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Thema: Der CGF-Poetry-Slam - Runde 4

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Aufbruch ins 21te Jahrhundert

    Der Erdboden hat sich aufgetan und wir sind hineingefallen. Plumps: Das 21te Jahrhundert.
    Aber was haben wir davon? Genau: Klimakatastrophe, Terrorbedrohung, Schul-Amokläufer, Finanzkrise und die Angst vor einem neuen Überwachungsstaat. Als hätten wir nicht im letzten Jahrhundert schon genug Probleme gehabt.

    Aber naja, so ein Neuland ist eben mit großen Schritten zu nehmen. Und nach dem wir mit ruhiger Hand von Onkel Schröder in den Abgrund des neuen Jahrtausends gewinkt worden waren, laufen jetzt die Frauenbeinchen der Merkel voraus.
    Streichen wir das mit den großen Schritten.

    Die Wagnisse machen schließlich die anderen. Sarkozy wagt es, die Pub im Öffentlich-Rechtlichen der Franzosen zu streichen - denn nichts anderes war der Grund für die vielen brennenden Autos auf den Straßen von Paris -, der völlig verdiente Friedensnobelpreisträger-Präsident der USA, dessen Name bei Gott und Obama hier nicht genannt sei, wagt es von globaler Solidarität zu reden, spricht dabei aber natürlich nur von den zu Amerika gehörenden Teilen Europas, Japan und den USA - wär auch irgendwie paradox, wenn ausgerechnet der erste schwarze Präsident mal den schwarzen Kontinent ins Augenmerk nehmen würde -, der neue Premierminister der Briten wagt... nun ja, er ist wenigstens ansehnlicher als der alte und seine Stimme leiert bedeutend weniger; das ist auch schonmal was.

    Das ist doch schonmal ein guter erster Schritt ins 21te Jahrhundert. Wenigstens fängt diesmal keiner einen Krieg an, wie das letzte Mal. Klar, jetzt gibt's ja auch die Bombe; frei nach dem Motto: ganz oder gar nicht. Wenn es danach geht sind Iran und Nordkorea jedenfalls schon in 2100 angekommen und warten jetzt nur, bis der Rest der Welt in Abschussweite ist. Okay, gute zwei Drittel Afrikas und Asiens sind noch nichtmal in 1800 angekommen und die meisten liegen menschenrechtlich noch bei irgendwas um die 1200 vor Obama Geburt. Aber wer will schon Explosionskörper in die Wüste und in den Dschungel streuen?! Landminen jetzt mal ausgenommen, die hat der Heiland ja mit den Ärmsten der Armen geteilt und es ist genug übrig geblieben, um 80% der Weltbevölkerung mit Verstümmelung und Tod zu gefährden. Und deswegen vergeben United Church of Christ zur Messe auch kleine Tretzünder.

    Und auch der Feminismus erlebt seinen Durchbruch: Noch nie zuvor gab es so viele Frauen in den Armeen dieser Welt. Nach den Kinderhänden an den Abzügen von Maschinengewehren in Nahost hat man nun herausgefunden, dass auch die weibliche Welt Waffen tragen kann. Bald wird man bemerken, dass Schwule deutlich besser zielen und Lesben weniger Skrupel haben auf grün uniformierte Männer zu schießen. Wie gut, dass es gesellschaftlichen Fortschritt gibt und man mit Vorurteilen aufräumt.

    Aber auch die guten Traditionen des letzten Jahrhunderts haben überdauert und beglücken uns im neu angebrochenen Jahrtausend weiterhin: Noch immer lässt der Ami Stellvertreterkriege ausfechten, bis sich dann ein angegeilter Diktator ein neues Land zum aus••••n sucht, oder kampfgeile Söldner Militärregierungen bilden und sich damit automatisch als Schurkenstaaten brandmarken. Wie geil ist das denn. Währenddessen ist die Liga der Waffenhändler empört über so viel Krieg, Leid und Zerstörung; tja, Empörung hat man uns wie auch den Franzosen beigebracht. Noch so eine Tradition, die überdauert hat: Waffen entwickeln, Waffen bauen, teure Waffen einkaufen und dann mit dem Finger zeigen, wenn einer schießt.

    Aber gut, irgendwie müssen die ganzen entleerten Kugelschreiberminen ja verwertet werden. Man kann ja nicht aus allem Airbusse bauen, für deren Lieferverspätung man nochmal gut ein Drittel extra bezahlt, wie man das eben so macht, wenn etwas zu spät geliefert wird. Man kennt das ja: Man wartet halt mal zwei Stunden länger auf seine Pizza, weil der Teig zu mehlig geworden und der Franko-Italiener damit überfordert ist und bezahlt dann 20 Euro drauf, um nicht für einen Konjunktureinbruch verantwortlich zu sein.

    Überhaupt wurde in diesem recht jungen Jahrhundert schon viel für die Wirtschaft gemacht. Vor allem die ganzen Steuerrückzahlungen kamen sehr gut. Tja, was dem Staat nicht gehört, kann er nicht für Kinderkrippen oder sozial Bedürftige ausgeben, das gehört nunmal den Banken. Da kann man nichts machen. Bafög wird einem ja auch geschenkt, wenn man in seinem Leben nur Scheiße baut und nie auf nen grüne Zweig kommt - wie die Banken. Das ist also schon rechtmäßig.

