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Thema: Das Feld

  1. #1

    Das Feld

    Das Feld

    Es war ein eher kühler Frühlingsmorgen. Manche Menschen wären sogar berechtigt gewesen, zu sagen es war noch Nacht; von ihrem Standpunkte aus sicherlich ein wahres Wort. Doch für den armen jungen Bauern, der sein Feld zu bestellen hatte war es schon spät. Das wusste er, obwohl er keine Uhr besaß. Es war für die Zeit schon sehr hell, befand er. Und, hätte er eine Uhr besessen, hätte sie ihm eine Zeit vor 5 Uhr am Morgen angezeigt.
    Er arbeitete schwer, schwerer als die anderen Jungen in seinem Alter, die er von den Ausflügen ins Dorf her kannte. Er konnte nicht viel über sie sagen; er hatte auch nicht viel mit ihnen am Werke, denn er sah sie selten, und seit dem letzten Winter hatte er sie nicht einmal mehr gesehen. Aber was er mit Sicherheit sagen konnte, war, dass sie nicht hart arbeiten mussten, ihre Staturen waren zu schmächtig, wie die von den Weibern.
    Er war der Sohn eines Bauernehepaares. Er war stolz darauf, denn ohne ihn und seine Familie hätte das Dorf viel Hunger zu leiden. Doch seinen Stolz konnte er nicht oft zeigen, denn da war niemand dem er etwas zeigen konnte. Er lebte allein. Geschwister hatte er nicht gehabt und in einer stürmischen, regnerischen Nacht im Herbst des letztens Jahres fielen die Holzhoffs, seine Eltern, die ihrem einzigen Sohn den Namen Alfred A. Holzhoff gaben, Alfred, dem Vater zu Ehren, Adrian dem aus dem Balkan stammendem Großvater zur Erinnerung, einem schweren Gewittersturm zum Opfer. Ebenso wie die Eltern Alfreds starben bei dem Unwetter auch die Hälfte der Rinder und die beiden Ackergäule. Da er keine Ersparnisse hatte, musste er nun das Feld von Hand mit dem Getreide beseelen, dem Acker seine Lebensaufgabe aufbringen, und die Saat ihrer Bestimmung zuführen.
    Um seinen Eltern ehrenvoll zu gedenken, lebte der einzig verbleibende Spross der Holzhoffs mit Leib und Seele für das Feld. Er opferte viel, so hatte er seit Wochen mit niemandem mehr gesprochen, und das nur, damit er mehr Zeit für das Feld hatte. Es bereitete ihm viel Mühe, doch an dem Feld hing er sehr, mehr als an sich selbst.

    Alfred wachte auf, ein sehr lautes Donnern hatte ihn geweckt. Als er sich diesem Umstand bewusst wurde, begannen Tränen seine Augen zu bedecken und wie sanfte Gewässer an seinem Gesicht herunter zu fließen. Das letzte Gewitter, das er erlebt hatte, hatte sein Leben für immer verändert, ihn seiner Eltern beraubt, sein Leben in ein hartes, unbeugsames Dasein als Schwerstarbeiter von Jugend an, gedrängt. Der Verlust schmerzte ihm dennoch mehr, denn es bereitete seinem Herzen die einzige Freude, die er im Leben hatte, sich um das große Feld der Familie zu kümmern. Um sein alleiniges Feld. Er hatte keine Familie mehr.
    Er hörte den Regen auf den Dachschindeln aufprallen, es war laut. Rauschend stark war der Niederschlag; Alfred wusste, dass dies die mühevoll von Hand in die Erde getriebene Saat wieder ausschwemmen, und so seine Arbeit der letzten Wochen zunichte machen, konnte.
    Wäre er Christ gewesen, so wie die Menschen im Dorf, würde er nun beginnen zu beten, dass Gott sein Feld rette. Er tat es nicht; seit dem Verlust seiner Eltern hatte er Gott und der Kirche abgeschworen, ja sogar seine Bibel und das Kreuz verbrannt. Er hoffte, dass die Natur beschloss, nicht zu kräftig zu wüten, denn eine Missernte in diesem traurigen, tristen Jahr würde sein Dasein beenden, dessen war er sich bewusst.
    Er musste bald wieder heraus aus dem Bett und mit dem Tag beginnen, denn das Feld würde nicht warten. Aber er wollte sich erholen und so schlief er wieder ein, um bald wieder aufzustehen. Dazu kam es nicht, denn als er die Augen nach dem Schlaf öffnete, war es zu Hell draußen, als das es noch früh am Morgen sein könnte, doch etwas war anders, anders als an den anderen Tagen. Er ging ans Fenster und erblickte sein eigenes Grauen, das schlimmste das passieren konnte, die Regenwolken hingen immernoch am Himmel, und entließen ihr Wasser unabdingbar auf die Erde prasseln. Den Acker gab es nicht mehr. Er sah auf eine große, seichte und von kleinen matschigen Inseln durchsetzte Wasserfläche. Das war das Aus. Es gab nichts mehr für ihn zu tun. Davon konnte er sich nicht mehr erholen.

