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Waldläufer
Irgendwo in Tamriel
Der Pfeil löste sich auf und der alte Gelehrte rutschte mit dem Rücken langsam die Wand hinab.
„Guter Schuss, Calirim.“
„Danke, Herr.“
Valiel betrat nun mit festen Schritten vollständig das Zimmer, die Hände immer noch hinter dem stolz gestreckten Rücken gekreuzt. Hinter im entließ Calirim seinen beschworenen Bogen wieder. Die Waffe löste sich, wie der von ihr verschossene Pfeil auch, in bloße Luft auf. Ein Paar Härchen auf der rechten Seite von Valiels Kopf glimmten noch leicht, aber das beunruhigte ihn nicht. Ohne Magie, die sie nährte, würden auch diese kleinen Flämmchen ausgehen.
Ja, er hätte dem Feuerball des alten Dunmers ausweichen können, statt aufrecht in der Tür herumzustehen und dann seine Schutzzauber die Arbeit machen zu lassen, aber dem ganzen hätte der Stil gefehlt.
Er liebte es zu sehen, wie seine Gegner ihn wie dumme Kühe mit offenem Mund anstarrten, nachdem der Feuerball oder der Kugelblitz, in den sie so viel Magica geladen hatten, nutzlos an seinem höflich lächelnden Gesicht zerschellte.
Auch auf seine Untergebenen machte es einen wunderbaren Eindruck. Diese verbreiteten sich jetzt in der armseligen Bibliothek, die der Gelehrte sich zusammengekratzt hatte. Allesamt trugen sie die dunkelvioletten Roben der Thalmor, und es erfüllte ihn mit Zufriedenheit zu sehen, wie sie ohne Worte zu benötigen genau das taten, was er von ihnen wollte. Unheimlich fortschrittlich. Die Bücher wurden, ohne dass es seinen Befehl brauchte, aus den Regalen gerissen, kurz durchgeblättert und dann achtlos in die Mitte des Raumes geworfen, wo sich langsam ein unordentlicher Stapel bildete.
Valiel selbst bewegte sich, dicht gefolgt von Calirim, mit langen und festen Schritten auf den Schreibtisch zu, neben dem die Leiche des Hausbesitzers an der Wand lehnte. Der Hochelf blickte auf den toten Dunmer hinab. Glasige rote Augen starr geradeaus, das Gesicht eine Maske des Schreckens, ein definitiv ungesund aussehendes Loch in der Mitte der Stirn. Es war wirklich ein guter Schuss gewesen.
Aber was für eine Verschwendung. Zwar kein Altmer, aber immer noch Mer. Warum verstanden es manche einfach nicht? Alles, was der Gelehrte hatte tun müssen, war es, den Brief, der durch Zufall an ihn geraten war, an die Thalmor-Botschaft zu überbringen, statt ihn zu öffnen und zu lesen. Das hatte man nun davon, wenn man wichtige Aufgaben einem Bosmer überließ. Die Waldelfen waren trotz ihres elfischen Ursprungs im Grunde ihres Wesens zu primitiv, um gebildete Entscheidungen zu treffen.
Valiel ließ seinen Blick nun über den Schreibtisch wandern. Das standardmäßige Tintenfässchen war in ein kleines Loch in der Oberfläche eingelassen und nicht umgekippt, als der dahingeschiedene Dunkelelf gegen die Wand gekracht war. Klever. Äußerst modern.
„Calirim. Erinner mich bitte später, mir für meinen Schreibtisch auch so etwas anzuschaffen.“
„Ja, Herr.“
Calirim fragte nicht, was er mit „so etwas“ meinte. Sie würden es ohnehin beide vergessen, unwichtige Details entschwanden schnell Valiel's Erinnerung.
Was aber wichtiger war, als die Sonderausstattung des Schreibtisches, waren die fünf auf ihm ausgebreiteten Blätter.
Jedes von ihnen war an der linken Seite zerrissen, also offensichtlich aus einem Buch gerissen worden, und mit eiliger Hand beschrieben. Auf jedem stand das gleiche.
