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Thema: Literarische Arbeitsproben (Textfluten‼ - diesmal wirklich)

  1. #1

    Literarische Arbeitsproben (Textfluten‼ - diesmal wirklich)

    Ich hab seit ein paar Tagen meine Arbeitsproben für meine Studienbewerbung (Deutsches Literaturinstitut Leipzig) fertig und bin etwas feedbacksüchtig und dachte mir, dass sich hier vielleicht noch die ein oder andere Meinung einholen ließe.

    Lest nicht alles, wenn es euch zu viel ist (effektiv sind das +20 Normseiten), mir reichen Kommentare zu einzelnen Texten aus - es ist sowieso schwer genug, anständiges Feedback zu bekommen.

    Ich pack das der Übersicht halber mal in einzelne Beiträge.

    Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 16:24 Uhr)

  2. #2
    [FONT="Palatino Linotype"]Worte in Versen:[/FONT]


    Entschuldigung postum
    Man streut uns Brotkrumen
    Wässert die Dornenhecken
    Fertigt Handschuhe aus Katerfell

    In unseren Büchern steht nichts
    Außer der Verfall alter Generationen
    Die Liebe jener Unwürdigen

    Zeit bleibt, es besser zu machen
    Sie lachen, sie streuen Salz
    Jemand schläft in Karthago
    Und verzeiht vielleicht


    Reinheit
    Am Ende schlagen wir Sturzbäche
    Schnee schmilzt, warum also
    Auf den Frühling warten

    In Filmen
    Die Banalität der Schuld
    Wäscht uns rein

    Freudenstrahlen in einem Gesicht
    Falsches Lachen in den Küchen
    Du zählst hier nichts

    Schneeballschlachten im Hafen
    Und Gier nach Waschpulverbrisen
    Fühle ich, bin ich frei


    Alltagsmelancholie #1
    In ei'm Garten sah ich stehen
    Einst zwei Blumen, still entzweit.
    Sprach ich, im Vorübergehen:
    „Ach, du treue Einsamkeit.“


    Wenn ich bloß fliegen könnte
    „Ach, wenn ich doch bloß fliegen könnte,
    Frei, so frei wie ein Vögelein.“
    Und in des Sommers Abendröte
    Wuchsen dir der Flügel zwei'n.

    Die Schwingen erhoben entschwindend
    Schwebtest du in den Lüften dich windend
    Und landetest auf einem Stein.

    „Ach, wenn ich doch bloß singen könnte,
    Schön wie singt ein Vögelein.“
    Und in des Sommers Abendröte
    Wuchs dir ein Schnabel krumm und fein.

    Das Köpfchen erhoben frohlockend
    Krächztest du laut und erschrocken
    Und wolltest schon nicht mehr sein.

    „Ach, wenn ich doch bloß küssen könnte,
    Innig und lieb wie ich war dein.“
    Und in des Sommers Abendröte,
    Brach mein Schatz unter Schluchzen und Schrei'n.

    In Sorgen ich flehte „Helie, sei gewogen.“
    Und großer Schwingen, krächzend flogen
    In die Wolken der Raben nun zwei'n.


    Vom Verfliegen der Zeit
    „Wir haben nur Minuten“,
    schrien die Vögel laut in die Welt,
    „Nur wenige Minuten,
    die sind alles was zählt.“

    „Wir haben nur Momente“,
    raunte der Sand leis’ in der Uhr
    „Nichts als Momente...“
    raunte er, wie er sanft durch sie fuhr.

    „Nur Sekunden gar, nur Sekunden“,
    kreischte ein Wind und rauschte:
    „nur eine Hand voll Sekunden...“
    Und ich stand da und lauschte
    wohl Stunden um Stunden.


    Metonymie der Stille
    Ein verlorenes Gefühl in den Adern
    Ein Anflug von Übelkeit
    Spritzennadeln injizieren
    Tausendjährige Dornenhecken, sanft

    In den Fugen der Stille: ein Aufschrei
    Geht durch die Glieder und dann
    Flucht in die Weiten des Mohnfeldes.

    Im kalten Morgengrauen erwachen wir
    Der Wahrheit näher als zuvor
    Ein verlorenes Gefühl strömt vorbei
    Ein zweites Mal verpasste Chancen


    Entgleisung
    Schlag auf Schlag im Takt
    Wir fliegen davon in Schwermut
    Doch finden wir Hoffnung in einer Blüte

    Explosion eines Steins
    Funken auf Metall
    Ein Streich unter Jungen

    Momentbeben in unseren Gliedern
    Wir sind zum Leid bereit
    In unseren Händen die Blüte vergeht

    Unser Flug führt ins Nirgendwo
    Wir landen im Nichts
    Fluktuiert von einem Traum aus Mohn

    Schneewehen wischen über unsere Gesichter
    Wir verbrennen darin, darauf:
    Glück


    Echt
    Brieftauben zwischen den Städten
    Picken sich Seite an Seite
    Sehnsuchtsvolle Zeilen in den Nacken
    Ein Pappus auf Reisen
    Mit saftigen Früchten daran, die
    Im Lichte der Sonne glänzen
    Seltsames Volk, diese Menschen
    Seltsame Reisen, wie
    Ein Zug ohne Bahngeleise
    Jemand darin schweigt
    Jemand schafft Lachen und vergisst
    Was echt ist


    Zwang
    Wiederholte Worte der Hoffnung
    Wiederholte Worte der Hoffnung
    Wir zählen sie alle
    Eins, zwei, drei
    Wiederholte Worte der Hoffnung

    Imperative sagen
    Umarme mich, denn du weißt
    Was meinem Herzschlag wohl tut

    Superlative meinen
    Halte mein Herz, bis es zerbricht
    Dann bist du frei

    Initiative ergreifen
    Bis sie Zwang wird
    Bis sie Zwang wird
    Bis sie Zwang wird


