Eigentlich kann ich schon sagen, dass mir die individuelle Freiheit und die Rechte, die damit einhergehen, sehr wichtig sind und ich sie schätze. Was für mich hier selbstverständlich ist, ist nicht überall so. Das wurde mir einmal mehr bewusst, als ich heute einen kurzen Artikel las, der das (ab)Leben von russischen Redakteuren eines recht progressiven und systemkritischen Blattes beschrieb. Es gab da eine Redakteurin, die in meinem Alter war und die man eliminiert hat. Ich bewundere Leute, auch gerade noch sehr Junge und mutige Menschen, die sich für eine Sache einsetzen, aber sich dessen bewusst sind, dass ihr Idealismus Konsequenzen in Form von Tod und/oder Folterungen nachsichziehen kann.

Würde ich aber genau so handeln? Eine hypothetische Frage und natürlich ist es mehr als müssig darauf antworten zu können, schliesslich kann ich es ja nicht wirklich einschätzen. Hier herrscht das Recht der Meinungsfreiheit (und es ist nicht nur nominell - ja klar gibt es Einschränkungen (siehe ARG oder Demonstrationsverbot)) und noch viel wichtiger, das Recht auf Leben und Menschenwürde. Es gibt keine Sklaverei, jedenfalls nicht im klassischen Sinn, ansonsten gibt es auch in den Industrieländern Menschenhandel und/oder Zwangsprostitution. Kleine Randbemerkung: Zu dieser Thematik empfehle ich den Film Lilja 4 ever. Auf was ich hinaus will, ist eigentlich der Umstand, dass es viele Möglichkeiten von Freiheitsberaubungen und Einschränkungen gibt.

Es ist einfach zu sagen: Ja, für meine Überzeugungen kämpfe ich. Aber ich denke, hier muss man differenzieren, oder jedenfalls muss ich das (wir reden immer noch von einer rein theoretischen Überlegung), denn wie beschrieben hängt alles sehr von den Umständen und Gegebenheiten ab. Um das ganze ein wenig zu vereinfachen und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen:

1. Europa vor/während 2. WKs
2. Autokratische Staatsform
3. Demokratie, Hier und Heute

Also real existierende Beispiele von Staatsformen unter teilweisem Einbezug der Geschichte. Es sind dies mal mehr oder weniger Extremsituationen. Meine Frage an euch ist nun, ob ihr für die Demokratischen Rechte, eure Überzeugung und/oder die individuelle Freiheit kämpfen würdet.

