Was in der Zwischenzeit geschieht… VIII
(als Ergänzung zu Tarrior im RPG)
hier: Aytor von Brasselin

Der junge Bretone schnaubte verächtlich, wenn er an den im Kerker sitzenden Dagoth dachte. "Wieso muss er nur so stur sein?": fragte er sich und schnaubte dann erneut. Aufwendig hatte er den Dunmer gefangen genommen und nun das. Ein anderer Grund wütend zu werden, kam ihm bei diesen Gedanken ebenfalls wieder in den Sinn. Er hatte ihn unterschätzt. Nicht nur, dass es die Wächter erwischt hatte, sondern es war notwendig gewesen die Zenturionen zu beschwören. Meister Meradanz hatte dann in nachsichtigem Tonfall gesagt, dass ja alles noch einmal gut gegangen sei. Aytor hatte verstanden. "Du warst unvorsichtig und überheblich und nur Dank meiner Maschinen hast du es geschafft": war das, was der Meister ihm gegenüber damit eigentlich ausgedrückt hatte. Und es ärgerte ihn. Es ärgerte ihn, dass dieser Hausknecht ihm hatte gefährlich werden können. In den Augen seines Meisters musste es ihn herabgesetzt haben. Und er erkannte auch den Respekt in Meradanz' Augen. Er betrachtete Gildres tatsächlich als jemanden, den man ernst nehmen musste. Vermutlich saß der Dagoth nur im Kerker, damit ihm keine falschen Illusionen über seine Lage oder seine Optionen befielen, dass er seinen Platz kannte. Doch all dies und nicht einmal die Aussicht auf die Folter hatten ihn gefügig gemacht. Noch immer verweigerte er dem Meister die Mitarbeit. Ein absolut unmögliches Gebaren, dass er, so Aytors Überzeugung, nur solange Aufrechterhalten würde, bis die Folterknechte zu arbeiten begannen.

Wenn er ehrlich zu sich selbst war, war er froh, dass Gildres dem Meister verweigert hatte. Wenn er sich dem Willen Meister Meradanz' gebeugt oder vielleicht freiwillig am Plan mitgearbeitet hätte, wäre ihm womöglich die Rolle zugefallen, die eigentlich ihm - Aytor von Brasselin - zustand. Der Dagoth war mächtig und gewitzt, dass hatte Aytor erkennen müssen und Meradanz wäre dumm gewesen, wenn er ihn nicht in seine Dienste genommen hätte. Und wieder ärgerte er sich. Der Stolz des Anderen hatte Schlimmeres verhindert. Doch es sollte bald eine Gelegenheit geben, um seinen Wert zu beweisen.

Der junge Bretone erklomm gerade eine Treppe nah an der Turmspitze und schwebte dann zu einer großen Rundtür hinauf. Ein Wink und ein Pulk von Wurzeln, der den Durchgang verschlossen gehalten hatte, wand sich zur Seite. Seine Hand schwebte über der Klinke. Zögernd betrachtete der Magier den Messingknauf. Die Vorbereitungen für den nächsten Schritt des Plans waren fast abgeschlossen. Die letzten Waren würden heute eintreffen und würden dann verladen werden. Meister Meradanz hatte die letzten Wochen intensiv damit zugebracht die Funktionen des neuen Prototypen noch drei weitere Male zu überprüfen. Sämtliche alten Baupläne und die jüngeren Berechnungen hatte er in den vergangenen Nächten immer und immer wieder gewälzt. Dies würde nicht nur die große Jungfernfahrt sondern es würde ein Belastungstest in Form eines quasi unsichtbaren Angriffs werden. Und er durfte nicht versagen. Das stand nicht zur Debatte. Schon gar nicht durfte der Prototyp verloren gehen. Einige der Teile konnten nicht ersetzt werden und mussten damals auch erst aus dem ersten funktionsfähigen Prototypen ausgeschlachtet werden, nachdem Aurek es wider Erwarten geschafft hatte, diesen doch nach dem Absturz wieder flott zu machen. Der Bretone runzelte die Stirn. "Der arme Aurek. Jetzt wird er für die Operationen nicht mehr gebraucht": dachte Aytor vergnügt und fragte sich wie lange es der Nord-Magier wohl auf seinem neuen Posten aushalten würde. "Meister Meradanz hätte ihn damals entlassen sollen": fand der Bretone. Tatsächlich war die besondere Fähigkeit des Magiers gefährlich. Wer wusste schon, was er vielleicht im Turm aufschnappte. Nach einigem kurzen hin und her zuckte Aytor jedoch mit den Schultern. "Seine größte Stärke ist seine Arglosigkeit. Solange er bezahlt wird und wir ihm nichts geben, dass ihn zwangsläufig ins Grübeln bringt, wird er sich nicht weiter in unsere Geschäfte einmischen": meinte der Bretone dann und drückte die Klinke und drückte die Tür auf.

