Ruinen unter der Kaiserstadt
Mithrandil ging ein paar Schritte auf den kleinen Wald zu. Kleine bunte Vögel umkreisten die Baumkronen. Ein kleiner Bach floss neben entlang und verschwand in einem Spalt in der Wand. Der Schwarze Mönch trat näher und versuchte zwischen den Pflanzen hindurchzuschauen. In der Mitte konnte er einen Sockel mit einer blauen schwebenden Kugel ausmachen. Interessiert kam er immer näher, und wand sich zwischen den Bäumen hindurch. Er war völlig fasziniert von dem bläulich Schimmernden Glasgebilde. Der Mönch war wie hypnotisiert. Dann erklang ein leiser Gesang. Die Stimme war hell und klar. Ein wohliges Gefühl breitete sich in seiner Brust aus.
Seine Hände wanderten in Richtung Kugel, er wollte sie berühren, die magische Energie, die aus ihr pulsierte, spüren. Mithrandil nahm das leuchtende Objekt in die Hände. Seine Oberfläche war glatt und warm. Vorsichtig hob er es an. Das Pulsieren wurde stärker und ein leises Summen war zu hören, dann verstummte der Gesang. Völlig gebannt blickte der Schwarze Mönch in das Innere des glasigen Gegenstandes, es schien ihn hineinzuziehen. „Was für ein wunderschönes … Ding“, flüsterte er, „was das wohl sein mag? So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Prüfend drehte er es und hob es über sich. „Scheint niemanden zu stören, wenn ich es mitnehme … hoffe ich zumindest“, sagte Mithrandil zu sich selbst und schob die Kugel in eine Tasche seiner Kutte. Sie schimmerte leicht durch den Stoff und breitete eine angenehme Wärme unter der Kleidung aus.
Der Mönch verließ den kleinen Wald und blieb vor ihm stehen. „Wie so was wohl möglich ist? Die Kugel muss etwas damit zu tun haben … sehr interessant“, stellte er fest, „Wenn ich doch nur noch mehr Zeit hätte. Wie viele Tage waren es noch mal, bis sich das Tor wieder schloss? Ich hab’s vergessen. Was aber noch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass ich nicht weiß, wie lange ich schon hier unten bin.“ Der Schwarze Mönch umrundete den Wald und suchte nach einem weiteren Gang, wurde jedoch nicht fündig. Die Wände waren alle gleichmäßig, und es ließ sich kein Geheimgang ausmachen. Dann wanderte der Blick des Mannes nach oben. Dort konnte er einen kleinen Vorsprung, ähnlich eines Simses erblicken. Nicht weit davon, war die Krone einer der Bäume. „Klettern, na gut, mal hoffen das ich nicht runterfalle“, dachte er sich.
Mithrandil trat an einen der dicken Stämme. Behutsam begann er hinaufzuklettern, was ihm recht schwer fiel. Er griff nach einer Beule in der Rinde. Plötzlich knackte es, und die Hülle des Baumes brach genau an dieser Stelle. Sofort suchte der Mönch mit der anderen hand halt, fand ihn und konnte den Sturz somit abfangen, jedoch spürte er, wie etwas aus seiner Tasche fiel. Die Kugel flog auf den Boden zu. Mithrandil schnappte nach ihr, verfehlte sie allerdings, geriet außer Gleichgewicht, und fiel direkt hinterher. Jetzt griff er das glasige, blaue Gebilde und zog es schützend an sich heran. Der Gesang erklang wieder und das Pulsieren wurde stärker. Kurz vor dem Boden machte der Mönch halt und kam sanft auf. Erstaunt blickte dieser auf den Gegenstand in seinen Händen. Dann Krachte und Knackste es. Der Baum verformte sich, zuerst unerkenntlich, und dann sichtbar zu einer Treppe, die hinauf zu dem Sims führte.
Immer noch ungläubig betrachtete Mithrandil sowohl den Baum, als auch die Kugel. Dann verstummte der Gesang wieder und das Pulsieren ließ nach. Den Gegenstand in seiner Tasche bewahrend erklomm der Mönch die Treppe und stieg hinauf zu dem Sims. Er schob die alte mit Eisen beschlagene Holztür auf. Dahinter befand sich ein kleiner Raum mit Nischen in den Wänden, in denen mit Bildnissen verzierte Vasen standen. Rechts und Links gab es jeweils eine weitere Tür. Der Schwarze Mönch betrachtete die Vasen. Sie zu und besaßen keinen Deckel, jedenfalls hatte es den Anschein. Zerbrechen wollte er sie auf keinen Fall, mitnehmen konnte er die Behälter aber auch nicht. Schweren Herzens wandte sich der Mönch von ihnen ab und überprüfte die beiden Türen. Hinter ihnen waren zwei weitere Gänge. Ein sanfter Luftzug kam Mithrandil aus dem rechtem entgegen, so entschied er sich diesem zu folgen.