    Käfig
    Ich habe mich befreit, in meinem Käfig
    von Menschen
    von Kühen
    von Affen
    von Hunden
    in meinem Käfig

    Ich habe mich hingesetzt, in meinem Käfig
    auf einen Stuhl
    auf einen Karton
    auf den Boden
    in meinem Käfig

    Ich habe gelärmt, in meinem Käfig
    ich habe gesprochen
    ich habe gemuht
    ich habe gekreischt
    ich habe gebellt
    ich habe geweint
    in meinem Käfig

    Ich habe Dinge gesehen, in meinem Käfig
    Einsamkeit
    Erholung
    Stille
    Nichts
    in meinem Käfig

    In meinem Käfig, da bin nur ich
    ich und meine Gedanken
    und keiner mehr dahinter
    und keiner mehr frei
    und nicht einer mehr
    in meinem Kopf

    In meinem Kopf
    ist mein Leben verdorben


    Alltagsmelancholie #3
    Ich sehe einen Tropfen
    An meinem Autofenster.
    Dahinter jene Frau:
    Im blauen Mantel, im Regen
    An der Straße wartend.
    Wenn ich jetzt kurbelte,
    Fragte, ob sie mich der Liebe wegen liebte,
    Wären wohl beide verschwunden.


    Vom Staatengründen
    Äpfel im Garten zwischen
    Furchen den Sparten zischen
    Leise im Dunst

    Darunter Vernunft.
    Und wie zu belehren
    Singt Kadmos zu Ehren
    Der Vogel ein Lied

    Ein fremdes und einst
    Als er flog in den Höhen
    Der Drache, zu stehen
    Wider dem Ehrenmanne:
    So war er frei
    Und war fröhlich alsbald.

    Was nützten die Waffen
    Was Speer und was Fels
    Im Kampfe wider die Schwachen
    Die man knechtet und quält?
    Und die Furchen im Lehm
    Die man formte so schwer?
    Und die Sehnsucht, die man spürte
    so sehr?

    Doch frei sein.
    Frei sein und lachen -
    Das alles bedeutet
    Nun nichts mehr.


    Sterben
    Gespräche über Schuld,
    Bald fasst uns die Gewalt:
    Groß Reden über Bäume
    Schnee und Eis so voller Wahrheit
    Zarter Mantel Unschuld
    Auen so weit wie
    Treue

    Oh, in Schweigen gehüllte Ewigkeit
    Eure Andacht stört meine Kreise
    Eure Gegenwart streift die weiße Haut

    Schlägt die Gegenwart in den Wind
    Oder Sturzbäche die Vergangenheit
    Die Stühle kurz und klein
    Sind Winde,
    schnell wie Südseeschnecken und Muscheln,
    Bedeutungslose, ewig weise Philosophen

    Verschwendet Zeit mit Gebeten
    Zählt die Halme der Auen, fegen
    Die Winde darüber, von Neuem

    Fürchten wir die Einsamkeit
    Der Schmerz die Bedeutungslosigkeit
    Die Trauer den Kummer
    Die Halme die Unzählbarkeit
    Von Sand am Meer, die Zahlen:
    Mehr als Nichts, Unsterblichkeit
    Bedeutungsloser, ewig weiser

    Sieh am Wegesrand die Bäche:
    Unrecht so unvergänglich ungestüm gezeiht
    Gestattet das Verweilen


    Cyrano
    schlaftrunken bettele ich
    nach Narben
    auf unserer weißen Haut
    kein Streich darauf
    darunter fiel
    ein Kleiner Junge

    an großen Nasen
    so voller Treue
    führt man sich selbst herum
    und wärmt jemandes Hand
    auf dass ein anderer sie nehme
    am Fenster sitzend
    von der Freiheit schwärmend
    doch mit den Worten eines Fremden


    Ein Scheusal auf dem Trockenen
    Ein Wasserrad verrät die Schwachen
    Die Becher leer, bis dass ein anderer spricht
    Von Durst oder Gerechtigkeit
    Noch weiß er es nicht

    Im süßen Augenblick der Stille
    Regt leis’ ein Kummer sich empor
    Schwindet, kommt und bleibt und geht nicht
    Wer ist das Scheusal, das sein Gesicht darin verlor

    Im sanften Mantel schwerer Steine
    Schmiegt das Rädchen sorglos sich dagegen
    Stockt und staut den teuren Stoff
    Oh, was Winde über Auen fegen
    Oh, was ist mein Scheusal groß


    Molch und Seekuh
    Wir machen halbe Worte um Sachen, die wir nicht ganz verstehen
    wir schlürfen Blut aus tiefen Krügen, deren Boden wir nicht sehen
    wir fürchten Tod, Liebe, Hass und Schmach, derer wir groß Reden machen
    am Ende schlafen wir
    allein

    sein ist was wir wollen.
    unsere Stille ist monochrom, unsere Welt stumm.
    Schnee fällt auf die schwachen, schwarzen Rabenfedern unserer Milch.
    Milch, die wir uns mit Honig versüßen.
    wir sind nichts.

    wir spucken große Töne über Dinge, die wir einfach nicht verstehen wollen
    wir spucken Blut zurück in Krüge, aus denen wir nicht hätten trinken sollen
    wir sterben, schmachten und hassen, aus Angst vor unserer selbst
    am Ende wachen
    Molch und Seekuh

    und schwimmen in unserer verdorbenen Milch.