Kühle, trockene Luft wurde geradezu in den Turm gesaugt, so als würde der ganze Organismus, der der Turm tatsächlich war, tief Luft holen. Schnell trat der Bretone ins Freie und schoss den Durchgang hinter sich wieder. Er befand sich auf der große Terrasse im oberen Teil. Vom Rand aus hatte man einen sehr schönen Ausblick auf die gesamte Stadt oder wie der Meister sonst meinte: "Von hier aus, habe ich alles unter Kontrolle." In der Ferne verlor sich der Blick irgendwann auf dem Meer. Davor lagen die Scherbeninseln der Zafirbel Bucht. Und dort befand sich auch das Ziel und da kehrten die Gedanken zurück. Meister Meradanz überließ ihm nicht nur den wertvollen Prototypen sondern auch einen wichtigen Schritt seines Plans zur Wiederauferstehung der Dwemer. Es ging um einen integralen Bestandteil und er sollte sich darum kümmern. In Anbetracht des Gegners, um den er sich kümmern sollte, befiel ihn ein leichtes Grausen und die Hände begannen zu schwitzen. Es ging hier schließlich nicht nur um einen kleinen Dagoth. Diesen Gegner musste man ernst nehmen.

"Ah Aytor": erklang die vertraute Stimme von Meister Meradanz. Leicht erschrocken stellte Aytor fest, dass er gedankenverloren auf den Horizont gestarrt und den Magierfürsten gar nicht bemerkt hatte. Behram hatte ihm den Kopf leicht zugewandt, während er sich leicht mit den Händen am Geländer der Turmterrasse abstützte. "Herr": begrüßte er den älteren Magier mit einem Nicken und trat näher. Meradanz hielt nicht viel von sinnlosen Förmlichkeiten. Manchmal konnte sich Aytor seinen Meister gut als Abkömmling der Dwemer vorstellen. Er wirkte so manches Mal so rastlos wie die ewig tuckernden Maschinen, die seine angeblichen Vorfahren gebaut hatten. Er glaubte zwar nicht daran, dass Meradanz wirklich Dwemer-Blut in seinen Adern hatte, aber es kannte sich so gut wie kein anderer mit den alten Tiefelfen und vor allem ihren maschinellen Geheimnissen aus, wie er das tat. Ob er da dieser Wahnidee, selbst ein Dwemer zu sein, verfallen war oder nicht, spielte für Aytor keine Rolle. Unter den hiesigen Telvanni-Magierfürsten war er, was Wahnsinn anging, ohnehin keine Ausnahme, obwohl er sich sonst von seinen Kollegen im Telvanni-Rat doch sehr unterschied. Was auch der Grund war, warum er überhaupt die Stellung seines Sprechers bekleiden durfte.

Der Bretone war inzwischen neben ihn getreten und folgte dem Blick des Meisters über Mora Uvirith hinweg. Kopf und Blick wanderten schließlich in Richtung Landebuchten und verharrten dort. "Hast du die Vorbereitungen abgeschlossen?": fragte Meradanz dann. "Die Wachen sind instruiert und regeln den Einlass. Die Besatzung ist soweit bereit und wartet nur darauf an Bord zu gehen. Ich werde die Diener nachher gleich persönlich beaufsichtigen, während sie die letzten Vorräte an Bord nehmen. Wenn die Waffen des Schiffes erst einmal bestückt sind, werden wir damit den ersten Widerstand brechen. Und für den Rest haben wir schließlich unsere ausgebildeten Söldner": erstattete der Bretone Bericht. Der Meister lächelte.
Das gleiche Lächeln hatte er an dem Tag, an dem er Aytor als seinen Schüler aufnahm und auch an dem Tag, an dem er ihn zum Sprecher kürte, was der Tag war, an dem er selbst zum Magierfürsten bestimmt wurde. Es war sehr von Vorteil gewesen, dass der Meister selbst auch nicht von Vvardenfell stammte und kein hiesiger Zögling des Hauses war. Aytor wusste eigentlich nicht, ob Meradanz eventuell von den Inseln stammte und zu den Hausbrüdern hier auf Vvardenfell gezogen war. Es war dem Bretonen auch egal. Kennengelernt hatten sie sich seinerzeit in einer kleinen Stadt in Süd-Morrowind. Vergebens hatte er versucht in verschiedenen Filialen der Magiergilde aufgenommen zu werden. Sohn eines kleinen Adligen aus Hochfels mit bescheidenem Talent zu sein, war selbst in einer fernen, unzivilisierten Provinz wie Morrowind mit chronischem Mitgliedermangel kaiserlicher Institutionen schwierig. Der Meister hatte ihn war damals dabei gewesen, als er geprüft wurde. Eine Person unter den vielen magisch begabten Schweinehirten, die sich nicht einmal einen gesonderten Prüfungsraum in ihrem kleinen Verschlag, den sie als Gildenhalle bezeichneten, leisten konnten. "Er war damals nur dort um eine nahegelegene Ruine studieren und nahm mich schließlich mit sich": erinnerte sich Aytor: "Er meinte, dass ihm mein Ehrgeiz gefallen habe… mein Potenzial."