Valiel nahm sich einen der Zettel zur Hand und begann zu lesen, begleitet von dem Rascheln und Rumpeln der aus den Regalen geworfenen Bücher. Sein Adjutant wartete geduldig hinter ihm.
Geistesabwesend entließ Valiel Calirim mit einem Winken, und dieser schritt davon, um sich ebenfalls ans Werk zu machen.
„Mein Name ist Neldan Moloth,“ las Valiel, „und dies Papier hier ist mein Testament. Ich besizte besitze nichts, und ich habe auch niemanden, dem ich etwas vermachen könnte. Stattdessen habe ich eine letzte Bitte an jenen, in dessen Hände dieses kleine Zettelchen seinen Weg gefunden hat.“
Der Altmer schnaufte belustigt und las dann weiter, überflog unwichtige Zeilen.
„Meine Verfolger sind ohne Zweifel die Thalmor vom Dominion,“ ließ Valiel sogar laut auflachen, doch keiner der anderen Altmer im Raum schenkte dem viel Aufmerksamkeit.
Der Dunmer schrieb ausschweifend von den Türmen, die Nirn zusammenhielten, ganz klar darauf erpicht, selbst dem ungebildetsten - wahrscheinlich Menschlichem - Leser sein Wissen zu vermitteln. Ein Charakterzug, ein Zwang sogar, der manchen Gelehrten innewohnte.
Anschließend schrieb er über etwas, von dem eigentlich nur die oberen Ränge des Dominons wussten: Die Beseitigung des Talos-Kultes, dieser widerwärtigen Anbetung eines Sterblichen, ja, sogar eines sterblichen Menschen, würde einen der Türme – vermutlich sogar den letzten – zu Fall bringen, und Nirn damit auflösen.
Der alte hatte also definitiv den Brief gelesen. Und er verstand nicht, dass dies der sicherste Weg war, die widerspenstige Plage namens Menschheit völlig auszulöschen und die Mer wieder an die Seite der Götter zu bringen, dem wunderbaren Ort, dem sie entsprungen waren. Das verdammte Rotauge maßte sich sogar an zu behaupten, dass diese Methode nicht funktionierte, sondern zum Ende der Existenz führte.
Aber was wusste er schon? Seine Leiche lag neben ihm, Valiel, und war noch nicht einmal ganz kalt. Behauptete er mehr zu wissen, als Valiels Vorgesetzten in Summerset?
Es entsprach wohl kaum der Richtigkeit. Die Thalmor-Elite würde nicht die Gesamtheit der göttlichen Schöpfung riskieren, wenn sie sich nicht absolut sicher wäre. Das zu hinterfragen stand Valiel in seiner Position nicht zu. Überhaupt war er der einzige im Raum, der über diese Information verfügte, und seine Einheit wusste es besser, als nach Geheiminformation zu schnüffeln. Jedenfalls nicht nach Geheiminformation, die ihnen selbst gehörte. Seine Untergebenen waren sehr geübt darin, nicht zu lesen, was sie nicht lesen sollten. Es zu verbrennen, hingegen, darin waren sie zu Valiels Stolz wahre Meister.
Mit einem Seufzer zerknüllte der Thalmor-Offizier vier der Blätter und warf sie, ohne hinzusehen, auf den Haufen hinter sich. Den letzten steckte er ein, dann drehte er sich zur mittlerweile entleerten – oder zumindest drastisch umdekorierten - Bibliothek um. Es waren nur einige wenige Bücher in den Regalen übrig, und ihre Arbeit war fast getan.
Valiel streckte die Hand aus, und Calirim, der unvermittelt neben ihm auftauchte, reichte ihm zwei Bücher.
„Zwei diesmal?“
„Ja, Herr. Das eine für Eure Sammlung, dem anderen unbeschriebenen fehlen neun Seiten.“
Valiel sah sich die beiden Schriftstücke an und schob dann das beschriebene von beiden diskret durch den geöffneten Kragen seiner Robe in eine Tasche auf der Innenseite. Eine seltene ketzerische Schrift, von einem längst verstorbenen ketzerischen Autor, die absurderweise das Existieren von Talos als Gott beweisen wollte. Valiel sammelte solche Werke, weil ein Altmeri-Philosoph, dessen Name ihm gerade entfallen war, behauptet hatte, dass das Ausüben von Hobbys die geistige Stärkte förderte.