    Der Teebeutel im Kakao des Archäologen
    Anachronismen durchstreifen die Gegenwart
    Wie Reif in den Fugen der Zeit
    Wie ein Korn in den Speichen der Gleichgültigkeit
    Wie Mohn in meinem Kaffee

    Es sind Gleichnisse, die niemand wählt
    Und Orte, die niemand nennt
    Und Pfirsichmarmelade
    Und Frühstücken sollten etwas bedeuten

    Der Teebeutel im Kakao des Archäologen
    bringt mich auf seltsame Nostalgien; –
    Und wenn der Tag nie geendet hätte:
    Wären wir noch immer dort, wo wir angeblich nie waren?
    Wäre die Enttäuschung geringer?

    Strände mit Schilf auf echtem Glanzpapier
    Sind alle Realität, die wir kriegen können
    Am Ende sind wir Vagabunden vor Bahngeleisen
    Die vergessen haben zu seufzen
    Die Weintrauben stehlen, um fremd zu bleiben

    Beim Bäumchen-wechsel-dich-Spiel muss einer immer in der Mitte stehen.


    Abendweise
    Der Weise Name ist Gespalten
    auf halben Weg zieht
    sie vorbei

    Mir scheint, als ob nur sie gespalten
    und alles andere: ganz und frei
    und nimmer da sind Klang und Melodei
    mir
    singen ihre Düfte dann und wann
    wie gefangen sie ist, in ihrem Kleid

    Bald bin ich frei, sind ihre Worte
    bald ganz, bald bin ich dein
    tatsächlich sind die Worte Worte
    ich hör’ sie noch und bin allein
    mit ihren Illusionen von jener Sorte
    als dass nicht zu wählen ich vermag, was schwammig und was rein

    Kühl, im Nachthemd umfängt mich ihr Schein
    und allen Worten müssen Taten folgen
    Bald bin ich ganz, bald bin ich dein.

    Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 16:18 Uhr)

  3. #3
    [FONT="Palatino Linotype"]Worte in Prosa:[/FONT]



    wir besuchen ernst und frieda
    wir kreiden nicht mehr streifen auf den sportplatz.
    wir kreiden an und verschlingen unsere dürftigkeit, angekettet mit schlingen aus menschlicher wärme, die unsere nackte bedürftigkeit bloß zu umstreifen vermögen.
    dann fahren wir mit der bloßen hand über die tabula rasa, als ob die rasen unserer vorgärten, über die unsere mäher dann fahren, nicht schon genug tabus kennen könnten.
    können wir uns kennen wollen?
    können wir schreien?

    wir stimmen darüber überein, dass uns die stimme fehlt, um die stille der vorgärten zu durchbrechen, deren halme nur noch als stummel die nasse erde vor den sprenklern schützen.
    aus schutz erwächst ernst. und ernst ist die gewissheit und die nehmen wir immer, ernst schweigen nennt man das. so gewissenhaft schweigt ernst in unserem vorgarten.

    am ende leiden wir an der krankheit selbst. zweifel bleiben verborgen, also borge ich mir deine zweifel, um morgen dem kranksein verloren gegenüber zu stehen, mein gegenüber geht so fort, plötzlicher fortschritt ist ja immer gut, sagt ernst.
    er hat es wohl sagen hören, hören wir also auf ernst
    zu sagen was wir denken, denn am endt steht ja doch nur stille und stillstand ist ja letzten endes immer schlecht, sagt ernst jedermann.
    jedermann hat es wohl noch jemanden sagen hören, hören wir also auf jedermann
    zu glauben.

    glauben an was, an was glauben wir schon, wenn wir aus glauben nur klauben, was des geklaubtwerdens wert erscheint? wenn glauben es wert ist geglaubt zu werden, wer ist dann glaubens genug erscheinenden werten stimmens zu entsagen?
    wir stimmten darüber überein, dass uns die stimme fehlte, doch hörten wir jemanden sagen und glaubten jedermann und ernst – und ernst ist zufrieden, wenn wir schweigen, warum also nicht an das schreien gegen den unfrieden glauben, wenn man uns die stimme schon längst geklaut hat, um frieden in unseren vorgärten zu schaffen?

    frieda kredenzt ernst kapuzinerkresseblätter und ernst blättert in kessen magazinen blatt für blatt, der platzregen der sprinkler sprenkelt nasse tropfen auf die nasse erde unter den stummelhalmen und stumm und zufrieden mähen wir unsere vorgärten nach länge und breite zu brei.

    brei macht sinn. damit ernähren wir unsere kinder.
    und unsere narrenkinder ernähren die gesellschaft.
    und unsere gesellschaft ernährt uns.
    und wer uns ernährt, dem müssen wir geben, um später nehmen zu können, also lasst uns doch leben geben und nehmen, was uns gehört, kapuzinerkresse zum beispiel, oder kaffee, wenn wir in diesem kaff eh umkommen, beim ballspiel überfahren von rasenmähern, die uns rasend vor wut und bedürftig nach stille machen.
    und wir dürfen die anderen in ihrer einfachheit und dürftigkeit einfach nicht stören, denn warum sollte man uns dann noch stören, schließlich stürmen nur verstörte menschen nachts halb drei mit dem rasenmäher durch deutsche vorgärten, duschen nach halb drei, rufen na es reicht.

    warum sind wir nicht alle wie ernst und frieda. niemand nimmt frieda ernst und ernst ist nie da.
    das ist normal. und normal ist super und das ist schon wieder im preis gestiegen, da ist endlich platz für sentimentalitäten und die sprinklertropfen auf ernsts morgenblatt.


    Alltagsmelancholie #2
    Tumm tumm tumm, trommelte der kleine Trommler und sah sich um, ob man ihn hörte irgendwo.
    Doch niemand sah ihn an, niemand lauschte seiner Trommelei.
    Niemand beugte sich zu ihm und lobte, wie schön er trommelte.
    Niemand schenkte ihm aufgerissenen Auges Aufmerksamkeit und trommelte mit den Fingern auf einem Knie zurück.
    Tumm tumm tumm, trommelte der kleine Trommler und lief nach Haus.