Aytor war fasziniert von Meradanz gewesen, der ihm einen Weg zur Macht zeigte und selbst so unaufhaltsam in der Haus Hierarchie nach vorne drängte, nicht etwa aus reinem Machtwillen sondern aus dem Kalkül heraus die Position für seine Ziele zu nutzen. Das Wissen um die Dwemer und die Nutzbarmachung dieses Wissens hatten dem jungen Bretonen seinerzeit sehr imponiert. Aytor konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem er in der Ratshalle von Sadrith Mora seinen Dienst antrat und die Sprecher doch mit einigem Missfallen registrierten, dass der Fremdländer, den sie auf Mora Uvirith, einen unbedeutenden und wirtschaftlich abgehängten Außenposten abgeschoben hatten, die Stadt nicht nur umgekrempelt sondern auch aufgerüstet hatte und durchaus Einfluss in vielen Bereichen geltend machen konnte und im Konflikt der Häuser stets oben schwamm, da er offenkundig über fundierte Kontakte in alle Lager verfügte. Mit einiger Genugtuung registrierte er ihre Herablassung ihm, dem Menschen, gegenüber der nun die wertvolle Stelle eines Sprechers bekleiden sollte. Und er hatte das Vertrauen seines Meisters nicht enttäuscht und er hatte es auch jetzt nicht vor.

"Sei dir nicht zu sicher, schließlich wissen wir nicht genau, was uns erwarten wird": warnte der Hexenmeister. Aytor widersprach: "Ich habe die Gefangene noch einmal ausgeforscht. Sie verschweigt uns nichts. Das, was sie schon auf der Folter offenbart hat, war die Wahrheit. Und sie muss es schließlich am besten wissen. Die Festung ist nur mäßig gesichert. Kaum Wachen, denn der Hausherr schätzt seine Abgeschiedenheit und…" Behram mischte sich ein: "Und er selbst ist nur ein alter Mann? Er bekleidet diese hohe Position nicht ohne Grund. Und auch wenn er allein ist, so solltest du dich nicht darüber hinwegtäuschen, dass er mehr von der Beschwörung versteht, als wir beide zusammen. Von den Kräften, für die er in seiner Jugend wohl einmal berüchtigt gewesen war, ganz zu schweigen." Aytor schaute trotzig in die Ferne. "Und dennoch wird er vor der schieren Wucht des Angriffs kapitulieren müssen": wandte der Schüler ein. Behram drehte sich um und schaute ihm tief in die Augen. "Vergiss nicht, dass wir ihn lebend brauchen. Ich kann mich nicht auf die womöglich nur fragmentarischen Notizen eines alten Mannes verlassen. Wir müssen den genauen Produktionsprozess kennen. Außerdem wäre es hilfreich, ihn in Gewahrsam zu haben, um die Formel zu extrapolieren. Vier sind schön und gut aber für meine Pläne brauchen wir ein Verfahren, mit dem wir deutlich mehr in der gleichen Zeit erzeugen können. Damit steht und fällt alles": schärfte Meradanz seinem Schüler noch einmal deutlich ein. "Aber die Animunculi…": wollte Aytor wiederum einwenden. "Die Dwemer besaßen im Großen Krieg eine Vielzahl von ihnen und haben dennoch verloren. Sie sind weniger empfindlich gegen Magie das ist richtig, aber auch sie sind nicht unbesiegbar, zumindest noch nicht…": machte Behram klar, schwieg kurz als wäre er ganz woanders, um kurz darauf Luft zu holen und fortzufahren: "Sie können dich nicht jedes Mal retten, Aytor. Sorge dafür, dass du gar nicht erst auf sie angewiesen bist, dann ist ihr Einsatz am effektivsten": riet Meradanz.

