Behutsam griff er nach der Hand von Jorus. Sie fühlte sich feucht und kalt an und lag in seiner eigenen Hand wie ein toter Fisch. Er tastete sich nach oben bis zum Handgelenk und presste einen Finger auf die Ader um den Puls zu fühlen. Er erschrak, als er bemerkte, dass kaum etwas zu fühlen war. Doch dann beschleunigte er sich plötzlich. Tirian legte dann seine Hand auf das Herz des jungen und fühlte, das es wie wild raste. Dann als sich der Herzschlag wieder beruhigte, war der Puls wieder fast null. „Ich muss mich beeilen“: stellte der Heiler fest. Er richtete das Strohlager neben der Koje her und legte sich direkt neben Jorus auf den Boden. Dann ergriff er wieder dessen Hand und schloss die Augen. Er spürte sofort, dass der Wellengang draußen langsam stärker wurde. Er hoffte inständig, dass sie die Nacht überstehen würde. Sie würden sich nun bis zum nächsten Morgen ein Leben teilen. Minutenlang lag er einfach nur so da und versuchte seine eigenen Gedanken und seinen Herzschlag zu beruhigen und zu fokussieren. Sein Atem wurde langsam und kam in immer längeren Abständen und sein Herz schlug nur noch alle paar Sekunden. Man hätte ihn für einen Schlafenden oder Toten halten können. Äußerlich bewegte sich an ihm nichts mehr, aber in seinem Kopf arbeitete es wie wild. Er blendete alle unnützen Gedanken und die gesamte Umwelt aus. Langsam verblassten die knarrenden und ächzenden Geräusche des Schiffes, das Schaukeln und Wackeln und auch der Geruch der salzigen Luft und muffigen Kabinen. Alle seine Sinne richteten sich nur noch auf Leben und Magie in sich und das Leben des Jungen aus.

Langsam sandte er Energie in Jorus geschwächten Körper und begann diesen zu ergründen. Nach einer gewissen Zeit in der er sich auf das Leben des Anderen einstellte, schien es als würde ihm eine Binde von den Augen gerissen. Er konnte alles erkennen. Die verbliebende Kraft des Kaiserlichen, die er als langsam schwindendes Feuer visualisiert hatte und die dunklen fast kraftleeren Zonen in den Gliedmaßen und sogar schon bei einigen Organen. Die Flamme des Lebens zog sich dabei immer weiter in Richtung Herz zurück. Er wurde schwächer. Langsam knüpfte Tirian ein Band zwischen sich und dem Patienten und schon floss die Energie zwischen ihnen hin und her. Er verteilte soviel er konnte gleichmäßig in Jorus‘ Körper und konzentrierte sich dann auf den Lebenskreislauf zwischen ihnen. Der Heiler hoffte den Jungen die Nacht überstehen lassen zu können und genug Kraft für die restliche Fahrt nach Vvardenfell zu geben, wo es Kräuter gab und fähigere Heiler, als er es war. Während sie so dalagen verfiel der eine mit deutlich gemäßigterem Herzschlag in Schlaf und friedliche Träume, während der andere in eine traumlose und kräftezehrende Trance verfiel.
Erst der nächste Morgen brachte wieder Licht in das Dunkel, das ihn ereilt hatte. Das Kreischen von Möwen und die Wärme der Sonnenstrahlen, die auf sein Gesicht fielen, weckten ihn aus seiner Trance auf. Jetzt nahm er langsam wieder bewusst die Verbindung mit Jorus wahr. Er hatte sich etwas erholt und der Zustand war nicht mehr so kritisch wie am Vorabend, aber Tirian gab sich auch keinen falschen Vorstellungen hin, wusste er doch, dass sie damit nur etwas Zeit gewannen. Er schickte noch einen Schub seiner eigenen Kraft in den Körper des Jungen hinüber und trennte dann die Verbindung zwischen ihnen. Ganz langsam öffnete er seine Augen und begann seine Glieder zu bewegen. Er wollte keinen Schock riskieren. Er musste warten damit sich Herz und Atmung, also sein ganzer Kreislauf, wieder auf den normalen Betrieb umstellen konnten. Nach einigen Minuten glaubte er dann soweit zu sein und setzte sich auf und unternahm einige Versuche aufzustehen, was aber erst beim dritten Mal klappte. Er stützte sich an einer der Wände ab und besah sich den Jungen, der immer noch in dem Bett lag und vor sich hin schlummerte. „Ich werde dich auf jeden Fall retten“: versprach Tirian ihm in Gedanken. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. „Wie gut, dass ihr schon wach seid. Ihr könnt die Medizin für Jorus doch herstellen“: prasselten Grarius‘ Worte auf ihn ein. „Ich sagte dir schon einmal, dass ich nicht mehr genug Kräuter für die Mixtur habe“: versuchte Tirian abzuwürgen, doch der Schiffsjunge ließ sich nicht aufhalten. „Doch habt ihr“: sagte er und drückte ihm ein Bündel der Kräuter in die Hand, die er für die Medizin brauchen würde.