    Verschwendete Tage
    „Vielleicht morgen“, sagte sie, als ich sie bat mir zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn ich wusste, dass das Morgen noch weit dahin lag und ich mich ihrer noch mit so viel als unwürdig konnte erweisen.
    „Vielleicht morgen“, sagte sie den Tag darauf und den danach und den nach diesem, als ich sie wieder bat mir zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn ich wusste, dass auch morgen sie die selbe Antwort geben würde, wie auch den Tag danach und den nach diesem.
    Als ich doch im Gehen war und nicht mehr wiederkehren wollte, sagte sie zu mir: „Ich liebe“, und es keimte Hoffnung in mir auf, „ich liebe deinen Mantel, den du um mich hüllst, wenn wir spazieren gehen.“ Das genügte mir für's Erste.
    „Und liebst du denn auch mich?“, bat ich sie am nächsten Tage mir zu sagen, doch „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ meinte sie nur und ich blieb.
    „Vielleicht morgen“, sagte sie den Tag darauf und den danach und den nach diesem, als ich wieder flehte doch zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn mir schwante, dass auch morgen sie die selbe Antwort geben würde, wie auch den Tag danach und den nach diesem.
    Als ich doch im Gehen und nicht mehr wiederzukehren bereit war, sagte sie zu mir: „Ich liebe“, und es keimte erneut große Hoffnung in meinem Herzen, „ich liebe deine warmen Worte, die du mir schenkst, bevor wir uns zu Bett begeben.“ Das genügte mir für's Erste.
    „Und liebst du denn auch mich?“, flehte ich sie am nächsten Tage an mir zu sagen, doch „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ meinte sie nur und ich blieb.
    „Vielleicht morgen“, sagte sie den Tag darauf und den danach und den nach diesem, als ich sie wieder verzweifelt anwarf doch zu sagen, ob sie mich liebte. „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ Und mir wurde bange, denn mir war klar, dass auch morgen sie die selbe Antwort geben würde, wie auch den Tag danach und den nach diesem.
    Als ich doch im Gehen war und meine Wiederkehr unmöglich, sagte sie zu mir: „Ich liebe“, und betäubt wurde der Schmerz in meinem Herzen von großer Hoffnung, „ich liebe dein Fragen, ob ich dich liebte.“ Das also genügte ihr.
    „Aber liebst du denn auch mich, mich wirklich und innig?“, fragte ich sie am nächsten Tage mir zu sagen, doch „Vielleicht morgen oder den Tag danach.“ meinte sie nur. Ich aber ging von dannen.


    Der verlorene Schuh
    Ich verlor einmal einen Schuh von meinem liebsten Paar. Das grämte mich sehr, waren es doch die einzigen, die mir noch wie angegossen passten und die noch glänzten, wenn man sie putzte. Aus Trotz vor meinem Schicksal trat ich in nur einem Schuh aus dem Haus und strahlte, weil wenigstens der eine noch so wunderbar saß. Doch die Leute auf der Straße straften mich mit Blicken ob meiner Verschrobenheit und das ging so lang, bis sie mich auslachten und, wie ich über den Marktplatz lief, niemand mir etwas verkaufen wollte, nicht einmal Schuhe. Und wie ich den einen noch ausziehen wollte, merkte ich, dass er zu eng saß und ich nicht mehr herauszuschlüpfen vermochte.
    Ich gehe nun gar nicht mehr aus dem Haus. Meinen Schuh aber trage ich stets weiter.


    Schwarz und Weiß
    Die seichten Nuancen in der Schwärze begannen sich langsam zu drehen, als ich mich behutsam aufsetzte. Immer schneller und schneller – bis sie zu einem weißen Fleck verschmolzen, der langsam Form annahm und schließlich zu meinem Vertrauten wurde.
    „Schon wieder so traurig, hm?“, fragte eine Stimme in meinem Kopf. „Traurigsein bedeutet Vergänglichkeit, mein Kleiner. Die Welt gehört den Lächelnden.“ Ich verzog leicht gerührt die Mundwinkel und spürte, wie meine Wangen eine sanfte, rote Wärme ausstoben. Der Punkt tanzte indessen verspielt vor meinen Augen hin und her, ohne dabei auch nur einen einzigen Ton zu erzeugen.
    „Na, was macht dir soviel Sorgen?“, forschte die Stimme mit überlegener, freundlicher Wärme. Du, hauchte ich. „Was?!“ – Du. Stille.
    Der Punkt war vor meinen Augen zum Stehen gekommen und zitterte nur noch leicht. „Ich?!“, fragte die Stimme. Keine Antwort.
    „Aber...“ Die Stimme versank in Ratlosigkeit, die nur einen Augenblick später totaler Lautlosigkeit Platz machte. Ich hörte nur das dumpfe Pochen in meinen Schläfen – ich musste etwas sagen.
    Es ist die Dunkelheit... Sie wäre perfekt; – ohne dich. – „Ist das so?!“ Ich hörte deutlich die plötzliche Empörung. Versteh’ mich nicht falsch, ich bin nur... – „Oh, ich hab’ schon verstanden.“ Abermals Stille. Der Punkt stand nun regungslos zwischen meinen Augen, sodass ich erstmals sehen konnte, wie er pulsierte: wie in Zeitlupe; auf, ab ... auf, ab ... Schwärze. Meine Augen begannen umherzukreisen.
    Bitte geh nicht. Keine Antwort. Bitte! Nichts... Bis auf: Tapf tapf tapf. Ich drehte mich noch sitzend um und stützte meine Hände in das farblose Gras in der Schwärze, um zu sehen, wie zwei weiße Schuhe vor mir zu stehen kamen. „Ich werde nicht gehen.“, meinte die Stimme in meinem Kopf. Gut., meinte ich und saß einen Moment später wieder reglos wie zuvor. Empört schoben sich die weißen Schuhe um mich herum, bis sie meine Sicht von Neuem erleuchteten. „Warum muss alles vollkommen sein?“, fragte die Stimme in meinem Ohr. „Warum kann nicht einfach alles unvollendet bleiben?“ – Weil dann nichts mehr sicher ist, antwortete ich bestimmt, wenngleich ich mir der zweifelhaften Logik dieser Antwort bewusst war. „Aha...“ Die Schuhe begannen vor meinen Augen miteinander zu tanzen und sich gegenseitig zu umschmiegen.
    „Aber was ist denn Sicherheit und wofür brauchst du es?“, versuchte die Stimme nach einer Weile zu ergründen. Ich schloss kurz die Augen. Das verstehst du nicht. – „Ich will es aber verstehen!“ Die Bestimmtheit überraschte mich, verflog aber in den folgenden Worten wieder gänzlich: „Ich will dich verstehen. Wer bist du? Was machst du hier? Warum willst du Sicherheit? Was ist-“ – Wenn ich es doch sage... – „Nein, versuche es!“ Da war die Bestimmtheit wieder – ich schmunzelte für einen Sekundenbruchteil traurig in mich hinein. Ich weiß es selbst nicht. Ich wusste es tatsächlich nicht. Wer war ich? Was tat ich dort? Warum wollte ich Sicherheit? – Was ist aus mir geworden?
    „Du weißt es selbst nicht?“ Sie bohrte in meinem Kopf. Ich weiß es selbst nicht, wiederholte ich. Ratlose Stille.
    Ein weißer Handschuh legte sich auf meine Schulter und strich mir langsam den Nacken hinauf. Ich bekam Gänsehaut. „Dann bleib hier bei mir.“ – Ich kann nicht. Mein ohnehin von der Schwärze verwaister Blick wurde schummrig und verschwamm schließlich, während ich blinzelnd gegen das kitzelnde Gefühl zwischen meinen Lidern ankämpfte. Tapf tapf...

