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Thema: [Gestrandet] - Episode 2 - Verschwunden (Tag 2)

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  1. #10
    Die Sonne hatte noch nicht ihren höchsten Stand erreicht, und dennoch war der Tag schon so Ereignisreich gewesen. Aber nicht nur Tag 2 ihrer Safari-Tour, sondern auch die Enthüllung des gestrigen Tages war für Sam nicht verblüffend, aber dennoch unerwartet gewesen. Und unerwartet Folgenreich.

    Um sein Bein zu schonen hatte er sich zum Schlafen möglichst Nahe an die "Hütten-"wand gelegt, um zumindest eine kleine Kuhle zu schaffen, so dass es nicht dauernd von im Schlaf sich bewegenden Körpergliedern getreten und gestoßen wurde. Er war so langsam in den Bereich des Wegdämmerns gekommen, als ein lauter Knall direkt neben seinem Kopf ihn aufschrecken ließ. Besten Dank... Das waren wohl Rich und Zoe, die ein wenig herumblödelten. Rich war eh den ganzen Tag so aufgedreht gewesen, vielleicht war es ganz gut, dass er jetzt wieder ein wenig scherzen konnte. Sams Gedanken fingen schon wieder an Richtung Träume zu wandern, als er mit einem Schlag wieder hellwach war, effektiver als beim Schlag gegen die Wand davor.

    "Bist du wirklich so naiv?"

    "... - Du bist 'ne Nutte."

    Er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Ich hab mich bestimmt verhört... Gut, er hatte sich tief hinten in seinem Kopf so ein paar Gedanken dazu gemacht, wer sie war und was sie wohl machte. Es wäre wohl auch gelogen, wenn ihm ein waagerechter Beruf nicht in den Sinn gekommen wäre, bei ihrem Aussehen, den Klamotten und ihrem ganzen Auftreten, aber das so ausgesprochen zu hören war dann doch was anderes. Was ganz anderes.

    "Und? Irgendwelche Meinungen?"

    So souverän wie Rich hätte er in dem Moment wohl nicht antworten können, aber was sollte er jetzt, wo er unfreiwilliger "Mitwisser" war, machen? Zoe war immer noch die selbe Zoe. Eine Zoe, die er dazu kaum kannte. Was dachte er also von ihr? Er hatte sie bewundert, ihr selbstbewusstes Auftreten, ihre Schönheit und in gewisser Weise auch ihre sorglose Art alles anzupacken als wäre sie unverwundbar. Aber da war noch mehr. Sam hörte in sich hinein. Schuld. Schuld? Nicht sie, sondern er fühlte sich Schuldig. Nicht wegen ihrer Arbeit. Es war auch keine Scham. Er schämte sich nicht für sie oder wegen seiner Gedanken ihr gegenüber. Aber was dann? Sie war ein Mensch, und was Sam bisher sehen konnte auch kein schlechter. Sie hatte gute und schlechte Seiten, eben wie alle anderen auch. Und dennoch war Sam dabei, sie in eine Gesellschaftliche Schublade zu stecken. "Prostituierte" stand darauf - selbst in seinen Gedanken konnte er sie nicht "••••" oder "Nutte" nennen, das erschien ihm.. respektlos.
    Das war seine Schuld. Zoe sah sehr gut aus und benahm sich teilweise wie die Darstellerinnen diverser Filmproduktionen im "Low-Bereich". Zoes Einquartierung in diese zweifelhafte Schublade fand vor dem von ihm unfreiwillig belauschten Geständnis statt, bevor er wusste, dass sie tatsächlich ihren Körper verkaufte. Sam fühlte sich mies dabei, mehr als er gedacht hätte. Das war das erste mal, das Sam sich wirklich Gedanken darüber machte, wie er die Welt sah, das erste mal, dass er sich selber mit einem gewissen Abstand betrachtete. Und er war schockiert. Er fand vieles an sich, das er bei Anderen stark kritisiert und verurteilt hätte.