„Wo hast du denn das her?“: fragte der Heiler ganz erstaunt. „Ihr scheint nicht allzu sorgfältig in eurem Vorratsschrank geschaut zu haben. Nebst dem Wenigen was ihr auch gesehen hattet, klemmten noch einige Kräuter hinter einem großen Glas. Da waren diese mit darunter“: erklärte Grarius das plötzliche Auftauchen. Dem Heiler kam das zwar merkwürdig vor, denn er war sich eigentlich seiner eigenen Ordnung sehr sicher, aber zuckte nur mit den Schultern. „Dann werde ich sofort die Medizin herstellen. Umso schneller Jorus sie bekommt, umso besser“: sagte er, schnappte sich das Kräuterbündel und eilte zu seiner Kammer. Als er dort ankam, fand er den Jorus‘ Bruder Justus schnarchend in seinem Bett vor. Er lächelte, als er sich an den Schreibtisch setzte und seine alchemistischen Gerätschaften zur Hand nahm. Er zerstieß die Kräuter im Mörser zu einem grün-bräunlichen Brei, mischte noch ein paar andere Kräuter unter und pürierte das Ganze nochmals. Den Brei tat er dann in einem Glaskolben und stellte ihn in den eisernen Halter über einer Art kleiner Eisenpfanne. Tirian zog ein Stück Kohle aus einer Schreibtischschublade und legte es in die Pfanne. Dann zündete er es an, indem er einige kleine Funken von seinen Fingern auf das Stück überspringen ließ. Rasch brannte es und gab eine Menge Wärme ab. Er goss Wasser in den Kolben und sah zu, wie es zu kochen begann. Blubbernd stieg der Wasserdampf oben aus der Kolbenöffnung. Nach geschätzten drei Minuten aufkochen, drehte er ein kleines Ventil und durch eine angeschlossene Glasröhre lief die Flüssigkeit. Sie passierte mehrere Filter bevor sie in ein weiteres gläsernes Behältnis floss. Auch hier legte er ein Stück Kohle unter und zündete es an. Nach wenigen Minuten verdampfte die Flüssigkeit und zurückblieb ein grüner Staub – das Konzentrat. „Dieser Heiltrank wird den Jungen in jedem Fall wieder auf die Beine bringen“: dachte er und kratzte das Pulver zusammen um es wieder in eine seiner bereits mit Grundflüssigkeit bestückten Fläschchen einzurühren. Dann erhitzte er die Flüssigkeit über der noch brennenden Kohle, damit sich die beiden Bestandteile auch gut miteinander verbanden. Schließlich löschte er die beiden glimmenden Stücke und hielt den Trank prüfend gegen das Licht und schwenkte etwas die Flüssigkeit hin und her. Als er zufrieden war, verkorkte er das Fläschchen und verließ den Raum.