    Weiße Knie landen in meinem Schoß. Ich schließe abermals die Augen und schlucke. Ich kann nicht... Meine Stimme ist so hauchdünn geworden, dass ich mich selbst fast nicht mehr hören kann.
    Ein weißer Mund berührt den meinen und streicht zart über meine Lippen. Ich beginne wie wild zu blinzeln und spüre, wie mich eine sanfte, lähmende Wärme umfängt.
    Und während meine Hände noch silbern schimmernde Hüften umfassen, versinkt mein Kopf im Gras und alles um mich herum verschwimmt miteinander, bis schließlich nur noch kleine gräuliche Nuancen in der allumfassenden Schwärze zurückbleiben.

    Ich werde ein Teil dieser Schwärze. Doch aus irgendeinem Grund verspüre ich keine Angst, keine Unsicherheit mehr. Ich weiß, dass ich jemand bin, ich habe alle Gewissheit, die mir diese sonderbare Welt vorenthalten hat – aber ich bin nicht glücklich...

    Und dann beginnen die seichten Nuancen in der Schwärze sich langsam zu drehen, während ich mich behutsam aufsetze. Immer schneller und schneller...

    Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 11:09 Uhr)

  4. #4
    [FONT="Palatino Linotype"]Worte in Gesprächsverteilung[/FONT]



    „Das moderne Fräulein O.“ – Fragmente


    O. lernt David kennen.
    Der Tresen eines Cafés.
    Im Hintergrund klingt ein Saxophon. FRÄULEIN O. auf einem Hocker, vor ihr eine Tasse Kaffe, schreibt in ihr Notizbuch. DAVID kommt zielstrebig auf sie zu.

    DAVID:__(sich setzend) Kenne ich Sie von irgendwo?
    O.:______Mag sein. Bin oft dort in Gedanken;
    ________wenn ich träume, wenn...
    DAVID:__ Was träumen Sie denn so?
    O.:_____(sich offenkundig verdutzend) Verstehe die Frage nicht.
    DAVID:__Nun, Träumen ist wie Lieben;
    ________doch ist die Liebe nichts mehr als ein Traum.
    O.:_____Liebe den Traum von der Liebe. Einmal...
    DAVID:__Das ist schön. Sehr schön.
    O.:_____(kurze Pause, verträumt)_____Manchmal.
    Eine Pause, in der FRÄULEIN O. an ihrem Kaffee nippt, dann weiterschreibt und verträumt vor sich hinsummt. DAVID fixiert sie mit den Augen und beugt sich nach vorn.
    DAVID:__Was schreiben Sie da.
    FRÄULEIN O. schaut weder auf, noch antwortet sie.
    DAVID:__Das müssen Worte von der Liebe sein.
    O.:_____(schaut auf)________________In Reimen?
    DAVID:__Kann denn deine Lieb’ im Reim nur keimen?
    O.:_____Sie muss, denn alle Lust will Ewigkeit,
    ________________Will tiefe, tiefe...
    DAVID:________________________Eitelkeit?
    ________Was ist’s, dass Sie den Ethos scheuen?
    O.:_____Nur Pathos lässt uns nicht bereuen,
    ________wie eitel wir uns lieben. Ich...
    DAVID:_(legt ihr die Fingerspitzen auf die Lippen)
    ________Oh, wie pathetisch eitel machst du mich.

    ...

    David nimmt O. mit nach Hause.
    DAVID:__Ich muss nun fahren.
    O.:_____Du nimmst mich mit?
    DAVID:__Wohin wollen Sie denn?
    O.:_____Nach Haus.
    DAVID:__Und wo wohnen Sie?
    O.:_____Weiß nicht. Wo wohnst du?

    Davids kleines Zimmer.
    Die Vorhänge dämpfen das Licht, der Raum ist halb dunkel. Außer einem Schrank und einem Waschbecken ist da ein Bett, unbezogen, darauf liegt eine Hand voll weißer Grabblumen sorgsam verstreut.

