machte diesmal nicht so ein Brimborium um sein Erscheinen, sondern landete auf einem umgefallenen Baumstamm, der ebenfalls in der Nähe des Feuers lag. „Du bist wirklich so anhänglich wie ein Schatten…“, bemerkte der Rothwardon, aber dies war keineswegs anklagend gemeint, im Gegenteil; in gewisser Weise beeindruckte ihn der Falke, denn immer war er in Hörweite. Er würde das Ganze wohl noch einige Male testen um sich zu überzeugen, dass dieses Tier wirklich so treu war wie er dachte. Gut, wenn er den Brief dann fortschafft, wird er wohl kaum kommen …, und der Assassine hängte sich die Pfeife wieder um den Hals, erhob sich und nahm den Tornister auf. Langsam ging er auf den Falken zu um ihn nicht etwa zu verschrecken (nicht dass er dahingehend Bedenken hätte, aber sicher war sicher) und machte sich daran, die Schlaufe sicher und fest an den Klauen des Tieres zu befestigen. Die ganze Zeit über bewegte sich Jail nicht und ließ Raccan gewähren.
    „Zu Sahi musst du fliegen…“, sprach der Rothwardon dem Falken zu als er die Nachricht befestigt hatte, und kaum hatte er dies ausgesprochen, stieß sich das Tier von dem Stamm ab und verschwand mit ein paar kräftigen Flügelschlägen in der Nacht. Etwas verdutzt blickte er Jail hinterher, aber dann setzte er sich wieder an’s Feuer und fing wieder an, darin herum zu stochern. Hatte er vielleicht irgendetwas Wichtiges vergessen? Das Geschenk? Den Splitter? Nein, den wollte er noch einfassen lassen. Aber wie sollte er das bewerkstelligen, ohne Geld? Raccan seufzte, er musste sich etwas einfallen lassen, er stolperte in dieser Provinz von einer Verlegenheit in die andere. Das Buch. Der Empfang. Die Ruine. Der alte Mann in Bravil. Seine Geldsorgen. Und jetzt wäre es ein Glücksspiel, wenn er sich einfach so schlafen legen würde, mitten in der Wildnis. Wer weiß, was für Banditen hier durchkamen und ihn im Schlaf einfach ausrauben oder abstechen würden. Aber was blieb ihm anderes übrig, schlafen musste er, und so entschied er sich dafür, nur leicht zu dösen, das musste einfach reichen. Etwas entspannter legte er sich zurück und schloss die Augen….

  13. #293

    Westebene (Wildnis) -> Westebene (Isoliertes Haus)

    Raccan befand sich wieder in seinem Dorf, genauer gesagt auf dem Hauptplatz. Alles war festlich geschmückt, es würde wohl wieder einmal ein Fest für Satakal stattfinden, an dem Raccan wie jedes Mal teilnehmen musste. Lust dazu hatte er keine, aber es musste sein. Komischerweise trug er weder Waffen noch andere Utensilien, ungewöhnlich für den Rothwardonen. Ein Blick in seine Umgebung verriet ihm ebenfalls, dass er komplett allein war. Das Dorf hatte nur im ersten Moment wie seine Heimat gewirkt; sicher, die Häuser fanden sich alle an der richtigen Stelle, der alte Baum etwas abseits auch. Aber ohne Bewohner wirkte dies alles so…fremd. Wie in Trance schlich Raccan durch den festgetretenen Wüstensand auf das Haus des Häuptlings zu und wagte einen Blick hinein. Der Thron war verwaist, dekoriert war es, aber niemand zu sehen. Verwirrt wiederholte der Assassinen dieses Prozedere bei weiteren Häusern, bis er schließlich vor dem seiner Schwester stand; ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er die Hand nach dem Vorhang ausstreckte, welcher vor dem Eingang der Lehmhütte hing. Seine Finger berührten den Stoff und schoben ihn zur Seite, aber vor ihm tat sich nur ein gähnender schwarzer Schlund auf. Zwei Schritte nach vorn später stand er inmitten dieser Finsternis, seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, aber im selben Moment wünschte er sich, blind zu sein. Direkt gegenüber des Eingangs, an der Stelle wo er bei seinem Aufwachen im Dorf im Bett gelegen hatte, stand Sahi; nein, eher hing sie an der Wand, festgenagelt von unzähligen Schwertern, welche bis zum Heft in ihren Körper gerammt waren. Der sandige Boden hatte sich tiefrot verfärbt und zeigte ein skurriles Muster aus rotem Schlamm. Die Kehle seiner Schwester war durchgeschnitten und ihr Kopf hing kraftlos schräg nach vorne herunter, wobei sich ihre langen Haare im Blut an den Stichwunden verklebt hatten. Starr vor Angst konnte sich Raccan nicht rühren, er spürte ein Zittern in sich aufkommen; ein Zittern, welches er sich nicht fähig sah es zu kontrollieren. Mühsam zwang er sich einen Schritt auf den bestialisch zugerichteten Leichnam von Sahi zu, dabei streckte er langsam den Arm nach ihrem Kopf aus. Noch einen Schritt tat er vorwärts, Raccan fühlte sich als würde er durch Treibsand waten und mit jeder Bewegung tiefer sinken. Einen Meter vor seiner Schwester entfernt wurde die Last an seinen Füßen so schwer, dass er stehenblieb und nach unten blickte. Schlangen. Überall um seine Füße krochen Schlangen. Schlangen mit Fingern auf dem ganzen Körper. Der Rothwardon wollte einen Laut der Überraschung ausstoßen, aber er war stumm und brachte keinen Ton heraus. Hastig warf er den Kopf herum, der ganze Raum war mit diesen seltsamen Viechern überfüllt. Wieder schaute er auf die leblose Sahi, und gerade als er ihren Kopf berühren wollte, zuckte dieser hoch und leere, blutige Augenhöhlen starrten ihn an. Ein diabolisches Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht seiner Schwester, aber diese Abartigkeit hatte genau genommen nichts mehr mit seiner kleinen Schwester zu tun. „Na wen haben wir denn da…“, ertönte eine rauchige Stimme, als der Kiefer der an die Wand Genagelten hoch und runter klappte. Kurz darauf spürte Raccan ein Stechen am Hals, der Raum verschwamm und wurde strahlend weiß…

    Als Raccan die Augen aufschlug, stand ein unrasierter und schmutziger Kaiserlicher in einer zerschlissenen Lederrüstung über ihm und hielt die Spitze seines schartigen Langschwerts auf die Kehle des Rothwardonen. Offensichtlich handelte es sich um einen Banditen, denn als der Assassine sich bemühte, einen klaren Blick für die Gesamtsituation zu bekommen, erkannte er am Rande seines Blickfelds weitere Gestalten und hörte auch Schritte und Geklapper. Zunächst aber konnte er sich darauf nicht konzentrieren, denn noch immer hatte er das Bild von Sahi vor seinem inneren Auge; wie sie aufgespießt an der Wand hing, blutüberströmt, tot. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und das lag nicht an der Klinge an seinem Hals. Er musste wohl die Sache mit dem Khajiit irgendwie mit seiner Art Heimweh vermischt haben, aber trotzdem, so einen extremen Albtraum hatte er lange nicht mehr gehabt. Der schmierige Kerl riss Raccan schließlich aus seinen Gedanken.
    „Hey, ich hab dich was gefragt…“, blaffte der Bandit und drückte zur Verdeutlichung seiner Worte das Schwert ein paar Millimeter Richtung Hals. Raccan fixierte ihn mit den Augen und zwang sich, dem Mann zuzuhören, dabei blickte er fragend drein.
    „Sprichst du unsere Sprache nicht, oder bist du blöd? Ich hab dich gefragt wo du herkommst, nach deinem Aussehen zu urteilen aus einer Gegend ohne Bäume und Schatten…“, und der Kaiserliche lachte dumpf über seinen eigenen Witz. Aha, ein Rassist, das wird ja immer besser.
    „Hammerfell“, antwortete Raccan kurz angebunden und warf einen Blick zur Seite. Gerade durchwühlte ein Ork seine Taschen, warf dabei die für ihn wertlos erscheinenden Gegenstände achtlos auf den Boden. Ab und an hörte man Glas klirren, und der Rothwardon musste sich beherrschen, nichts zu sagen, denn diese Achtlosigkeit traf ihn gerade wirklich. Aber sich groß darüber Gedanken zu machen schaffte er nicht, denn der augenscheinliche Anführer suchte wieder Raccans Aufmerksamkeit.
    „Dein Pferd war schlauer als du und ist getürmt, aber das überrascht mich nicht, du scheinst ja nicht sonderlich helle zu sein. Ohne Nachtwache in der Wildnis zu schlafen. Was ist das, Ko’Luk?“, und die Frage ging anscheinend an den Ork, denn er hörte auf zu suchen und blickte zu ihnen herüber.
    „Ähhhh….“, hörte man nur und er blickte ahnungslos drein.
    „Dämlich ist das, Ko’Luk…dämlich. Wie du. Hast du was gefunden?“.
    „Nichts, Chef. Nur wertlose Sachen hat er dabei. Keine Septime.“.
    „Ohoh, das sieht nicht gut für dich aus, Rothwardon…“, und ein fieses Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Kaiserlichen. Gerade als sich Raccan Gedanken darüber machte, wie er sich aus dieser Situation hätte retten können, wurde dieses Vorhaben im wahrsten Sinne des Wortes zerschlagen; denn in diesem Moment traf ihn die gepanzerte Faust des Orks direkt an der Schläfe. Raccan flog förmlich zurück und knallte hart auf dem Boden auf, ein ohrenbetäubender Kopfschmerz breitete sich in seinem Schädel aus. Der Kaiserliche sprach wieder, aber es klang sehr weit weg, wie als würde dieser Lump in einer Höhle aus großer Entfernung mit ihm reden. „Oh, Ko’Luk scheint dich ja sehr gern zu haben…“, und das Lachen des Banditen ging in dem tobenden Schmerz unter, der sich in Raccans Brust- und Magengegend ausbreitete, als der Ork anfing ihn mit Tritten zu malträtieren. Unter anderen Umständen hätte er diese Grünhaut ihre Grenzen aufgezeigt, aber nun war er so hilflos wie ein neugeborenes Baby, und so dauerte es nicht lang und er verlor das Bewusstsein…

    Dunkelheit. Schmerzen. Ein dröhnendes Rauschen. Wie in Trance nahm er die Worte des Banditen wahr. Vergiss den Kerl, der ist fertig. Hat er wirklich nichts dabei? Verdammter Nomade. Klirrende und berstende Fläschchen, Stimmengewirr, ein metallischer Geschmack im Mund. Raccan versuchte sich zu bewegen, aber es tat sich nichts, zu groß das Gewicht seiner Gliedmaßen. War vielleicht besser, sie hielten ihn für tot. Wieder traf ihn ein Stiefel in der Magengegend, stechender Schmerz, aber er reagierte nicht. Lass es, spar deine Kräfte für das nächste Lager. Stille. Ewig lange Stille. Zeit vergeht. Und wieder wird er getroffen, diesmal am Kopf. Wie eine schwere Puppe rutscht er auf dem Boden herum. Dummer Mensch. Der Ork. Schritte entfernen sich. Stille...lähmender Schmerz…dann endlich…erlösende Bewusstlosigkeit…

    Raccan wusste nicht, wie lange er hier gelegen hatte. Es konnten nur wenige Minuten gewesen sein (so fühlte er sich), oder aber auch mehrere Tage. Jeder Knochen im Leib schmerzte ihn als er sich versuchte zu bewegen, selbst die Augen zu öffnen kostete ihn eine Menge Energie. Sein linkes Auge bekam er so gut wie gar nicht geöffnet, und das Andere lieferte zunächst nur ein verschwommenes Bild seiner Umgebung. Ein Grasbüschel befand sich genau vor seinem Gesicht, einige Grashalme waren mit getrocknetem Blut bedeckt, mit großer Wahrscheinlichkeit stammte es von ihm, und er lag auf dem Bauch. Er versuchte die Hände zu bewegen, die Arme, sich irgendwie aufzurappeln, aber zuerst meldete sich nur der schon fast allgegenwärtige Schmerz in stechender Form in den Muskeln; sie fühlten sich wie Fremdkörper an, und nur unter größter Anstrengung gelang es Raccan, seine Hände neben seinen Kopf zu legen und in sein Blickfeld zu schieben. Er hatte Durst; unendlichen Durst. Die Sonne stand hoch am wolkenlosen Himmel und leistete ihren Beitrag dazu. Nun komm schon…, sprach sich der Rothwardon in Gedanken Mut zu, denn um es laut auszusprechen fehlte ihm die Kraft.
    Zwischen dieser Ermutigung und seinem anschließenden Hochstemmen lagen einige Minuten, denn es brauchte ein wenig, bis das Vorhaben von seinem Körper und Willen in die Tat umgesetzt wurde. Auf allen Vieren und zu Boden blickend schmerzte jeder Atemzug, der Geschmack von Blut im Mund fiel ihm erst jetzt auf; Ausspucken ging jedoch nicht, denn dazu hätte Speichel vorhanden sein müssen. Egal was Raccan tat, ob er seinen Kopf drehte oder sich gar nicht bewegte, er spürte jeden Muskel, und das nicht auf die gute Art. Schwerfällig blickte er auf und sich um, und was er sah, überraschte ihn zwar nicht, schockiert war er dennoch. Sein Lager sah aus als wär es von einer Schar Pferde überrannt worden. Zerbrochenes Glas, durcheinandergeworfenes Gepäck, seine Waffen und Kleidung lagen kreuz und quer verstreut, die Feuerstelle war zerstört worden. „Ihr Hunde, das werdet ihr mir büßen…“, fluchte er vor sich hin, aber sogleich verstummte er und griff sich an den Hals, das Sprechen bereitete ihm Probleme. Nüchtern betrachtet konnte er froh sein, den Angriff überlebt zu haben, anscheinend waren dieser Kerle zu blöd gewesen um zu erkennen dass er noch lebte, allerdings fühlte sich Raccan im Moment wirklich zum Sterben bereit. Aber erst einmal musste er etwas trinken, und so kroch er durch die Scherben und seinen verteilten Habseligkeiten Richtung des kleinen Sees. Hier angekommen wollte er natürlich sogleich das Wasser zu sich nehmen, aber kurz vor der Wasseroberfläche hielt er inne. Bei Satakal, er sah beinahe noch schlimmer aus als er sich fühlte, und das durfte bereits als Wunder bezeichnet werden. Sein linkes Auge war beinahe komplett zugeschwollen, sein Gesicht mit Schrammen und Blut übersät, die Unterlippe aufgeplatzt, an der linken Schläfe klaffte eine große, offene Wunde. Das Bild musste Raccan erst verarbeiten, wer weiß wie er unter der Rüstung aussah, die Schmerzen ließen ein ähnliches Bild vermuten, aber darum machte sich der Assassine erst einmal keine Gedanken mehr, denn der Wunsch nach der Löschung seines Dursts war mittlerweile so fordernd, dass er nun nachgab, seine hohle Hand in das kühle Nass tauchte und trank. Unglaublich, wie schnell man seine Ansprüche herabsetzen konnte um für den Moment zufrieden zu sein. Kraftlos ließ er sich zu Boden sacken, der Weg von seiner „Ruhestelle“ bis zum Ufer hatte Raccan ausgezehrt. Erschöpft wandte er sich zu seinem Lager herum und besah sich die Szenerie genauer; seine Heiltränke, Extrakte und Gifte waren zerstört, achtlos auf den Boden geworfen, seine Sachen ebenfalls. Plötzlich weiteten sich seine Augen (oder zumindest das eine, welches noch intakt war), und er kroch panisch zu seiner offenen Gepäcktasche, um darin hektisch etwas zu suchen; vergessen war in diesem Moment der Schmerz seiner Gliedmaßen. Dann, endlich hatte er gefunden nach was er gesucht hatte; der Zeremoniendolch lag schwer in Raccans Händen, und erleichtert atmete er aus. Dann aber beäugte er das Relikt genauer. Warum hatten die Banditen es nicht mitgehen lassen? Wertvoll sah er doch aus? Verzierungen am knöchernen Griff, eine geschwungene scharfe Klinge, welche eine schillernde Stahl-Maserung aufwies. Der Rothwardon erkannte nicht, dass es sich für ihn zwar um einen wertvollen Gegenstand handelte, für Außenstehende jedoch dies nur ein billiges Messer mit sinnfreien Schnitzereien ohne jeglichen Nutzen war. Er drehte die Waffe zwischen den Fingern, legte sie aber dann zurück in die Tasche und besah sich abermals das Chaos. Raccan schwor zwar auf die grünliche Paste des Schamanen aus dem Dorf, aber für Notfälle hatte er immer ein paar Heiltränke im Gepäck. „Ja, die Betonung liegt auf hatte…“, presste er angestrengt hervor und musterte die zerstörten Phiolen auf dem Boden. Nach einer kurzen Suche fand er in einem nicht ganz zerstörten Fläschchen im Gras noch eine fast vollständig vorhandene Heiltinktur. Vorsichtig hob er sie auf und hielt sie, ob seiner Schmerzen in den Armen, gegen das Licht um eventuell vorhandene Glassplitter auszuschließen. Erkennen konnte er nichts, was aber ein Vorhandensein Selbiger nicht ausschloss. Vorsichtig nippte der Rothwardon an dem scharfkantigen Gefäß und flößte sich langsam das Gebräu ein. Merklich ließen die Schmerzen nach, und den kleinen Rest, der noch übrig war, verrieb er zwischen seinen Händen und benetzte damit sein linkes Auge und die Schläfe. Die Heilung setzte sofort, jedoch nur langsam ein, und Raccan nutzte die Zeit um sich noch einmal umzusehen, und da entdeckte er in einiger Entfernung sein Pferd stehen. „Schlaues Tier, rechtzeitig getürmt und nachdem alles vorbei ist, wieder zurückgekommen…“, murmelte er und betastete seine Brust um weitere Verletzungen auszuschließen, und dabei traf es ihn wie ein Donnerschlag. Er befingerte die Wurfmesser, blickte sich heftig (zumindest soweit es sein schmerzender Nacken erlaubte) nach seinem Bogen um, erfasste ihn mit den Augen; seine grünumrandeten Pupillen zuckten weiter über den Boden, fanden die Pfeile, suchten weiter, sahen den Kampfdolch. Angestrengt dachte er nach, riss den Kopf zu dem Pferd herum, an den Satteltaschen hingen die beiden Krummsäbel wie er sie immer mit sich führte; aber so langsam dämmerte Raccan, was ihm die Banditen geraubt hatten. Das Schwert fehlte. Das Schwert, dessen Halfter und Heft mit Schlangenhaut bespannt war. Das Schwert, welches von Sahi gesegnet worden war. Das Schwert, welches ihn auf seiner Reise beschützen sollte. Der Assassine fühlte sich von einem Moment auf den anderen völlig kraft- und hilflos, ließ die Hände zu Boden sinken und starrte in den Himmel. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, lief in die offene Wunde und brannte unangenehm; aber der Rothwardon registrierte dies kaum, sondern flüsterte wie im Delirium vor sich hin, mit weit aufgerissenen Augen weiter nach oben schauend. „Was soll ich nur tun….das Schwert, weg, verloren…Satakal wird mich richten, vielleicht jetzt, vielleicht dann, vielleicht auch morgen. So kann ich nicht zu meinem Dorf zurückkehren. Sahi wird…“, und nur mit Mühe unterdrückte er das Bild aus seinem Traum. Plötzlich wurden die Augen wieder klarer, die Leere wich aus seinem Blick. Nein. Jetzt komm wieder runter, Raccan. Weder wird dich noch ein schlangenförmiger Blitz aus dem Himmel treffen und hier auf der Stelle richten, noch wird dich der Stamm verstoßen weil du das Schwert verloren hast. Zumindest Zweiteres wird nicht eintreten, wenn du den Auftrag zu Ende führst, denn das kannst du, der Zeremoniendolch ist schließlich noch da. Außerdem stellt sich die Frage nicht, ich hol das Schwert zurück…koste es was es wolle….
    Den Rest des Tages (er hatte am Mittag das Bewusstsein wiedererlangt, welcher Tag nach seiner Ankunft wusste Raccan jedoch nicht) verbrachte der Rothwardon damit, sein Lager und das Gepäck wieder einigermaßen herzurichten und seine Wunden zu versorgen. Die Verbände, die er mit sich führte, waren größtenteils schmutzig geworden und der Assassine konnte nur noch einen kleinen Teil davon verwenden. Auf dem Oberkörper hatte er viele Blutergüsse entdeckt, er vermutete, dass mindestens zwei Rippen gebrochen waren und auch stellte er fest, dass ihm die Banditen den Ayleiden-Splitter abgenommen hatten, den er Sahi schenken wollte. Bis auf den letzten Umstand befand er aber, dass das alles halb so schlimm war, denn Raccan war sich sicher, er würde den Splitter und auch das Schwert wiederbekommen, und auch die Wunden würden heilen…