In der politischen Welt der Thalmor war es ein sehr gefährliches Hobby, aber sein hochrangiger Vetter hatte bisher immer dafür gesorgt, dass Valiel aus der Schusslinie gieriger Untergebener oder paranoider Vorgesetzter blieb. Natürlich würde er seine Sammlung am ende verbrennen, wie jede andere ketzerische Schrift, aber bis dahin war es ein aufregender Zeitvertreib, den er mit seiner Arbeit verbinden konnte. Valiel fühlte sich dadurch sehr fortschrittlich und modern.
Nun durchblätterte der Altmer das andere Büchlein. In der tat war jede Seite unbeschriebenen. Auch waren die gezackten Überbleibsel der Seiten zu sehen, die der Gelehrte herausgerissen hatte. Ein typisches Tagebuch, wie es bei Abenteurern und experimentierfreudigen Magiern sehr beliebt war. Er schlug es lautstark zu.
„Nun denn. Gute Arbeit, Calirim. Vier Seiten hat er wohl schon in der Stadt verteilt.“
Sie aufzuspüren würde ein leichtes sein. Ihr einziger Gegner dabei war das kaiserliche Penitus Oculatus, doch diese fantasielosen Stümper würden kein Problem darstellen. Sie konnten sich also Zeit lassen.
Ihr letztes großes Hindernis waren die Klingen gewesen, und seit ihrer Beseitigung verursachten ihre eigenen Leute mehr Probleme, als die Kaiserlichen. Valiel musste schmunzeln, als er an den Vorfall dachte, bei dem eine Gruppe der Thalmor sich als Ketzer-Kult ausgegeben hatte, um Ketzer anzulocken, und dann von einer anderen Gruppe verhaftet wurde, die vorgegeben hatte, Ketzer zu sein, um einen Ketzer-Kult zu unterwandern. Beide wurden dann auch noch von einer dritten Gruppe für Ketzerei verhaftet, die beide Gruppen seit kurz nach Beginn ihrer Operationen beobachtet hatte und gedacht hatte, einen großen Fang zu landen. Am Ende war kein einziger echter Ketzer anwesend gewesen, und die Gruppen gingen nach einer Flut aus Papierarbeit, Flüchen und deutlich gesenkten Schultern und Köpfen wieder auseinander.
Das letzte Buch landete mittlerweile in der Mitte des Raumes und rutschte etwas den kleinen Haufen aus verschiedensten Werken herunter, wie ein Bergsteiger, der den Halt verloren hatte und verzweifelt versuchte, sich noch irgendwo festzukrallen, bevor der Abgrund ihn verschlucken konnte. Valiel nickte seiner nun aufmerksam bereitstehenden Truppe ermunternd und voller Elan zu. „Estyon, du darfst heute das reinigende Feuer entfachen.“
„Danke, Herr.“
„Arkvuar, du warst am schnellsten mit deinem Regal durch. Du hast heute das Privileg, beim heutigen Abendessen zu meiner linken zu sitzen.“
„Vielen dank, Herr.“
Wie es seiner rechten Hand zustand, würde Calirim zu seiner rechten sitzen, aber das stand außer Frage.