Er achtete darauf die Tür leise zu schließen, um Justus nicht aufzuwecken – sollte der Junge ruhig noch etwas schlafen. Dann machte er sich zurück zur Kabine der Schiffsjungen um Jorus den Trank schnellstens zu verabreichen. Doch vor der Tür der Kammer wurde er aufgehalten. Zwei Männer standen dort und hielten ihn auf. „Was ist hier los?“: verlangt er zu wissen. Doch noch bevor der Matrose auf die Frage antworten konnte, trat, dicht gefolgt vom stämmigen 1.Maat, Grarius heraus. Die Hände hatte man ihm gefesselt und jetzt wurde er brutal vorneweg gestoßen. „Was macht ihr da mit ihm“: schrie er den 1.Maat an. Der bullige Kerl drehte sich um und sah ihn abschätzig an. „Ah ihr könnt gleich mitkommen“: sagte er und sofort packten ihn die beiden Matrosen und verdrehten ihm die Arme auf den Rücken. Sie stießen sie vor sich her, durch den Bauch des Schiffes und dann die kleine Holztreppe hoch an Deck. Er war einen Moment regelrecht blind, als er aus dem Zwielicht des Schiffsinneren in das Tageslicht stolperte. Tirian blinzelte um die leuchtenden Punkte zu vertreiben, die ihm die Sicht nahmen. Als ihm das gelungen war, schaute er jedoch in das missgünstig dreinblickende Gesicht des Kapitäns. „Wo sind sie?“: verlangte dieser zu wissen und richtete die Frage nicht nur an ihn, sondern auch an Grarius neben ihm. Er selbst hatte keine Ahnung was er meinte und Grarius erweckte auch nicht den Eindruck, als würde er irgendetwas sagen wollen. „Was meint ihr?“: fragte der Heiler nun zögernd. „Ich will wissen wo das Diebesgut ist!“: schrie er. „Ihr seid zwar der Schiffsheiler, aber ich werde bei Verletzung der Bordregeln auch euch gegenüber keine Nachsicht walten lassen“: fügte der Mann noch an. „Was für Diebesgut?! Ich weis überhaupt nicht wovon ihr redet“: stieß Tirian ehrlich hervor. „Stellt euch nicht dumm. Ihr wart es doch sicher gewesen, der Grarius dazu angestiftet hat, die Heilkräuter zu stehlen. Also WO SIND SIE?!“: warf der Kapitän ihm wütend hingegen. Sofort fiel sein Blick auf Grarius, doch dieser wandte sich ab und vermied es ihm in die Augen zu sehen. Von einem Moment auf den anderen wurde ihm klar, woher die Kräuter für den Trank plötzlich gekommen waren.

„Versucht es nicht zu leugnen. Man hat Grarius gesehen, wie er in der letzten Nacht aus dem Laderaum geschlichen war, obwohl er um die Zeit dort nichts zu suchen hat. Und heute Morgen war das Päckchen, welches ihr mir gegenüber gestern noch erwähnt hattet, weg. Ihr seht leugnen hat keinen Sinn, also wo sind die Kräuter. Wenn ihr gesteht und es mir sagt, werde ich davon absehen dir die Hände abhacken zu lassen“: sagte der Kapitän streng, als Tirian keine Antwort gab. „Ich besitze die Kräuter nicht mehr, ich habe einen Heiltrank daraus hergestellt. Grarius hatte mir erzählt, das er die Kräuter in meinen Vorratsschrank versteckt gefunden hatte. Und ich habe einen Trank für seinen Bruder gemischt“: berichtete der Dunmer wahrheitsgemäß. Der Schiffsobere schaute ihm tief in die Augen, wohl um die Lüge in der Aussage zu finden, wandte sich dann aber unzufrieden ab, weil er keine finden konnte. „Lasst ihn los!“: befahl er seinen Männern und sie gaben seine Arme wieder frei. Dann wandte er sich Grarius zu. „Du hast es gestohlen um deinen Bruder zu retten. Ein uneigennütziger Grund, aber Diebstahl ist Diebstahl. Ich werde nur davon absehen, dir die Hand abzuschneiden, aber im nächsten Hafen übergebe ich dich der Wache. Sperrt ihn in die Brigg. Er bekommt nur Wasser“: befahl er, doch Tirian entdeckte ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Scheinbar wollte er nur, dass Jorus die Medizin bekam. „Und du Tirian händigst mir jetzt den Trank aus, womöglich nimmt ihn der Tempel anstelle des Kräuterpäckchens“: verlangte der Kapitän und ruckartig verharrte Grarius mitten im Schritt. „Aber ich könnte damit den Jungen behandeln“: wandte er sofort ein. „NEIN! Wir hatten einen Transportauftrag. Es ist schlimm genug, dass die gewünschten Kräuter weg sind. Und ich bin nicht gewillt den Gegenwert auch noch herzugeben. Es steht der Ruf dieses Schiffes auf dem Spiel – mein Ruf“: ließ er es nicht zu und Tirian zog das Fläschchen mit der grünlichen Flüssigkeit aus seiner Tasche. „Ich bitte euch. Sein Zustand ist zwar zurzeit stabil, aber wer weis wie lange das bleibt. Vielleicht wird er bis Morrowind durchhalten, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall sollte man die Krankheit so schnell wie möglich behandeln, egal wie schwerwiegend sie ist. Wer weiß was für bleibende Schäden zurück bleiben könnten“: versuchte Tirian es nochmals, doch er blieb eisern. „Und selbst wenn er sterben sollte, ich werde den Ruf dieses Schiffes und dieser Crew nicht gefährden. Wo kommen wir denn dahin, wenn die Matrosen sich einfach an der Fracht der Kunden bereichern. Und jetzt her mit dem Trank!“: stellte er klar und verlangte nochmals die Herausgabe des Trankes.