    Spät in der Nacht lag der Assassine auch schon wieder im Gebüsch und beobachtete das Haus, welches direkt vor ihm lag; entdeckt hatte er das etwas verwitterte Gebäude weiter im Westen mitten im Wald. Das Pferd stand mitsamt Gepäck etwas abseits, denn Ballast konnte er jetzt nicht gebrauchen, dazu war er noch zu angeschlagen. Mit ausdruckslosem Gesicht rieb er sich seinen Brustkorb, die ganze Zeit hatte ein kleiner Stein dort gelegen und unangenehm auf seine Rippen gedrückt, und er schob das Stück Granit genervt zur Seite und spähte wieder auf die Fenster des Hauses. Die meiste Zeit über sah man weder Licht noch sonst irgendein Lebenszeichen, jedoch könnte Raccan schwören, dass er ab und an eine Bewegung wahrnahm. Er war es zwar gewohnt, lange Zeit auszuharren und nur zu beobachten, aber nicht bei diesen Temperaturen, und nun wurde ihm kalt. Ach verdammt; bringt ja nichts, hier noch weiter auf der faulen Haut zu liegen. Und ich fühle mich so oder so gerädert, also los…. Leise ächzend erhob er sich und rückte seine Waffen zurecht. Säbel, Dolch, Wurfmesser, Bogen; alles vorhanden. Vorsichtig schlich er zu seinem Pferd und hing sich das Seil von dem Ausrüstungshaken um die Schulter. Den Enterhaken lass ich hier, der macht zu viel Lärm, entschied der Rothwardon und machte sich auf den Weg. Geduckt und darauf achtend, worauf er seine Füße setzte, bewegte er sich an die Rückseite des Hauses heran, wobei er ein paar Meter vor der Hauswand innehielt, denn hier gab es keine Deckung mehr in Form von Bäumen oder einem Gebüsch. Er legte den Kopf in den Nacken, um schon einmal nach einem Angriffspunkt für sein Seil Ausschau zu halten, und wie der Zufall es wollte, stand einer der Dachgiebel etwas über, und darunter befand sich ein Fenster. Wie für mich gemacht. Der Assassine legte sich auf den Boden und atmete einmal ob der Schmerzen tief ein und aus, dann setzte er sich Richtung Hauswand kriechend in Bewegung. Stück für Stück robbte er vorwärts, bis er die hölzerne Barriere endlich erreichte und sich langsam und betont leise wieder aufrichtete und sich orientierte. Raccan drückte sich mit dem Rücken an die Wand, direkt rechts von ihm befand sich ein Fenster. Ein wenig ging der Assassine wieder in die Knie und riskierte einen Blick an der unteren Fensterecke in das Haus hinein. Stühle, ein Tisch, Regale, ein großer Kleiderschrank, dazu eine sehr unbenutzt aussehende große Feuerstelle; dass hier jemand wohnte oder sich versteckte, schien unwahrscheinlich, jedoch nicht unmöglich. Angestrengt suchten die grünen Augen die Dunkelheit ab, aber Raccan konnte kein Anzeichen von Leben entdecken. Gerade als er nach seinem Seil greifen wollte, hielt er inne und fixierte den Fensterrahmen. Warum eigentlich nicht, es könnte ja sein dass…, und er legte seine Hände lautlos auf das Fenster und drückte vorsichtig. Es bewegte sich ein wenig, quietschte aber auch demensprechend Holz-auf-holz-mäßig. Verdammt, aber jetzt ist es auch egal, und mit ein wenig mehr Druck schwang das Fenster nach innen auf. Raccan verharrte in der Bewegung und lauschte, aber bis auf dem leisen rauschen des Windes und einem kleinen Luftzug, entstanden durch die Öffnung, bemerkte er nichts. Geschwind schwang er sich auf die Fensterbank und ließ sich lautlos wie ein Ninja drinnen auf dem Boden fallen, wo er sich abfederte und schnell daran machte, das Fenster wieder zu schließen. Erst jetzt konnte er den Raum genauer unter die Lupe nehmen. Die Stühle standen auf den Tischen, die Regale waren leer, die geschlossenen Schränke mit großer Wahrscheinlichkeit auch, und Feuer hatte die Kochstelle ebenfalls lange nicht gesehen. Alles deutete darauf hin, dass niemand mehr hier gewesen war, und das lange nicht. Alles? Fast, denn der mit einer dicken Staubschicht bedeckte Boden sprach eine andere Sprache; hier zeichneten sich Fußspuren ab, welche sich im Mondschein recht gut untersuchen ließen. Schwere Stiefel, jedoch schon mit einer dünnen Schicht überzogen, wahrscheinlich Banditen auf der Suche nach Beute. Normale, kleine Schuhe, höchstwahrscheinlich von Kindern, das sah nach Mutprobe aus. [I]Geh in das verlassene Haus, wer kennt das nicht.[/] Das Interessante an diesen Spuren war jedoch, dass es zwei Verschiedene gab; die einen waren ebenfalls alles andere als neu, die anderen aber sahen aus wie gerade eben erst entstanden. War die Bewegung hier im Haus, die er gesehen hatte, etwa ein Kind bei einer Mutprobe? Das würde die Sache verkomplizieren, denn Kinder würden nicht den Mund halten können. [I]Ein Rothwardon in voller Montur nachts in einem alten Haus, sehr unauffällig.[I] Mit den Augen verfolgte er die frische Spur, und ihm wurde bewusst, diese Fußspuren waren überall im Haus. Das sah nicht nach einer Bewährungsprobe aus, sondern schon beinahe wie wohnen. Würde er hier auf die Zuflucht eines Waisenkindes treffen? Das würde noch fehlen. Ein Zurück gab es jetzt aber wohl kaum, denn auch Raccan hatte hier seine Abdrücke im Staub hinterlassen, und so schlich er Richtung Treppe, denn hier entlang führte die Mehrzahl aller Spuren. Eine alte, knarzige Holztreppe, sehr schön. Das kannte man ja aus den Gute-Nacht-Geschichten; der Dieb/Mörder7Einbrecher verriet sich immer durch ein Knarren der Stufen beim Hinauflaufen. Aber hier wusste der Assassine Abhilfe, dies war nicht die erste hölzerne Treppe welche er zu bewältigen hatte. Vorsichtig setzte er einen Fuß ganz links auf die Erste Stufe, genau da wo das Trittbrett in der Wand verankert war, denn dies war die Stelle, welche am wenigstens Bewegung des Holzes zuließ. Ein sehr leises Knacken ertönte, aber sonst blieb alles ruhig, und der Rothwardon fühlte sich bestätigt. Über das Geräusch machte er sich keine Gedanken, es klang zwar laut, aber er wusste, bei hoher Konzentriertheit erschienen Geräusche oft lauter als sie eigentlich waren. Die nächste Stufe wurde betreten, diesmal gab es nicht den kleinsten Laut. Genau so musste das ablaufen. Die dritte bereitete etwas mehr Probleme, denn bei der kleinsten Belastung gab sie auch nahe der Wand enorm nach; Raccan überging sie kurzerhand, denn die Vierte war wieder in Ordnung. Mit dieser Vorgehensweise erreichte der Assassine schließlich das obere Ende der Treppe und fand sich in einem kleinen, rechteckigen Flur wieder, von dem 2 Türen nach links und rechts abgingen; zumindest sollte man das meinen, denn links die Tür stand neben dem dafür vorgesehenen Rahmen, herausgebrochen. Ein Blick zu Boden verriet: Die Spuren führten hier herein, und lautlos bewegte er sich auf den Durchgang zu und spähte hinein.
    Der Raum war nicht groß und das Mobiliar in Form eines Bettes, Schranks und Tisches nicht herausragend auffällig, jedoch öffnete die Person, welche auf dem Schlafplatz lag, Raccan die Augen. Der Khajiit schlief offensichtlich ruhig und friedlich in dem Bett, auf dem Boden davor standen ein paar Schuhe, deren Größe eher zu einem Kind gepasst hätte. Soso, das erklärt einiges. Auf dem Nachttisch stand eine kleine Kerze, welche fast heruntergebrannt war, das Licht aber reichte noch aus für eine Identifizierung, schließlich wäre es gut möglich, dass der Khajiit hier ein einfacher Landstreicher war, der nur eine Zuflucht suchte. Langsam schlich Raccan in das Zimmer, stellte sich vor das Bett und kramte das Pergament für seinen Auftrag aus einer der unzähligen Taschen, aber dazu, es hervorzuziehen, kam er nicht mehr. Die Katze sprang auf einmal fauchend auf, versetzte dem überraschten Rothwardonen einen Stoß sodass dieser nach hinten taumelte und sich auf den Hosenboden setzte. Der Khajiit aber verschwendete keine Zeit, sprang aus dem Bett und rannte zur Tür. Raccan schüttelte den Kopf, um den Schock irgendwie los zu werden, die Katze würde er nicht mehr einholen; kurz darauf aber hörte er das Krachen von Holz, ein Poltern, der Assassine konnte sogar schwören, dass das Haus kurz erbebte. Dann gespenstische Stille, kein Laut war mehr zu hören. Er blieb sitzen und lauschte weiter, aber kein Geräusch drang an sein Gehör. War der Khajiit aus dem Haus geflohen? Hatte er gar den Eingang präpariert um seine Flucht zu sichern? Der Assassine rieb sich die Seite, seine Rippen schmerzten nach diesem neuerlichen Angriff noch mehr als zuvor, verdammte Katze, und ächzend stemmte er sich hoch und schlurfte mit schweren Schritten zur Tür. Ich hätte vorsichtiger sein müssen, seit dem Banditenüberfall bin ich nicht mehr ganz bei mir. Sobald ich meinen Auftrag erledigt habe, muss ich erst einmal wieder zu mir finden. Den Türrahmen hatte er erreicht und lugte um die Ecke. Nichts zu sehen, im Mondschein hätte der Rothwardon aber schwören können dass der Staub in der Luft dichter war als zuvor, und dieser Eindruck wurde bestätigt, als Raccan an die Treppe trat. Am Fuße der Treppe lag der Khajiit mit ausgebreiteten Armen und Beinen und dem Bauch nach unten auf dem Boden, ganz offensichtlich bewusstlos. Die ersten drei Stufen der Treppe waren eingebrochen, anscheinend haben sie dem Aufprall des flüchtenden Wesens nicht standgehalten. Das war doch die Stufe, welche ich vorhin übergangen habe, schoss es dem Rothwardonen durch den Kopf, als er sich langsam die Treppe hinab bewegte; die letzten fehlenden Stufen übersprang er und landete knapp neben dem Khajiiten auf dem Boden. Aus der knieenden Haltung richtete sich Raccan etwas mühsam auf, körperlich war mit ihm echt nicht mehr viel anzufangen. Mit dem Stiefel stupste er die am Boden liegende Katze an um zu überprüfen ob sie diesmal wirklich außer Gefecht gesetzt war. Nichts regte sich. „Na endlich…“, seufzte er leise und holte das Pergament hervor, hielt es ins Mondlicht und besah sich die Skizze. Am Auffälligsten waren definitiv das zerfetzte Ohr und die schwarze Fellfärbung im Gesicht; wieder kniete sich Raccan hin und zog den Kopf des Khajiits zurück um sein Gesicht zu betrachten. Das linke Ohr war ausgefranzt, die Nase schwarz, ein gleichfarbiger Punkt mitten auf der Stirn, gleich daneben eine Platzwunde von dem Aufprall gerade eben auf der Diele. Unglaublich; Raccan war am Ziel. Er hatte Hawa'ajala gefunden. Den Khajiit, der sein Dorf verraten hatte. Was genau er getan hatte war unwichtig, ihm stand es nicht zu, über die Notwendigkeit der Bestrafung zu diskutieren. Ja, mehr oder weniger war er ein Werkzeug, ein willenloses Werkzeug, dessen war sich der Assassine bewusst. Aber es war für einen guten Zweck, wenn er die Wahl hatte zwischen seiner Schwester und jeder anderen Person, er würde sich immer für Erstere entscheiden.
    Gut, nun hatte er den Augenblick lange genug wirken lassen, nun galt es, erst einmal Ordnung zu schaffen. Raccan schnappte sich einen der Stühle von dem Tisch, stellte ihn vor die Feuerstelle und wuchtete mit Mühe den Khajiit darauf, der nicht einmal ansatzweise wieder zu sich kam; dann nahm er sich das Seil von der Schulter und fesselte seinen „Auftrag“ doppelt und dreifach an das Sitzmöbel. Nach der Betrachtung seines Werks zog ein Stofftuch aus der Hosentasche und stopfte es dem Khajiit in den Mund; er würde schon nicht ersticken, und wenn doch, war das auch nicht so schlimm. Das Ritual schrieb zwar eine Häutung bei lebendigem Leib vor, jedoch würde es Satakal schon nicht so eng sehen wenn er es nicht so genau damit nahm. Raccan fühlte sich mit neuer Kraft durchströmt und war voller Tatendrang, und so machte er sich auf der Suche nach einem Keller im Haus, denn er konnte es sich nicht leisten, wenn zufällig vorbeikommende Leute die Schreie hörten oder bei seinem Ritual hereinplatzten. Der Zugang war relativ schnell gefunden, befand sich direkt unter der Treppe doch gleich eine Tür in das untere Gewölbe, und bei genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass dieser Keller zwar nicht groß war, sich aber ideal für Raccans Vorhaben eignete. Ein kleiner quadratischer Raum, in welchem sich an der Wand und der Decke verschiedene Ösen befanden; ursprünglich sollte dies wohl als Vorratskeller für große Fleischstücke zum Aufhängen dienen, jetzt aber würde es sich hervorragend für das Ritual eignen. Als er wieder nach oben ging, war die Katze noch immer nicht zu sich gekommen, dabei war sich der Rothwardon sicher, eine halbe Ewigkeit im Keller verbracht zu haben. Aber sei’s drum, noch brauchte er den Khajiit nicht, er musste noch Dinge vorbereiten, und so verließ er das Haus durch das Fenster auf der Rückseite des Hauses und holte sein Pferd zu sich. Als er es hinter dem Haus an einem Stützbalken anband, dämmerte bereits der Morgen. „Das wird ein denkwürdiger Tag…“, seufzte Raccan etwas melancholisch und kletterte, nachdem er sein Gepäck durch das Fenster geworfen hatte, in das Haus zurück…

  14. #294

    Westebene (Isoliertes Haus)