    O.:_____Die Blumen... (deutet auf das Bett)
    DAVID:__Von irgendwo; ein Kirchhof, frisch gestreut.
    O.:_____Hast den Diebstahl nicht gescheut?
    ________Vom Grab geraubt?
    DAVID:_____________________Bloß geliehen.
    O.:_____Mich schaudert’s...
    DAVID:________________Still.
    O.:______________________Kann ich fliehen?
    DAVID:__Musst nicht. Ist nichts Arges hier.
    O.:_____Und doch jagt’s eiskalte Schauer mir.
    DAVID:__Das ist die Lust. Das ist die Lust. Geht nicht vorbei.
    ________(küsst sie heftig)
    O.:_____Jetzt erst ist’s die Lust. (gibt sich hin)
    Sie umschlingen sich einige Sekunden.
    DAVID:__(sie plötzlich von sich haltend) Verzeih.
    O.:_____Bin ich zu rein für dich? Gib Acht!
    ________Schliefst und bist aus tiefem Traume du erwacht?
    ________Bald bin ich fort.
    DAVID:__Dann, Augenblick, vergeh.

    ...

    O. mit Konrad.
    Ein Park.
    FRÄULEIN O. und KONRAD schlendern hindurch, sie bei ihm eingehakt. Beide mit verklärtem Blick.
    KONRAD:_(ihr durch das Haar streichend)
    _________________Kindlich scheinen deine Träume.
    O.:______(verträumt) Ohne Zweifel.
    KONRAD:_Sind es Träume von der Liebe?

    ...

    Konrad und David sind nicht vom selben Schlag.
    DAVID:__Nur soviel fällt mir dazu ein.
    ________Ist’s der Menschen Eitelkeit,
    ________dass geweihte Erde ungeweiht?
    KONRAD: Ist’s Gott, der sie uns stehlen hieß,
    ________als man Staaten dort wo fremde gründen ließ?
    ________Nimmst für deine Wonne eines ander’n
    ________Nimmst sein Haus, sein Land und lässt ihn wandern,
    ________Wie jenem deinem Volke es einst angedichtet?
    DAVID:__Wenn andernfalls mein Heim vernichtet...
    KONRAD: Doch war’s nie deins und wird’s nie sein.

    ...

    O. entdeckt Davids Leichnam.
    FRÄULEIN O. auf offenem Feld. Überall lange, verdorrte Grashalme und hier und da liegt Schnee, dazwischen Davids Leichnam. JOCASTE erscheint mit einem Strick in der Hand, ISMÈNE und ANTIGONE eilen als Kinder herbei.
    JOCASTE:_Sanft wiegt das Gras, nur leises Gebaren
    ISMÈNE:__(verträumt) wiegt hin,
    ANTIGONE:_(ebenso)_____wiegt her –
    O.:_______verdorrte Halme im Sonnenstrahlen.

    ANTIGONE:_Drumherum liegt Schnee
    ISMÈNE:___still und glitzernd,
    JOCASTE:__________aus eisigen Türmen –
    O.:________und glitzert nur hell im Sonnenstrahlen.

    ___________Mein Liebster liegt im Gras
    ___________im Schnee still und leis’;
    ___________tut keinen Atemzug und ist kalt.

    ___________Mein Liebster liegt da
    ___________und blutet aus der Brust;
    ___________tut keinen Atemzug und ist kalt.

    ...

    Konrad stellt sich O.
    O.:_____War’s Rache für mich?
    KONRAD: Ich habe geschossen.
    O.:_____War’s aus Eifersucht? War’s Neid,
    ________weil mehr als dich ich ihn liebte?
    KONRAD: Ich habe geschossen.
    O.:_____War’s Mordlust? Hass?
    KONRAD: Hass war’s.
    O.:_____Weil wir uns liebten?
    KONRAD: Ich habe geschossen, weil ich ihn hasste.
    O.:_____Dann war es Mord aus Leidenschaft.

    Geändert von Mordechaj (02.05.2009 um 16:21 Uhr)

  5. #5
    Entschuldigung postum:
    Die mittlere Strophe gefällt mir überhaupt nicht. Es ist zu allgemein und objektiv gehalten. Ist vielleicht Geschmacksache, aber ich find's generell besser, wenn man vom Besonderen auf das Allgemeine schließen kann. Du müsstest ein bestimmtes Buch nennen, einen bestimmten Unwürdigen aus einer bestimmten Generation, und dabei müsste alles auf den Konflikt hinweisen, den du in diesem Gedicht ansprichst.

    Die anderen Strophen aber gefallen mir, auch wenn das Gedicht an sich wie eine Ansammlung von in Versform gebrachten Stichpunkten aussieht. =)

    Reinheit:
    Finde ich irgendwie zu undeutlich. Mag vielleicht daran liegen, dass ich mir das Gedicht nicht oft genug durchgelesen bzw. nicht intensiv genug gelesen habe. Die Standortwechsel im Gedicht sind mir zu rapide, zu undeutlich. Es kann sich kein Bild im Kopf entwickeln. E.A. Poe hat gesagt, auf die Einheit komme es vor allem an. Im Gedicht auf die Einheit des Eindrucks, den der Dichter hervorrufen möchte, und auf die der Schönheit. Es ist nicht das schönste Gedicht, das ich von dir gelesen habe, und es ist eines derer, die – zumindest bei mir – keinen dauerhaften Eindruck hinterlassen haben. Ich kann mir das nur so erklären, dass es zu uneinheitlich ist.

    Alltagsmelancholie #1:
    Gefällt. Allerdings ist es mir ein wenig zu sentimental.