Aytor ballte die Fäuste. Seine Stirn kräuselte sich. "Tarrior": zischte es durch seine Gedanken. "Ich werde euch nicht enttäuschen": sagte der junge Mann sehr ernst, trat zackig mit dem Hacken auf und wandte sich um zum gehen. "Ich werde meinen Wert beweisen!": entschied er für sich selbst und verließ die Terrasse. Er hatte eine gut ausgebildete Truppe von Söldnern, dazu seine Magier und die Animunculi und eine Waffenplattform, wie man sie seit Jahrhunderten auf Tamriel nicht mehr gesehen hat. Er konnte nicht verlieren. Der Meister würde seinen Wert wieder anerkennen und er selbst würde sich all dies Wissen eines Tages zu Nutze machen, um auch der Herr eines Turmes zu werden. Womöglich würde er, wenn die Pläne sich so verwirklichten, wie der Meister und er es in die Wege geleitet hatten, selbst in Tel Naga herrschen. Doch nun hieß es erst einmal diese Etappe des Plans abzuschließen. Dazu eilte er nach unten, selbst das Schweben glich mehr einem abgebremsten Fallen und kaum war er unten, war er auch schon auf den Weg in die Tunnel. Einen Teil davon hatte der ehemalige Turmherr bereits anlegen lassen. Meister Meradanz hatte sie noch sehr viel mehr ausgebaut, um die wichtigen Anlagen der Umgebung direkt an den Turm anschließen zu können und zu einer solchen war der junge Bretone nun unterwegs. Aytor ging alles noch einmal in seinem Kopf durch. Alles war bis auf das kleinste Detail geplant. Nichts konnte schiefgehen, wenn er sich genau an den Ablauf hielt. Das Einholen von Informationen und Gerüchten und deren glaubhafte Bestätigung, die Entführung der Frau und ihre Befragung, das Auf- und Ausrüsten des Schiffs, der Angriffsplan und schließlich würden sie es wie einen Angriff der Daedra aussehen lassen, da sich in der Bucht ohnehin in letzter Zeit viele Tore öffneten. Um den alten Mann würde ohnehin keiner der Ratsherren mehr als eine Krokodilsträne vergießen. Und danach waren sie im Besitz fast aller wichtigen Komponenten für den großen Plan. Nur noch der Dagoth musste seine Geheimnisse offenbaren. "Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, sie ihm zu entlocken, wenn ich zurückkehre": rieb sich Aytor schon die Hände.

Schließlich hatte er die Tunnel erreicht und war bereits ein Stück hineingegangen. Er entflammte sein magisches Licht. Eine Sphäre umkreiste nun zurückhaltend seinen Kopf und erleuchtete den dunklen Gang, der von einem feinen Konstrukt aus Wurzeln gestützt wurde, die dem ganzen den Eindruck verliehen, als würde man sich durch ein röhrenförmiges Gerippe bewegen. Vor ihm drang Licht von der Seite her. Er beschleunigte seine Schritte und hatte den Abzweig erreicht, wo eine größere Höhle mit einer nicht allzu tiefen Lavagrube in der Mitte an den Tunnel heranzweigte. Man konnte geschäftiges Murmeln und aufgeregtes Flüstern vernehmen. Aytor ließ seinen Blick über die im roten Lavaschein dahin kriechenden Gestalten in ihren dunklen Kutten schweifen und schnaubte verächtlich. "Was für jämmerliche Kreaturen": dachte er und betrachtete sie, wie sie auf dünnen Ledermatten halb im Dreck schliefen oder sich manchmal auch vor Krämpfen geschüttelt schwerfällig an Felsen abstützten. Dem Geruch nach z urteilen, wurde an den Kesseln im hinteren Teil der Höhle gekocht. Meister Meradanz ließ den Wesen immerhin frische Vorräte zukommen. Das war mehr als diese Kreaturen überhaupt zu erwarten hatten. "Sie können überhaupt froh sein, dass Meister Meradanz sie damals im Aschland aufgesammelt und am Leben gehalten hat": dachte der Bretone und verschaffte sich mit einem energischen "Hört her" Aufmerksamkeit. Sofort verstummte das geistlose Geflüster. "Das Schiff muss heute bestückt werden. Die Vorräte treffen gleich ein. Ihr werdet sie abholen und aufladen und das schnell. Sehr schnell. Wir gedenken in wenigen Stunden abzulegen. Also kommt": befahl Meradanz' Sprecher und die Wesen setzten sich geradezu mechanisch in Bewegung und sammelten sich um den Bretonen. Mit seiner Meute eifriger Sklaven im Schlepptau verließ der die Höhle wieder und setzte den Weg durch die Tunnel fort.