    Raccan verbrachte den gesamten Vormittag damit, den Keller für sein Vorhaben herzurichten, denn dazu gehörte mehr als nur der bloße Vollzug; die Statuten Satakals hatten strikte Richtlinien für die Durchführung des Rituals parat, und auch wenn sich Raccan sicher war, dass es niemanden auffallen würde wenn er den Khajiit ohne großes Tamtam abstach, so brachte er es dennoch nicht fertig, einen solchen Betrug zu begehen. Schließlich wusste man nicht, welche Magie die Priester nun aus ihren symbolischen Ärmeln zogen; vielleicht ein Lügenzauber, vielleicht beobachteten sie ihn auch gerade eben. „Unwahrscheinlich, aber man weiß nie…“, und verstohlen blickte sich der Rothwardon um, ehe er fortfuhr, die vier Kerzen auf den Boden zu stellen. An die Seite legte er den verzierten Zeremoniendolch und ein Stück getrockneter Schlangenhaut, beides würde er für das Ritual benötigen, an zwei Ösen an der Decke befestigte er je ein Seilstück, an einer Öse an der Wand und der ihr Gegenüberliegenden ebenfalls. Zu guter Letzt kramte er ein Buch aus seinem Gepäck und begann darin zu blättern, denn irgendetwas falschmachen wollte er nicht; beim Lesen jedoch wurde ihm bewusst, dass er noch alles verinnerlicht hatte, sehr viele Schritte waren es sowieso nicht. Das Buch legte Raccan wieder zur Seite und untersuchte den Dolch nun genauer, er war rasiermesserscharf, und das war auch von Nöten. Erst jetzt wurde dem Rothwardon klar, dass er unbewusst versuchte zu verzögern. Genug, wies er sich im Geist zurecht, alles hat einmal ein Ende.
    Mit schweren Schritten stapfte er die steinerne Treppe hinauf und stieß die Tür auf; wie erwartet war der Khajiit jetzt wieder bei Bewusstsein und zappelte nervös und schwer atmend auf dem Stuhl herum. Er warf den Kopf hin und her und versuchte sich zu befreien, als die gelben Augen jedoch Raccan erfassten, hielt Hawa'ajala inne. Sein Blick wanderte über Raccans Rüstung, zeigte Unverständnis und Skepsis. Als die Augen jedoch den Krummsäbel am Gürtel des Assassinen erblickten, weiteten sie sich und Panik schlich sich in das Gesicht des Khajiiten; er wusste definitiv, wen er vor sich hatte, und sogleich fing er wieder an mit zappeln, drehte sich von Raccan weg als sich dieser näherte bzw er versuchte es, natürlich erfolglos. Der Rothwardon packte den Kiefer von Hawa'ajala mit der rechten Hand und drehte dessen Kopf gewaltsam in seine Richtung, sodass dieser ihn anschauen musste. Einen Moment lang musterten sich die beiden emotionslos; plötzlich schnellte der Kopf der Katze nach vorn und Raccan wich reflexartig zurück; dieser Mistkerl hatte eine Kopfnuss versucht, ohne Gegenwehr würde er ihn nicht in den Keller bekommen. Noch immer hielt er den Kiefer des Khajiits fest, holte mit der linken Faust aus und schlug seiner Geisel kurz und trocken gegen die Schläfe. Hawa'ajala verdrehte die Augen und der Kopf glitt kraftlos aus Raccans Griff, jetzt musste der Rothwardon schnell handeln. Geschwind befreite er die Katze, warf sich das leblos wirkende Bündel Fell über die Schulter und schleppte den Khajiit in den Keller, wo er ihn zwischen den Kerzen in der Mitte des Raumes ablegte. Die Handgelenke der Katze fesselte er mit den Seilen, welche von der Decke hingen, sodass Hawa'ajala aufrecht vor Raccan „schwebte“, die Fußgelenke fanden Fixierung in den Seilen, die an den Wänden befestigt waren. Er konnte sich jetzt zwar noch bewegen, jedoch war dies im Grunde nur noch beschränktes Herumzappeln in der Luft. Nachdem sich Raccan nochmals über den festen Sitz der Fesseln versichert und auch die Kleidung der Katze entfernt hatte, schritt er die Treppe wieder hinauf und schloss die Tür von Innen; das Ritual konnte beginnen.
    Wieder unten im Raum angekommen sah der Rothwardon, dass der Khajiit wohl wieder zu sich gekommen war, denn wie erwartet wand er sich in der unbequemen Fesselung, da er aber mit dem Rücken zu dem Assassinen „aufgespannt“ war, hatte die Katze Raccans Anwesenheit noch nicht bemerkt und atmete nur hörbar panisch ein und aus und schaute hektisch umher; Hawa'ajala hätte wohl auch geschrien, aber in weiser Voraussicht hatte der Rothwardon den Knebel da gelassen wo er war. In aller Ruhe und betont ordentlich machte der Assassine sich daran, seine Rüstung abzulegen und auf die Treppenstufen zu deponieren, ebenso seine Waffen; letztendlich stand er nur noch in seiner Leinenhose hinter dem Khajiit und betrachtete sich kurz selbst von oben bis unten. Die blauen Flecke vom Angriff der Banditen waren unübersehbar, aber das war jetzt zweitrangig, darum würde er sich später kümmern. Mit sicheren Schritt umrundete er Hawa'ajala und stellte sich vor ihn hin; dieser stellte sogleich die Befreiungsversuche ein und musterte Raccan. Die gelben Augen zuckten zu dem Schlangentattoo, und nun sah man deutlich die Panik darin aufsteigen. Die Katze versuchte etwas zu sagen, aber der Assassine interessierte sich dafür nicht; er wusste, wen er vor sich hatte. Durch nichts würde er sich davon abbringen lassen, seinen Auftrag auszuführen. Kein Geld. Keine Geschenke. Keine hohlen Versprechungen. Hier ging es um mehr als um das Leben eines Verräters; es ging um das seiner Schwester, und dies hatte in seiner Wertvorstellung sehr viel mehr Gewicht. Nein, nicht nur das; sie bedeutete ihm alles. Genau aus diesem Grund hätte er den Knebel im Mund des Khajiits lassen können, dennoch entfernte er ihn, denn die Katze konnte hier unten weder jemand schreien hören noch konnte das, was er zu sagen hatte, ihn irgendwie beeinflussen.
    „Du kommst von Zalanu. Ich habe euch nichts gestohlen. Er belügt dich. Ich habe Gold, viel Gold. Gleich hier draußen vor der Hütte. In einem Baumstumpf. Du kannst alles haben. Befrei mich, ich führ dich hin. Oder willst du Edelsteine? Ich habe viele in Taneth versteckt. Viele Edelsteine. Du wirst reich sein! Nichts im Vergleich zu dem was dir Zalanu bieten kann. Feine Kleidung, die schönsten Pferde, ein großes Haus!“. Der Assassine war etwas überrascht von dem Wortschwall, der nur so aus dem Khajiit, der sich wohl mit dem Tod in Person Raccans konfrontiert sah, herausquoll, und er war noch lange nicht am Ende, denn während der Rothwardon in aller Ruhe umherging und die Kerzen anzündete, plapperte er weiter, die Lautstärke erhöhend. „Oder soll ich dein Diener sein? Oder willst du Frauen? Ich kann sie dir besorgen, viele Frauen! Oder bring mich in’s Gefängnis, dir fällt bestimmt etwas ein!“. Raccan ließ sich nichts anmerken und schwieg immer noch, bewegte sich mit ruhigen Schritten zu dem Dolch und hob ihn auf. Der Khajiit riss an den Fesseln, nun in allergrößter Todesangst, als Raccan sich umdrehte, Hawa'ajala fixierte und sich direkt vor ihm hinstellte.
    „Fahr nach Oblivion, du Sklave Satakals! Du und deinesgleichen sollst verrecken! Ich werde in’s Paradies fahren und ihr im Feuer schmoren! Du Missgeburt, ich werde…AAAAAHHHHH“.
    Raccan war während der Schimpftriade des Khajiits um ihn herum gegangen und hatte die Klinge des Dolches mit den Worten „Satakal, hiermit lasse ich diesen armen Geist eine Wiedergeburt erfahren, auf dass seine Seele gestärkt daraus hervor geht“ ihm auf Nackenhöhe in den Körper gerammt, ohne jedoch das Genick zu verletzen, und sie dann mit einem kräftigen Ruck nach unten bis zum Schwanz durchgezogen. Der Aufgeschlitzte krümmte seine Wirbelsäule krampfartig und unnatürlich anmutend zu einem Hohlkreuz durch und ließ einen markerschütternden Schrei hören, während das Blut erst zaghaft, dann in Strömen seine Beine hinablief und über die Seile die Wand und von dort den Boden erreichte. Diese Position hielt Hawa'ajala einen Moment lang, dann sackte er zusammen und hing kraftlos in der Seilschaft, unzusammenhängende Worte vor sich hinsprechend. „Missgeburt…Verrat…ich…nein, nicht ich…ich…“. Raccan aber kümmerte sich darum nicht, stach den Dolch wieder nur ein wenig in die Stelle über den Schwanz des Khajiits und riss ihn erst das eine Bein hinunter, dann das andere und zum Schluss den Schwanz der Länge nach, untermalt wurde dies von quälend klingenden Schmerzlauten, jedoch waren sie um einiges leiser als noch beim ersten Mal. So langsam bildete sich unter Hawa'ajala eine große, rote Pfütze, und auch der Rothwardon spürte das warme Blut zwischen seinen Zehen, aber Beachtung schenkte er diesem Umstand nicht. Zügig erhob sich Raccan wieder und schlitze nach demselben Verfahren von der Anfangswunde im Nacken aus auch die Arme der Katze auf, welche zwar zuckend reagierte, jedoch wirkte dies mehr als Reaktion des Körpers. als dass sie es wirklich registrierte, denn der Kopf des Ritualopfers hing schlaff vorneüber und die Augen flimmerten wie im Delirium. Mit der freien Hand griff der Vollstrecker den Schädel seiner Zielperson, riss ihn zurück und machte je auf einer Seite einen geschwungenen Schnitt von der Schläfe bis zum Genick. Raccan ließ los, und der Kopf schwang wieder nach vorn mit einem leisen, jämmerlich klingenden Stöhnen; der Rothwardon trat einen Schritt zurück um zu überprüfen ob er auch nichts vergessen hatte. Nicht einmal ansatzweise kam ihm gerade in den Sinn, dass das, was er soeben tat, auf andere Menschen abstoßend und unerklärlich grausam wirken musste; es war schlicht und ergreifend völlig normal. Er bekam einen Auftrag und führte ihn aus. Würde das nicht jeder tun? Vor allem wenn es um mehr ging als Ruhm, Anerkennung oder Gold? Der Assassine wischte diese Gedanken schnell beiseite, er musste hier weitermachen, und das tat er dann auch. Er kniete sich hin, packte das Fell an den Beinen von Hawa'ajala und begann zu ziehen, während er die Klinge durch den vorhin gemachten Schnitt gleiten ließ und somit die Haut von dem darunterliegenden Fleisch und Fettgewebe ablöste. Ein leises Stöhnen ertönte dabei von dem Khajiit, jedoch war herauszuhören, dass sich dieser bereits mehr auf der Seite der Toten befand als noch im hier und jetzt. Raccan fragte sich warum, denn eigentlich war es möglich, die Wiedergeburt ohne Weiteres bei vollem Bewusstsein des Opfers abzuschließen; entweder war der Stress zu hoch oder der Rothwardon hatte irgendwo eine wichtige Ader verletzt, das würde auch die Pfütze auf dem Boden erklären. Was soll’s, rückgängig machen konnte er den eventuellen Fehler sowieso nicht mehr, also fuhr er unbeirrt damit fort, die Haut beziehungsweise das Fell von dem Bein der Katze abzulösen, was ihm aufgrund seiner Geschicklichkeit und wohl auch Erfahrung darin bemerkenswert zügig gelang. Bei dem anderen Bein gelang ihm dies genauso gut, und in gewisser Weise konnte er über diese Fast-Bewusstlosigkeit der Katze froh sein, denn das Ganze würde bei Weitem nicht so ruhig und schnell vonstatten gehen wenn Hawa'ajala sich wehren würde. Stück für Stück arbeitete er sich vor, Zentimeter für Zentimeter Haut lösten sich von dem Khajiit, und nach stundenlanger blutiger und schweißtreibender Arbeit sah sich Raccan nur noch einer Hürde gegenüber, denn nur noch das Fell am Kopf seines Opfers war mit dessen Körper verbunden. Ein prüfender Blick auf die abgeschälte und blutige Brust von Hawa'ajala sagte dem Assassinen, dass dieser Kerl immer noch lebte, obwohl sich herausgestellt hatte, dass er bei seinem zweiten Schnitt die Hauptschlagader im Bein angeritzt und die Katze darum so schnell an Kraft verloren hatte. Also Willen hatte er, das stand mal fest; gerade als Raccan die Klinge am Hals des Khajiits ansetzen wollte, zuckten seine Augenlider nach oben, tote Augen starten den Rothwardonen an, und mit einem tiefen Atemzug wich die Luft aus den Lungen der Katze und das Herz versagte (aus der Sicht von Hawa'ajala endlich) seinen Dienst. Der Assassine hielt einen Moment inne und betrachtete den Verräter mit versteinerter Miene. Der Boden des kleinen Raums war mit Blut getränkt, er selbst sah auch nicht besser aus und die offenliegenden Muskelstränge des Khajiits verliehen diesem Raum einen abscheulichen Mittelpunkt, umgeben von fast heruntergebrannten Kerzen. Raccan befeuchtete seine Lippen mit der Zunge, hier drin war es stickig, es roch nach Blut, er hatte Durst und der Dolcharm schmerzte ihn mittlerweile auch schon von der sich immer wiederholenden Schnittbewegung. Du hast es gleich geschafft, aber das Gesicht ist der schwerste Teil; nur wenn du es sehr gut hinbekommst, wird Zalanu an die Erfüllung des Auftrages glauben. Raccan ging um den Leichnam herum, setzte die Klinge im Nacken an und begann, die Kopfhaut vorsichtig vom Schädel der Katze zu lösen, vorbereitet war dieses Unterfangen bereits von den beiden geschwungenen Schnitten, welche er zu Anfang getätigt hatte. Stück für Stück arbeitete er sich vorwärts und ließ besonders an den Ohren des Khajiits große Vorsicht walten, um sie nicht zu verletzen, denn das war schließlich eines der beiden Markenzeichen. Als der Assassine schließlich auf Höhe der Schläfen angekommen war und das Fell einfach „Herumklappen“ konnte, fing er wieder im Nacken an und löste die Haut an beiden Seiten des Kopfes bis zum Hals hinunter wieder bis auf Höhe der Schläfen, sodass nun nur noch das Fell im Gesicht von Hawa'ajala mit dessen Körper verbunden war; die restliche „Hülle“ hatte Raccan über den gehäuteten Arm seines Opfers gelegt, damit das Gewicht keine Schäden am Fell verursachte. Er packte nun, nachdem er sich wieder vor den Khajiit gestellt hatte, das obere Fell auf dem Schädeldach, zog es nach vorn und begann, es vorsichtig von der Stirn herunterzuschälen, dann nach derselben Prozedur an den Wangen und dem Kiefer, an der Kehle und am Kinn. Konzentriert arbeitete er sich zu dem Gesichtsmittelpunkt vor, und als er schließlich die schnurrhaarbewehrte schwarze Nase des Ritualopfers erreichte und sie vom Knorpel trennte, atmete er entspannend aus. Es war geschafft. Raccan ließ den Dolch sinken, legte das „Gesicht“ ebenfalls auf den Arm des Gefesselten und blickte in die liderlosen, toten Augäpfel. Etwas gespenstisch sah das Ganze schon aus, aber anstatt Furcht oder gar Mitleid empfand der Rothwardon nichts als Befreiung und Erleichterung. Weder der See aus dem schon teilweise geronnenen Blut auf dem Boden, noch die nun eingetretene gespenstische Stille berührten ihn auch nur im Entferntesten; kompromisslos und mit geschäftsmäßiger Kälte schnitt er die Seile durch, welche den toten Khajiit hielten, und der gehäutete Körper sackte schmatzend auf den Boden zusammen Das Blut auf den blankliegenden Muskeln und Knochen war größtenteils schon getrocknet, sodass so gut wie nichts auf den Boden tropfte, als Raccan das grotesk aussehende Bündel aufhob, sich über die Schulter warf und damit die Treppe hinaufging; vorher hatte er sich noch das Lampenöl und das Stück Schlangenhaut geschnappt. Oben angekommen warf er Hawa'ajalas Überreste in die unbenutzte Kochstelle und verschnaufte erst einmal; wenn jetzt jemand hereinkäme, man würde ihn für einen Kannibalen halten, so blutverschmiert und primitiv wie Raccan jetzt aussah. Die Hälfte des Öls goss er über den Leichnam und machte sich dann daran, Holzscheite von dem nebenstehenden Holzstapel auf und um den Khajiit zu verteilen. Aufgrund der Tatsache, dass das Holz schon uralt war, zweifelte der Assassine nicht daran, dass es hervorragend brennen würde, denn es war knochentrocken; trotzdem begoss er es noch zusätzlich mit dem Rest des Öles und griff sich dann die neben der Feuerstelle liegenden Steine. Ein kurzes Aneinanderschlagen später flog ein großer Funken mitten in die hergerichtete Einäscherungsstätte, und sogleich fing diese Feuer. Ein beißender Geruch von verbranntem Fleisch breitete sich aus, sodass Raccans Augen begannen zu tränen, aber er wich nicht von der Stelle, kniete sich hin und warf das Stück Schlangenhaut in die gierigen Flammen. „Möge Satakal dir ein besseres Leben bescheren…“, murmelte er dabei die Ritusformel herunter, denn selbst daran zu glauben fiel ihm schwer. Das Ganze würde jetzt noch eine Weile brennen müssen; nachdem er ein paar weitere Scheite ins Feuer getan hatte, ging er wieder zurück in den Keller und wusch sich erst einmal mittels eines kleinen Wasserkrugs, den er sich in seiner Vorbereitung aus einem Brunnen vor dem Haus besorgt hatte, notdürftig und legte dann seine Rüstung wieder an. Das blutverschmierte Fell wickelte er in seine Leinenhose um es weniger auffällig transportieren zu können, denn nun musste er es haltbar machen, und dazu war es zwingend notwendig, zurück zum See zu reiten, an dem er bei seinem letzten Nachtlager überfallen worden war. Bei dem Gedanken schmerzten ihm wieder die Rippen, aber Raccan ignorierte das Pochen und stieg, nachdem er auch den Dolch im Gepäck verstaut hatte, mit eben selbigen und dem Fellbündel die Treppen wieder hinauf und verschloss den Keller. Er warf noch einen Blick auf das Feuer in der Kochstelle und den aufsteigenden Rauch, welcher im Kamin verschwand. „Das wird noch eine Weile brennen…“, befand er monoton murmelnd und kletterte aus dem Fenster auf der Rückseite des Hauses, befestigte sein „Gepäck“ auf dem Pferd und saß, nachdem er die Zügel von dem Balken gewickelt hatte, auf, um zu dem See zu reiten…