Tirian resignierte und war bereit es ihm zu übergeben. „Er wird vielleicht sterben“: murmelte er. „Damit muss jeder auf diesem Schiff rechnen. Eine Welle, Piraten, Seeungeheuer, Krankheit alles kann das Ende bedeuten“: sagte der Kapitän nur gleichgültig und der Heiler streckte ihm die Hand mit der Flasche entgegen. In diesem Moment trennte Grarius den Strick an seinen Handgelenken, mit der Klinge des Säbels, des Matrosen auf, der ihn festhielt und riss sich los. Seine Hände glitten schnell am Rücken unter sein Hemd und schon blitzte etwas Metallisches in der einen Hand. Er schien etwas aus dem Bund der Hose gezogen zu haben. Er stürmte vor und ergriff den Kapitän von hinten. Tirian glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er den Schiffsjungen mit einem Fischmesser an der Kehle des Kapitäns sah. „Keine Bewegung oder er stirbt. Ihr tu jetzt was ich sage und niemand wird verletzt“: verlangte er lautstark, so das ihn jeder hören konnte. Erschrocken sogen die Männer um ihn herum die Luft ein und hielten sie angespannt an. Alle Blicke waren nun auf ihn, den Schiffsjungen und ihren bedrohten Kapitän gerichtet. „Herr Morvayn gehen sie unter Deck und verabreichen sie Jorus den Heiltrank“: befahl er. Tirian noch etwas neben sich reagierte erst gar nicht, bis Grarius den Druck des Messers auf den Hals des Kapitäns etwas verstärkte und ein kleiner Bluttropfen herunter lief. Sofort fing er sich, nickte heftig und rannte unter Deck um den Trank zu verabreichen. Schnellstens war er bei Jorus im Zimmer.

Justus war inzwischen aufgestanden und stand nun neben dem Bett. „Was ist denn da oben los? Und wo ist Grarius“: fragte er als Tirian hereinkam. „Nichts Besonderes und Grarius ist gerade mit etwas wichtigem beschäftigt. Aber gut das du hier bist. Ich habe eine Aufgabe für dich. Du musst mir jetzt helfen, damit es deinem Bruder bald wieder besser geht. Machst du das“: fragte er und setzte ein Lächeln auf, von dem er selbst ahnte, das es ziemlich verunglückt aussehen musste. „Gut mach ich, damit Jorus schnell wieder gesund wird“: versicherte er und Tirian atmete auf. Er wollte nicht, dass der Junge mitbekam, was da oben vor sich ging. „Gut ich verabreiche deinem Bruder jetzt den Heiltrank und du achtest bitte darauf, ob sich bei ihm irgendwelche Nebenwirkungen zeigen, wie krampfen oder Atemnot. Das ist sehr wichtig“: bläute ihm der Heiler ein. Eigentlich konnte nichts passieren, aber er brauchte einen Vorwand um den Jungen hier festzusetzen. Er hob den Kopf von Jorus leicht an und drückte ihm wieder den Kiefer auseinander. Der Schluckreflex sorgte dafür, dass der Trank langsam aus der Flasche raus und in den Schiffsjungen hinein floss. Wenn alles gut ging, dann würde er bald aus seiner Bewusstlosigkeit aufwachen. „Hoffentlich ist es bis dahin vorbei“: dachte er und erhob sich wieder. „Pass gut auf ihn auf. Ich muss noch etwas mit dem Kapitän besprechen“: sagte er zu Justus, bekam ein Nicken und war dann auch schon auf dem Rückweg an Deck.

In der Zwischenzeit hatte sich der 2.Maat unbemerkte an die Brüstung des erhöhten Steuerstands herangeschlichen. Die Armbrust in seiner Hand hatte er bereits gespannt. Er steckte sie zwischen den Holzstäben der Brüstung hindurch und begann den scheinbar wahnsinnig gewordenen Schiffsjungen ins Visier zu nehmen.