    Und dass ein Bankmanager höhere Lebensansprüche hat als ein Student oder ein HartzIV-Empfänger oder ein Familienvater oder ein Waise, wird man ja auch verstehen. Immerhin sind privat Versicherte immer noch genau die selben Menschen wie die gesetzlich Versicherten, auch wenn sie nur ein Zehntel deren Wartezeit im Zeitschriftenzimmer verbringen und man noch nie eine Krankenschwester hat sagen hören "Also wäre der nicht privat versichert, würde ich ihm ordentlich die Meinung sagen und dass er hier nicht im Hotel ist."
    Auch im 21ten Jahrhundert sind noch alle Menschen gleich. Solange man es sich leisten kann ein Mensch zu sein, versteht sich.

    Im 21ten Jahrhundert verstößt es noch immer gegen die Prinzipien der freien Weltwirtschaft, Medikamente billig an dahinsiechende Afrikaner zu verkaufen - Apotheker und Patentbesitzer haben schließlich auch Rechnungen zu bezahlen.
    Aber natürlich gibt es Durchbrüche im Aufbruch! Es kostet jetzt nicht mehr 7 Euro, ein Kind in einem beliebigen Dritte-Welt-Land ein Jahr lang auf die Schule zu schicken, nein, durch Inflation und Kindermassensterben kostet ein Anruf bei der Spendenhilfe nur noch 6,50 Euro. Und davon gehen immer noch 3 Euro an irgendeine Telefongesellschaft, die die automatische Antwort zur Verfügung stellt. So werden Arbeitsplätze in der Eletronikbranche durch die stetige Abnahme für Ansagegeräte gesichert. Schön, wie ungebildete, unterernährte Kinder helfen unsere Wirtschaft auf Vordermann zu bringen.

    Doch eines ist regelrecht schade: So wenige Gebiete der westlichen Welt werden von Erdbeben und Tsunamis heimgesucht. Hier gehen uns Milliarden Spendengelder durch die Lappen, die wir dann wieder in unserer menschenfreundlichen Erhabenheit auf die Welt - vorzugsweise angeschlagene Banken und eigens neu gebaute Olympiastadien - verteilen können. Aber sicher wird es bald, wenn die Klimahysterie erstmal ausreichend hochgeschaukelt ist, erste Aufrufe zu Spenden für die Opfer der Klimakatastrophe geben und da, ihr lieben gesittenen Mitwesteuropäer, haben wir ja eindeutig einen gehobenen Anspruch, wenn unsere Campingplätze erst einmal von all den Holländern bewohnt werden.

    Vorausgesetzt, es gibt den Klimawandel. Es muss ihn geben! Es muss einfach!

  2. #2
    Nochmal ein Liedtext

    "Aufbruch"

    Ein heller Laut,
    der Türe,
    die mich trennt vom Flur
    emsiger Geschäftigkeit

    Ein kurzer Satz
    gesprochen von ihm,
    der voller Freundlichkeit
    die Welt verklärt
    und ohne Zeit mich dann
    zur andren Seite dreht,
    die stetig gleiche zweistündliche Prozession

    und wenn ich schreien könnte,
    würd ich's tun,
    doch niemals, auch nur eine Reaktion.

    Ich möchte gehn
    um zumindest ansatzweise alles zu verstehn
    damit Gedanken, die nicht sterben wollen
    leicht vergeh'n.
    wie umnachtet lieg ich tag für tag,
    und kann mich nicht mal mehr
    um mich dreh'n

    Ein leichter Wind
    der an der
    nackten Haut von mir
    schmerzhaft vorüberhzieht

    Nun wie ein Kind,
    gewickelt, doch leider
    nicht ganz ohne Scham,
    entblößt und auf das nötigste
    nur reduziert
    den Geist darauf traniert
    zu widersprechen, dieser
    neuen Welt von mir.

    Und die Gedanken schweifen
    ab zu längst vergangnen Zeiten
    fern vom Jetzt und Hier.

    Ich möchte los,
    in den allumfassenden, gerechten, warmen Schoß,
    weiter hinter, drüber, tiefer und
    bedingungslos
    die Welten sehen, wie sie entsteh'n
    und sie wie mein Körper als ein Teil
    davon vergeh'n.

    Ein kleiner Stich,
    von vielen,
    in der letzten Zeit
    der den Schmerz recht schnell vertreibt.

    Und ein klarer Blick,
    auf geliebte Leute,
    die da um mich stehn,
    und voller Wärme in den Augen
    auf mich seh'n,
    und eine Hand auf meiner,
    wie begleitend, endlich, weis ich , es ist gut,

    und endlich, find' ich, hier
    bei ihnen, fort zugehen,
    den notwendigen Mut.



    Ich breche aus,
    aus diesem Bett
    und diesem Raum, dieser Zeit,
    die Welt ist nun voll und weit
    um mich rankend die Erinnerungen,
    die ich schuf,
    in den Augenblicken meiner Existenz
    und ich seh mich im Bild
    eines and'ren, der grade daran denkt
    wer ich früher war und der dann
    die Gedanken schnell auf schön're Dinge lenkt.

    Ich breche auf
    in unendlich vielen Reisen
    im Weltenlauf
    Betrachtend vom Blick darauf
    Zu erfahr'n' was hinter all dem steht
    und selbst zu sehn wohin das Leben
    endlich geht,

    Und einfach gradeaus
    mit Gewissheit meine Lieben folgen mir
    denn gehe ich doch nur vorraus,
    treffen wir uns irgendwann im Jetzt und Hier.

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