    Einige Zeit später dämmerte der Abend, Raccan saß wieder vor der Feuerstelle im Haus und stocherte mit dem Feuerhaken in den letzten noch glimmenden Ascheresten des Khajiits herum. Der Auftrag war nun so gut wie erledigt, nun musste er das Fell nur noch zu seinem Stamm zurückbringen. Beim See angekommen hatte er zunächst alle Fleisch-, Fett- und Blutreste von der Innenseite der Haut entfernt und das Fell gründlich im Wasser gewaschen und es dann mit einer kleinen Phiole aus seinen Tasche eingerieben; das Mittel diente dazu, das Fell zu konservieren und das Wasser zu entziehen, und er tat dies sehr gewissenhaft. Dann musste es nur noch trocknen, und währenddessen rieb er es immer wieder mit einer fettartigen Substanz ein damit die Haut nicht riss und so den Pelz zerstörte.
    Erst hier vor den Ascheresten wurde ihm bewusst, dass dabei sehr viel Glück eine Rolle gespielt hatte; dass niemand dazugekommen war während er den Khajiit gehäutet hatte; dass ihn niemand beim Gerben gesehen hatte. Und den Rauch hatte auch niemand bemerkt. Ein verstohlener Seitenblick traf das ordentlich zusammengelegte und verschnürte Pelzpaket, welches Raccan neben sich liegen hatte. Ja, der Auftrag war erledigt, so früh hatte er nicht mit dessen Abschluss gerechnet, und wenn er ehrlich war, so befreit von dem Druck hatte er noch gar keine Lust, wieder nach Hause zurückzukehren. Bei genaueren Nachdenken konnte er dies auch gar nicht, schließlich war sein Schwert gestohlen worden, die Buchautorin in dieser einen Stadt musste er noch besuchen, der Alte in Bravil schien ebenfalls noch mit Raccan zu rechnen, und zu guter Letzt war da noch Adya. Ach ja, und die Ayleiden-Ruine hatte er auch noch vor seinem geistigen Auge. Nun aber galt sein Fokus erst einmal unmittelbaren Problemen, denn Geld besaß er keines mehr, ebenso nichts von Wert was sich verkaufen ließ oder verkauft werden konnte. Die Glut war nun aus und der Leichnam restlos verbrannt, und als der Rothwardon in der Asche nach den Zähnen der Katze suchte, kam ihm ein Geistesblitz. Gut, es war kein ehrbarer Gedanke, aber hatte die Katze nicht etwas von einem Versteck mit Gold geplappert, als es ihr an den Kragen ging? Und brauchen würde sie es wohl kaum noch, ganz davon abgesehen war es mit Sicherheit sowieso Diebesgut. Nachschauen konnte nicht schaden, und nachdem er glaubte alle Zähne gefunden zu haben und sie in einem kleinen, extra dafür vorgesehenen Leinensäckchen verstaut hatte, stand er auf und ging zur Vordertür, um nach dem Versteck zu suchen.
    Die Suche dauerte nicht lange, jedoch fiel die „Beute“ sehr bescheiden aus. Von dem versprochenen Reichtum des Khajiits konnte man ohne schlechtes Gewissen sehr enttäuscht sein, denn 30 Septime und ein Heiltrank musste schon sehr optimistisch betrachtet werden um es als Entlohnung zu sehen. Und damit wollte er sein Leben retten? Entweder war das Panik oder er hat keine sehr hohe Meinung von sich gehabt….mmmh, doch wohl Ersteres. Naja, immerhin war das ein Anfang, und den Heiltrank konnte er für seine Wunden gebrauchen. Das Geld steckte er ein und den Heiltrank behielt er in der Hand, während er in das Haus zurückging, die Tür schloss und sich auf den Stuhl setzte, auf dem noch vor Kurzem der Khajiit gehockt hatte. „Na dann, auf dich, Satakal…“, meinte er süffisant Richtung Holzdecke und stürzte den Trank mit einem Zug hinunter. Irgendwo ganz hinten in seinem Kopf wusste er, dass er mit diesem Sarkasmus einfach nur das dumpfe Gefühl in sich kaschieren wollte, welches sich immer ausbreitete, wenn er eines dieser bestialischen Rituale vollstreckt hatte, denn auch wenn er damit an sich keine Probleme hatte, wusste er doch, dass er damit alles andere als der Norm entsprach. Außenstehende würden ihn ohne weiteres als Monster bezeichnen, aber in seiner, in Raccans Welt, waren solche Dinge eben schon…normal. Ein schlechtes Gewissen aufgrund seiner Taten hatte er nicht, er fragte sich nur, was man hier mit ihm anstellen würde, sollte jemand davon erfahren. Während er so darüber nachdachte, spürte der Assassine bereits den Trank wirken; oft benutzte er diese Substanzen nicht, in seinem Dorf schwor man auf die natürliche Heilkraft, aber diese roten Gebräue hatten schon ihre Vorteile, das musste man ihnen lassen. Der Rothwardon spürte ein unangenehmes Ziehen kurz unter dem Herzen, anscheinend machte sich der Trank gerade über seine Rippen her. Kurz danach war es auch schon vorüber, und Raccan fühlte sich sichtlich entspannter. „Solche Tränke haben etwas für sich…“, befand er und warf die leere Phiole in die Feuerstelle. Dabei kam ihm in den Sinn, dass er durch den Überfall und seine Aktivitäten jetzt keinerlei Tränke, Gifte oder andere Substanzen mehr besaß, er war sozusagen alchemistisch abgebrannt. Bei dem Gedanken lächelte er ausdruckslos. „Ich seh mich schon durch den Wald robben und Kräuter sammeln…“, seufzte er, stand auf und platzierte den Stuhl wieder auf dem Tisch, da wo er ihn hergeholt hatte. Danach verstaute er sein Gepäck inklusive Fell auf dem Pferd und schaute sich danach noch einmal in dem Haus um, auch im Keller. Das Blut war mittlerweile größtenteils getrocknet und in den Ritzen auf dem Boden versickert, nur ein leichter rötlicher Schimmer bedeckte die Steine noch. Die Reste der Seile hingen noch an der Decke und der Wand, aber wozu diese entfernen, das war schließlich unnötig. Zufrieden mit sich selbst verschloss er den Keller wieder, verließ das Haus, saß auf und ritt den nach Nordwesten den Weg entlang, weg von dem Haus, um noch vor Einbruch der Dunkelheit die Hauptstraße zu erreichen…

  15. #295

    Vvardenfell-Distrikt, Westspalte, Andasreth

    Die Worte verklangen noch im Raum, als ein breites Geraune und Gemurmel einsetzte. Tarrior ließ seinen Blick durch die Menge schweifen und erkannte erstaunte, besorgte und auch pikierte Gesichter. Als eine besondere Anmaßung schien es der kahlköpfige Bretone aufzufassen, der, so sehr wie er zitterte, innerlich zu toben schien und sich kaum mehr beherrschen konnte. Wäre der Großmeister nicht gewesen, der ihn immer noch mit der Hand zurückhielt, wäre der Mann dem Dunmer wohl bereits an die Gurgel gegangen. Der Anführer erhob sich nun endgültig von seinem Stuhl und trat einen Schritt nach vorne ins Licht. Endlich konnte er den Mann in Gänze erkennen. Die schwarzen Haare – von etlichen grauen Strähnen durchsetzt - waren etwa schulterlang und fielen offen auf den massiven, stählernen Plattenpanzer, den er trug. Um seinen Hals hing ein goldenes Amulett, das das Symbol der Liga trug und wohl den Großmeister kennzeichnete. Der Großmeister, so schätzte Tarrior, musste wohl um die 1,90 Meter groß sein, was für einen Kaiserlichen, denn für diesen sprach die dunklere Haut, eine enorme Größe war. Schlussendlich schaute er seinem Gegenüber ins Gesicht. Eine lange Narbe zog sich vom rechten Ohr über eines der Augenlider bis hinunter zum Kinn. Der Blick war fest und überheblich. „Herr Gildres verzeiht, wenn ich es so offen sagen muss, aber ich bin von den Mitgliedern eures Hauses größere Höflichkeit und vor allem mehr Respekt gegenüber einflussreichen Personen gewohnt. Eure Leidenschaft ehrt euch, aber dies ist nicht der angemessene Weg, um euch zu beweisen. Ihr seid erst seit wenigen Tagen Mitglied der Liga und verlangt nicht nur das Geleit für einen der wichtigsten Konvois zu übernehmen, nämlich für den in das unglückliche Mar Gaan, sondern auch noch einen Zweikampf mit mir, dem Großmeister! Ihr seid ein Novize der Liga und aus einigen Erkundigungen zu eurer bisherigen Gildenvergangenheit, die ich einholte, als mich das Bittgesuch eurer Begleiterin erreichte, geht hervor, dass ihr auch dort keinen besonders hohen Rang bekleidet oder euch überhaupt in besonderer Weise hervor getan habt. Und eben mit dieser Reputation traut ihr euch ein Duell gegen MICH zu und vor allem glaubt ihr ein Anrecht auf dieses Duell zu haben! Diese Liga von Magiern ist für den Kampf gegen die Daedra gegründet worden. Wir sind nicht hier um uns gegenseitig umzubringen. Jeder Mann, der den Konvoi begleitet, ist von diesem Rat hier aufgrund seiner Fähigkeiten, seiner Loyalität und seiner herausragenden Dienste für die Ziele der Liga ausgewählt worden. Und ihr denkt, dass ihr als kleiner Novize nur mich zu fordern braucht und es sofort nach eurem Willen so geschehe? Herr Gildres, Nein! Dieser Zweikampf wird nicht stattfinden! Und nun geht, bevor ich euch entfernen lassen muss. Alina! Ihr bleibt hier!“: lehnte der Großmeister ab und wollte sich wohl Alina vorknöpfen, dafür dass sie ihn in die Festung hinein gebracht hatte.

    Er schob sich vor die junge Bretonin und zog damit einen missbilligenden Blick des Großmeisters auf sich. „Lasst es gut sein Herr Gildres. Es wird kein Duell geben. Muss ich erst die Wachen rufen, damit ihr das einseht?“: bekräftigte der Kaiserliche seine Ablehnung. Tarrior schäumte innerlich. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und verkrampften sich langsam. Schon wieder stand ihm ein Fanatiker im Weg, doch war er auf diesen Fall vorbereitet. „Man muss sie nur an ihrer Ehre packen“: ging ihm sein Plan noch einmal durch den Kopf. So trat er nun auch einige Schritte auf den Anführer der Liga zu und fixierte ihn mit ausdruckslosem Gesicht: „Ihr seid ein Feigling! Ich will mich euch im Kampf beweisen und eben das sollte wohl meine Fähigkeiten am deutlichsten zeigen, als hier in diesem Lager herum zu sitzen und zu warten, bis ich „erwählt“ werde. Treibt euch etwa die Angst vor Spionen der Mythischen Morgenröte um? Würde etwa ein Spion gegen euch im Zweikampf antreten wollen, nur um vielleicht nach Mar Gaan gelangen zu können? Das ist lächerlich! Nein vielmehr sehe ich bei euch die Angst, dass ihr gegen einen, wie habt ihr es ausgedrückt, „kleinen Novizen“ verlieren könntet. Da fragt sich wer mutiger ist: Die Daedra-Anbeter die sich unter Lebensgefahr in unsere Lager schleichen oder der mächtige Großmeister, der sich nicht einmal getraut gegen ein einfaches Mitglied seiner Liga zu kämpfen?“ Fast gleichzeitig stützten sich der Bretone und sein Meister mit herab krachenden Händen auf den Tisch, an dem sie saßen. Der Stuhl des Großmeisters fiel nun ebenfalls mit dumpfem Ton zu Boden. „Wie könnt ihr es wagen mich mit diesen erbärmlichen Kreaturen zu vergleichen, die diese Welt zerstören wollen?! Ihr nennt mich feige und wollt einen Kampf haben? Den sollt ihr bekommen!“: brüllte der Großmeister ihn an. Seine Haare hingen ihm wild ins Gesicht und aus seinem Blick sprach eine Todesdrohung. Noch schlimmer der Bretone, vor dessen Mund sich regelrecht Schaum zu bilden schien. „Dann seid auch nicht feige, Dunmer, und kämpft gegen uns beide! Zuerst machen wir das unter uns aus!“: kläffte Ralvit. „Ich mache gar nichts unter uns aus. Erstens habe ich mit euch nichts zu schaffen, zweitens seid ihr es nicht wert und drittens will ich dem Großmeister meine Fähigkeiten beweisen!“: schloss Tarrior ein Duell mit diesem fanatischen Narr von einem Bretonen aus, doch war der Großmeister anderer Ansicht: „Ihr habt Ralvit ebenso beleidigt wie mich, denn er ist schon so lange an meiner Seite, dass man uns beide beleidigt, wenn man nur den Einen beleidigt. Zudem ist er mein Adjutant und was soll ich mich mit euch beschäftigen, wenn ihr nicht einmal ihn besiegen könnt. Ihr werdet gegen Ralvit kämpfen!“ Alina sog scharf die Luft ein.

    „Oh nein…“: murmelte sie. „Was ist los?“: wollte Tarrior wissen, der sich bereits damit abfand diese lästige Fliege hinfort zu fegen. „Ralvit ist der gefährlichste Zerstörungsmagier der Liga. Was allein die Kunst der Zerstörung angeht, ist sogar der Großmeister ihm unterlegen. Man sagt, dass sein Feuer selbst einem Dunmer die Haut von den Knochen brennen kann. Bitte lasst den Kampf bleiben. Gegen ihn habt ihr keine Chance“: bat Alina ihn den Kampf doch abzusagen. „Nein. Nicht nur das mein Ehre nun davon abhängt, sondern auch weil ich um jeden Preis nach Mar Gaan gelangen muss. Er schreckt mich nicht“: blieb er selbst hartnäckig und tatsächlich musste er sich wegen Ralvit wirklich nicht die geringsten Sorgen machen. „Ich akzeptiere den Kampf gegen euren Adjutanten. Soll er mir zeigen, was er kann und ich werde ihn niederwerfen“: rief Tarrior dem Großmeister zu. Dieser antwortete nur mit einem kurzen: „So sei es dann.“

    Wenige Minuten später fand sich die gesamte Gildenführung auf dem Dach ein. Alina und Tarrior standen nun dem Großmeister und seinem Adjutanten direkt gegenüber. Die restlichen Offiziere umgaben sie in einem Halbkreis. Als Arena sollte wohl ein Aschebecken hier auf dem Dach der Festung dienen. Tarrior fand es geschmacklos den Kampf auf den Gebeinen Verstorbener auszutragen, aber im Moment war ihm auch dies recht und billig, um sein Ziel endlich zu erreichen. Auch war jetzt Alinas Schicksal in der Liga mit dem Ausgang dieses Kampfes verknüpft, denn sie würde bestimmt bestraft werden für ihre Mithilfe ihn nach Andasreth hinein gebracht zu haben. Etwas das Tarrior auf keinen Fall wollte. „Ich hoffe die Rüstung, die wir euch gegeben haben, sitzt auch richtig“: fabulierte der Großmeister über die schwere Stahlrüstung, die nun auf seinen Knochen lastete. Da er noch immer die Kleidung des vergangenen Abends trug, als sie hierher aufgebrochen waren, war es notwendig gewesen sich eine Rüstung auszuleihen. Sie war eigentlich viel zu schwer für ihn. Er war Rüstungen mit geringem oder mittlerem Gewicht gewohnt. Da war dieser Panzer aus Stahl eine deutliche Umstellung. Der Dunmer zwang sich zu einem Lächeln. „Besser hätte sie nicht sein können“: log er. Der Großmeister schien die Lüge aber zu durchschauen und setzte ein Grinsen auf. „Es ist egal ob mit oder ohne Rüstung. Ich werde diesen dunmerischen Hund für seine Anmaßungen büßen lassen“: gab er sich siegesgewiss und zog dabei einen Streitkolben, den er in den Himmel reckte. Die Waffe bestand offensichtlich aus Silber und der Griff war mit einigen Edelsteinen verziert. Eine magische Aura glänzte auf der silbrigen Oberfläche. Er spürte Alina an seinem Arm ziehen. „Das ist „Feuerfaust“. Ralvit hat ihn im Kampf gegen einen Nord gewonnen und, weil die Waffe einen Feuerzauber besaß, behalten. Die Flammenwelle, die der Zauber in Richtung des Gegners auslöst, ist selbst dann noch verheerend, wenn euch der Streitkolben auch nur kurzzeitig streift. Ihr müsst darauf achten, nicht von ihm getroffen zu werden“: schärfte ihm die Bretonin ein und das hatte er auch ehrlich nicht vor. Die Flammen machten ihm dabei wesentlich weniger Sorgen, als die Kraft, die hinter einem Kolbenschlag des Bretonen stecken konnte. Gebrochene oder verstauchte Gliedmaßen konnte er sich absolut nicht leisten.

