-
Ritter
Cyrodiil, Colovianisches Hochland
Reglos kauerte Karrod hinter der Schneewehe. Es war Nacht und der Mond schien nicht – er war praktisch unsichtbar. Er konnte sich höchstens durch laute Geräusche verraten, sollte überhaupt jemand Wache stehen, denn wer würde in der Hütte, die er beobachtete, schon irgendetwas von grossem Wert vermuten? Das Haus eines kauzigen Einsiedlers oder ein Banditenversteck – etwas anderes war durch die abgelegene Lage des Hauses nicht zu vermuten. Und wer wollte schon dem einen oder dem anderen einen Besuch abstatten?
Als die Gruppe, die er nun einen ganzen Tag lang verfolgte, das Haus erreichte, schien es verlassen. Also sollten keine zusätzlichen Banditen aufgetaucht sein – aber der Eindruck konnte täuschen. Also waren Offensivaktionen wohl keine gute Idee. Obwohl Karrod sehr danach war, wie er zugeben musste: Er war nun einen ganzen Tag durch die Kälte gestampft, ohne dafür gedachte Kleidung, in einer Rüstung, die bedauerlicherweise nicht sonderlich wärmte und auf leerem Magen. Alles, das er gefunden hatte, waren ein paar Beeren und eine Notfallration, die er in seinem Umhang dabei hatte. Und wieso? Wegen diesem Haufen gemeiner Entführer. Das lies dann irgendwie schon das Bedürfnis aufkeimen, kurz ins (bestimmt warme und wettergeschützte!) Haus zu gehen, den Entführern die Köpfe zu spalten und nach Hause zu gehen. Nachdem man sich mit deren Vorrat den Magen vollgeschlagen hatte, versteht sich. Aber das ist natürlich nicht der Stil eines edlen Paladins, und so weiter, dachte Karrod mürrisch.
Er hätte gerne das Amulett, das er vom Artefakthändler in Anvil gekriegt hatte, nach seinem Abenteuer in den Ebenen Oblivions, einmal mehr benutzt, bloss würden es die Bewohner des Hauses vielleicht etwas merkwürdig finden, würde hier draussen plötzlich ein Busch in Flammen aufgehen. Argh.
Das Haus hatte im Erdgeschoss mehrere Fenster, die jedoch von Vorhängen verdeckt waren. Im Obergeschoss nur zwei – und das eine war vergittert. Nicht schwer, herauszufinden, wo die junge, rothaarige Frau zu finden war.
Unter dem Fenster stand ein angebauter Schuppen. Würde er es schaffen, diesen zu erklimmen, konnte er sich vielleicht mit der jungen Frau verständigen… das war die wohl naheliegendste Option im Moment.
Er beschrieb einen Halbbogen um die Hütte und näherte sich von der Seite. In der Nähe des Schuppens standen mehrere Bäume, darunter eine grosse Tanne, die ihm, sollten die Entführer etwas mitkriegen, genügend Deckung bieten würde.
Der Holz-Schuppen war leichter zu erklimmen, als er gedacht hatte: Es standen mehrere Stapel Holz auf der Rückseite, abgedeckt durch eine Plane. Karrod hatte einen Fuss auf einen Stapel Holzscheite gesetzt und stiess sich ab – diese begannen zu wanken, aber blieben soweit stabil. Karrod zog sich aufs Dach und verharrte einen Moment – er konnte weiterhin niemanden im Umfeld von hundert Metern ausmachen.
Er ging vorsichtig zum Fenster und linste hinein. Nur eine kleine Lampe brannte, es war beinahe nichts zu erkennen. Doch im Schein des Feuers schien etwas rot zu leuchten – die Haare der Bretonin.
Da er ansonsten niemanden im Raum auszumachen glaubte, klopfte er leise ans Fenster, so leise, dass die Bretonin gar nichts mitzukriegen schien. Dann noch einmal – sie wandte sich um. Ob sie überrascht war, dass er immer noch hinter dem Banditenhaufen her war?
Er blickte sich nervös um. War da ein Knirschen zu hören? Karrod wurde unruhig.
Die hölzerne Halterung des Fensters sah morsch und marode aus. Karrod dachte nicht lange nach und drückte sich mit aller Kraft dagegen – dass Fenster brach auf. Zwar waren da immer noch die wesentlich massiver aussehenden Eisenstangen, aber sie konnte ihn jetzt bestimmt hören. „Haltet Euch bereit! Ich weiss noch nicht wie, aber ich werde Euch da rausholen! Ihr werdet unter Umständen nicht lange Zeit haben, Euch bereit zu machen -“ Da verstummte Karrod schlagartig und duckte sich. Eine Stimme war zu hören.
