Ohhh den FIlm werd ich mir sicher holen! ICh liebe solche Filme!
Der blanke Horror liegt im Keller
Das Genre des Horrorfilms hat auf der diesjährigen Viennale der Spanier Isidro Oritz in allen Facetten ausgereizt. "Eskalofrio" (dt.: "Schauer") heißt die Arbeit, die von Barcelona in ein enges Bergtal in den Pyrenäen führt. Als blanker Horror erweist sich neben dem Treiben einer Bestie das Verhalten einer bigotten Landbevölkerung, die manch düsteres Geheimnis im Keller verbirgt.
Licht als Bedrohung
Erst wenn die Sonne untergeht, beginnt das Leben des 16-jährigen Santi (Junio Valverde). Er leidet unter Photophobie, einer Lichtunverträglichkeit, die ihn in der Schule in Barcelona zum Außenseiter macht. Nur in nördlichen Regionen wie Lappland könnte Santi ein Leben unter normalem Tageslicht führen. Doch ein neues Leben im Norden käme für Santi und seine Mutter zu teuer.
Als Kompromiss bleibt der Umzug in ein Bergdorf in den Pyrenäen, in dem die Sonnenbelastung zumindest nicht so hoch ist wie in der Stadt. Doch gerade in den Bergen verstärkt sich für Santi, der immer den Schatten der Bäume suchen muss, die Erfahrung des Außenseitertums. Diese Erfahrung verschlimmert sich, als knapp nach Santis Ankunft eine Bestie zunächst Tiere in der Nacht reißt und später Menschen tötet. Und immer ist Santi bei diesen Vorfällen in der Nähe. Schnell fällt der Verdacht auf den zurückgezogenen Städter, der sich das unheimliche Wesen nur ausgedacht haben soll. Doch Santi kommt selbst schrittweise dem Geheimnis um die Tötungen auf die Spur. Der Weg führt zu einem jungen Mädchen, das als Wolfsmensch im Wald aufgewachsen ist - und sich offenkundig für ein Verbrechen in der Vergangenheit rächt.
Ökonomie des Schreckens
Regisseur Ortiz hat seinen Plot gekonnt inszeniert. Die Erkrankung seines jungen Helden, die Kombination von Licht und Haut, wird zum Leitfaden des Films. Ortiz dekliniert die verschiedenen Formen von Dunkelheit und Finsternis durch und scheut dabei nicht davor zurück, die Seherfahrungen des Publikums auf eine teils harte Probe zu stellen.
Immer wieder hetzt er seine Zuseher durch die düsteren Pyrenäentäler - scheinbar auch, um zu zeigen, dass hier mehr als nur ein "klassischer" Horrorfilm verhandelt wird. Ortiz arbeitet mit einer Ökonomie des Schreckens, weil er sich letztlich für die Gesellschaft interessiert, von der dieser Schrecken ausgeht. Der Horror ist nichts Übernatürliches, er kommt aus der Mitte der Gesellschaft.
Das Haut-Ich
Die Haut wiederum wird hier zur deutlichen Grenze zwischen dem Ich und einer bedrohlichen Welt. Für Santi ist Licht alles andere als die natürlichste Sache der Welt. Aber auch das Leben unter den Menschen ist für Santi nicht selbstverständlich. Er ist ständige Abgrenzung gewohnt - und nimmt Bedrohung grundsätzlich über die Haut wahr. Ortiz scheint sein Publikum mit aller Vehemenz darauf hinweisen zu wollen, wie sehr Angst im Horrorfilm ein epidermes Phänomen ist. Nicht nur die physischen, gerade auch die psychischen Verletzungen gehen bei ihm sichtbar unter die Haut.
Der Außenseiter und die Bestie
Der einzige Rettungsanker in der Welt von Santi wird die Tochter des Kommissars - was ein Tribut an den Kitsch sein mag, aber erzähltechnisch sinnvoll ist, braucht Santi doch eine Verbündete, die aus der Mitte des Dorfes kommt, um die Verschlossenheit und Bigotterie eines tief katholischen Ortes in den Bergen zu knacken.
Die Kirche scheint auch ihre Finger im Spiel zu haben beim Verbergen eines jungen Mädchens, das nicht nur im Haus von Santi ihr Unwesen treibt. Ein deutscher Name taucht auf: Erika Hässler, ein Wolfskind. Sie könnte die Bestie im Wald sein.
Erst im Verlauf des Filmes wird deutlich, dass die Bestie und der Außenseiter aus der Stadt "Verwandte" im Geist sind. Beide decken am Ende das dunkle Geheimnis einer Familie auf, die die Konventionen eines kleinen Dorfes genutzt hat, um die eigenen schuldhaften Verstrickungen zu verbergen. Der Weg der Wahrheit führt bei Ortiz in den Keller. Auch in Spanien scheinen die grausamsten Geheimnisse einen Stock unter der gutbürgerlichen Wohnstube zu schlummern.