    „Dann lasst uns doch den Kampf beginnen. Also begebt euch in den Ring. Die Regeln sind einfach. Wer zu Boden geht und nicht mehr weiterkämpfen kann, der hat verloren und es ist verboten den Gegner umzubringen“: schlug der Großmeister vor und erläuterte kurz die wenigen Regeln, während sich Ralvit und Tarrior auf den Kampf einstellten. Sie standen sich nun einige Meter entfernt, Auge in Auge gegenüber. Als der Bretone seinen Streitkolben abermals vom Gürtel zog, zog auch der Dunmer seine Waffe, ein Silberlangschwert. „So beginnt dann also!“: befahl der Anführer und kaum einen Augenblick später stürmte auch schon der Adjutant auf ihn los. Der Magier zögerte nicht und schickte seinem Ansturm einige Feuerbälle voraus, die vor komprimierter Magie summten wie Bienenstöcke. Geschickt wich er den magischen Geschossen aus, die links und rechts von ihm explodierten und Asche in die Luft schleuderten. Er versuchte mit seinem Schwert nun vorzudrängen, doch hielt der Bretone ihn mit seiner kreisenden Waffe oder weiteren magischen Feuergeschossen auf Distanz. „Sie wissen Nichts von meiner Fähigkeit. Und es ist besser, wenn er es erst erfährt, wenn es zu spät ist. Leider komme ich wegen des Streitkolbens in keine günstige Position um anzugreifen“: analysierte Tarrior die Situation. Sein Gegenüber war zwar ein Magier, aber eben ein Kampfmagier der Gilde und daher auch körperlich in guter Verfassung, denn diese Leute durchliefen ein Training, wie es in der Legion üblich war, denn auch die Legion rekrutierte ihre Kampfmagier hauptsächlich aus der Gilde. Doch diese Gedanken lenkten ihn für einen Moment ab. Vor seinen Füßen explodierte eine weitere Feuerkugel, sengte seine Haare an und ließ ihn aus Reflex zurücktaumeln. Er geriet ins Straucheln und der Bretone setze mit einem weiteren Angriff sofort nach. Nur knapp entging Tarrior einem seitlich geführten Schlag und konnte im letzten Moment sein Schwert zwischen sich und den Streitkolben bringen, den der Bretone in eine fließende, aufsteigende Bewegung gegen ihn gelenkt hatte. Silber strich über Silber und unter dem Druck entwich ein Kreischen den beiden Waffen, doch brachte sein Gegner den Kolben mit einem kräftigen Ruck noch in der Luft kontrolliert zum Stehen und ließ ihn sofort wieder hernieder fahren. Tarrior blieb nur noch die Möglichkeit sich mit einem Satz zurück zu retten und fiel dabei schmerzhaft in den Dreck. Nun konnte auch Ralvit seine Waffe nicht mehr abbremsen, die mit Funkenschlag in die Asche fuhr und dann eine Welle aus Flammen entsandte und die Asche spritzend aufschleuderte. Der Dunmer fühlte die Hitze an seinem Gesicht. Der Streitkolben musste eine unglaubliche magische Kraft besitzen. Unter einem wilden Ächzen zog der Bretone den Kolben, der sich ein Stück weit eingegraben hatte, aus dem Becken heraus. Diese Chance nutzte Tarrior, um wieder auf die Füße zu kommen.

    „Anmaßender Hund, nun kommt schon und kämpft! Duckt euch nicht weg wie ein Feigling“: versuchte Ralvit ihn zu provozieren, doch blieb er ruhig und packte sein Schwert fester. Langsam begannen sie sich wieder zu umkreisen. Diesmal ließ Tarrior seinen Gegner nicht aus den Augen, während er über eine Strategie nachsann: „Mit dem Streitkolben ist er vorallem im Angriff deutlich im Vorteil, allerding kann er mit ihm nicht so gut blocken, als wenn er ein Schwert verwenden würde. Wenn ich ihn stark genug bedränge, dann kann er mich nicht mehr damit abwehren und hat auch keinen Platz um zu einem weiteren Schlag auszuholen.“ Wieder setzte Ralvit zum Angriff an und pflügte ohne Gnade durch das Aschebecken auf ihn zu. Tarrior versuchte nicht einmal den kommenden Schlag zu parieren, sondern wich zur Seite aus, verlor jedoch auf dem lockeren Boden den Halt und rutschte weg. Auf solch eine Gelegenheit hatte sein Gegner nur gewartet und riss seinen Kolben seitlich herum und schlug Tarrior damit deutlich in die ungeschützte Seite. Der Dunmer fühlte sich, als hätte ihn ein Felsschlag getroffen, der daraufhin in Flammen explodiert war. Er kippte einfach in die Asche und schlitterte vom Schwung getragen noch etwas weiter. Das feine kristalline Material zerkratzte dabei die Rüstung. Gleichzeitig zu seinem Sturz entglitt dem Adjutanten die Waffe, die er aufgrund des starken Seitenschwunges nicht mehr zu halten vermochte. Eine weitere Funken sprühende Explosion auslösend landete er einige Meter neben Tarrior. Der aufgewirbelte Staub drohte in seine Augen zu geraten, so presste er die Lider fest aufeinander. Die Zeit, die er brauchte um wieder aufzustehen und sich zu orientieren nutzte der Kampfmagier um sich wieder zu bewaffnen und den nun geschwächten Gegner weiter anzugehen. Statt das Schwert wieder in Abwehrposition zu bringen, war der Dunmer nur noch in der Lage auszuweichen und irgendwie schwerfällig den Schlägen des Bretonen zu entkommen und gleichzeitig geworfenen Feuerbällen auszuweichen. Er hielt kaum mehr lange durch. Die Bewegung in der unpraktischen Stahlrüstung war viel zu anstrengend und er hielt es kaum aus sich mit ihr derart schnell zu bewegen. Er brauchte eine Idee, um sich zu befreien. Da kam ihm die Asche in den Sinn, die ihm vorhin fast in die Augen geraten wäre.

    Als er einem weiteren seitlich geführten Streitkolbenhieb auswich, ließ er sich daher nun auf den Boden fallen, sodass es aussah, als wäre er abermals gestürzt. Mit einer schnellen Rolle zur Seite, so gut es der Stahlpanzer zuließ, brachte er sich vor dem Vernichtungsschlag von oben in Sicherheit und ergriff dabei eine volle Hand mit dem aschehaltigen Sand. Passenderweise drehte sich der Bretone gerade zu ihm um, sodass mit einem kurzen Wurf Alles im Gesicht des Menschen landete. Der Mann heulte auf und seine behandschuhten Pranken fuhren automatisch zu den Augen, in denen wohl die Körnchen wie Nadeln stachen. Der Dunmer brachte sich derweil endlich wieder auf Abstand und nahm wieder eine vernünftige Kampfposition ein. Schweiß lief ihm über Rücken und Stirn und sein Atem ging schnell, doch erkannte er, dass sein Plan voll aufging. Der Bretone, der inzwischen den Versuch, sich die Asche aus den Augen zu wischen, aufgegeben hatte, wandte sich ihm mit zornesrotem Gesicht zu. Die Augen waren blutunterlaufen und sprühten vor Wut. Ohne Vorwarnung begann der Koloss wieder Feuerzauber auf ihn zu werfen. Zunächst wich Tarrior den Geschossen aus, dann stürmte er nun seinerseits vorwärts. Der Bretone versuchte ihn einfach mit Zaubern auf Distanz zu halten und schoss eine Feuerkugel ab, die vor Magie stark knisterte. Mit siegesgewissem Lächeln sah er zu, wie die verheerende Magie direkt auf den Dunmer traf, der nicht einmal den Versuch machte auszuweichen und ihn in eine verzehrende Aureole aus Feuer hüllte, die genug Hitze ausstrahlte, dass sich die Anwesenden die Augen bedeckten.

    Doch anstatt vor Schmerzen zu schreien oder gar zusammen zu brechen, wie es der Bretone wohl erwartet hatte, stürmte die flammende Gestalt weiter voran. Mit sich weitenden Augen sah der Adjutant zu, wie sich die Flammen von Tarrior zurückzogen und dieser unverletzt weiter auf ihn zuhielt. Er versuchte es mit einigen weiteren Feuerstößen, die allesamt keine Wirkung auf seinen Gegner hatten. Tarrior indes holte im Lauf zu einem Hieb aus. Der Kampfmagier, noch ganz geschockt von Wirkungslosigkeit seiner Zerstörungszauber, brachte gerade so den Kolben rechtzeitig zwischen sich und den Dunmer. Die beiden Waffen verkeilten sich ineinander und die beiden Kontrahenten rangen direkt miteinander. Eine gefühlte Ewigkeit pressten sie sich gegeneinander, sodass sie den Atem ihres Gegners spüren konnten, doch dann machte Tarrior einen Ausfallschritt gab damit den Streitkolben frei, aber konnte so eine freie Hand ins Spiel bringen. Geschickt griff er um die Waffe herum und packte mit der aschgrauen Hand den Bretonen am Hals. Als die Magie floss und der Adjutant vor brennendem Schmerz zu kreischen begann, war der Kampf entschieden. Ralvit brach in die Knie und ließ die Waffe sinken und dann knapp über dem Boden einfach niederfallen. Der Großmeister der Liga unterbrach das Duell. Als Tarrior daraufhin von ihm abließ, war eine große, übel aussehende Brandwunde in Form seiner Hand dort zurückgeblieben. Verächtlich schaute der Dunmer zu, wie sein Gegner nun umkippte und von zwei redoranischen Soldaten weggetragen wurde. Dem Großmeister schenkte er einen kühlen Blick.

  16. #296

    Vvardenfell-Distrikt, Westspalte, Andasreth

    Der Blick des Großmeisters hatte sich verändert. Dies fiel Tarrior sofort auf. Die Überheblichkeit, mit der er zuvor auf ihn herabgesehen hatte, hatte sich nun in aufmerksame Vorsicht gewandelt. Der Kaiserliche musterte sein gegenüber sehr genau. Tarrior konnte die durchdringenden Blicke fast schon körperlich spüren. Kurz darauf nahm der Großmeister die Position seines besiegten Adjutanten im Aschering ein. „Interessant. Ihr seid ein stärkerer Magier als euer niedriger Rang in der Gilde vermuten lassen würde, aber ein einfacher Berührungszauber ist noch keine höhere Kunst. Und noch dazu seid ihr wohl, was selbst für einen Dunmer erstaunlich ist, gegen Feuer völlig immun. Zumindest zeigten selbst die stärksten Feuerzauber auf euch keine Wirkung. Ich werde euch nicht unterschätzen. Ralvit konntet ihr täuschen, in dem er seinen Zaubern ausgewichen seid, obwohl ihr das nicht musstet, aber Ralvit ist, nun ja, nicht dazu geschaffen viel zu denken. Mit mir werdet ihr nicht so ein leichtes Spiel haben. Ich bin Lord Magnus Castellan, Großmeister der Liga der Magischen Gewalt und Meistermagier der Kampfmagier der Magiergilde. Ich werde nicht zulassen, dass ihr unseren Bund zum Gespött macht“: sprach der Magier zu ihm. Tarrior verzog das Gesicht. Der Mann würde wohl nicht einfach Opfer seiner Überheblichkeit werden, wie Ralvit Opfer seines eigenen Jähzorns geworden war. Ihm stand wohl ein harter Kampf bevor. Allerdings gab es noch einen Trumpf. Zwar wusste Magnus nun um seine Feuerimmunität, doch hatte er sein magisches Potential noch nicht offenbart. „Er geht davon aus, dass ich nur über rudimentäre magische Fähigkeiten verfüge, weil ich in der Gilde nur so einen niedrigen Rang innehalte und daher auch keine Ausbildung für Fortgeschrittene durchlaufen habe. Wenn er wüsste, was ich alles gelernt habe“: überlegte Tarrior und ein diabolisches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Er fand es aber besser, wenn er seine Stärke noch eine Weile verbarg. Wie bei dem Bretonen konnte hier der richtige Moment absolut entscheidend sein. „Möge der Kampf beginnen“: ließ der Großmeister verlautbaren und stürzte los. Der Dunmer noch ganz in Gedanken wurde von dem plötzlichen Angriff überrascht. Sein Gegner führte ein eigentümliches Silberschwert, dessen Klinge wellenförmig gearbeitet war. Die Waffe war mit mehreren blauen Edelsteinen verziert und das Metall schimmerte vor pulsierender Magie. „Schon wieder eine verzauberte Waffe“: erkannte Tarrior genervt, als er sich mit einer schnellen Drehung in Sicherheit brachte.

    Ein stechender Schmerz fuhr durch seine Seite. Die Bewegung kam zu schnell. Der Schmerz verhinderte, dass er seine Waffe zog und so war er einem weiteren Angriff des Großmeisters ausgesetzt, der ebenfalls schnell herum wirbelte. Die Klinge kratzte über Tarriors Bruststück. Er hörte nur noch ein Knistern, bevor er den brennenden Schmerz auf seiner Haut fühlte, als die Schockmagie durch die Rüstung direkt in seinen Körper geleitet wurde. Keuchend taumelte er zurück, doch Magnus setzte ihm augenblicklich nach. Ein gezielter Hieb in Richtung seiner rechten Hand, verhinderte abermals, dass er seine Waffe ziehen konnte. Auch konnte er sich nicht schnell genug bewegen, um aus der Reichweite der Blitzklinge zu kommen, denn die Rüstung behinderte ihn noch mehr, als zuvor. Weitere prasselnde Schläge folgten und nötigten Tarrior einen einfachen Schildzauber ab, der die Klinge kurzerhand etwas ablenkte und so direkte Treffer verhinderte. Doch das Ausweichen fiel ihm jedes Mal schwerer. Die Erschöpfung des letzten Kampfes steckte noch in seinen Knochen und Magnus trieb ihn noch mehr an als Ralvit. „Pah dieser Schildzauber ist viel zu schwach. Er wird mich nicht aufhalten“: brüllte der Großmeister und stieß mit seiner Klinge nach vorne zu. Leider hatte er damit Recht. Tarrior verstand sich kaum auf Schildzauber. So glitt die Klinge einfach hindurch traf auf die Rüstung. Er konnte spüren, wie das Schwert von der Schockenergie durchpulst und damit noch schärfer das Rüstzeug zu durchdringen begann. Er erkannte eine knappe Chance und ließ sich in einer abgehackten Drehbewegung zur Seite fallen. Da die verzauberte Schneide schon zu einem Stück in seiner Rüstung steckte, zog er somit mit seinem ganzen Gewicht daran. Sie verkantete sich und wurde dem Kaiserlichen einfach aus der Hand geprellt. „Verflucht!“: zischte Magnus als ihm die Klinge durch die Finger glitt und in den Staub fiel. Tarrior erhoffte sich davon einen kurzen Moment Ruhe, doch der Anführer der Liga hatte wohl andere Pläne. Statt die Waffe aufzuheben, hüllte er seine Hand in blaues Glühen und schlug nun mit den gepanzerten Fäusten nach ihm. Gerade noch eine Rolle schaffte Tarrior in dem unpraktischen Rüstzeug und sah mit Schrecken zu, wie die Faust den Boden traf und dort die Asche in splitterndes Eis verwandelte. Das Leuchten wurde nun noch stärker. Mit lautem Krachen riss er die Faust aus dem Eis und holte zu einem neuerlichen Schlag aus. Wieder drang er auf den Dunmer ein. Eine weitere mühevolle Rolle folgte. Seine Kraft war fast ausgereizt. Wenn er nicht aufstehen konnte, dann war er erledigt, doch der Großmeister wollte ihm diese offenbar nicht einräumen. Er war das Symbol seiner Liga und kämpfte fanatisch und unerbittlich gegen ihn, ohne auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Tarrior schluckte. Es gab nur eine Chance, ansonsten wäre er erledigt. Magnus nächster Schlag sauste auf ihn herab. Er sah die Faust auf sich zukommen. In seiner eigenen Hand hingegen knisterte bereits eine Menge Magie.

    Die entstehende große Stichflamme, die Tarrior mit einem Aufschlag seiner Hand auf dem Boden auslöste, brachte den Ordensmeister von seinem Schlag ab und ließ ihn getroffen nach hinten wegtaumeln. Seine Hand war in einer reflexhaften Geste über das Gesicht gelegt. Doch sein langes Haar zierten nun angesengte Spitzen. Ein Geruch von verbranntem Horn lag in der Luft. Diese Verschnaufpause nutze der Dunmer nun, um aufzustehen und den Abstand zu dem Kaiserlichen noch weiter zu vergrößern. „Es hat keinen Sinn noch länger hinter dem Berg zu halten. Dieser Fanatiker will mich schnell erledigen. Zurückhaltung kann keine Taktik mehr sein“: schoss es ihm durch den Kopf und griff an seine Seite, um die Riemen des Brustpanzers zu lösen. Derweil hatte sich Magnus wieder gefasst. Als er die Hand herunternahm, erkannte Tarrior gerötete Augen, die den Flammen wohl etwas zu nah gekommen waren, aber noch allzu deutliche Blitze des Zorns verschossen. Auch sein Gegner schien die kurze Pause zu nutzen, um sich neu zu orientieren und ging langsam zu seinem Schwert hinüber, um es aufzuheben. Derweil fiel das Rüstzeug von Tarriors Körper und schlug mit einem dumpfen Geräusch in der Asche auf. Ebenso entledigte er sich der schweren Stiefel. Magnus schien keine Anstalten zu einem weiteren Angriff zu machen, sondern musterte ihn ebenso wie umgekehrt. Ein verwirrter Ausdruck stand dem Mensch ins Gesicht geschrieben. „Ihr legt diese Rüstung auf eure eigene Verantwortung hin ab. Wenn ich euch mit meiner Klinge tödlich verwunde, dann tragt ihr die Schuld selbst. Und glaubt mir. Noch einmal werdet ihr mich nicht mit so einer einfachen Feuerfontäne abhalten, noch einmal werde ich nicht darauf hereinfallen“: warnte ihn der Kaiserliche vor. Tarrior spuckte aus. „Danke für eure Fürsorge“: meinte er. Nur noch dieser Kampfmagier stand zwischen ihm und dem ersehnten Ziel. Er würde dieses Hindernis beiseite räumen.