    Lange lag Sam diese Nacht noch wach. Seine Umgebung nahm er dabei nicht wahr. Er lag nur da und traf Grundlegende Entscheidungen und überdachte sein bisheriges Weltbild. Vielleicht hatte dieser Absturz ja sogar etwas gutes und Sam ging als charakterlich gestärkter Mann aus dieser ganzen Sache heraus? Aber das wird wohl die Zukunft zeigen müssen.
    Eine seiner Entscheidungen war, sein Schubladensystem zu überdenken. Er zerstörte nach und nach sämtliche bisherigen Fächer wie "Böse" & "Gut", "Idiot", "Angeber", "Streber", "••••••••••" und "Prostituierte, aber auch "Freunde", "Familie", "Mag ich" und "Liebe ich". Er hatte Menschen immer viel zu schnell zu bestimmten Eigenschaften degradiert und alles andere ignoriert, was diese Person ausmachte. Und dazu klangen die wenigsten dieser Kategorisierungen wirklich nett.
    Nachdem das getan war Stellte er sich eine neue Schublade Nein! Keine Schubladen mehr, die man einfach zuhauen kann.. Häuser.. oder ein neues Zimmer in seinem Gedankenhaus vor, und die erste Tür erhielt den Schriftzug "Zoe".
    Endlich zufrieden mit sich und der Welt schlief er ein.

    Um direkt wieder geweckt zu werden. Reges Treiben um ihn herum. Obwohl es noch recht früh war und er kaum 5 Stunden geschlafen haben konnte, fühlte er sich erstaunlich wach und frisch. Mit letzter Nacht waren auch viele seiner Sorgen verschwunden. Ihm kam es vor, als wäre er neu geboren worden, ein völlig neuer Anfang. Abgesehen von leichten Kopfschmerzen und einem leicht geschwächtem Bein fühlte er sich wirklich gut - was ihm aber auch irgendwie passend erschien. Sein Kopf wurde komplett erneuert, und jede Geburt ist verbunden mit Schmerzen, also sollte sein Kopf wohl auch etwas weh tun. Sam stand mit Hilfe seiner Krücke auf, ging zur Tür und lächelte in die morgendliche Sonne und freute sich des herrlichen Tages.

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    Während der mehrstündigen Wanderung durch den Wald versuchte er mit möglichst vielen der anderen zu reden und fertigte für jeden ein eigenes Zimmer an. Viel mehr als Smalltalk kam kaum zustande, aber man soll ja klein anfangen, somit begnügte Sam sich damit.
    Das der ein oder andere Misstrauisch wegen seiner scheinbar unerschütterlichen Ruhe war und der ein oder andere ihm neidische Blicke zuwarf, bemerkte er kaum. Sie machten sich wohl Sorgen, ob das ein Zeichen eines baldigen Zusammenbruchs war und beobachteten ihn deshalb etwas misstrauisch.
    Neidisch waren sie wegen ganz profaneren Gründen: Die Mücken ließen ihn in Ruhe. Als Einzigen. Sam wusste auch nicht, woran das lag, aber er hatte nie Probleme mit Mückenstichen gehabt. Die mochten anscheinend sein Blut nicht oder konnten ihn nicht riechen. Keine Ahnung. Er freute sich nur, dass es so war und verschwendete sonst kaum einen Gedanken daran.

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    Sam hatte eine Mission. Beobachten.
    Er sprach bei jeder Gelegenheit mit den Anderen, fragte sie, wie es ihnen ging und richtete ihre Gedankenzimmer weiter ein. Er versuchte sie zu verstehen, wirklich zu verstehen. Er wusste, dass er noch ein Anfänger war und nicht gleich in die Seelen der Menschen blicken würde können, aber jetzt ging er ohne Scheuklappen durch die Welt, schaute nicht nur darauf, was für Vorteile er aus den Anderen ziehen konnte, sondern ging auf sie ein. Zumindest versuchte er es. Die Schmerzen in seinem Bein hatte er als Erinnerung dafür bestimmt. Sie waren permanent da und wenn er unvorsichtig war meldeten sie sich penetrant zu Wort, also versuchte Sam seinem körperlichen als auch seinem seelischen Schmerz vorzubeugen und auf seine Umgebung zu achten.
    Er schaute sich die Leute an. Was sie machten, wie sie es machten und versuchte herauszufinden, warum sie etwas machten. Was dachten sie dabei? Welche Gefühle offenbarten sie damit?
    Er versuchte die Leute nicht anzustarren, wobei Zoe und Bree es ihm Zeitweilig richtig schwer machten.
    Nicht werten, nicht verurteilen, nimm sie an, sie sind, wie sie sind und dass muss nichts schlechtes sein.
    Allein das zu denken fiel ihm schwer. Immer wieder dachte er an Zoes Geständnis den Abend zuvor. Sam wusste nicht, ob er verschämt wegschauen sollte oder was er sonst mit seinen Augen machen sollte. Er war nun mal ein Mann, neues Weltbild hin oder her.
    Und "zieht sich gerne vor anderen aus" gehört ebenso zu ihrem Charakter wie "Prostituierte" oder "ist sehr Hilfsbereit". All das macht sie aus. Würde man eine dieser Eigenschaften weg nehmen, hätte man nicht mehr Zoe sondern einen völlig anderen Menschen. Das musste Sam sich immer und immer wieder einreden, den das Denken fiel im erstaunlich schwer, solange die beiden Schönheiten in seinem Blickfeld waren.