„Ich habe ihm den Trank verabreicht. Wenn alles klappt, dann dürfte es ihm bald besser gehen. Und jetzt lass den Kapitän los Grarius“: sagte Tirian als er vollkommen außer Atem auf das Deck stürzte. Grarius vorher ernste Augen wurden nun etwas weicher, als würden sie „Danke“ sagen.

Soweit er sehen konnte, hatte man ihn glücklicherweise nicht bemerkt. Womöglich hätte ihn noch jemand durch sein Verhalten verraten. Doch dann sah er, dass ihn doch jemand bemerkt hatte. Der Kapitän sah ihn direkt an. Seine Augen hatten einen konzentrierten Ausdruck. Zum Zeitpunkt, als der Schiffsheiler wieder aufgetaucht und der Geiselnehmer abgelenkt war, nickte er ihm zu. Demnach würde es gleich soweit sein. Er zielte auf die Brust des Mannes und wartete auf seine Chance.

„Bitte lass ihn los Grarius“: bat Tirian, der nicht wollte das der Kaiserliche jemanden umbrachte und damit sein Leben ruinierte. Langsam nahm Grarius das Messer runter. Es war jetzt nur noch auf Brusthöhe. Doch bevor der Schiffsjunge den Kapitän ganz freigeben konnte, reagierte dieser selbst. Er rammte ihm den Ellenbogen in die Seite und stieß ihn von sich. Er kam frei und warf sich augenblicklich zur Seite.

Der Moment auf den er gewartet hatte, war gekommen. Der Kapitän war aus der Schussbahn. Sofort schoss er den Pfeil auf die ungeschützte Brust des Wahnsinnigen ab.

Es war nicht mehr als ein kurzes Zischen und eine Art Blitz der durch die Luft direkt an ihm vorbei zischte. Noch bevor der Kapitän auf den Planken aufkam, schlug ein Pfeil oder ein Bolzen, Tirian konnte nicht erkennen was genau, in Grarius‘ Körper ein. Ein erstickter Schrei und er kippte nach hinten, auf die Planken, um. Einen Moment war er, vom Schock gerührt, wie erstarrt, doch im nächsten Moment fing er sich und seine Instinkte als Heiler griffen. Er lief sofort zu dem röchelnden Grarius hinüber. Den Kapitän, der sich beim Fallen anscheinend den Arm verstaucht hatte, ignorierte er einfach.

Augenblicklich kniete er sich neben ihn und riss ihm das dünne Leinenhemd auf. Der Bolzen, wie er jetzt erkannte, hatte den dünnen Stoff mit Leichtigkeit durchschlagen und war tief in die Brust eingedrungen. Grarius hustete Blut aus. Seine Augen weiteten sich, als er erkannte, dass das Geschoss einen Lungenflügel durchbohrt haben musste. Jetzt lief Blut in das lebenswichtige Atmungsorgan. Doch noch schlimmer als die Erkenntnis, dass der junge Mann sterben würde, war für ihn die Feststellung nur hilflos daneben sitzen zu können. Nur noch Magie konnte ihn jetzt retten, doch er besaß dazu nicht die nötige Stärke, noch das nötige Wissen. „Wie steht es um mich Doc?“: fragte er und biss die Zähne mehrmals vor Schmerzen zusammen, bevor er noch eine Ladung Blut hustete. „Du darfst nicht sprechen!“: sagte der Heiler eindringlich, zog den Bolzen heraus und presste im selben Augenblick die Hände auf seine Brust um die Einblutungen zu stoppen und vor allem um das Loch in der Lunge zu schließen. Er tat alles was er konnte und verwandte beinahe seine gesamte Energie, doch es half nicht. Er schaffte es nicht. „Ich werde sterben, nicht?“: stellte er fest und Tirian nickte traurig, als auch er feststellte, das es keinen Zweck hatte. Grarius spuckte noch eine Ladung Blut aus. „Wie geht es Jorus. Wird er es schaffen?“: fragte er und seine Augen wurden langsam glasig. „Ja er wird durchgekommen. Er wird durchkommen“: sagte Tirian und ihm standen bereits Tränen in den Augen. „Kümmer dich gut um die beiden Brüder. Versprich es mir“: verlangte er, packte die Hand des Heilers und krampfte dann. „Ich verspreche es“: versicherte Tirian schnell und Grarius bäumte sich ein letztes Mal auf, sank zurück und röchelte ein letztes Mal. Dann brachen seine Augen und Tirian erkannte, dass der Schiffsjunge tot war. Dann begann er zu schreien und brüllte in den Himmel hinauf: „NEEEIIIINNN!“