Sehen wir uns mal den 2. WK an. Da gab es verschiedene Widerstandsbewegungen und Grupppierungen. Eine Weisse Rose agierte anders, als die Guerillas im faschistischen Spanien. Die einen kämpften mit Worten, Pamphleten, die anderen direkt mit der rohen Gewalt und den Waffen. Während es bei ersteren um die Propaganda des Wortes geht, steht bei letzteren die (Propaganda der) Tat im Vordergrund. Und wenn ich mir überlege, ob ich eine Sophie Scholl wäre, dann bin ich mir nicht ganz sicher. Ich kann das natürlich sehr schwer einschätzen. Die Authoritäten die das Land regieren erscheinen absolut, es ist alles viel konzentrierter (räumlich und strukturell), man ist sogesehen im Maul des Löwen. Und wenn man erwischt werden würde, dann hätte man wahrscheinlich nicht die Möglichkeit sich umzubringen (andererseits kann man gerade in dem Fall davon ausgehen, dass man aufgrund seines arischen Blutes noch besser behandelt werden würde, als andere Ethnien. Hier käme jetzt schon wieder ein weiterer interessanter Aspekt hinzu, würdet ihr eure Prinzipien verraten? Aber kann man auf solche Fragen überhaupt Pauschal antworten?!). Ich muss sagen, dass mir dieser Aspekt (also der Selbstmord) nicht ganz unwichtig wäre. Wenn ich sehe, dass die Lage aussichtslos ist, dann würd ich mich wahrscheinlich umbringen. Das bringt mich zum zweiten Beispiel unter dem Punkt. Wenn ich die Möglichkeit hätte, mich einem bewaffneten Widerstand anzuschliessen, der sich ideologisch mit meinen Vorstellungen deckt, dann würde ich beitreten. Auch hier ist das natürlich leichter gesagt als getan. Was wenn Verwandte, Freunde und Bekannte dadurch in das staatliche Visier geraten? Ein Widerstand auf Basis des Wortes ist um einiges subtiler, da er verdeckt ist. Was letztenendes effektiver ist, ist wahrscheinlich relativ. Die Gefahr gefasst zu werden ist bei beiden da, nur bei zweiterem hat man fast bessere Fluchtmöglichkeiten. Es handelt sich um eine Extremsituation, überall tobt der Krieg. Sterben könnte ich sowieso jeden Tag, wieso also nicht für eine Überzeugung draufgehen. Jetzt nicht im märtyrerirschen Sinn, aber wenn es keine andere Möglichkeit mehr gäbe? Ich denke, ich würde das Risiko in Kauf nehmen, vielleicht auch viel mehr als bei dem ersten Beispiel, weil ich direkter davon betroffen bin. Denn zwischen einer Sophie Scholl und irgendwelchen Partisanen finden sich diverse Unterschiede. Diese Menschen werden vielleicht verfolgt, während andere in erster Linie mit dem System und den dahergehenden Werten unzufrieden sind, aber eigentlich nicht direkt den gleichen Anreiz haben. Der Staat vertritt vielleicht eine Politik, die ich nicht mag, aber mir gehts doch noch nicht so schlecht, ich gehöre nicht zu den direkt unterdrückten, dass ichs auch nicht einfach sein lassen könnte. Das bringt mich zum nächsten Punkt.

Hierzu kann man auch die Volksrepubliken zählen. Oder eben auch die Situation wie sie in Russland ist. Jedenfalls was gewisse Rechtsbeschneidungen eingeht. Das Beispiel von der Pressefreiheit könnte ich mal als Exempel nehmen. Auch in China ist es ja so, dass sofort alles zensiert wird, was als zu westlich, oder entgegen der Überzeugung der KP angesehen wird. Menschenrechtler kommen ins Gefängnis, der Staat weist hegemoniale Strukturen auf. In solchen Staaten wo man schon mal nicht weiss, was mit Mönchen alles passiert, die friedlich demonstrieren, da kann man ja kaum davon ausgehen, dass es Systemgegnern besser geht. Nehmen wir mal an, man wäre Journalist, denn grundsätzlich ist in solchen Fällen nur die Macht der Feder einsetzbar, es sei den, es artet in Bürgerkriegsähnlichen Zuständen aus, die allerdings vom Militär rechtschnell unterdrückt werden könnten. Auch ist generell die Frage, ob eine kriegerische Handlung das beste Mittel zum Zweck ist. Wäre ich dann ein solcher Schreiber, der unter seinem Namen Artikel veröffentlicht, der viele Feinde auf sich ziehen könnte? Wir reden hier nicht nur von Sachen, in die die Regierung involviert wird, nein, schliesslich könnte man auch die Missgunst von irgendwelchen Randgruppen oder Irren, die mehr oder weniger selbständig handeln, auf sich ziehen. Halt ich die Schnauze und bin still, dann geht es mir den Umständen entsprechend vielleicht gar nicht mal all zu schlecht. Jedenfalls kann ich gewisse Bedürfnisse befriedigen (davon ausgehend, dass ich jetzt nicht einer unterdrückten Minderheit angehöre). Aber dennoch würde ich es wohl als Unrecht empfinden, aber würde ich etwas dagegen tun? Man hat gesehen was z.b. auch mit den Studenten auf dem Tian'anmen Platz geschehen ist. Ich weiss, ich bezieh mich da ständig ein wenig auf China/Russland. Und genau hier wüsste ich wohl sehr genau, das ich höchstens unter einem Pseudonym schreiben würde. Denn ich weiss, dass ich nicht den Mut hätte, mich gegen etwas zu stellen, wenn ich wüsste, dass ich dafür recht schnell in einem dunklen Loch landen könnte. Ganz abgesehen davon, bring ich vielleicht auch andere in Gefahr. Aber in einem solchen System für meine Überzeugung zu kämpfen, würde mir wohl doch schon schwer fallen.