    Als der Dunmer nun auch sein Schwert und er seinem Gegenüber fest in die Augen schaute, meinte dieser wohl den richtigen Moment für einen Angriff gefunden zu haben und stürmte los. Die Reaktion des Dunkelelfen kam fast ebenso schnell. Mit einem lauten Kreischen verkanteten sich die Klingen einander, als ihre Waffenführer aufeinander eindrangen. Die silberne Schneide rutschte dabei über das Wellenmuster und erzeugte einen schrillen Ton, der in den Ohren schmerzte. Das Knistern der überspringenden Schockmagie war deutlich zu hören. Tarrior hielt jedoch mit seiner eigenen Kraft dagegen, indem er sie in Form von Feuer in sein eigenes Schwert fließen lies, was ein Brummen des Silberstahls zur Folge hatte. Arkane Funken sprangen an den Stellen, an denen sich die Klingen berührten, über. Seine Zähne knirschten und standen fest aufeinander, als er dem Kaiserlichen in die Augen blickte. Dessen Gesicht war ebenso von Anstrengung gezeichnet, doch auch in seinen Augen stand der unbedingte Wille nicht nachzugeben. Stattdessen lockerte der Gegner nur seinen Griff um die eigene Waffe, die sich nun unter dem Druck des gegendrängenden Silberschwerts gefährlich dicht an die Kehle des Menschen verlagerte und machte sich damit eine Hand frei. Umgehend ging ein blaues Leuchten von ihr aus und er streckte sie dem Dunmer entgegen. Tarrior konnte nur noch reagieren, stieß sich mit einem Ruck aus dem Zweikampf zurück und musste somit doch nachgeben, aber leider zu spät. Er spürte einen harten, kalten Schlag in seinen Magen krachen. Keine schützende Rüstung hielt den Frostzauber von ihm ab. Wie unter dem Aufprall einer Stahlfaust brach er in die Knie und krümmte sich nach vorne. Es dauerte einige Sekunden, bevor er überhaupt wieder atmen konnte. Durch tränenverschleierte Augen sah er erneut einen zustürmenden Großmeister. Seine Deckung war völlig offen und das Schwert wohl zum finalen Streich erhoben. Der Dunmer biss die Zähne zusammen rappelte sich zitternd auf und stieß einen Schrei aus. Dann leuchteten seine Hände in blutigem Rot und kurz darauf fegte eine große Kugel aus komprimierter Feuermagier auf den Kaiserlichen zu. Dieser stoppte abrupt und spürte enorme Hitze, als der Feuerball mit gewaltiger Wucht vor ihm explodierte. Auf seinem Gesicht zeichneten sich Überraschung und Furcht ab, die Tarrior jedoch nur kurz auskostete, bevor er weitere Magie sammelte und neue Geschosse auf seinen Gegner abfeuerte.

    Magnus konzentrierte sich immer stärker auf das Ausweichen, sodass er gar nicht bemerkte, dass Tarrior inzwischen wieder auf den Beinen war, zwar angeschlagen, aber noch nicht geschlagen und seine letzten physischen Kräfte für den, so hoffte er, entscheidenden Angriff mobilisierte. Er packte das Schwert fester, feuerte eine Salve weiterer schwächerer Feuerbälle ab und stürmte los. Sein Magen schmerzte und seine Kräfte waren von den zwei Kämpfen fast aufgebraucht, doch zwang ihn der Zorn über diesen jämmerlichen Fanatiker zum Durchhalten. Mit schnellen Schritten überwand der Dunmer die Distanz. Der abgelenkte Ordensmeister versuchte das Silberschwert wieder zwischen sich und Tarrior zu bekommen, doch diesmal legte er kurz vor ihrem Zusammentreffen noch einen Feuerball vor. Aus seiner freien Hand schoss das Feuer hervor, dabei waren vielleicht noch zwei Schritte zwischen ihnen. Das magische Geschoss traf die Hand des Kaiserlichen und zerstob in einer feurigen Wolke. Tarrior hielt den Atem an, tauchte in das Feuer ein mit seiner Waffe im Anschlag und stieß nach vorne zu. Der Weg der Klinge war frei, da der Großmeister der Liga das Schwert vor brennendem Schmerz, zumindest zeigte sein verzerrtes Gesicht diesen, fallen gelassen hatte. Die Nase und kurz danach die glühend roten Augen traten zuerst aus dem flammenden Nebel und fixierten noch einmal kalt das Gesicht des Großmeisters. Ein Lächeln umspielte die Lippen des Dunkelelfen und dann fuhr die silberne Klinge, die Tarrior mit Feuermagie durchtränkt hatte, in das Rüstzeug seines Gegners, dem sichtbar die Luft aus den Lungen gepresst wurde und dann in einer feurigen Explosion nach hinten weg geschleudert wurde. Die Rüstungen verhinderte akrobatische Überschläge und ließ ihn schnell auf dem Boden aufschlagen und nur noch durch die Asche schlittern, bis er am gemauerten Rand des Beckens zum Liegen kam und sich nicht mehr rührte. Das Blut rauschte in seinen Ohren und sein eigener Atem schien unerträglich laut, als er seinen reglosen Gegner immer noch mit eiskaltem Lächeln musste. Freude und Genugtuung spielten mit hinein.

    Erst allmählich nahm er die Welt um sich herum wieder war. Die Menge, die den Kampfplatz umstand schwieg voller Erstaunen, vielleicht war es auch Entsetzen. Den Großmeister niedergestreckt zu sehen, kam aber in jedem Fall völlig unerwartet für die Gildenmitglieder, die sich als Zuschauer hier versammelt hatten. Er ließ noch einmal seinen Blick durch die Menge schweifen und hob dann kurz den rechten Arm, was ihm ein besonders schlimmes Ziehen in der Magengegend verursachte, um seinen Sieg zu bekräftigen. In diesem Moment fand Alina, die die Kämpfe mit angesehen hatte, als Erste Worte für die Niederlage ihres Großmeisters. Sie stieg zu Tarrior in den Ring und gratulierte ihm vor aller Augen zu seinem Sieg: „Ihr habt unseren Großmeister besiegt und damit euer Können offenkundig unter Beweis gestellt. Ich beantrage hiermit erneut, dass Tarrior Gildres die nächste Versorgungslieferung nach Maar Gan als Teil der Eskorte begleiten wird.“ Von Jubel konnte bei den Umstehenden keine Rede sein, aber zumindest nickten sie zustimmend. Einige Redoran-Wachen kümmerten sich derweil um Magnus und halfen ihm hoch. Im Gesicht prangten einige krebsrote Brandwunden und sein Haar war an etlichen Stellen mehr oder weniger stark angesengt. Ein beschämter Ausdruck lag in seinem Gesicht. „Ihr habt gewonnen Gildres. Ich habe euch unterschätzt. Ihr dürft die Eskorte begleiten. Ich muss mich ausruhen“: sagte der Mann knapp und begab sich, gestützt von den Redoranern, zurück in die Festung. „Sieht so aus, als wären wir jetzt Quitt“: meinte Alina mit einem Lächeln. Tarrior erwiderte es gequält. Sein Magen schmerzte höllisch. „Euer Großmeister ist ein hervorragender Kämpfer, doch ich muss nun einmal in diese Stadt“: sagte er mit zusammen gebissenen Zähnen. Das Sprechen fiel ihm schwer. Und jede kleine Bewegung ließ Schmerz durch seine Nerven jagen. Er fühlte, wie ihm plötzlich kalter Schweiß auf der Stirn stand. „Geht es euch nicht gut? Ihr seht so blass aus“: fragte die Bretonin besorgt. Tarrior wollte gerade den Kopf schütteln, als die Welt vor seinen Augen plötzlich verschwamm und er ungebremst in die Asche fiel und liegen blieb.

  17. #297

    Westspalte, Andasreth, Kate

    „Ihr seid aufgewacht. Das ist gut. Wir befürchteten schon ihr hättet euer Bewusstsein gänzlich verloren“: drang eine Frauenstimme an seinen verwirrten und müden Geist. Gerade eben war er aus einem langen, viel zu langem Traum erwacht, doch die Erinnerung daran entglitt seinen Gedanken, noch ehe er danach greifen konnte. Wäre nur nicht diese penetrante Stimme. Er blickte sich um und versuchte ihr ein sichtbares Gesicht zuzuordnen, doch seine Augen waren verschleiert. Es war als läge ein milchiger Nebel über allem. Ein unbewusster Reflex ließ ihn die Hand heben und damit die verklebten Augen freireiben, doch sein Bewusstsein versuchte noch immer an die letzten Halme geklammert den Traum festzuhalten. Ein beißendes Gefühl vermittelte ihm den Eindruck, dass in ihm eine wichtige Information verborgen lag, die er keinesfalls verlieren durfte. Er zog die Brauen zusammen und versuchte sich zu konzentrieren. Er versuchte den Traum festzuhalten, ihn sich erneut bewusst zu machen, doch alle Konzentration half nicht weiter. Wie Schlieren schillernden Öls auf einem Fluss trieb die Sequenz einfach langsam fort. Er versuchte noch einen letzten Versuch, doch in diesem Moment schob sich ein Gesicht in sein Blickfeld. „Geht es euch gut?“: fragte Alina und die Erinnerung war entschwunden. Tarrior schüttelte sich.

    „Alina? Ihr hier?“: fragte er. Sein Mund fühlte sich trocken an und die Worte kamen nur zitternd heraus. Er versuchte sich aufzusetzen, aber neben einem Ziehen in der Bauchregion machten ihm schwächelnde Muskeln einen Strich durch die Rechnung. Ihm kam plötzlich wieder der Kampf gegen den Großmeister in den Sinn. Seine letzte Erinnerung bestand im Jubel der Umstehenden, ansonsten war da nur dieser Traum, der sich ihm nun vollends entzogen hatte. „Der Kampf. Ich habe doch gewonnen“: brachte er hervor. Die Bretonin legte ihren Finger auf seine Stirn und drückte seinen Kopf zurück auf ein weiches Kissen. Er erinnerte sich an scharfkantigen Aschesand. „Was ist passiert?“: fragte er sich. „Ihr habt den Kampf gewonnen keine Sorge. Ihr habt uns alle ziemlich beeindruckt. Der Großmeister bat mich, euch seinen Respekt auszurichten. Er ist nach Balmora abgereist um sich mit der stellvertretenden Erzmagierin zu treffen“: sagte sie sanft. „Balmora? Aber er lag doch gerade noch im Staub. Ich… Ich…“: in seinem Kopf begann ein Schmerz zu pochen. „Beruhigt euch. Der Kampf ist jetzt bereits drei Tage her“: erklärte sie. Er versuchte sich zu erinnern, aber da war nur noch Schwärze. „Was ist geschehen?“: wollte Tarrior wissen. Alina strich durch seine roten Haare. „Ihr seid ohnmächtig geworden. Zunächst glaubten wir vor Erschöpfung, denn niemand bestreitet so einfach zwei harte Kämpfe direkt hintereinander, aber als wir euch entkleideten, bemerkten wir unseren Irrtum…“: berichtete sie, doch wurde sie von einem hochfahrenden Tarrior unterbrochen. „Drei Tage!“: stieß er hervor, als er nach oben schnellte, doch noch im selben Augenblick krümmte er sich vor schlimmen Schmerzen zusammen. „Das habt ihr nun davon“: sagte die Bretonin mit missbilligendem Unterton und streckte ihn behutsam wieder auf das Bett hin. Sie zog die einfache Soldatendecke, die ihn bedeckte, weg und zeigte dem Dunkelelf damit einen ausgedehnten Verband, der den Bereich knapp unterhalb und oberhalb des Nabels bedeckte. Der Schmerz ging eindeutig von der bandagierten Zone aus. Sie legte beide Hände auf seinen Bauch und ließ heilende Magie, Tarrior war sich aufgrund des stärkenden und schmerzlindernden Gefühls sicher, dass es solche war, in ihn strömen.

    „Bewegt euch nicht. Zwar habt ihr das Gröbste hinter euch, aber jede schnellere Beugung könnte den Heilungsprozess verlangsamen und wird euch Schmerzen zufügen“: sagte sie und konzentrierte sich weiter auf den Heilzauber. Der Dunmer dachte nach. Er war sich sicher, dass weder der Großmeister noch der Adjutant ihn am Bauch verletzt hatten. Nur ein Zauber hat mich getroffen. „Ein Eiszauber“: wie ihm schmerzlich bewusst wurde. Er sprach seine Gedanken laut aus. „Ja. Es war schrecklich. Ich habe noch niemanden, auch keinen Dunmer, gesehen, der derart extrem auf die Einwirkung von Frostmagie reagierte“: kommentierte die junge Frau seinen Ausruf. „Wie meint ihr das?“: fragte er. Sie zuckte mit den Schultern. „Als wir euch entkleidet hatten, sahen wir euren Bauch. Das Fleisch um den Bereich, an dem euch der Großmeister mit dem Zauber getroffen hatte, war innerhalb kürzester Zeit abgestorben und schon ganz schwarz geworden und leider gingen die Verletzungen noch tiefer. Der Feldarzt meinte, als er das abgestorbene Gewebe herausschnitt, dass er noch nie solche tiefgreifenden Erfrierungen gesehen habe und dabei stammt er aus Himmelsrand. Er hat die Wunde ausgeschabt und euch einen Verband mit einer Tinktur umgelegt. Wir haben das Nachwachsen des Fleisches mit heilender Magie beschleunigt. Glücklicherweise hatte euch noch keine Infektion befallen. Allerdings würde ich an eurer Stelle euer Glück nicht herausfordern“: antwortete die Frau und nahm ihre Hände von den Bandagen. „Und ihr habt über mich gewacht?“: fragte er Alina. Die Bretonin setzte ein Lächeln auf. „Nicht die ganze Zeit. Auch ich muss schlafen, aber ich wollte mich dafür bedanken, dass ihr mir meinen Posten gerettet habt. Der Großmeister war damals ja drauf und dran mich dafür zu bestrafen, dass ich euch zur Festung brachte. Jetzt wird es mir als besonderes Zeichen von Weitsicht ausgelegt, weil ich einen starken Kämpfer für unsere Reihen rekrutiert habe. Hättet ihr den Kampf nicht gewonnen, wäre es wohl nicht so glimpflich für mich ausgegangen“: beantwortete sie auch diese Frage. Tarrior nickte. „Vermutlich wollte der Großmeister damit sein Gesicht wahren, um nicht zugeben zu müssen, dass seine Überheblichkeit ihn eigentlich besiegt hatte. Ihr müsst mir auch nicht dankbar sein. Ich habe euch schließlich dazu gezwungen mich in die Festung zu bringen“: wiegelte er ab. Doch die Bretonin sah ihm in seine roten Augen. „Vielleicht will ich euch aber trotzdem dankbar sein“: sagte sie mit einem Lächeln. In diesem Moment erinnerte sie ihn wieder an Naasira, die Heilerin aus Chorrol. Er betrachtete das gewellte, braune Haar und blieb einen Moment an ihren feinen Gesichtszügen hängen. Sie war schön, aber es lag keine zierliche Schönheit in ihrem Gesicht, sondern die herbe Schönheit, die Frauen besitzen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Auch Naasira hatte so ein Gesicht. Seine Betrachtungen wurden durch einen hereintretenden Mann gestört.

    „Herrin, ihr wolltet informiert werden, wenn die Waren in der Festung eintreffen. Sie sind bereits auf dem Weg in die Kammer.“: vermeldete der Mann, bei dem es sich um einen Kaiserlichen in einfacher Leinenkleidung handelte. „Gut. Geht und informiert die Männer! Sie sollen sich bereit machen. Der Konvoi wird in etwa einer Stunde aufbrechen. Sie sollen also pünktlich sein!“: befahl sie und der Kaiserliche entfernte sich mit einem Nicken. „Welcher Konvoi?“: fragte Tarrior hellhörig. Ein kurzer Ausdruck von Selbsthass huschte über Alinas Gesicht. Vermutlich wünschte sie sich, dass sie nichts gesagt hätte. „Der Konvoi nach Maar Gan“: war ihre knappe Antwort. Wahrscheinlich hatte sie bereits vorhergesehen, dass Tarrior sich nun aufrappelte und Anstalten machte, aus dem Bett aufzustehen. Sie machte hingegen keine Anstalten ihn zurückhalten zu wollen. Vermutlich wusste sie, dass es Nichts bringen würde, denn alles in Tarrior war auf die Fortsetzung seiner Reise ausgerichtet. Das Lager hatte ihn bereits genug Zeit gekostet und der nächste Konvoi würde erst wieder in ein paar Wochen aufbrechen. So lange konnte und wollte er nicht mehr warten. Egal welches Geheimnis Behram verbarg, Tarrior wollte es endlich in die Finger bekommen und dazu musste er den Nord finden. „Ihr solltet euch wirklich schonen. Ich kann nicht erlauben, dass ihr in eurem Zustand den Konvoi begleitet. Eure Bauchwunde ist noch nicht fertig verheilt“: sagte sie. Tarrior zog derweil seine Sachen, die feinsäuberlich auf einem Schrank neben dem Bett lagen, an. Er befand sich, erst jetzt lenkte er seine Aufmerksamkeit darauf, noch immer in Andasreth in einer kleinen, engen Kate ohne Fenster, die von einigen Öllampen beleuchtet wurde. Er ignorierte ihren Einwand völlig. „Ich kann euch unmöglich einen so wichtigen Konvoi in angeschlagenem Zustand begleiten lassen. Wenn bei dem Transport irgendetwas schief geht, dann müssen alle kämpfen können und man muss sich auf jeden Einzelnen von euch verlassen können. Wenn ihr nun ausfallt…“: brachte Alina den nächsten Einwand vor. Tarrior sah sie missbilligend an. „Ich kann mich vielleicht nur schlecht bewegen, aber laufen wird gehen, denke ich. Und was den Kampf angeht… wahrscheinlich werde ich mich nicht in den Nahkampf begeben können, aber ich kann auch auf Entfernung meine Gegner grillen. Wie euch der Kampf bewiesen haben dürfte, bin ich ein besserer Magier als mein Rang in der Gilde vermuten lassen würde. Ihr könnt euch auf mich verlassen, wenn denn der Konvoi überhaupt angegriffen wird“: schmetterte er diesen Einwand sogleich ab.

