Zitat Zitat von Diomedes Beitrag anzeigen
Ich tu es mir mit dieser Haltung "Ich bin Scheiße, weil..." allerdings etwas schwer, weil es oft extreme Züge annimmt. Die Phasen der Selbstkritik und Selbstzweifel steigern sich schneller zur Selbsterniedrigung und Depression, als im umgekehrten Falle das Selbstloben sich zur Selbstverherrlichung zuspitzt. Vielleicht kommt mir das aber auch nur so vor, weil ersteres dem Anschein nach "moderner" ist.
Den Absatz würde ich so bedingungslos unterstreichen, unabhängig von bestimmten gängigen Zeiterscheinungen, die die Selbstgeißelung wieder mal hoch preisen und mittlerweile sogar teilweise salonfähig gemacht haben. Der Umschwung vom einen ins andere ist sehr schnell getan und ich werde bei einigen Personen, die zur übermäßigen Selbstverherrlichung neigen, einfach das Gefühl nicht los, dass ein derartiges Selbstpreisen auch nur eine Flucht nach vorne ist, um so durch übertriebenes Hervorheben bestimmter Eigenschaften die eigenen Defizite zu überdecken, anstatt sich ihnen zu stellen.
(Für alle die mich jetzt übrigens darauf hinweisen wollen, das Selbstverletzung unter Jugendlichen ein ernstzunehmendes Problem ist und nicht einfach nur als Modeerscheinung abgetan werden sollte: Ihr habt verdammt nochmal recht und deswegen kann ich diese Bewegung, die das auf eine Modeerscheinung reduziert auch so auf den Tod nicht ab)

Zitat Zitat
Wenn man jedoch stark unter dem Einfluss von Stimmungstiefs- oder Hochs steht, ist man kaum noch in der Lage, eine konstante Linie vorzuweisen, die das eigene Verhalten bis zu einem gewissen Punkt berechenbar machen.
Wenn die Beeinflussung durch diese Schwankungen sehr massiv und auch nach außen hin sichtbar ist, dann ja. Wobei man sich in diesem Fall als Aussenstehender ein wenig an diese Schwankungen anpassen kann, vielleicht mit der Zeit bestimmte Vorboten davon identifiziert und bestimmte Aussagen dann anders wertet. Das problematische ist nur, dass für die betroffene Person die Berechnung des eigenen Verhaltens binnen dieser Schwankungen noch schwerer fällt und damit die eigene Identität und das Selbstwertgefühl noch einmal durch ein Gefühl der Schwäche gegenüber dem eigenen Ich verletzt werden. In gewisser Weise also ein Teufelskreislauf.

Zitat Zitat
Vielleicht ist Präsenz der falsche Begriff. Ich will damit einfach sagen, ohne eine Identität als selbst konstruiertes und unter langsamer, jedoch konstanter Bearbeitung stehendes Bild ist man nicht in der Lage, ein ungestörtes, soziales Verhältnis zu anderen Personen aufzubauen, weil die Bezüge fehlen, und Differenzierungen nicht vorgenommen werden können.
Jap. Wobei man auch hier unterscheiden sollte. Ein völlig ungestörtes Verhältnis gegenüber anderen ist selbst unter "gesunden" Menschen praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Aber es gibt Extreme und die rühren, wie du gesagt hast, meist aus einem gestörtem Verhältnis zum eigenen Ich her - Wenn man es denn so ausdrücken will. Je größer die Schwierigkeiten mit der Identifikation zum eigenen Ich, desto massiver auch die Schwierigkeiten im Umgang mit Anderen.