Aber die Demokratie und nun wird es vielleicht interessanter. Denn ich kämpfe nicht, oder nur passiv und indirekt. Es ist eine Weile her, seit ich das letzte mal an einer Demonstration teilgenommen habe (hier kann man sich auch grundsätzlich fragen, bringen Demonstrationen den etwas, aber ich denke irgendwie schon). Wahrscheinlich ist es auch der Umstand, das mich vieles direkt nicht so gross betrifft und wenn es mich betrifft, schränkt es mich doch nicht so stark ein. Auch müsste man sich vielleicht auch mal fragen, bin ich denn nicht ein Sklave meiner Erziehung und der gesellschaftlichen Moral? Werde ich nicht ständig manipuliert? Sieht man doch schon wenn man vielfach die Zeitungen aufschlägt. Man kann ja schon unterscheiden zwischen dem Objektivitätsgrad der einzelnen Zeitungen und Magazine, aber ein richtig objektives Magazin, dass die Informationen nicht noch ideologisch färbt und umwandelt? Noch schlimmer ist es mit dem Fernsehen. Und vielfach ist es so, dass es einem ja auch egal ist. Nehmen wir an, man geht in den Supermarkt. Fragt man sich da, woher das Zeugs kommt? Ja, manche schon, nur überwiegt vielleicht dann schlussendlich doch das Bedürfniss dem Gewissen, oder es liegt einfach nicht im finanziell möglichen. Ich z.b. habe mir angewöhnt viel Bio zu kaufen, aus mehreren Gründen, aber sicherlich auch, weil ich nicht unbedingt ein Globalisierungsfreund bin. Ich habe die Möglichkeiten - hier in der Schweiz - Referenden und Initiativen zu ergreifen (bzw. eher zu unterstützen). Ich kann auch Abstimmen (und natürlich wählen). Auf der politischen Ebene. Beim einen trifft es mich halt vielleicht direkt, wenn Gesetze eingeführt werden, mit denen ich mich weniger abfinden kann, beim anderen geht es eher um den globalen Weltethos und meine Überzeugung. Ich muss halt schon sagen, dass mich der Journalismus ein wenig reizen würde und ich mich vielleicht für eine integere Welt durch Artikel einsetzen könnte. Aber eben, wohlgemerkt würde ich dann über einen Krisenherd oder ähnliches schreiben, aber selbst nicht im kochenden Wasser sitzen, oder nur temporärä zur Recherche.

Ich denke, ich komm hier erstmals zu einem Ende. Das Thema ist lang und vielseitig und mir war jetzt auch nicht mehr überall ganz klar, auf was wollte ich eigentlich hinaus?! - Was vielleicht auch ein wenig daran liegt, das ich den grösstenteil des Textes in tiefer Nacht geschrieben habe. ^^" Ich denke, der Kampf für die Überzeugung hängt halt auch sehr von den Umständen ab.

tl;dr: Würde ihr für eure Überzeugungen und/oder Rechte und Freiheit kämpfen?

Ich glaube, so einen ähnlichen Thread gabs sogar schon mal, aber ich hatte gerade lust auf das Thema. ^^ Und der Punkt 2, deckt sich ein wenig mit dem ersten, aber der erste ist ein eher präzises Beispiel.