    Man konnte es in diesem Moment hinter der Stirn der Frau arbeiten sehen, wie sie ihn doch davon abhalten könnte, diese Reise mitzumachen. Sie setzte kurz darauf zu einem weiteren Argument an: „Der Arzt meinte auch noch, dass er euch noch einmal untersuchen wolle, wenn ihr wieder auf den Beinen seid. Ihr mögt zwar gesundheitlich wieder reisefähig sein, aber er hat Befürchtungen. Eure derart große Anfälligkeit für Frost bereitet ihm Sorgen. Er mutmaßt, dass ihr unter einer magischen Krankheit oder einem Fluch leiden könntet, der euch anfällig gegen diese Art Magie macht. Das allein wäre ein Grund die Konfrontation mit magiebegabten Dremoren zu meiden, denn wie ihr gesehen habt, kann jeder stärkere Frostzauber, den ihr ungeschützt abbekommt, euer Ende sein.“ Tarrior war inzwischen angezogen und band sich seine roten Haare wieder zu einem Knoten im Nacken zusammen. „Habt ihr mein Gepäck von Feldlager hierher verlegen lassen?“: fragte er und überging sie damit völlig. „Es liegt dort hinter dem Schränkchen neben der Tür“: antwortete sie und hoffte ihrerseits offensichtlich auf eine Reaktion ihres Gegenübers, die aber ausblieb. Tarrior wandte sich lieber seinem Gepäck zu und entnahm im die Knochenrüstung. Er strich über die einzelnen Platten und legte sich das Rüstzeug bereit. Alina wurde derweil immer ungehaltener. Schließlich brüllte sie ihn an: „Verflucht noch eins. Ignoriert mich nicht, sondern redet gefälligst mit mir!“ Nun besaß sie seine Aufmerksamkeit. Er dachte kurz nach, bevor er antwortete. Es war Zeit der Frau die Wahrheit zu sagen. „Macht euch keine Sorgen wegen einer Krankheit oder eines Fluches. Ihr dürftet festgestellt haben, dass mir Feuer nichts anhaben konnte. Das liegt daran, dass ich mir eine Feuerimmunität erworben habe. Das Problem daran ist, dass ich dadurch gleichzeitig anfällig für Frostzauber wurde. Der Zauber traf mich allerdings nur so schlimm, weil ich ihn direkt und ohne schützende Rüstung abbekam. Das lässt sich hiermit vermeiden“: rang er sich eine Antwort ab und klopfte beim letzten Satz auf den Knochen-Brustharnisch in seiner Hand. „Ich verstehe wirklich nicht, warum es euch soviel wichtiger ist nach Maar Gan zu gelangen, anstatt auf eure Gesundheit zu achten“: zeigte sie sich kopfschüttelnd. Auch hier zeigte sich Tarrior langsam bereit, mit ihr die Wahrheit zu teilen, um sie endlich zu überzeugen – zumindest einen Teil der Wahrheit. Der Dunmer seufzte, bevor er zum Reden ansetzte: „Alina ich sage euch dies jetzt, weil ich euch traue und auf eure Diskretion hoffe. Ich habe euch belogen, was die Gründe für meine Reise nach Maar Gan angeht. Ich will dort niemanden besuchen und auch der Schrein ist mir egal. Ich suche jemanden, der sich in der Nähe der Stadt versteckt. Dieses Treffen ist für mich überlebenswichtig. Er hat Informationen, die ich um jeden Preis bekommen muss. Allerdings komme ich ohne die Hilfe der Liga nicht an den Daedra vorbei oder überhaupt ins Aschland. Der Konvoi ist meine einzige Chance.“ Alina sah ihn ausdruckslos an. Während er erzählte, verschloss sich ihr Gesicht zunehmend.

    „Die Frage ist, ob ich euch trauen kann. Warum habt ihr mir nicht gleich die Wahrheit erzählt?“: fragte ihn die Bretonin. Tarrior bedauerte in diesem Moment das Vertrauen, das er in die Frau gehabt hatte. Wieder musste er sich erklären. Er hasste es. „Alina. Ich erzählte euch dies, damit ihr mich besser versteht. Ich habe euch belogen, um eben diese Diskussion nicht führen zu müssen. Dieses Misstrauen behindert meine Weiterreise und ist gleichzeitig äußerst unproduktiv für beide Seiten“: versuchte er eine langwierige Diskussion abzuwürgen. „Ihr könntet ein Daedra-Anbeter sein. Was, wenn ich mit euch einen Kultisten der Mythischen Morgenröte in das verwundbare Maar Gan schicke?“: fragte sie sich mehr selbst als ihn. „Ihr könnt nur darauf vertrauen, dass ich kein Kultist bin. Die Lage hat sich damit auch nicht geändert. Zuvor musstet ihr darauf vertrauen, dass ich ein Pilger bin, der zum Schrein der Stadt will. Ich habe euch belogen und es tut mir leid, aber es ändert Nichts daran, dass ihr mich gehen lassen wolltet, wenn ich gesund genug wäre. Also schiebt jetzt nicht dieses scheinheilige Argument von Sicherheitsbedenken vor, denn meine Lüge war nur dazu gedacht, dass mir keine weiteren unbequemen Fragen über meinen Kontakt gestellt werden. Die Sache ist sehr persönlich und soll nur mich etwas angehen. Ich habe euch dies jetzt verraten, weil ich dachte, ich könnte euch vertrauen und die Situation zwischen uns beiden wäre geklärt!“: unternahm der Dunmer einen weiteren Versuch die Bedenken zur Seite zu wischen und tauschte dabei geschickt ihre Positionen. Alinas harte Maske brach und auf ihrem Gesicht stand Unsicherheit geschrieben. Er nahm sie bei den Armen und ließ sie seinen bestimmten aber sanften Griff spüren. Mit einem Lächeln schaute er ihr in die Augen. „Seid mir dankbar Alina“: sagte er. Sie nickte. „Ihr dürft den Konvoi begleiten. Wenn ihr ein Kultist der Mythischen Morgenröte, dann verbergt er dies meisterhaft. Ihr habt euch Nichts zu Schulden kommen lassen“: gab sie ihm nun ihre Erlaubnis. Tarrior war ein weiteres Hindernis losgeworden. Er wollte sich gerade wieder seiner Rüstung widmen, als die Bretonin etwas Unvorhergesehenes tat – sie umarmte ihn. Er wusste nicht wie ihm geschah. Ihm war die Berührung im ersten Augenblick furchtbar unangenehm. Seine Muskeln spannten sich derart an, dass er wohl mehr einem Brett als einem Lebewesen gleichen musste. Die Arme hingen nutzlos an seinem Körper herunter. Er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Sämtliche Farbe wich ihm aus dem Gesicht. Er stand nur nutzlos herum. Es war, als hätte sein Verstand keinerlei Plan oder Handlungsvorschlag für eine solche Situation vorgesehen. Er wusste schlicht und ergreifend nicht, was er tun sollte.

    Alina entfernte sich plötzlich wieder von ihm. Über ihr Gesicht huschte einen Moment lang ein Anflug von Enttäuschung und Verwirrung, doch dann überwand sie den peinlichen Moment, in dem sie Tarrior darauf hinwies, dass der Konvoi bald aufbrechen würde und er sich nun fertig ausrüsten solle. Sie wandte sich schleunigst um und verließ die Kate eine Spur zu schnell. Der Dunmer nutzte nun die Ruhe und machte sich abmarschbereit.

  18. #298

    Westspalte, Andasreth, Propylon-Kammer

    Nach etwa einer halben Stunde verließ er die Kate und traf die Bretonin auf dem Gang wieder. Sein Gepäck hatte er nun geschultert. Das Gewicht drückte auf seine Muskeln und er konnte es auch auf seiner Bauchwunde lasten fühlen. Der Schmerz war zu ertragen und die Belastung gerade noch verträglich für die wunde Stelle. Alina wartete bereits vor dem Zimmer auf ihn. Schweigend gingen sie nebeneinander her nach draußen. Redoranische Wachen und Mitglieder der Liga, auf die sie unterwegs in den schmalen Gängen der Festung trafen, machten respektvoll vor ihm Platz. So erreichten sie recht schnell den großen Platz der Festung und die junge Frau lenkte ihre Schritte schnell zu dem hochaufragenden Nebengebäude. Soweit Tarrior wusste, war das eine Propylon-Kammer. In alter Zeit bildeten diese magischen Kristallstrukturen ein ganzes Portalnetz zwischen den alten Dunmer-Festungen auf Vvardenfell. Jede wichtige Befestigungsanlage besaß eine solche Kammer. Über das Portalnetz konnten schnell Botschaften übermittelt und Truppen verlegt werden. Dieses wirklich einmalige, magische Teleportationsnetz verfiel leider mit den Jahrhunderten in dem gleichen Maße, wie auch die Festungen verfielen. Heute konnte kaum mehr jemand das Propylon-Netzwerk nutzen. Soweit Tarrior dies wusste, fehlten dazu wichtige Bestandteile der einzelnen Anlagen. Womöglich hatte die Magiergilde die Propylon-Kammer von Andasreth wieder zum Laufen bekommen, allerdings verstand er den Grund nicht, warum der Konvoi ausgerechnet von hier aus teleportiert werden sollte. Maar Gan selbst besaß keine Propylon-Kammer und es lag auch keine Festung mit einer solchen in der Nähe. Doch er wollte sein Transportmittel auch nicht in Frage stellen.

    Alina gab den beiden schwergepanzerten Kampfmagiern, die den Zugang bewachten, ein Zeichen und nannte ein geheimes Codewort und schon wurden sie eingelassen. Sofort als Tarrior die Schwelle überquerte, war als würde ihm flüssiges Feuer in die Lungen strömen, als er dann noch einatmete. Ein sanftes Prickeln auf seiner Haut jagte ihm Schauer über den Rücken. Die Luft schien zu schimmern und zu wabern. Es war als wäre der Raum mit einer Art lilafarbenem Nebel erfüllt, der doch so feinstofflich war, dass nur Nuancen von ihm in der Luft schimmerten, man aber alles mehr oder weniger klar und deutlich sehen konnte. Der gesamte Raum war geschwängert mit Magie. Man konnte sie geradezu riechen, schmecken und fühlen. Ein leichtes Knistern verriet auch, dass man sie hören konnte, wenn man sich darauf konzentrierte. Der Anblick, der sich dem Dunmer bot, war überwältigend. Das Zentrum des Raumes nahmen zwei Plattformen ein. Jede dieser etwa kreisrunden Plattformen wurde in je einen Drittel von einem großen, gebogenen, steinernen Monolithen umstanden, an dessen zum Kreiszentrum hin ausgerichteten Innenfläche eine kristallene Komponente angebracht war, die vor Energie nur so pulsierte. Alle sechs Kristallarme der beiden Plattformen gaben unaufhörlich rot-weiße Energietentakeln ab, die sich in alle Richtung hin ausbreiteten, aber sich vor allem auf den obeliskförmigen Monolithen im Zentrum der Plattform zubewegten und diesen wie ein Aureole einhüllten und umgaben. Das mussten die beiden Propylonen sein. Andasreth verfügte offenbar über mehr als einen. Er kannte diese Darstellung bereits von den Erzählungen einiger Gildemagier, aber es in Natura zu sehen, war wirklich ergreifend. Was er allerdings von den Beschreibungen nicht kannte, waren einige, offensichtlich von der Liga hinzugefügte, Erweiterungen. So bildete eine Anordnung mehrerer großer Kristalle, in denen Tarrior das Pulsieren gefangener Seelen spürte, ebenfalls eine Kreisform, die die beiden Propylon-Plattformen tangierte. In diesem Kreis aus Kristallen standen bereits die Wagen mit der Versorgungsgütern für das belagerte Maar Gan und ein Teil der Eskorte. Doch die Quelle für die enormen frei schwebenden Kräfte entdeckte Tarrior unterhalb der Decke der Kammer. In großen Käfigen, die an Ketten von oben herab hingen, saßen mehrere Sturm-Atronarchen eingepfercht. Es waren insgesamt sieben an der Zahl. Die Käfige besaßen in ihrem Boden jeweils einen großen Kristall. Sie leuchteten in dem dunklen Lila, das nebelartig die ganze Kammer durchzog. Unter jedem der Käfige stand jeweils ein Magier, erkennbar an den blauen Roben mit dem eingestickten Zeichen der Liga. Bei den meisten handelte es sich um Altmer, aber es waren auch einige Dunmer darunter. Menschen, abgesehen von Alina, sah Tarrior in dem Raum nur bei den Wachen und der Eskorte des Konvois. Die Magier, die sich um die Propylone kümmerten, waren ausschließlich Mer, wobei die Altmer in deutlicher Überzahl vorhanden waren. Auf einen ebensolchen hielt die Bretonin nun auch zu. Aufgrund der teuren und aufwändig gearbeiteten Robe hielt Tarrior ihn für eine Art Oberaufseher über die hiesigen Zauberer.

    „Seid gegrüßt Lord Demawar. In welcher Laune ist heute der magische Fluss?“: begrüßte Alina den Hochelf. Dieser ließ seinen Blick über Tarrior wandern, bevor er antwortete: „Die Störungen haben wieder zugenommen. Heute ist nicht unbedingt der beste Tag für eine Reise, aber wir haben den Konvoi auch schon an schlechteren Tagen sicher hinüber gebracht. Da es nicht so aussieht, als würde sich der Fluss in nächster Zeit wieder beruhigen haben wir heute womöglich auch den bestmöglichen Tag der kommenden Zeit erwischt. Meine Magier werden wie immer ihr Bestes geben“: gab sich der Mann zuversichtlich, dann fügte er noch eine Frage an: „Doch lasst mich wissen, wer euer Begleiter ist.“ Tarrior kam einer Antwort Alinas zuvor, denn er wollte sich selbst vorstellen: „Ich bin Hlaalu Tarrior Gildres. Ich werde dem Konvoi als Begleitschutz dienen.“ Der Altmer zog seine wirklich langen, scharfgeschnittenen Augenbrauen hoch. Tarrior musterte sein Gegenüber nun etwas aufmerksamer. Der Altmer besaß auffällig helle Haut für sein Volk. Der Goldton war nur ein schwacher Schimmer, eine Nuance. Sein ganzer Teint sprach eher für einen Bretonen oder einen Kaiserlichen. Seine Ohren hingegen bezeugten deutlich seine elfische Abkunft. Sie waren spitz und ebenso wie die Augenbrauchen fast schon übertrieben lang und nach hinten gebogen. Seine goldblonden Haare fielen lang aus und waren auf seinem Rücken zu einem kunstvoll geflochtenen Zopf gebunden, während sein Gesicht von zwei langen, fülligen Strähnen links und rechts eingerahmt wurde. In den violetten Augen sah er ein geheimnisvolles Funkeln. Die blassen Lippen in seinem Gesicht rundeten seine feinen Züge perfekt ab. Alles in allem strahlte er die erhabene Dekadenz altmerischer Adliger aus. Tarrior verspürte eine instinktive Abneigung gegen ihn. Gedanklich ließ er sich etwas zu sehr auf ihn ein, sodass er zunächst nicht mitbekam, dass der Mann das Wort an ihn richtete: „… der Mann der den Großmeister der Liga geschlagen hat. Ich war nicht persönlich dabei, denn mein Platz ist hier, aber die Wächter erzählten davon. Ihr sollt dann allerdings am Ende gewesen sein. Ich bin überrascht euch hier zu sehen.“ Der Dunmer zog die Augenbrauen zusammen. „Man hat uns noch nicht vorgestellt, wer seid ihr eigentlich?“: fragte er nun und lenkte damit von sich ab.

    „Oh verzeiht. Ich bin Demawar von Ersthalt, meiner Kunst wegen nennen sie mich Lord. Ich und meine Magier betreuen die Propylone und helfen der Liga der Magischen Gewalt bei der Versorgung von Maar Gan. Sehr erfreut“: stellte er sich vor und deutete mit einem leichten Senken des Kopfes und Oberkörpers eine Verbeugung an, ohne sich wirklich dabei zu bemühen. „Ich sah in euren Augen das Interesse für unsere Apparaturen. Dafür, dass wir damals auf die Schnelle eine sichere Möglichkeit des Transports ermöglichen mussten, ist es echte magische Qualitätsarbeit. Allerdings war es auch nicht ganz einfach. Sagt was haltet ihr davon?“: begann der Altmer ein Gespräch. „Was ich mich frage ist, wie ihr es überhaupt schafft? Teleportzauber sollen ja angeblich nicht mehr richtig funktionieren“: stellte er eine Gegenfrage. Demawar verzog das Gesicht. „Es sind die Daedra oder besser die Oblivion-Tore, die die magische Teleportation stören. Selbst ein meisterlicher Beschwörer wie ich kann nur mutmaßen, wie sich die zunehmende Zahl an Toren auf das Gleichgewicht Nirns auswirkt. Die Energie aus dem Reich des Vergessens, die in unsere Welt einsickert, stört zum Einen die Barrieren zwischen den Welten und bringt zum anderen unsere eigene aus dem Gleichgewicht. Unsere Magie, die aus Aetherius stammt, wird dadurch gestört. Bei einfachen Zaubern würde man diese Veränderung gar nicht bemerken, aber Teleportation und komplexe Rituale, die auf ein stabiles magisches Netz angewiesen sind, geraten so komplett aus ihrer Form. Um die Störungen abzufedern, müssen wir den Zauber mit starker Magie abschirmen. Wir schaffen mit Energie eine Art abgegrenzten Tunnel, durch den wir den Teleportzauber schleusen. Wir benutzen die Propylone, weil sie schon von Natur aus dafür geeignet sind Teleportationsmagie zu kanalisieren. Um größere Massen wie beispielsweise einen ganzen Konvoi mit Eskorte zu bewegen, haben wir die Transportfläche mit dem Kristallkreis deutlich erweitert. Allerdings sind die Kraft der gefangenen Seelen in den Kristallen und die der Propylone zu schwach, um einen ausreichend starken Tunnel zu ermöglichen und gleichzeitig soviel Materie zu bewegen. Das ist wohl auch der hauptsächliche Grund warum ich hier bin. Das Reich des Vergessens ist schuld daran, dass wir uns in einer derart improvisierten Lage befinden, also ist es nur gut und rechtens, wenn wir dessen Energie dazu benutzen unsere Magie zu stabilisieren. Zusammen mit meinen besten Magiern entrissen wir dem Chaos sieben seiner stärksten Kreaturen, banden sie an Nirn und unterwarfen sie unserer Macht, sodass wir nun die ihre kanalisieren können. So haben wir die Propylone mit ihren ursprünglichen Reisezielen vorerst gelöscht und auf das Ziel Maar Gan umgestellt. Wenn die Störungen nicht zu stark sind, dann können wir eine stabile Verbindung in die Stadt halten“: erklärte er die Funktionsweise des neuen Portals. Tarrior besah sich noch einmal beeindruckt die Atronachen, die in ihren Käfigen saßen und deren Magie ständig von den Kristallen im Käfigboden abgezapft wurde. „Wirklich beeindruckend“: sagte der Dunmer. „Natürlich. Ich bin schließlich ein Meister in der hohen Kunst“: meinte Demawar und er bereute das Kompliment sofort wieder.