„Nun denn, meine Herren. Unsere Arbeit hier ist erledigt. Zurück zum Hauptquartier. Hop, hop!“
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Mythos
Mora Uvirith, Landebuchten, Luftschiff
Was in der Zwischenzeit geschieht… IX
(als Ergänzung zu Tarrior im RPG)
hier: Aytor von Brasselin
Zufrieden nahm Aytor den Vorratsraum in Augenschein. Verbandsmaterial, Vorräte und Munition waren an Bord. Ebenso Material für Reparaturen. Die Notwendigkeit dafür hatte sich auf der Expedition des kleinen Dagoth gezeigt, der jetzt tief unter ihm im Kerker befand. Sollte das Schiff wider Erwarten beschädigt werden, dann hatten sie genug Ersatzteile, um es wieder flugtauglich zu bekommen, ohne das Hüllenintegrität massiv nachgab. Es sei denn sie wurden allzu schlimm erwischt, aber diese Gefahr bestand hoffentlich nicht. Nur Magie wäre in der Lage entsprechende Wunden in den Metallleib des Gefährts zu reißen, doch das Material des Metallleibs bot Widerstand gegen Magie. Die Gefahr einer nachhaltigen Schädigung war also entsprechend gering. Der Adjutant lächelte, ließ den Vorratsraum hinter sich. Seine Schritte, in den eisenbeschlagenen Schuhen halten auf dem Metallboden wieder, als er durch die sich anschließende Rüstkammer schritt. Fein säuberlich aufgereiht war die Ausrüstung der Kampfbesatzung.
Links hingen die Knochenrüstungen des Angriffstrupps und deren Ausrüstung an Schwertern, Speeren und Schilden für den Nahkampf. Rechts die leichteren Lederklüfte und die wertvollen Armbrüste im Stil der Dwemer. Es waren keine Originale sondern Nachbildungen aus Stahl. Nach wie vor knauserte Meister Meradanz mit Dwemer-Metall. Die Konstruktion jedoch war fast gleichwertig, allerdings ließ die schwere Stahllegierung sich deutlich schwerer stemmen und die Sehnen aus Feineiesen hatten nicht die gleiche Elastizität, wie die ihrer Vorbilder. Es war ein Kompromiss aus überlegener Konstruktion und sparsamer Fertigung. Und wie alle Kompromisse an irgendeinem Punkt ungenügend. Doch die Kampftruppe war im Umgang mit den Waffen und insbesondere ihrem Gewicht geschult und würde schon damit umgehen können. Die Durchschlagskraft als solche jedoch wog all dies auf und war bestens geeignet, um gepanzerte Wachen auszuschalten.
Aytor war auch damit zufrieden. Sein Meister hatte die Planungen entsprechend durchgeführt und das Ergebnis würde den Erfolg seiner Mission sicherstellen. Es gab zwar noch einige Unwägbarkeiten, aber die ließen sich nicht vermeiden. Zur Not konnte er wieder auf die Animunculi zurückgreifen. Die hatten schon Tarrior den gar ausgemacht und ein abgehalfterter, alter Hexenmeister konnte wohl kaum noch mehr Widerstand leisten.
Soweit zu kommen und die Verteidigung zu durchbrechen, das war das eigentliche Problem am Plan bisher gewesen. Der Zugang aus der Luft mochte einige Probleme umgehen, aber nicht alle. Ein Turm würde nur ungern seinen Herren preisgeben, drum war es notwendig die Substanz selbst anzugreifen. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, dass Meister Meradanz dieses Problem noch sehr lange umgewälzt hatte. „Nächtelang hat er über den Folterberichten, den Beschreibungen gebrütet, nach Mitteln und Wegen gesucht, auch nach weniger auffälligen, bis wir doch zu einem direkten Angriffsplan zurückkehrten“: erinnerte sich Aytor, während er von den hinteren Lagerräumen endlich in den Bug des Schiffes zurückgekehrt war und sich nun in der großen Ladebucht befand. Zu seiner linken lag das große Ladeschott an dem die Planke anlag, über die das Schiff betreten werden konnte. Rechts von ihm übte das Kampfpersonal noch einmal das Öffnen der Schießluken ein. An jeder Luke konnten simultan zwei Männer verteilt über die ganze Länge des zentralen Laderaums mit Armbrüsten auf Gegner herab feuern. Für Magie oder Bögen waren die Luken aber eher ungeeignet, aber dafür gab es das obere Deck, das während des Fluges selbst relativ gefährlich war, aber in Kampfstellung eine ausgezeichnete Schützenposition abgab. Man konnte mit einer Flaschenzugskonstruktion eine Plattform von hier aus nach oben fahren. Entweder beladen mit Männern oder …. anderen Dingen.
