So, ich habs dir ja versprochen. Ds Review ist wieder mal erstklassig gelungen und mehr als fair beschrieben. Immerhin haben wir es hier nicht nur mit einem Klassiker zu tun, sondern mit dem Klassiker schlechthin, was sich natürlich auch in allen Bereichen so richtig zeigt. Du bist da sicher beim Spielen mit der richtigen Einstellung reingegangen: Davor gabs nix, und danach wurde halt alles andere besser oder sagen wir: anders gemacht. Überaus archaisch das ganze, aber nicht ohne Charme... eben der unvergleichliche Dragon Quest Charme, der die Spieler in seinen Bann zieht. Genau das, was auch Horii wollte:

Zitat Zitat von Horii Yuji
Ich denke, das Rollenspielgenre an sich ist ziemlich faszinierend. Als ich zum ersten Mal Dragon Quest gemacht habe, waren Computer-Rollenspiele auf immer noch sehr stark im Bereich der Hardcore-Fans und nicht besonders zugänglich. Also hab ich beschlossen, ein System zu kreieren, welches verständlich war und einen emotional beteiligt. Und dann hab ich meine Geschichte in dieses Rahmenwerk gesteckt.

Geschichten für Rollenspiele kamen ursprünglich von den Spielern, nicht von den Erzeugern. Allerdings benötigt man da als Spieler ein gewisses Talent. Also erfand ich einen Geschichtsfluß und hab den Spieler in die Rolle des Helden schlüpfen lassen, sodass er die Geschichte aus erster Hand erlebt.

Ich war außerdem sorgfältig bei der Gestaltung der Welt, in der sich Spieler wirklich wohl fühlen sollten. Zum Beispiel bei den Kampfnachrichten. Die meisten Spiele zu dieser Zeit zeigten Nachrichten wie "Das Monster wurde getötet!" an. In Dragon Quest I wollte hab ich mich allerdings für die wärmere Form "Das Monster wurde besiegt" entschieden.

Ich erschuf eine Welt, in der die Spieler zu Helden wurden und ihre eigenen Abenteuer in einer warmen und humorvollen Welt erleben konnten. Ich denke, dass dieser Stil sehr zur Beliebtheit der Serie beigetragen hat.
Quelle: Nintendo Power.

Gehen wir also mal alles der Reihe nach durch, mit dem Wissen eines jungen, japanischen Teenagers Mitte der 80er Jahre:

Story:

Falsche Einstellung: Wie, der König erzählt mir das gleiche wie das Handbuch... und das war's dann schon?
Bessere Einstellung: Naja, die Stadtbewohner haben wenigstens ein paar witzige Geschichten zu erzählen.
Richtige Einstellung: Ich bekomme am Ende das Mädchen! Und die Schnecke aus Tantegel auch!

Klar, die Story ist der typische Held-rettet-Prinzessin-Plot, aber um die Geschichte gings in Dragon Quest ja auch nie, sondern eher darum, wie man selbst die Geschichte erlebt. Wenn man so durch Alefgard streift und sich von den verschiedenen Leuten Legenden über Garin, Erdrick und Co. erzählen lässt, gefährliche Orte entdeckt oder so manche Stadt von fiesen Monstern befreit, mit den Hilfsmitteln, die einem ein Wanderer ein paar Städte zuvor erst ans Herz gelegt hat, kommt doch wahres Rollenspiel-Feeling auf. Und das ist auch der Kern in der gesamten Reihe, und wurde später noch viel besser ausgebaut (am besten wohl in DQ7... wobei das Entdeckergefühl in DQ3 und DQ8 am herausragendesten war... wie auch immer, ich schweife ab).

Außerdem gibts noch zusätzliche Background-Info (ob die aus dem Manual kommt oder aus der zahlreichen Zusatzliteratur, weiß ich nicht mehr) den Dragonlord betreffend, der ja auch eine eigene Geschichte hat.

Mir selbst fehlt es ein wenig schwer, die Geschichte nur auf DQ1 konzentriert zu betrachten, weil das ganze ja nur der Auftakt zur Roto Trilogie ist, wie du schon richtig erwähnt hast, Enkidu. Und so gesehen, als erstes Kapitel einer großen Saga erfüllt er seine Dienste voll und ganz.