    Er schloss mit dem alten Leben ab. Sein Leben war ohnehin zerstört. "Leben, was ist dieses Leben, dass es mir das alles nimmt, was ich am meisten liebe!". Er beschloss, auf Wanderschaft zu gehen, um vielleicht bei einer anderen Bauern Familie, oder in einer Handwerkerei arbeiten zu können. Er nahm sich nur ein wenig Brot, und verließ den Hof; er verließ den Hof für immer. Nie wieder wollte er dahin zurückkehren, und so setzte er das Haus in Brand und entließ die Tiere in die Freiheit.


    "Alfred, Alfred, wach auf! Joseph ist verschwunden!", die Stimme erkannte er, es handelte sich um seine Frau, Ariane. Er hatte sie schon drei Monate, nachdem er sein Heim im Brand verlassen hatte, getroffen. Sie war die Tochter einer Sprachgelehrten, die bei der spanischen Flotte zur See fuhr, um im Auftrage der Königin die Gespräche zu übersetzen, und so seit Jahren und für viele weitere Jahre nicht Heim kommen konnte, und eines deutschen Braumeisters. Er half dem Braumeister in der ersten Zeit bei der Braukunst um sich den Unterhalt zu verdienen. Doch nach einiger Zeit fand die Tochter Ariane an Alfred Gefallen, und er sah sich, trotz dem Umstand, dass er keine über gute Freundschaft hinaus reichenden Gefühle hatte, nicht in der Lage ihrem Werben mit Ablehnung zu antworten. So wurde aus den beiden Mann und Frau. Nun, noch fünf Jahre später war bereits der erste Sohn, Joseph Alfred geboren, und zwei Jahre alt.
    Durch ihr Rufen verließ er das Schlafgemach, und ging trockenen Schrittes zu ihr. Sie saß dort, mit dem kleinen Joseph auf dem Arm. "Ariane, was reißt du mich aus dem Schlaf, den ich mir nach dem Tag voll harter Arbeit redlich verdient habe, wenn doch der Joseph hier, in den Armen seiner lieben Mutter, sicher und geborgen zu finden ist?". Sie lächelte nicht, sie blickte ihn traurig an, "Alfred, ich bin nicht deine Frau. Ich glaube nicht, dass du mein Mann bist. Wie soll ich nur meinem Herrn Vater erklären, dass es zwischen uns beiden nichtig ist, und vorbei?". Er verstand im ersten Moment ihre Worte nicht, sein Mund wurde trocken, seine Augen begannen zu brennen. "Was sagst du? Nicht meine Frau? Nicht dein Mann? Nichtig? Was erzählst du da? Was lässt solch verwirrte Worte aus deinem Mund emporsteigen?", er verstand nicht.
    Sie sprach, langsam, wohl über ihre Worte bedacht, um ihn nicht zu verletzen, "Ich spüre, ich spüre das ich nicht deine Frau bin. In deiner Vergangenheit, über die du so undurchdringbar schweigst, hat es einst eine große Liebe gegeben, für die du bereits das dir innewohnende Herzblut opfertest, sodass mir kein Tropfen des dir wichtigsten Blutes zu teil kommen kann.".
    Ihm wurde schwindelig, er sah die toten Körper seiner Eltern auf dem Feld liegen, dann den überwässerten Acker, das brennende Haus, zu dem er nur einmal zurückblickte. Nach einigen Momenten der Erinnerung sprach er, "Du hast recht. Deine Worte, deine Zunge spricht die Wahrheit. Alles was seitdem passierte war ein Fehler. Es belastet mich, dass ich deine Familie mit in mein Leben einbezog, in mein Leben, das schon endete, als ich damals meine Heimat verließ, statt um mein Dasein zu kämpfen, auch wenn dieser Kampf aussichtslos gewesen wäre. Ich habe mein Leben, den Geist des Daseins, die Moral der Menschlichkeit verraten.". Sie wandt’ sich ab, sprach kein Wort.
    Noch bevor die Hähne den Anbruch des neuen Tages ankündigten, nahm Alfred sein Brot, und verließ das Haus.

    Nach einer langen und beschwerlichen Reise, die bereits einen Monat dauerte, traf er in dem Dorf ein, in dessen Nähe früher das Feld seines Vaters und das Feld seiner Mutter lag. Er suchte nach dem örtlichen Gasthaus, und frage den Wirt, was mit dem Feld in den letzten Jahren passiert sei. Der Wirt sagte, das sich nach dem Brand des Hauses niemand dem Gehöft nähern wollte, denn das Feld sei verflucht, nur so sei das Leid zu erklären das die Holzhoffs erfahren hatten; erst starben bei einem Gewitter der Bauer und die Bäuerin. Dann, kein Jahr später, kam der Sohn bei einem Hausbrand ums leben.
    Alfred merkte, dass er nicht erkannt wurde - verständlich, er war nicht oft im Dorf, und die Zeit lag lange zurück. "Doch, Herr Wirt, wieso bestellte niemand das Feld? Es hätte dem Dorf gut getan, wenn das Feld seine Frucht gegeben hätte, das Feld hätte die Menschen genährt, die, die es besät hätten, und die, die genährt werden mussten." Der Wirt sprach, dass dies durchaus einige Versucht hätten, doch alle Pflanzen wuchsen in der ersten Zeit so schnell, dass man glaubte, der Teufel sei am Werk, doch dann verkümmerten sie alle, bis schließlich der Boden selbst zu verdorren begann. Der Wirt sprach im Scherz, das das Stück Erde, auf dem das Feld lag, seit dem Tod der Familie schmollte, weil sie das Feld im Stich gelassen hatte.