„Im Anschluss hat er nächtelang über alten Bauplänen gebrütet, was für eine Verschwendung von Nerven, wenn man die deutliche Frustration bedenkt, in der sich der Meister dabei erging“: erinnerte sich Aytor weiter: „Der Gebieter ist Perfektionist und natürlich geht es um die Technologie, die er durchschauen und verstehen will und die es ihm nicht so recht glückte.“ Aytor musste bei dem Gedanken schmunzeln. Er bewunderte den Telvanni dafür, allerdings wenn Perfektionismus dem Plan im Weg stand, war er der Ansicht, dass er über Bord geworfen werden musste. Etwas das Meradanz schließlich auch tat. Aytor trat aus dem dunklen, kühlen Inneren des Metallungeheuers hinaus auf die Landebrücke.
Die Möglichkeiten einer Rekonstruktion waren fehgeschlagen, weil es kein entsprechendes funktionsfähiges Exemplar irgendwo gab, anders als bei den kleineren Animunculi in den Dwemer-Ruinen. Ein Rollen aus der Ferne war zu hören. In den engen Wurzelgängen zwischen den drei großen Landebuchten wurde der Schall weit getragen. Derzeit war nur eine der Landebuchten, diese hier, mit einem Schiff besetzt. In der zweiten Bucht wurde aus den Überresten von Aureks Schiff gerade eine weitere Himmelsbarke gefertigt. In der dritten Bucht jedoch hatte sich Meister Meradanz eine eigene Werkstatt für die größeren Projekte eingerichtet, obwohl er auch Werkräume in den Verliesen besaß und ein geheimes Labor etwas außerhalb der Stadtgrenze. Von dort kam nun die Lösung für das Problem mit dem Turm. Aus dem Schatten der Tunnel schoben unter Keuchen und Ächzen und dem Knarzen der großen Rollen, die Bemantelten eine riesige Balliste in die Landebucht hinein. Sowohl die Landebrücke als auch das Schott waren breit genug, um sie aufzunehmen. Die Schiffe waren ursprünglich dazu konstruiert, ein bis zwei von diesen Geräten beherbergen zu können.
Aytor verließ die Landebrücke und trat zur Seite, damit die Schieber Platz hatten, um jetzt mit einer noch größeren Kraftanstrengung die Waffe die leichte Steigung hinauf zu schieben. Ein Unterfangen das immer wieder scheiterte und den Bretonen, der langsam genervt mit dem Fuß wippte dazu veranlasste die Kämpfer zur Hilfe zu beordern, um weitere Kraft hinter die Armbrust zu bringen und tatsächlich schob sie sich jetzt Stück für Stück auf die Öffnung im Bauch des Schiffes zu.
„Der Meister hatte mit seinem Perfektionismus vielleicht doch Recht“: überlegte Aytor und verzog das Gesicht. Die Rollen waren zum Bewältigen von Steigungen nicht gut geeignet und für einen Kampeinsatz auf unwegsamen Gelände noch viel weniger. Außerdem musste die Armbrust künstlich gestützt werden, damit sie nicht zu nah am Boden auflag und ließ sich deshalb schlechter justieren. Ein weiterer unschöner Kompromiss, den sie eingehen mussten, um überhaupt Zugriff auf die Waffe zu haben. Die Dwemer, die Aytor dank der Vermittlung durch den Telvanni-Hexer inzwischen fast genauso hoch schätzte, wie er selbst, hatten natürlich eine viel bessere technische Lösung. Ballisten waren an sich nichts Ungewöhnliches. Sowohl die Altmer als auch später das Kaiserreich benutzen diese Gerätschaften ähnlich wie Katapulte schon lange. Doch die stabile Metallkonstruktion sorgte einerseits für eine hohe Standfestigkeit, andererseits für eine deutlich verbesserte Zugkraft und damit dafür, dass ähnlich massive Geschosse abgeschossen werden konnten. Zumindest hatte der Telvanni-Hexenmeister es so erklärt und auch das die Tiefelfen das Problem mit dem Gewicht und der mangelnden Beweglichkeit auf die Art und Weise löste, mit der sie sich am besten auskennten: über Animunculi.