Was die Übersetzungen angeht, so hat Nintendo damals schon einiges weggelassen bzw. abgeändert, ebenso in den restlichen NES-Teilen. Zum einen wurden sämtliche Referenzen auf das Christentum entfernt und Kreuze bsp.weise durch den Davidsstern ersetzt. Später mit der Einführung der Truppen (also ab DQ2) wurden gefallene Charaktere in Särge gelegt. In Dragon Warrior allerdings schleppt man keine Särge mit sich, sondern Geister laufen einem nach. Und das schlimmste: Sämtliches Fluchen oder frivole Anspielungen wurden restlos gestrichen. Also kein Schäferstündchen mit dem Groupie in Tantegel (Brecconary), kein Puff-Puff (dt: Oh La La) in Kol, kein alter Spanner bei den heißen Quellen... ach, der ganze, schöne Toriyama/Horii Humor geht flöten Dafür sprechen sie nach "ye olde tongue" und der Held kann in alle vier Richtungen blicken, ist ja schon was.

Die GBC Fassung hält sich übrigens stärker am japanischen Original und hat alle frivol-schlüpfrigen Scherze dabei. Auch kann man wieder Särge schleppen.

Ich möchte dann noch schnell ausholen und den Dragonlord groß hervorheben, dem Antagonisten schlechthin Zumindest für die damalige Zeit... dass man gegen einen Obermotz am Ende kämpft ist ja nichts neues, aber dass der nach der Hälfte des Kampfes sein wahres Gesicht zeigt und dann noch so ikonisch sich vor einem aufpflanzt... also, das hat schon was! Ich bin übrigens sehr froh, dass der Knabe in den aktuelleren DQ-Spielen hie und da wieder einen Cameo-Auftritt hat. Wo verrate ich aber nicht, Enkidu, dass musst du schon selbst herausfinden

Gameplay:

Falsche Einstellung: Ächz, noch ein Zufallskampf ...
Bessere Einstellung: Naja, wenigstens kann ich nebenbei CSI schauen, ohne was wichtiges zu versäumen.
Richtige Einstellung: Yippie! Noch 134 Zufallskämpfe und ich kann mir endlich eine Full Plate Armor leisten!

Ich weiß, genauso archaisch, nicht? Trotzdem... denkt mal an folgendes: Ihr stapft in einer relativ großen Welt umher und entdeckt eine Menge an Fieslingen, die alle oft erst nach hochleveln, mit neuen Waffen oder mit neuen Zaubersprüchen zu bekämpfen sind. Dann taucht auf einmal einer auf, der euch bekannt vorkommt, und ist dank Re-Color Sprite komplett anders zu bekämpfen! Dann gibts magische Schlüssel.. und ihr entdeckt sogar einen Ort, wo ihr die billig kaufen könnt. Ihr müsst ein paar uralte Items zusammenklauben um eure Quest zu erledigen. Ihr könnt die Prinzessin in euren Armen nach Hause tragen (wenn ihr wollt, könnt ihr sie sogar mit zum Dragonlord bringen ), ihr könnt außerdem ein paar echt tolle, alte und legendäre Waffen/Ausrüstungen finden, von denen ihr irgendwo in einer Stadt gehört habt. Und hey, was ist das für eine Oberfläche, die zieht mir ja Lebenspunkte ab, aber mein Magic Armor schützt mich davor.

Ja klar, Basics... aber damals alles neu und innovativ. Nahezu richtungsweisend.

Außerdem gilt für das Gameplay das gleiche wie für die Story: Seinen Helden auszubauen, zu stärken, ihn besser auszurüsten ist genauso wichtig als ihn heil durch die Spielwelt zu bringen und ihn die Geschichten der Dorfbewohner anhören zu lassen. Erfahrung sammeln auf zwei Ebenen!

Ich weiß nicht, ob ihr Ultima kennt ... also die PC Spiele, nicht die runtergeschraubte und auf DQ angepasste NES-Fassung Dragon Quest ist sozusagen eine Art Ultima Light... auch light-hearted, also viel lockerer und witziger, und das Gameplay halt auf die Basis-Features zugeschnitten.