    So merkte er auch kaum, wie Rich plötzlich die Klippe herunterfiel. Wo kam der den plötzlich her?
    Bewusst, dass er mit seinem Bein nicht der schnellste sein würde überließ er es den anderen zu helfen, zumal er im ersten Moment viel zu schockiert war um adäquat zu reagieren. So stand er einige Momente wie versteinert und blickte auf die leblose Gestalt im Wasser, bis er sich langsam auf den Weg zum See hinüber machte.
    Rich..
    Sam kannte diese Art von Typ. In seiner Schule gab es damals auch einen davon. Reiche Eltern, immer das neueste Handy, Markenklamotten, jedes Jahr ein neues cooles Fahrrad. Nicht der schlauste, kommt aber immer mit allem durch und ist unglaublich sportlich, dazu auch noch beliebt bei den Mädels.
    All das traf zweifellos auf Rich zu. Da Sam jedoch keine "Macho"-Schublade mehr hatte, packte er diese Eigenschaften in Richs eigenes Gemach in seinem Gedankengebilde. Aber es kamen noch andere Eigenschaften hinzu, und das machte Sams neues "Ich" aus: "Unsicher". "Heimlich verliebt". "Beschützer".
    Sam war selbst erstaunt, was man alles entdeckte, wenn man wirklich hinschaute. Es war so offensichtlich, warum hatte er früher sowas nie gesehen? Rich mochte die andere Nack.. Bree. Und trotz seines großmauligen Getues sorgte er sich um seine Freundinnen und beschützte sie.

    Seine Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als Brix plötzlich vor ihm stand.

    "Yo, Sammie"

    So hatte ihn schon lange niemand mehr genannt. verwirrt blickte "Sammie" auf.

    "Alles klar? Du siehst scheiße aus!"

    Sie war ihm von allen das größte Rätsel. Die Anderen konnte Sam mittlerweile einigermaßen einordnen. Sie war schwieriger. Sein erster Eindruck war "Zicke", bestenfalls "Emo". Doch im laufe des Tages änderte sich seine Meinung über sie. Sie sah sich selbst wohl als Rebellin und wollte auch so wahrgenommen werden, zumindest tat sie alles dafür. Doch da war mehr. Wie bei Rich spürte Sam eine Unsicherheit hinter ihrem Auftreten. Nein, nicht wie bei Rich. Das war anders. anders und.. intensiver.

    " Aber ich habe schon größeren Arschlöchern als dir ihre Wunden versorgt. Also... soll ich mir das mal angucken? Nicht, dass ich am Ende wegen unterlassener Hilfeleistung im Dschungelknast lande, oder so."

    Rich will seine Leute beschützen. Und seine Unsicherheit kommt daher, dass er... möglichst angenommen werden will. Er will alles richtig machen, um ein Teil vom Ganzen zu sein, um nützlich zu sein und sein Umfeld und seine Privilegien zu beschützen. Sam wusste nicht, ob das wirklich stimmte, aber so war sein Eindruck von ihm. Und all seine Handlungen, vom vorpreschen die Klippe hoch bis hin zu seinem Umgang mit den 3 Mädels verstärkte Sam in dieser Ansicht.
    Brix... war ein anderes Thema. Sie wollte sich nicht selbst im Mittelpunkt sehen, sondern auf das ungerechte in der Welt hinweisen. Das Bewies ihr Angebot. Sie hat Sam's Wunde gesehen und wollte ihm helfen. Ihn würde es nicht wundern, wenn sie schon die ganze Zeit auf dem Weg hierher nach einer Möglichkeit gesucht hatte, um zu helfen. Ihre Worte sollten davon ablenken, dass sie gerade etwas nettes tut, dass sie gute Eigenschaften hat. Sam hatte das Gefühl, das die junge Amerikanerin sich selbst dafür bestrafen wollte, was alles in der Welt schief lief. Oder vielleicht auch nur dafür, was in ihrer persönlichen kleinen Welt schief lief. Sie wollte anscheinend, das man wütend auf sie war, dass man auf Distanz ging. Aber Sam empfand nichts dergleichen. Sie wollte keinen Lob, was es um so lobenswerter machte. Sie wollte etwas verändern und hatte die größten Ansprüche dabei gegen sich selbst.
    Er hielt ihr bereitwillig seinen Kopf hin. Und wohl mit deutlich mehr Wollen als Können verarztete sie ihn.
    Obwohl es äußerst schmerzhaft war schaute er weder seine Wunden an, noch auf das, was sie mit ihren Händen machte, sondern beobachtete ihr Gesicht. Sie drückte immer wieder auf seinen blauen Fleck und auf die anderen, kleineren Blessuren. Erst dachte Sam, er hätte sich in ihr getäuscht und sie hätte tatsächlich eine böswillige Ader, doch dann fielen ihm die leichten Zuckungen um ihre Augen auf, jedesmal wenn sie ihm Schmerzen zufügte. Das war keine Freude, sondern Schuldbewusstsein. Sie ärgerte sich über sich selber, dass sie es nicht besser hin bekam und er dafür der Leidtragende war.