    Wenn ich bloß fliegen könnte:
    Trotz einiger Schwächen (Vög[e]lein,)

    Zitat Zitat
    Und in des Sommers Abendröte,
    Brach mein Schatz unter Schluchzen und Schrei'n.
    In den vorherigen beiden vierzeiligen Strophen wuchs etwas, hier bricht etwas in des Sommers Abendröte. Ich fänd's besser und einheitlicher, wenn hier ebenfalls etwas "wachsen" würde. Aber der Bruch ist anscheinend bewusst gesetzt, immerhin geht es hier um etwas wertvolleres als um Flügel und Schnabel/Mund.

    Die letzten drei Strophen sind genial! Die vorher aufgebaute Spannung entlädt sich quasi in einem Höhepunkt der Gegensätze, was die Relativität der Zeit angeht. Und der dabei entstehende Eindruck ist deutlich und von längerer Dauer. Es wirkt zudem nicht zu sentimental, eher sehr schön melancholisch. Gefällt sehr gut.

    Metonymie der Stille:
    Wieder zu undeutlich, weil zu allgemein, und die Wechsel finde ich zu jäh. Bei mir konnte sich kein Eindruck entfalten. Ich war hin und her gerissen, aber nicht auf eine positive Weise, eher unglücklich.

    Entgleisung:
    Ähnlich wie bei Metonymie der Stille

    Echt:
    Gefällt. Ja.

    Zwang:
    Gefällt ebenfalls. Es wirkt einheitlich. Es passt zusammen. Und es ist nicht zu sentimental. =)

    Käfig:
    Wenn das Leben im Kopf "gestorben" wäre, fände ich es schöner, auch wenn "verdorben" anscheinend besser passt. Mit letzterem kann ich mich irgendwie nicht anfreunden. Wirkt auf mich unpassend.

    Alltagsmelancholie #3 (wo ist 2?):
    Genial!

    Vom Staatengründen:
    Okay. Der Schluss gefällt mir sehr gut.


    Zu den Gedichten allgemein:
    So wirklich vom Hocker hauen sie mich nicht. Aber einige gefallen mir sehr gut. =)

  6. #6
    Als allererstes vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast, die das durchzulesen und ein Feedback abzugeben. =)


    Zitat Zitat von Gonzo Beitrag anzeigen
    Entschuldigung postum:
    Die mittlere Strophe gefällt mir überhaupt nicht. Es ist zu allgemein und objektiv gehalten. Ist vielleicht Geschmacksache, aber ich find's generell besser, wenn man vom Besonderen auf das Allgemeine schließen kann. Du müsstest ein bestimmtes Buch nennen, einen bestimmten Unwürdigen aus einer bestimmten Generation, und dabei müsste alles auf den Konflikt hinweisen, den du in diesem Gedicht ansprichst.

    Die anderen Strophen aber gefallen mir, auch wenn das Gedicht an sich wie eine Ansammlung von in Versform gebrachten Stichpunkten aussieht. =)
    Das war auch eines der Gedichte, die in einer sehr frühen Phase entstanden sind und deshalb unheimlich formlos sind. Eigentlich überlege ich schon die ganze Zeit, das zu ersetzen, weil es tatsächlich nicht viel hermacht, aber mir von der Bedeutungsebene her sehr wichtig war. Vielleicht werde ichs aber auch einfach nochmal umarbeiten, die Holzhammer-Anspielungen auf Märchen gefallen mir nämlich dann doch irgendwo.


    Zitat Zitat
    Reinheit:
    Finde ich irgendwie zu undeutlich. ... Ich kann mir das nur so erklären, dass es zu uneinheitlich ist.
    Auch das werde ich vermutlich doch rausnehmen, mir fehlte es bisher einfach an Konsequenz, allerdings bestärkt mich dein Urteil nun doch sehr. =)
    Letztendlich habe ich mir glaube ich sogar in etwa das gleiche gedacht wie du, nur ist mal als der, der es geschrieben hat, doch dazu verleitet, genug hineindeuten zu können, als dass man sich davon trennen mag - für den Leser tut das natürlich nix zur Sache.


    Zitat Zitat
    Alltagsmelancholie #1:
    Gefällt. Allerdings ist es mir ein wenig zu sentimental.
    Sentimental muss es sein, deshalb ja auch der Titel (es hat mich einfach angestunken, dass es so wenig Möglichkeiten gibt, im schriftstellerischen die winzigen Feinheiten, die man tagtäglich dann doch irgendwo erlebt, zu erfassen - sentimental³ ).


    Zitat Zitat
    Wenn ich bloß fliegen könnte:
    Trotz einiger Schwächen (Vög[e]lein,)
    Tatsächlich ist "Vögelein" korrekteres Deutsch, die Synkope klingt bloß in den meisten Fällen einfach toller. Hier brauchte ich es aber auch, um dem Metrum gerecht zu werden.

    Zitat Zitat
    In den vorherigen beiden vierzeiligen Strophen wuchs etwas, hier bricht etwas in des Sommers Abendröte. Ich fänd's besser und einheitlicher, wenn hier ebenfalls etwas "wachsen" würde. Aber der Bruch ist anscheinend bewusst gesetzt, immerhin geht es hier um etwas wertvolleres als um Flügel und Schnabel/Mund.
    Das war halt ein gespreiztes Mittel, das ich mir ausgesucht hatte, um diesen ganzen Verwandlungsakt zu unterstützen und letztendlich den gewünschten Ausdruck etwas zu verstärken - es ist übrigens toll, dass dir die Stelle aufgefallen ist -; allgemein versucht das Gedicht die Metamorphes von Ovid wieder aufzugreifen und zu erneuern (deshalb der Bruch, der dann in etwas gutes umschlägt; in der antiken Dichtung ist es in der Regel andersherum) ... das aber nur am Rande. =)


    Zitat Zitat
    Die letzten drei Strophen sind genial! Die vorher aufgebaute Spannung entlädt sich quasi in einem Höhepunkt der Gegensätze, was die Relativität der Zeit angeht. Und der dabei entstehende Eindruck ist deutlich und von längerer Dauer. Es wirkt zudem nicht zu sentimental, eher sehr schön melancholisch. Gefällt sehr gut.
    Das war übrigens ein eigenes Gedicht, das war nur verrutscht. =/
    Aber toll, dass es dir gefällt. !_! Ich glaube auch, das war das erste Gedicht überhaupt, das mal etwas Ausdrucksstärke hatte, anscheinend wirkt es doch sehr gut, ich hatte nämlich Bedenken, dass es etwas ins Banale abgleitet.


    Zitat Zitat
    Metonymie der Stille:
    Wieder zu undeutlich, weil zu allgemein, und die Wechsel finde ich zu jäh. Bei mir konnte sich kein Eindruck entfalten. Ich war hin und her gerissen, aber nicht auf eine positive Weise, eher unglücklich.
    Der Text ist an Hermetik auch nicht zu übertreffen, das muss ich zugeben. Hier ist das jähe Umschlagen aber durchaus beabsichtigt und es soll auch ein bisschen pisacken.


    Zitat Zitat
    Entgleisung:
    Ähnlich wie bei Metonymie der Stille
    ...das wiederum ist erstaunlich, weil thematisch, stilistisch und überhaupt vom Gefühl dahinter eigentlich keinerlei Verbindung beabsichtigt war. Hm... wahrscheinlich sind hier die Anspielungen doch zu undeutlich (in der Bildebene selbst wechselt der Schauplatz nur am Ende, allerdings sprengt wohl die fehlende Fokussierung in den einzelnen Dreizeilern den Bezugspunkt weg =/ ).


    Zitat Zitat
    Zwang:
    Gefällt ebenfalls. Es wirkt einheitlich. Es passt zusammen. Und es ist nicht zu sentimental. =)
    Das überrascht ehrlich gesagt, weil es ja dann doch relativ minimalistisch ist. Wenn es dir zusagt, ist das aber ein sehr schönes Zeichen und ehrlich gesagt sehr bestärkend.


    Zitat Zitat
    Käfig:
    Wenn das Leben im Kopf "gestorben" wäre, fände ich es schöner, auch wenn "verdorben" anscheinend besser passt. Mit letzterem kann ich mich irgendwie nicht anfreunden. Wirkt auf mich unpassend.
    Nunja, ein sterbendes Leben wäre aber irgendwie sinnlos. =/
    Im Original hatte ich das auf Französisch geschrieben (in meiner Leslie-Kaplan-schreibt-unheimlich-tolle-Prosagedichte-Phase), da war das verdorben vielleicht noch etwas angebrachter als hier ("la vie, à moi, pourrie" hat im Französischen mehr Ausdruckskraft).


    Zitat Zitat
    Alltagsmelancholie #3 (wo ist 2?):
    Genial!
    #2 ist bei der Prosa, allerdings etwas allgemeiner gehalten, als die anderen beiden.
    Da fällt mir übrigens grad ein, dass #4 eigentlich auch dabei sein sollte, aber irgendwie abhanden gekommen ist.


    Zitat Zitat
    Zu den Gedichten allgemein:
    So wirklich vom Hocker hauen sie mich nicht. Aber einige gefallen mir sehr gut. =)
    Es ist eben noch weit von der Perfektion entfernt... =/

    Ich danke dir aber an dieser Stelle nochmal für deine Mühe, das hilft mir sehr weiter, weil ich jetzt nochmal drüberarbeiten kann, um es dann guten Gewissens abzuschicken.

  7. #7
    Das Problem bei den meisten Gedichten junger Autoren ist -- nicht nur bei dir, ich zähle mich ebenfalls dazu =) --, dass sie ihre Werke zu selten bearbeiten. Wenn ich mir meine Sachen anschaue, dann gefallen mir immer die am besten, die "stundenlang" bearbeitet wurden (nicht an einem Tag, sondern über mehrere Tage oder sogar Wochen hinweg). Bevor du ein Gedicht wergschmeißt -- was man btw niemals tun sollte ;-) -- überarbeite es lieber, füge vielleicht sogar eine andere Intention ein oder setze es gar komplett in einen andere Kontext. Ich find's gut, dass du weiter arbeitest, und deine Sachen nicht beleidigt in die Tonne haust. ^^

    Dazu fällt mir immer ein Bukowski-Gedicht ein, welches nicht ganz ohne Sarkasmus ist:

    Graue Theorie

    Sieh zu, daß du immer ein
    Notizbuch dabei hast. Und
    trink nicht so viel. Trinken
    ruiniert deine Sensibilität.
    Geh zu Lesungen. Achte darauf,
    an welchen Stellen sie Luft
    holen. Und wenn du liest,
    bring es mit Understatement,
    spiel es immer herunter. Das
    Publikum ist smarter, als du
    denkst. Und wenn du etwas
    geschrieben hast, schick es
    nicht sofort raus. Leg es
    erst mal zwei Wochen in die
    Schublade, dann hol es heraus
    und sieh dir's an und über-
    arbeite es, ÜBERARBEITE ES
    immer und immer wieder.
    Straffe die Zeilen, zieh die
    Schrauben an, als wären es
    Drahtseile, die eine Brücke
    mit 5 Meilen Spannweite
    tragen müssen. Und leg dich
    nie ohne dein Notizbuch ins
    Bett. In der Nacht werden dir
    Einfälle kommen, und wenn du
    sie nicht sofort aufschreibst,
    sind sie für immer weg. Und
    trink nicht. Trinken kann
    jeder Idiot. Wir sind
    Literaten.

    Das meiste davon weißt du ohnehin schon bzw. hälst es schon ein. ^^

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