    "Also gibt es für das Feld keine Hoffnung mehr, es ist endgültig verlorenen und dazu verdammt Brach zu liegen?" Alfred blickte bedauernd zu dem Wirt, doch der sprach, dass dies nicht der Fall wäre. Das Feld habe beschlossen, wieder gut zu sein, besser als je zuvor. Er sprach in den höchsten Tönen davon. Es wäre geradezu ein Wunder, sprach er. "Ein Wunder? Was für ein Wunder kann sich ereignet haben?". Der Wirt sprach, das Feld habe vor ungefähr einem Monat aufgehört mit dem Gram. Es läge sich seitdem mehr ins Zeug als in all den Fruchtbaren Jahren vor dem Unglück der Familie. In einem Monat sei die ganze Saat, die gar niemand gesät hatte aufgegangen, und sei bis zur Erntereife gewachsen. Es schien auf den richtigen Zeitpunkt zu warten um seine Schätze freigebig zu verteilen. Der Wirt blickte Alfred vielsagend an. Nach einer kurzen, nachdenklichen Miene seitens des Gasthausbesitzers sprach dieser "Ihr seht dem damaligen Jungen Alfred A. Holzhoff sehr ähnlich, mein Herr, wisst ihr das?". Doch Alfred ging schwebenden Schrittes auf den Ausgang zu, "Mein Leben beginnt nun, es hat mir den Verrat verziehen. Ein neues Leben, geboren aus der alten Liebe. Geboren aus dem langsamen Sterben."

    Geändert von Chaik (27.12.2007 um 23:00 Uhr)

  2. #2
    Hab's grad mal gelesen.

    Wiederum ist deine Geschichte sehr gut geschrieben, die Worte passend gewählt, es gibt keine Stolperstellen, nur ein paar Kommafehler sind mir aufgefallen.

    Dieser Holzhoff kommt auch wieder vor, also ist die Geschichte mit "dem Förster" verknüpft? Soweit ich das kapiert habe, ist es einfach der gleiche Prot aber die Geschichten hängen ansonsten nicht wirklich zusammen, richtig?

    Leider kann ich mit dem Inhalt der Geschichte nicht so viel anfangen, aber das liegt daran, dass ich halt solche Geschichten eher weniger mag. Also leg nicht zu viel Wert in meine Meinung, andere werden die Story bestimmt besser und ausführlicher kommentieren können.

  3. #3
    Deine Worte sind gut gewählt, wenn auch manchmal etwas steif oder ein kleiner Stilfehler drin ist. Doch mir gefällt deine Geschichte, sie ist in sich sehr konsequent, kompakt und vielschichtig geschrieben. Die Absätze die immer wieder die einzelnen Fragmente trennen sind gut gewählt.
    Die vordergrundhandlung ist ja im eigentlichen Sinne recht einfach gehalten, aber der metaphorische Hintergrund ist interessant und regt auch ein bisschen zum Denken an.

  4. #4
    Wie schon meine Vorgänger meinten kann ich nur deine Wortwahl loben, keine Wiederholungen, aber alles wirkt so wie das ein oder andere Gebrüder Grimm Märchen. Würde nur noch ein und er lebte in Frieden bis er im Jahre bla starb fehlen. Es gibt jetzt Möglichkeiten. Was willst du mit der Geschichte?

    1.Nichts: dann hab einfach weiterhin Spass am Schreiben
    2.Eine Moralpredigt: Dann ist der Stil beweiten nicht schlecht gewählt, es wäre sogar ein schönes Märchen, aber versuche deine Message dann klarer hervorzubringen und weniger Melodramatik.
    3.Gefühle?: Dann geh auch mehr auf die Gefühle ein, deine Figuren wirken ziemlich unnahbar, ja fast austauschbar, sie haben kaum Individualität sondern sind Stereotypen die überall vorkommen, gib ihnen Gedanken und Gefühle die sind für den Leser nachvollziehbarer machen

    im allgemeinen finde ich das du ein bisschen zu viel mit kitischiger Clichee Dramatik spielst... es ist so eine Geschichte wo man dem Chara einfach nicht abnimmt dass er jetzt wirklich am Ende ist und ihn dies oder jenes berührt. Alles kommt so Schlag auf Schlag. Ich hatte die Geschichte mit der gleichen Emotionslosigkeit gelesen wie ich die Zeitung lese wenn im Panoramateil 9 von 10 Artikeln von Toten etc. handeln.

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