    Als sie endlich fertig war richtete sie sich auf und wollte direkt wieder davon gehen. Sie schaute ihm dabei nicht einmal in die Augen.
    Schnell griff er nach ihrer Hand, damit sie stehen blieb. Verwirrt drehte sie sich zu ihm zurück während er sie losließ.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht, aber so gut er konnte lächelte er sie an und sagte "Danke. Ich bin froh über deine Hilfe." Und nach einem kurzen Moment fügte er hinzu "Du bist ein guter Mensch. Vergiss das nicht.".
    Gefühle. Eine seltsame Sache. Seine Gefühle für Brix waren... seltsam. Solche Gefühle hatte er noch nie gehabt. Es war nicht wie bei Zoe, für sie hatte er eher distanzierte Gefühle. Bewunderung und auch Verlangen; aber aus der Ferne. Mehr konnte er sich bei ihr nicht vorstellen. Seine Gefühle in diesem Moment für Brix waren anders. Näher, ja, aber auch sonst von einer anderen Qualität. Keine Schwärmerei. Kein Mitgefühl - oder doch, auch, aber nicht nur. Liebe... das war es - aber nicht so, wie er bisher darüber dachte. So stellte Sam es sich vor, eine Schwester zu haben. Stolz auf ihren Charakter, Mitleidend bei ihren Schwächen und verstehen, was sie bewegt.
    Er hatte nie Geschwister gehabt, aber er sah in Brix ein Stück weit sich selber. Sein Versuch, alles richtig zu machen, ungeachtet der Konsequenzen, sein Verstecken und seine Flucht vor seinen "Ruhm", den Lob - und die damit einhergehende Anfeindung andererseits. Genau wie bei ihr. Es äußerte sich nicht auf gleiche Art, aber die Gründe waren die selben.
    In dieser Ähnlichkeit spürte er das Gefühl von "Familie", und ohne das er - oder auch sie - etwas dagegen tun konnte, trotz all ihrer groben Worte und ihrer schwierigen Persönlichkeit hatte sie einen festen Platz in seinem Herzen bekommen. Einfach so. Und Sam freute sich darüber.
    Bevor er richtig darüber nachdenken konnte lächelte er noch etwas breiter und sagte "Ich mag dich.". Er meinte es geschwisterlich-freundschaftlich. Oder war da mehr? Nein, Sam glaubte nicht. Er mochte sie, sehr sogar. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass da nicht mehr draus werden konnte. Nicht nur von seiner Seite, sonder auch von ihr. Da schwebte etwas in der Luft, das Sam nicht genau greifen konnte.

    Er hatte wieder mit einem fäkalbehaftetem Spruch oder etwas ähnlich obszönem gerechnet, aber sie legte nur ihren Kopf schief, grinste ihn mit einem irgendwie gequälten Gesichtsausdruck an und zog ohne ein weiteres Wort von dannen.
    Irgendwie fand er ihre Reaktion süß. Wahrhaftig: Wenn er eine Schwester haben sollte, dann sollte sie exakt so sein wie Brix. Dann wäre er wohl der glücklichste Bruder der Welt.

    Kurz darauf stand Rich plötzlich wieder in der Runde und antwortete auf Zoes Frage was denn jetzt zu tun sei damit, dass sie Waffen bräuchten. Noch bevor er zu Brix rüber sah wusste er, dass Rich damit einen Fehler begangen hatte und wieder umspielte ein Lächeln seine Mundwinkel.

    Geändert von Eddy131 (11.05.2016 um 00:27 Uhr) Grund: gelegen wird waagerecht :D

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