„Ich spinn doch nicht, da war eine Stimme! Von da oben! Ich schwöre es, ich -“, ereiferte sich eine Stimme, nur wenige Meter von ihm entfernt. Der Sprecher musste vor dem Schuppen stehen. „Ich hör nichts! Ich seh nichts! Und ich wüsste nicht, wer sich hier rumtreiben sollte, bei der Scheisskälte! Du phantasierst bestimmt wieder oder so… ich geh jetzt jedenfalls wieder rein. Und hol mich ja nicht mehr raus, wenn du mal wieder n Einhörnchen gehört hast… ich bin noch früh genug mit der Wache dran“, brummelte eine zweite Stimme und eine Tür schlug zu.
„Ja ja, laber du nur…“, murmelte der Bandit weiter vor sich hin, „da war was und ich könnt schwören – hey!“, schrie da die Stimme – Karrod hatte sich zu weit nach vorne gelehnt, der Bandit hatte ihn erblickt. Der Waldelf von eher schmächtigem Körperbau rannte gleich Richtung Tür des Hauses. Wenn er seine Kumpanen erreichte, würde Karrod keine Chance mehr haben. Also dachte er nicht lange nach sondern sprang – vom Dach des Schuppens herunter auf den Bosmer, der unter seinem Gewicht zusammenbrach. Seine Augen quellten hervor, als ihm durch den Aufprall die Luft aus der Lunge gepresst wurde, nahmen jedoch schlagartig wieder ihre normale Position ein, als Karrod den Banditen mit einem beherzten Faustschlag vorübergehend betäubte.
Nun galt es zu handeln. Schnell zu handeln. Die nächste Wache würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, bei der Kälte. Verflucht.
Karrod lief kurz zur Tür, dann wieder zurück zum Schuppen, doch ihm wollte nichts einfallen – langsam geriet er in Panik, er wollte sein Schwert packen, das Problem mit Gewalt lösen – aber damit kam er nicht weiter.
Dann überkam ihn eine Idee. Eine wahnwitzige, beinahe schon verrückte Idee. Das war’s!
Er ging zurück hinter den Schuppen und packte so viele Holzscheite, wie seine Oberarme fassen konnten. Er lief zurück und positionierte sie vor der Tür zum Haus, darum bemüht, leise zu sein. Noch zwei weitere Male wiederholte er die Prozedur und dann zückte er sein Amulett und – setzte die Scheite in Brand. Eine wohlige Wärme breitete sich aus, das Amulett strahlte eine behagliche Ruhe aus. Doch Karrod hatte keine Zeit, die Wärme und die aufkeimenden Flammen zu geniessen. Er nahm einige Scheite und steckte sie ebenfalls in Brand. Das Amulett liess sie in wenigen Sekunden in Feuer aufgehen, wie es normale Feuerutensilien nicht gekonnt hätten. Das hier war unberechenbares, loderndes, aggressives Feuer – magisches Feuer. Von unglaublicher Zerstörungskraft, wusste man es richtig einzusetzen.
Er ging vor dem Haus in Position und warf das Scheit durch das eine Fenster, das klirrend zu Bruch ging. Er zündete ein zweites an, warf es durch das andere Fenster. Mittlerweile wurde die Tür aufgerissen, doch dem Bandit schlugen die Flammen des Haufens entgegen, sodass er sie gleich wieder zuschmetterte.
Nachdem er ein drittes Fenster eingeschlagen und brennende Holzscheite hineingeworfen hatte, hastete er zurück zum Stapel Holz und hangelte sich wieder aufs Dach. In seiner Eile war er unvorsichtig und rutschte ab, schrammte mit dem linken Arm über die Dachkante, brennender Schmerz durchzuckte seine linke Hand. Doch er nahm kaum Notiz davon, sondern eilte so schnell es ging zum vergitterten Fenster. Fast wäre er auf dem verschneiten Dach ausgerutscht, doch er behielt die Balance und polterte energisch gegen die Eisenstäbe: „Pst! Hört Ihr mich? Das Haus brennt! Sie werden Euch jeden Moment holen kommen – schliesslich darf Euch nichts geschehen… Habt Ihr das Haus verlassen, stellt euch quer, benehmt Euch störrisch, ich -“ Da ging die Tür auf der anderen Seite des Zimmers auf und Karrod duckte sich schnell.
Hoffentlich klappte alles nach Plan.
Stichworte
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln