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Thema: Amy In The White Coat

  1. #1

    Amy In The White Coat

    Okay, ich weiß, dass es für den Song viel viel poetischere und nicht so aufdringliche Interpretationen gibt, aber es wäre nicht Bright Eyes, wenn man nicht genug hineindeuten könnte.
    Überhaupt hätte ich mir den Titel eigentlich sparen können, der kam mir sowieso erst bei den letzten paar Zeilen in den Sinn, aber ich fand ihn dann doch zu passend, um nicht darauf zurückzugreifen.

    Ich möchte zuvor noch drauf hinweisen, dass ich natürlich mit meiner altgewohnten Kryptik am Werke bin, aber ich denke, dass man mit einem bisschen Fantasie und ein wenig Sprachverständnis hier ganz gut durchkommt. Es fiel mir übrigens manchmal schwer, die richtigen Worte zu finden, weil jede längere Ausdrucksweise den Schreibstil gesprengt hätte, es aber im Deutschen wirklich sehr sehr schwer ist, komplexe Dinge in bloßen Attributierungen auszudrücken. Das erklärt denke ich auch das Wort "sinistriert", welches ihr zweifelsohne in keinem Wörterbuch finden werdet. Denkt einfach mal an den Unterschied zwischen aktiven und passiven Attributen ... oder so ähnlich \o/.

    Ich warne im Vornherein vor dem Verlust guter Laune.




    Amy In The White Coat

    Manchmal waren es Gedanken, die ihr einfach nur durch den Kopf jagten, wenn sie den Tag allein verbrachte, oder der Lärm der Verschwiegenheit den Kopf zum Zerspringen brachte. Manchmal waren es Träume, die ihr in den Nächten begegneten, nachdem sie zu lang wachgelegen hatte. Manchmal waren es auch einfach nur derartig bedrückende Gefühle, die ihr die Brust sprengten und ihre Augen zu schmerzlosen Tränen drängten. Es waren die einzigen Ausflüchte ihrer selbst und gleichzeitig der einzige Teil ihres Daseins, der ihr nicht den Schlaf raubte – oder ihre Sehnsucht – oder ihre Träume – oder ihre Empfindungen – oder ihre Jungfräulichkeit.


    Die Weide neigte sich leicht, aber lautlos mit dem Wind und ihre Äste geißelten sich gegenseitig, spielerisch um sich schlingend, während sie mehr und mehr an Farbe verloren. Schlagartig verwandelte sie sich in ein Gespenst in wehenden Laken; lethargisch, blass und dem Wind folgend.
    Schneeweiße Füße setzten sich über einen knorrigen, ausgedorrten Baumstamm hinweg und landeten im Moos, unter dem das Unterholz knackte und durch die feucht-grüne Oberfläche stieß. Und sie flog weiter über die bräunlich verfärbten, von den Bäumen verstoßenen Blätter, auf den Fersen dreckglitzernde Spritzer und die Gegenwart.

    Die Nymphe ließ sich schließlich, beraubt ihrer Sprache, an das Ufer ihres Ursprungs fallen und schöpfte die Erfahrung der Heimkehr wie Atem aus kühler Luft. Und der Wahn stand ihr zu Gesicht, er verführte ihr Denken, duftete nach Acryl. Und der Nebel legte sich ihr auf wie eine Decke und hüllte sie in den Schein von Geborgenheit, schlug ihr Flehen aus. Und sie schlief ein; am Rande des starr-klaren, türkis verfärbten Spiegels, der sanft und unmerklich Wellen schlug.
    Die letzte war sie selbst.


    Entfärbte jadegrüne Augen, versteckt unter einer Wolke von Brauen, starrten sie, umspielt von zarten Falten, an, als sie die verschwommenen Schleier aus ihrem Blick verbannt hatte. Schlagartig sog sie, die Stumme, die Reglosigkeit ihrer Umgebung in sich auf.
    „Du solltest deine Haare seltener waschen.“
    Rastlose Blicke schlitterten über ihr Gesicht. Ein Auflachen, das durch das Fenster drang, brachte die Stille um ihre Miene. Ein Zucken, dann verzogen sich ihre Mundwinkel fast unmerklich voneinander weg, als hätten sie vergessen, wie man lächelt. Darauf folgten die Bewegungen einer sich nach dem Schlaf aufrichtenden Katze. Flunsen stieben durch einen Kegel aus kaltem Sonnenlicht.

    „Mach dich fertig.“
    Sie strich sich selbst mit einer hartstichigen Bürste die gegeneinanderblitzenden Haare, welche fetzige Locken erkennen ließen und in einem beißenden Kranz strahlten. Wieder blitzte Jade über das farblose, von Sommersprossen entartete Gesicht. „Deine Lippen…“ Die zerbrechlichen Hände tasteten nach einem farblos glänzenden Kaminrot. Die personifizierte Wortlosigkeit zog neue Schleier auf. Sie vergaß zu atmen. Knarren von Treppenstufen.
    Ein Hauchen verließ die Stille. Die Letzte war sie selbst.


    Es war keine Zeit mehr, ihr mahnendes Spiegelbild zurückzulassen. Als er die Schwelle zu den Dielen des von immer heuchlerischerem Licht umschmeichelten Raumes unter seinem Gewicht zum ächzen brachte, schloss der Wind vor Gleichgültigkeit das Fenster.
    Er, der sie hätte beschützen sollen; er, der ihr Heil Sicherheit hätte zeihen sollen; er hüllte sie ohne einen Hauch von Andacht erst in Fesseln, dann in Furcht und zuletzt in Leblosigkeit. Von der nun still und glatt daliegenden türkisen Oberfläche, wurden nur matte, sinistrierte, jadefarbene Ovale wiedergespiegelt, die mit jedem Zucken, das sie durchfuhr, ein wenig mehr an Glanz und Grün verloren hätten, wenn nicht kleine Perlen, trostspendend und erlösend, den Spiegel mitleidig hinabgetanzt wären und den Schmerz und die Verzweiflung von ihr genommen hätten.
    Und die letzte war nur ein weiterer Teil ihrer selbst, der sich in stummen Schreien verlor.

    Geändert von Mordechaj (12.01.2008 um 20:27 Uhr)

  2. #2
    Mhhh...
    Ich bin nicht ganz sicher was ich von der Geschcihte halten soll.
    Sprachlich hast du meinen Respekt. Mir haben deine Umschreibungen und Sprachgebilde wirklich sehr gut gefallen.

    Den Inhalt der Geschichte... Gewohnt kryptisch? Mag ich.
    Allerdings sehe ich bei deiner Geschichte vielmehr mögliche Wege zur Interpretation, als ich sie momentan nachgehen könnte. (Und da ich ein recht objektiv-denkender Mensch bin fällt es mir schwer nur einen zu wählen - weshalb ich es wahrscheinlich lassen werde und die Geschichte weiterhin als ganzes betrachten werde.)

    Was bleibt noch zu sagen?
    Sehr traurig-schöne Geschichte, weiter so. Ich freue mich jedenfalls auf mehr.

  3. #3
    Vielen Dank für deinen Kommentar und vorallem für die lieben Worte =)).

    Das du mehrere Interpretationsmöglichkeiten siehst, freut mich natürlich riesig, weil das eigentlich genau das ist, wonach ich strebe .

    Geändert von Mordechaj (09.01.2008 um 17:27 Uhr)

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