    „Genug der Worte. Der Konvoi sollte jetzt aufbrechen. Wir sind schon eine Woche überfällig und vermutlich wird in der Stadt schon rationiert. Also kommt Lord Demawar und bereitet das Ritual vor“: bat Alina den Obermagier. „Ich habe noch eine Frage.“: warf Tarrior ein: „Wie kommt die Eskorte eigentlich wieder zurück?“ Demawar lächelte, denn scheinbar genoss er das Interesse an seiner Arbeit. „Es gibt in Maar Gan einen ähnlichen Kristallkreis. Er allein kann natürlich nicht die nötige Energie aufbringen, um die Rückkehr zu ermöglichen, aber er gilt uns als Resonator für unseren hiesigen Zauber. Die Macht die wir hier kanalisieren erzeugt ein Echo in dem Kristallkreis und erschafft dort ein Portal zurück hierher. Der Rückkehrtermin wird vorher mit der Eskorte besprochen. Wer sich zum genannten Zeitpunkt nicht innerhalb des Kreises befindet, wird in Maar Gan bleiben müssen“: erklärte der Hochelf auch die Funktionsweise des Rückkehrportals. Ein lautes Räuspern und ein missbilligender Blick Alinas reichten, um Demawar in seinem Redefluss zu stoppen. „Verzeiht Mylady, ich werde mich sofort um den Zauber kümmern“: sagte er und küsste der Bretonin die Hand mit seinen schmierigen Lippen. „Und ihr nehmt besser eure Position im Kreis ein, wenn ihr wirklich nach Maar Gan wollt“: sagte er dann an Tarrior gewandt, als er sich entfernte, um die anderen Magier anzuleiten. So ging er mit Alina zum Kreis in der Mitte der Kammer. Als er hineintrat, blieb die Bretonin an der Grenze zurück. „Ich hoffe ihr wisst, was ihr tut. Passt auf euch auf“: sagte sie ihm noch zum Abschied. Tarrior bot ihr seine Hand an. „Ihr habt viel für mich getan, habt dank“: verabschiedete er sich ebenfalls. Die Frau griff mit einem undeutbaren Blick zu und entfernte sich dann eilenden Schrittes. Der Dunmer spürte umgehend, wie sich die Magie im Raum bewegte. Sie strömte auf den Kreis und somit auf ihn ein. Er schaute sich um und erkannte Demawar, der genau in der Mitte zwischen den beiden Propylonen und dem Teleportationskreis stand.

    Langsam hob er seine Armee und Blitze zuckten zwischen seinen Händen und den Propylonen hin und her. Langsam bildete sich aber ein konstanter Strom knisternder Energie. Tarrior traute seinen Augen nicht, als der Altmer dann plötzlich den Boden unter den Füßen verlor und ganz langsam in die Höhe stieg. Es bildete sich andeutungsweise eine Gloriole lilafarbener Energie um ihn herum. Dies schien für die restlichen neun Magier, jeweils einer stand bei den Propylonen und sieben unter den Käfigen der Atronachen, das Zeichen zu sein, ebenfalls mit dem Kanalisieren des Zaubers zu beginnen. Die rot-weißen Energien der Monolithen begannen zu pulsieren und färbten sich mehr und mehr lila. Die Energietentakel reckten sich nun nicht mehr um den Propylon-Monolith, sondern züngelten um die Füße des Altmers und umwickelten schließlich dessen Beine. Die Aureole leuchtete nun noch intensiver und das Violett verschwand aus den Augen des Magiers und machte einem matten Weiß Platz. Die Zauberer unter den Atronachen schossen Energielanzen auf die Kristalle im Boden der Käfige ab. Das Brüllen der daedrischen Kreaturen verriet, dass man ihnen die Energie in diesem Moment stark aussaugte. Das Knistern um Tarrior herum wurde immer schlimmer und es war, als könne er in der erstickend magiegeladenen Luft kaum mehr atmen. Seine Lungen brannten. Die anderen Soldaten, die die Eskorte begleiten sollten, ließen sich derartige Gefühle nicht anmerken. Vermutlich waren sie bereits daran gewöhnt. Inzwischen war Demawar fast gänzlich in einer Wolke aus schillernder Magie verschwunden. Nur sein Kopf schaute noch heraus. Seine Augen glühten vor brennendem Weiß. Ebenfalls glühten nun die Kristalle des Kreises. Ein immer lauter anschwellendes Brummen ging von ihnen aus und bildete in seinen Ohren die Kakophonie tausender herumschwirrender Bienen. Mit einem Mal spürte er das Gewicht seines Gepäcks überdeutlich auf seinen Schultern und der Schmerz in seiner Bauchregion kam zurück, doch hielt er nur kurz an. Als sich der Mund des Altmers zu einem stummen Schrei öffnete, flutete ein greller Lichtblitz von den Kristallen aus über den Konvoi hinweg und es war Tarrior so, als zerreiße das Licht seinen Körper. Für wenige Augenblicke durchzuckte ihn das Empfinden von innen nach außen gestülpt zu werden und in winzigste Teile zu zerfallen. Im nächsten Moment drehten sich diese winzigsten Teile wie beim Mischen verschiedener Farben ineinander und es blieb ein Prickeln auf seiner Haut zurück, dass er noch bis in die Haarspitzen zu fühlen glaubte. Als der Dunmer die Augen aufschlug sah er Aschesand und spürte einen warmen Windhauch über sein Gesicht streifen.

  19. #299

    Goldstraße, Irgendwo zwischen Anvil und Skingrad

    Die Straße erstreckte sich dunkel und verlassen durch den Wald. Weit und breit war kein Lebewesen zu sehen oder zu hören ausser einem Reh das sich mitten auf dem Weg befand. Es lief hierhin und dorthin und Schnupperte. Es fühlte sich unwohl. Dann ein Schwirren und das Reh hüpfte im Todeskampf noch ein zwei Schritte nach vorn bevor der Giftpfeil in seiner Seite Wirkung zeigte und es Tot auf dem Weg zusammenbrach.

    Erst war nichts zu hören dann kamen zwei Dunkel gekleidete Gestalten die Strasse herauf. Die eine hatte einen Bogen in der Hand die sie sich nun wieder auf den Rücken schnallte. Die Gestalt war klein und dünn. Die andere Gestalt war groß und breit gebaut und beugte sich nun über das niedergestreckte Reh. Ein helles blitzen war zu sehen als sie sich einen Silbernen Dolch aus dem Stiefel zog und sich daran machte das Reh zu zerlegen. "Beeilt euch Krieger. Ich will hier so schnell wie möglich weg. Irgendwie fühle ich mich hier gar nicht wohl in meiner Haut." flüsterte die kleine Gestalt. "Schweigt gebt mir keine Befehle Söldnerin oder ihr könnt vergessen das ihr auch nur noch einen Septim von mir bekommt." antwortete der Große barsch. "Hey seid mal nicht so unfreundlich immerhin habt ihr es mir zu verdanken das es heute was zu essen gibt. Ausserdem währt ihr schon gar nicht mehr am Leben wenn ich nicht gewesen wäre. Seid lieber froh das ich aus dem Kerker von Anvil wieder herausgeholt habe."anwortete die Söldnerin wütend "Ich habe gesagt ihr sollt die Schnauze halten." schrie der Krieger aufeinmal und sprang hoch. Das Messer in seiner hand funkelte bedrohlich und das Blut der Tieres tropfte herab.

    "Ich sage es jetzt zum letzten mal. Seid still und stellt nicht noch ein einziges mal meine Befehle in Frage sonst werdet ihr es bereuen." Der Krieger starrte die Söldnerin wütend an als diese plötzlich ihren eigenen Dolch zog und sagte: "Wisst ihr was? Ich habe endgültig die Nase voll von euch. EURE Befehle haben uns bisher nichts als Ärger, und mehrere male fast den Tod gebracht. Was könnt ihr eigentlich ausser Schlechte Befehle zu geben die Leuten den Tod bringen?" Doch jetzt hatte sie zuviel gesagt. Mit einem Schrei der vor Wut, Hass und Leid nur so triefte sprang er auf die sehr viel kleinere Gestalt zu. Ungeachtet des Messers das sie in der Hand hielt riss er sie zu Boden und drückte mit seinen Händen ihre Kehle zu. Die Kapuze der Söldnerin rutschte nach hinten und entblößte ihr junges, hübsches Bosmergesicht das vor Schreck und Angst verzerrt war. Sie Strampelte und schrie mit erstickter Stimme unverstänliche Worte. Der Krieger drückte mit der Linken Hand weiter zu während er mit der rechten Hand mehrmals wie wahnsinnig in ihr gesicht schlug. Er spürte wie unter seinen Schlägen ihre Nase brach und das Blut in alle Richtungen spritze. Aber er schlug immer weiter auf ihr Gesicht ein obwohl sie sich schon lange nicht mehr wehrte und ihr letzter Kläglicher schrei schon seit mehreren Sekunden verklungen war. Schliesslich hörte der Krieger auf die Leiche zu Misshandeln und Kniete nun Schnaufend über ihr.

    Nach einer Weile stand er auf und entfernte sich ein Stück. Als er wiederkam hatte er zwei Pferde dabei die er nun neber der Leiche an einen Baum band. Nun begann er damit die Tote zu entkleiden. Er packte die Kutte, die Lederrüstung und ihre Waffen auf den Schimmel, das das Pferd der Söldnerin gewesen war. Das Fleisch und das Fell des Rehs packte er in einen Ledersack der an der seite seines Rappens geschnallt war. Er ging nochmal zu der Leiche und entfesselte einen Flammenzauber der das Mädchen bis zur unkenntlichkeit verbrannte. Ohne die Überreste noch eines Blickes zu würdigen ging er zu den Pferden, stieg auf und ritt davon. Der Krieger zog sich die Kapuze vom Kopf und zeigte nun zum ersten mal sein Gesicht. Sein Pechschwarzes haar fiel ihm auf die Schulter und sein Gesicht blickte ausdruckslos während eine einzelne Träne über sein Gesicht rann. Er legte die Hand an die Stirn und senkte den Kopf. "Octavus.....es tut mir so leid". Der Krieger ritt weiter in die Dunkelheit.
    Sein Name war Arcturus Erune.
    Geändert von KingPaddy (31.07.2012 um 19:06 Uhr)

  20. #300

    Kaiserstadt, Hafenviertel

    Ein hochgewachsener Mann mit einem dunklen Umhang, dessen Kapuze sein Gesicht verhüllte, schritt in der Nacht durch das Hafenviertel der Kaiserstadt. Er lief leise, aber zügig, in Richtung der Baracken in denen die Armen und Diebe lebten. Die Legionäre an denen er Vorüber kam schauten ihm misstrauisch nach. Als er die Häuser erreichte trat eine ausgemergelte Gestalt aus einer dunklen Gasse hervor und sprach ihn an :"Herr habt ihr vielleicht ein paar Septime für mich?"
    Der Mann stoppte und drehte sich langsam um.
    Puny Ancus, so hieß der Bettler, bereute es sogleich die Gestalt angesprochen zu haben und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Mann starrte ihn unter seiner Kapuze hervor an und sprach schließlich mit heiserer Stimme :" Ich werde euch entlohnen wenn ihr mir ein paar Informationen geben könnt die ich benötige." "Was wollt ihr den wissen?" erwiderte Puny jetzt schon ein wenig ruhiger . "Was wisst ihr über einen Mann namens Arcturus Erune und wo kann man ihn finden?" fragte der Mann. Der Bettler überlegte kurz und antwortete:
    "Nun ich könnte euch einiges über ihn erzählen aber diese Information hat einen nicht geringen Preis." Die verhüllte Gestalt zog einen kleinen Lederbeutel unter seinem Umhang hervor und warf ihn dem Bettler zu. Strahlend fing dieser den Beutel auf. Dem Gewicht nach zu schließen war genug Geld in dem Beutel um ihn für mindestens eine Woche über Wasser zu halten. "Nun ich kann euch Dinge sagen die ihr zweifelsohne schon wisst. Das er ein Deserteur und Mörder ist dürfte euch ja bekannt sein. Aber was sagt ihr dazu wenn ich euch sage das er momentan wieder hier in der Kaiserstadt weilt?" Der Gegenüber sprach nun mit leiser Überraschung in der Stimme: "Seid ihr sicher was dies betrifft? Und wenn ja wo genau kann ich ihn finden?"
    "Ich bin mir dessen zu hundert Prozent sicher. Und finden könnt ihr ihn im Haus von Armand Christophe." "Nun gut das reicht mir schon ihr könnt jetzt gehen." erwiederte der Mann.
    Puny wandte sich zum gehen als die Gestalt plötzlich ein Messer zog und einen schritt in Richtung des Bettlers machte. Weiter kam er jedoch nicht da auf einmal eine bisher unbemerkte Gestalt vom Dach, des Hauses unter dem sie standen, sprang.
    Eine Silberne Axt zischte durch die Luft und Spaltete den Schädel des Meuchelmörders sauber in zwei Hälften. Der Luftröhre des Mannes entwich ein gurgelndes Röcheln, dann fiel der erschlaffte Körper mit einem plantschenden Geräusch zu Boden.
    Puny drehte sich zu der neuen Gestalt um die sich gerade aufrichtete und sich die Pechschwarzen Haare aus dem Gesicht strich. "Ich danke euch Arcturus Ihr hattet recht was diesen Kerl betrifft. Woher habt ihr gewusst das er versuchen würde mich zu töten nachdem ich das von euch gewünschte zu ihm sagte?" fragte er den Kaiserlichen. "Erstmal sprecht bitte meinen Namen nicht so laut in dieser Stadt aus. Und um eure nächste Frage zu beantworten solltet ihr euch dies hier ansehen." Währen Arcturus sprach zog er dem toten die Kutte vom Körper.
    Darunter kam die Lederrüstung eines Assassinen der Dunklen Bruderschaft zum Vorschein."Ich gehe nun einfach mal davon aus das das alle weiteren Fragen beantwortet." sagte Arcturus und zog einen Lederbeutel unter seinem eigenen Umhang hervor den er dem Bettler in die Hand drückte :"Nehmt das und vergesst das ihr mich getroffen habt." Mit diesen Worten drehte er sich um ließ Puny Ancus einfach stehen.
    Der Bettler stand nun da mit einer Leiche und zwei Beuteln Gold in den Händen. Zweifelnd schaute er sich um und rannte dann so schnell er konnte zu seinem Lager zurück. Nachdem er die Zwei Beutel unter seinem Kissen versteckt hatte legte er sich auf seine Matte. Während er sich umdrehte dachte er sich :"In der Haut von diesem Mann will ich nicht stecken. Ein Meuchelmörder der Dunklen Bruderschaft. Ich glaube kaum das es ein Schlimmeres Schicksal für einen Menschen geben kann." Mit diesem Gedanken schlief er ein.
    Was jedoch keiner der anwesenden Personen wusste war das noch ein vierter Mensch alles Beobachtet hatte. Er hielt sich versteckt auf der Großen Mauer die das Hafenviertel vom Armenviertel abgrenzte. Mit seinen Blauen Augen hatte er die ganze Szene mitangesehen und schickte sich nun an Arcturus zu folgen. Der Fremde ließ sich leise von der Mauer fallen und folgte ihm. "Du bist also wieder da alter Freund. Zuhause." dachte der Fremde und beschleunigte seine Schritte.
    Arcturus verließ das Hafenviertel so schnell er konnte. Immer wieder schaute er sich um. Es kam ihm so vor als würde man ihm folgen. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich abrupt um. Er war jedoch zu langsam und sah den Schatten nicht der hinter ein paar Fässer huschte und so dachte sich letztenendes nichts weiter dabei auch wenn das ungute Gefühl blieb.
    Er verließ die Stadt und ritt zur Schenke "zum Schlechten Omen". Dort hatte sich Arcturus ein Zimmer gemietet und wollte jetzt erstmal schlafen.
    Als er endlich dort ankam rannte Manheim Schmetterfaust, der Besitzer der Schenke, schon auf ihn zu ehe Arcturus überhaupt abgestiegen war. "Ich soll euch das hier geben. Es ist sehr dringend sagte mir derjenige von dem ich es bekam." sagte er keuchend. Arcturus öffnete den Brief und las. Mit aufgerissenen Augen, was dort stand.


    Ich weiss wer ihr seid und habe gesehen
    was ihr in der Kaiserstadt getan habt.
    Aber keine Angst ich werde euch nicht verraten.
    Im gegenteil ich werde euch helfen. Geht nicht in euer altes
    Zimmer in der Schenke. Nehmt ein neues. In dem alten
    werdet ihr schon erwartet.

    Ein Freund
    Geändert von KingPaddy (31.07.2012 um 19:06 Uhr)

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