In den Remakes gibts übrigens eine Vielzahl an Kommandos nicht mehr, da wurde alles auf den A-Button verlagert... zum Glück Die DQ-Menüs können ja ziemlich nervend sein in den ersten Teilen, aber spätestens bei DQ7 wird jeder eingestehen, dass es nichts schnelleres und komfortableres in einem Rollenspiel gibt als schwarze Textboxen

Was ich noch erwähnen möchte sind die zum Teil knüppelharten Dungeons. Also, im Original ist das ganze noch unglaublich labyrinthartig und zum Teil richtig fies, vor allem mit dem eingeschränkten Sichtfeld. Gottseidank etwas, dass man im Remake geändert hat.

Achja, noch etwas zu den Passwörtern im Original. Leider etwas, dass durch das Speichern verloren geht (auch wenn man danken kann, dass der Batteriegestützte Speicher endlich seinen Weg in die Module gefunden hat): Es gibt ein paar Gag-Passwörter, mit denen man spezielle Eigenschaften freischalten konnte... ähnlich wie Cheats. "Schleim ist arm aber Skelett ist reich" brachte zum Beispiel unendlich Gold

Grafik:

Falsche Einstellung: Argh, meine Augen!
Bessere Einstellung: Das ist von Toriyama, das muss gut sein!
Richtige Einstellung: Wow, Farbgrafik! Und viel besser als auf meinem Colecovision!

Zugegeben, optisch ist keins der NES-DQs eine Pracht, aber wenigstens hat DQ1 noch den großen Pluspunkt, dass es farbige Hintergründe gibt, in denen wirklich wunderschön ausgearbeite Monstersprites rumlaufen. Der Feld und Weltkarten-Modus ist natürlich ätzend, aber seid froh, dass ihr nicht das japanische Original gespielt habt

Die Remakes sehen alle echt klasse aus. Das Super Famicom Remake sieht so aus wie DQ5 .. also hübsch bunt. Die GBC-Remakes orientieren sich an Dragon Quest Monsters mit ein paar Upgrades. Am hübschesten ist wohl die Fassung fürs Handy ... DQ6-ähnlich.

Sound:

Falsche Einstellung: Pieps, Dudel, Ding, AUTSCH!
Bessere Einstellung: Eine Melodie? Ich hör da tatsächlich eine Melodie?
Richtige Einstellung: Die Weltkartenmusik ist ein wahrer Ohrwurm!

Es tut mir fast ein bissl weh, dass du dem Sound nur 2/5 gibst... die Soundeffekte sind nämlich wirklich in Ordnung (und werden auch noch 2008 verwendet ), und der Soundtrack ist einfach himmlisch! Gerade das Overworld-Theme, ... "Unknown World" genannt, ist einer meiner absoluten Lieblingstracks überhaupt, nicht nur in DQ, sondern generell bei Videospielen. Auch fasst "Unknown World" das Hauptthema des Spiels, und der gesamten Reihe, das Entdecken und Erforschen, so gut in Töne wie kein zweites Stück. Hm, ich sollte dir echt mal die Symphonic Suites zukommen lassen


Mein Fazit: Dragon Quest sollte man wirklich nur dann spielen, wenn man mit Retro-RPGs umgehen kann und ein wenig Sinn für Geschichte hat. Heutzutage schrecklich überholt, aber im richtigen Licht unglaublich sympathisch Ich liebe dieses Spiel und zocks hie und da wieder einmal gerne. Die GBC Fassung hat man ja an einem Tag durch


Also, was deine Screenshots angeht.. wenn du willst, schick sie mir einfach per Mail an muaddib@dragon-quest.net, und ich stell sie auf meine Seite. Ich hab ja auch gut 100 Shots von der GBC Version, von denen ich einige auch mal online bringen möchte.


Außerdem bin ich sehr gespannt über deine Meinung zum Ending. Du musst es mir erzählen ... No? But thou must!


Ach, und sag mir, ob ichs richtig gemacht hab... ich hab schon lang in keinem RPGH mehr gepostet