Man montierte die Balliste ähnlich wie bei einer Zenturio-Sphäre auf ein Laufgestell mit Beinen, das besser geeignet war unwegsames Gelände zu passieren. Die Balliste konnte also selbst laufen und selbst an Bord eines Luftschiffes gehen. All die Probleme also, die die Männer jetzt damit hatten die Balliste an Bord zu bringen, hätten sich so gar nicht ergeben. „Da wir die Funktionsweise der des Animunculi jedoch nicht rekonstruieren konnten, blieb uns nichts anderes übrig als die Balliste von den Beinen zu trennen und auf ein Stützgestell zu setzen“: dachte Aytor an die Entscheidung zurück, die Meradanz notgedrungen treffen musste. Doch Meister Meradanz plante bereits größer, für die Zukunft. Jede Expedition, die der Meister finanzierte, jedes Buch, jedes Stück Technik, das er in die Hand bekam, verwandelte sich in rückgewonnenes Wissen. Aytor glaubte zwar nicht daran, dass der Telvanni wirklich von den Dwemern abstammte, wie er behauptete, da war er so verrückt oder exzentrisch wie alle Magierfürsten und leistete sich diese fixe Idee, aber das war auch egal. Er hatte eine ganz eigene Begabung für die Technik der alten Tiefelfen, die es völlig belanglos machte, ob er nun wirklich von ihnen abstammte oder sich das nur einbildete.
Der Bretone hatte lange geglaubt, dass Magie der einzige Weg wäre Macht zu erlangen, um seine Ambitionen zu verfolgen und war deshalb dem Haus beigetreten, weil sie anders als die Magiergilde sowohl seine Ambitionen anerkannten und sie nicht mit lächerlichen Restriktionen zu hemmen versuchten. Etwas das er an Behram bewunderte, dass der sich nämlich auch nicht um Konventionen und schon gar nicht das Haus scherte, um seine Pläne voranzutreiben und der nach Begriffen eines Magiers vermutlich ein schlechter Magierfürst gewesen wäre, da er sich eben viel mehr mit Technik als mit Magie abgab, auch wenn seine Fähigkeiten an sich nicht zu unterschätzen waren, ganz anders als Meister Aryon für den die Beschäftigung mit den Dwemern nur ein dekadentes Vergnügen, kein wirkliches Studium war. Dieser Wahn das Haus Dwemer wieder auferstehen zu lassen, war Aytor zwar in gewisser Weise fremd, doch er hatte es auch zu seinem Ziel gemacht, für Meradanz und den Zugriff auf das alte Wissen, das diese Auferstehung versprach.
Und nun würde er sich endgültig beweisen. Bisher war die Arbeit von Auswertigen erledigt worden, von Söldnern oder anderen Gestalten. Aytor spürte, dass der Meister ihn zwar weiterhin als nützlichen Diener betrachtete, aber ihn zunehmend nur noch nach seinem Gebrauchswert einschätzte. Diese Mission war die Gelegenheit sich zu beweisen. Der junge Mann war sich sicher, dass es eine Prüfung war, um seine Fähigkeiten zu testen. Außerdem konnte der Meister niemand anderen beauftragen, da er sonst niemanden vertrauen konnte, was das eigentliche Ziel hinter ihrer Aktion anbetraf. Und Aytor wollte ihn gewiss nicht enttäuschen.
Und vielleicht würde er dann auch in die anderen Einzelheiten des Plans eingeweiht werden. Das Bündnis mit den Daedra, ihm waren nur wenige Details bekannt. Der Meister verschwand zudem regelmäßig, führte geheime Unterredungen und Verhandlungen und erklärte weiter nichts. „Es muss so sein, wie ich denke. Er vertraut mir nicht mehr ganz“: dachte Aytor über diesen unschönen Zustand nach, den er unbedingt ändern wollte.