Aytor lächelte. Ein Schicksal wie das dieser Kreaturen wäre genau das Richtige für den Dagoth. Wenn sie mit Tarrior fertig waren, könnte er ihn vielleicht in die Dienerschar einreihen. Einen Moment schwankte der Bretone darin, ob der Tod oder die Sklaverei des verhassten Dunmers ihm mehr Befriedigung verschaffen würde, aber ließ diese Frage schließlich unbeantwortet, als er und seine Gefolgschaft Stufen erreichten. Am oberen Ende lagen die Landebuchten. Es wurde nun Zeit die letzten Vorbereitungen zu treffen. Er verbannte Tarrior aus seinen Gedanken und wandte sich dem Aufgang und seinen eigentlichen Pflichten zu. Schnell folgten ihm die Kuttenträger ebenfalls noch oben. Da die Dunkelheit hier noch immer nicht von ihnen wich, war es für Aytor nicht schwer festzustellen, dass das Dach noch immer geschlossen war. Nach der Mission bei Mar Gaan sollte nichts, auch kein Aschesturm, die letzten Umbauten stören. Das Licht würde also auf ein völlig überarbeitetes und funktionsfähiges Schiff fallen, das seinem Vorbild so nah kam, wie kein anderes Schiff seit Jahrtausenden und das alles dank des enormen Wissens des Meisters und der Entschlüsselung alter Baupläne. Die Sphäre enthüllte die Arkaden und die Bögen. Aytor hielt direkt darauf zu. Schließlich fühlte er die festgestampfte Erde und trat energisch in die von der Wurzelkuppel überspannte Halle hinaus. Es wurde Zeit dafür, dass Meister Meradanz Meisterwerk das Licht der Welt erblickte.

Der Bretone stellte sich auf und verstärkte das Licht der Sphäre noch einmal. Die Kuttenträger wuselten um ihn herum und sammelten sich schließlich. "Die Vorräte und Ausrüstung, die noch an Bord gebracht werden müssen, sind in der Halle nebenan. Bringt sie hierher und verladet sie umgehend. Und beeilt euch": wies Aytor sie an und die Menge gehorchte und wuselte los. Er wandte seinen Kopf zur Decke, legte ihn in den Nacken und zog aus der Robe ein bronzenes Instrument. Ein kleiner Kristall darin begann zu leuchten und plötzlich ging ein starkes Vibrieren, wie ein leichtes Beben, durch das Gebäude. Lose Asche rieselte von oben herunter. "Von den Stürmen der letzten Zeit muss wohl einiges oben auf den Wurzeln liegen geblieben sein": vermutete Meradanz' Schüler. Doch das Rieseln nahm ab umso heller es schließlich wurde. Aus einem schmalen Spalt, wurde bald ein Riss, bald ein großer Riss. Die Wurzeln öffneten sich und schoben sich zur Seite. Das gesamte Dach faltete sich regelrecht auf und Licht flutete schließlich die sonst arenaförmige Landebucht. Es fiel herab und ließ schließlich die golden-bronzene Haut der gewaltigen "Dwemeran I" erstrahlen. Die polierten Platten, die den Körper des Luftschiffes bedeckten und schützten glänzten im Licht der Sonne wie Gold, ebenso wie der gewaltige Ballon, der das Konstrukt zum Himmel heben würde. Auch in diesem Moment würde es dank der leichten Gase im Inneren bereits schweben, würde nicht gewaltige Felsanker es am Boden halten. Noch überwältigender jedoch war der martialische Eindruck der beiden großen Ballisten, mit denen die Bordwände der Gondel, wie Meister Meradanz, das prismatische Konstrukt unterhalb des Ballons nannte, in dem Mannschaft und Ausrüstung Platz fanden, ausgestattet waren.

Aytors Augen gingen über. Das Schiff in seiner ganzen Pracht und nicht nur im Schein von Fackeln und Laternen zu sehen, war eine völlig neue Erfahrung. Dieser Anblick ließ einen Teil des Glanzes erahnen, den der Meister wiederherstellen wollte. Er würde ihn nicht enttäuschen, nicht noch einmal. Sobald er damit zu seiner Mission aufbrach, würde er es am Turm vorbeisteuern, damit auch der Meister seine Schöpfung in Aktion erleben konnte. Aytor würde sich beweisen.