Das Schiff war soweit vorbereitet. Die Kuttenträger verließen das Schiff und die Kampftrupps bezogen zusammen mit der ausgewählten Mannschaft Stellung. Es waren nicht alles Dunmer. Eigentlich bestand die Mannschaft nur zur Hälfte daraus. Der Rest waren altgediente Söldner aus dem Rest von Tamriel. Gut bezahlt, fähig und vor allem verschwiegen. Diejenigen, die eben noch die Balliste an Bord gerollt hatten, konnten sich noch auf dem kurzen Flug ausruhen. Soweit war alles für den Abflug bereit. Neben Aurek und Meister Meradanz war er der Einzige, der so ein Schiff steuern konnte. Er hatte sich extra darauf vorbereitet.
In diesem Moment trat der Meister selbst noch einmal aus den Schatten der Tunnel. Er nahm die Versammlung noch einmal selbst in Augenschein. Eine Rede hielt er nicht. Das hier war alles andere als ein offizieller Auftrag und sollte möglichst klandestin abgewickelt werden. Keine Überlebenden, keine Zeugen und die Schuld konnte man an die Daedra weiterreichen. Sie musste sich nur rechtzeitig wieder zurückziehen.
„Ein Aschesturm zieht auf“: trat der Meister unumwunden an ihn heran. Aytor nickte. Ein Aschesturm würde ihr Ablegen verschleiern. „Die Straßen leeren sich also schon?“: fragte er zurück. „Ja ich habe der Stadtwache entsprechende Anweisungen erteilt. In der Entfernung ist der Sturm bereits zu erkennen, er zieht in Richtung Küste und wird vermutlich auch eine Weile über der Scherbenbucht hängen. Ich rechne aber nicht damit, dass er allzu lang anhält. Rechne also nicht damit“: erklärte der Hexenmeister. Aytor hörte aufmerksam zu. Dann fuhr er fort: „Es muss glatt ablaufen. Wir wären zwar in der Lage uns gegen einen Angriff zu wehren und uns einzuigeln aber all das beschränkt unsere Möglichkeiten und solange die Daedra nicht erfolgreicher sind oder die Mythische Morgenröte die Verteidigung weiterer Städte umgeht, will ich vermeiden, dass wir in so eine Situation kommen. Unterschätz dein Ziel also nicht. Er mag zwar nur wie ein alter Mann wirken, aber er hat dafür die Gerissenheit von fünf Dunmer-Leben, die er gegen dich ausspielen kann.“
Wieder glaubte Aytor einen versteckten Verweis auf seine Mission gegen Tarrior herauszuhören, fühlte sich an seiner Ehre gepackt. Seine Fingernägel gruben sich in seine Handflächen, doch er blieb ruhig. „Habt keine Sorge. Das Weib hat mir alles verraten, was ich wissen und beachten muss. Ich werde nicht versagen“: stellte der junge Bretone klar. Meradanz‘ Gesicht blieb starr. „Dieser Teil ist für meinen Plan essentiell. Ich brauche die Forschungsergebnisse und Ihn am besten lebendig, damit er uns aushelfen kann, sollten seine Schriften zu schwer verständlich sein“: schärfte der Hexer seinem Adjutanten noch einmal ein. Innerlich spürte Aytor einen Peitschenhieb. Äußerlich blieb er selbstbewusst. „Nur keine Blöße geben“: dachte er. Ohne eine weitere Antwort wandte er sich um und dem Schiff zu. Es gab nichts mehr zu besprechen. Alles war gesagt. Nun kam es zum Schwur und er war fest entschlossen seinen Beitrag zu leisten.
Der junge Magier erklomm den Landgang, zwei Wächter klappten ihn ein und zwei weitere Wächter schlossen unter allgemeinen Lärm das Schott, in dem sie es auf einer Schiene seitwärts gelagert vor dem Öffnung schoben und dort einhakten, sodass es fest und sicher saß und den Rumpf so glättete, dass die Luft schön an ihm vorbei fließen konnte. Aytor nahm seinen Weg zum Kapitänsstand. Er war im Inneren mit Holz verkleidet. Dieses Luftschiff hier war zwar noch eine Versuchsstudie aber etwas Luxus, wie auch ein Teppich, mussten trotzdem drin sein. Das zweite Luftschiff entstand schon unter dem Eindruck deutlich repräsentativer angelegt zu sein.
Die Kanzel war noch vorne mit Glas versehen, das den Blick deutlich verzerrte als würde man durch Wasser gucken. Die Qualität war auch hier noch nicht sonderlich gut. Für feines Steuern nicht unbedingt geeignet. Aber diesen dicken Metallkoloss durch den Himmel zu steuern, erforderte keine größere Präzision und die Landebuchten waren extra breiter angelegt.
Dazu konnte man im inneren eine dicke Metallblende vor der Kanzel herunterfahren für den Fall, dass die Kanzel selbst unter Beschuss geriet. Dann wäre es nur noch möglich durch schmale Sichtschlitze zu steuern.
Aytor trat an das hölzerne, mit metallenen Beschlägen befestige und verzierte Steuerrad heran. Das Steuerpersonal war auf ihren Posten, wie ein Blick um ihn herum verriet. Die Leute hatten ihre Position an den Hebeln und Schaltern eingenommen, die dazu dienten, verschiedene Teile des Schiffes, wie die Dampfzufuhr, das Höhenruder und die Schotten zu steuern.
„Sprachrohre testen“: befahl Aytor. Ein Dunmer rief verschiedene Aufforderungen in mehrere bronzene Trichter an der Wand. Sie staken auf Rohren, die durch das ganze Schiff führten und in den verschiedenen Bereichen in ebensolche Trichter mündeten. Wie in einem langen Bogengang, übertrug sich irgendwie die Stimme der Leute dadurch über eine gewisse Entfernung. Die Stimmen waren blechern, weshalb laut und deutlich gesprochen werden musste, aber man konnte sie von der Kanzel aus Befehle in die anderen Teile des Schiffes übermitteln und Rückmeldungen, zum Beispiel zu Beschädigungen erhalten.
„Alle Bereiche erreichbar“: vermeldete der Kommunikationsoffizier. Aytor nicke. „Gebt Befehl die Maschinen zu starten. Auftriebsgas erwärmen und Dampf auf die Kolben leiten. Geschäftigkeit brach aus. Es dauerte einige Minuten, in denen ein Brummen und pulsieren durch den ganzen Schiffsleib ging, als hätte sich ein Herz zum Schlagen in Bewegung versetzt und pumpte nun mit voller Kraft Dampf und Gase durch den Metallleib des Flugschiffes, trieb andere Maschinen, Kolben und Gewinde an, versetzte Achsen in eine Drehbewegung und ließ die Propeller schließlich die Luft verwirbeln, bis schließlich ein gewaltiger Ruck durch das ganze Schiff fuhr. Der Dwemer-Koloss hatte abgehoben. Zunächst noch unmerklich, stieg die Barke jetzt immer schneller. Die Wand der Landebucht vor der Kanzel flog vorbei. Bis schließlich staubgeschwängerte Luft sichtbar wurde. Der Aschesturm war inzwischen über Mora Uvirith hereingebrochen. Ganz dicht am Glas hörte man das Pochen kleiner und größerer Sandkörner und Ascheklümpchen gegen die Außenwand. Die meisten Geräusche jedoch verschwanden unter dem dumpfen Brummen, das das Luftschiff erfüllte.
Aytor trat nun wieder ans Steuerrad heran, schlug es nach Backbord ein, das Luftschiff wandte sich nun der Zafirbel-Bucht und damit dem Meer zu. Der Steigflug war beendet, auf Anweisung des jungen Bretonen, wurde die Energie nun auf den Vortrieb gerichtet. Die Rotoren am Heck setzen sich mit einem ebenso spürbaren Rucken in Bewegung und trieben nun die Himmelsbarke nach vorne. Ihrem nicht allzu weit entferntem Ziel zu.
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