Die Zeit verstrich, und nach vielen weiteren Gängen und leeren Räumen, war immer noch kein Ausgang oder ihm schon bekannter Raum gefunden. „Wie riesig diese Ruine doch ist. Das reinste Paradies für Leute mit einem Forscher Drang. Ich hoffe ich bekomme noch einmal die Gelegenheit hier hinunter zukommen“, dachte er. Dann fielen ihm die letzten Geschehnisse wieder ein. „Ein paar mehr Leute wären aber nicht schlecht. Diese Monster die uns da angegriffen hatten … so etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Es sah aus wie eine Krankheit.“ Erschöpft setzte sich der Mönch auf einen großen Mauerstein in einem kleinen Raum und lehnte sich an die Wand. Seine Hände holten die blaue Kugel zum Vorschein, und er hielt sie sich vors Gesicht. Gebannt starrte Mithrandil in ihr Inneres. Sie war ungewöhnlich leicht und warm.
Plötzlich pulsierte sie wieder. Das Summen kam zurück und wurde mit jeder Sekunde lauter. Etwas zehrte an den Kräften des Mönches und er konnte seine Hände nicht mehr von der Kugel lösen. Bilder blitzten vor seinem inneren Auge auf. Grässlich verzerrte Gesichter, fliehende Kinder, und diese Monster, wie sie elfenähnliche Wesen abschlachteten. Dann erschien ein Bild von einer Frau in einem reichen Gewand. Ihre schwarzen Haare waren am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengebunden. Sie bewegte sich, schaute zu ihm und in seine Augen. Sie flüsterte leise seinen Namen und kam näher. Dann verschwand das Bild plötzlich, und Mithrandil fand sich in dem kleinen Raum wieder. Er war außer Atem und rang nach Luft. Die Kugel lag in seinem Schoß, leuchtete erst noch hell blau, und verblasste dann wieder langsam. Seine Glieder waren schwer und er konnte sich kaum bewegen, jeder Versuch scheiterte. So gab er irgendwann auf und lehnte sich zurück, bald darauf, überkam ihn der Schlaf.
Im Traum sah er immer wieder die Bilder, die er zuvor gesehen hatte, von diesen Monstern, und der geheimnisvollen Frau. Kurz bevor diese im Schlafe sein Gesicht berühren konnte, wachte er auf. Mithrandil schüttelte sich kurz und versuchte sich aufzurichten. Sein Körper schmerzte zwar noch, gehorchte ihm aber wieder voll und ganz. Der Mönch hob die Kugel auf, die neben ihm lag. Vorsichtig drehte er sie in den Händen und untersuchte sie, dann verstaute er das Glasbildnis wieder in seiner Tasche. Er kratzte sich kurz am Kopf und schaute sich um. Wieder führten mehrere Wege, drei, aus diesem Raum. Die ganze Ruine schien ihm fast wie ein einziges Labyrinth, unendlich viele Gänge und Räume, wie sich dort wohl jemand zu Recht finden konnte.
Verzweifelt wählte er einfach mit Hilfe eines alten Abzählreimes, an den er sich noch aus seiner Kindheit erinnern konnte, den nächsten Gang aus, den er nehmen würde. Zu seiner Freude, führte dieser die meiste Zeit über Treppen und Rampen hinauf, und nicht hinunter. Gerade als er eine Treppe hinaufging, die mit Ayleidensteinen ausgeleuchtet war, hörte er ein ihm leidlich bekanntes Geräusch, ein leises Schlurfen und Ächzen. Mithrandils Atem wurde schneller und schweiß rann von seiner Stirn. So leise er konnte, zog er seine Silberklinge aus der Gürtelschlaufe. Angriffsbereit, stieg die Treppe hinauf, jeder Zeit etwas erwartend. Oben angekommen, drückte er sich gegen die Wand und spähte vorsichtig um die Ecke. Der Raum vor ihm war mit dumpfem bläulichem Licht gefüllt, welches von kleinen Nischen aus den Wänden her kam. In der Mitte stand eines dieser grässlichen Wesen. Es ging immer ein paar Schritte, scheinbar Orientierungslos, und dann wieder zurück.
Für den Mönch gab es keinen anderen Weg, als die Kreatur irgendwie zu überwinden. Er forschte in seinem Gedächtnis, ob ihm vielleicht ein Zauber einfiel, der ihm helfen konnte. Die, die ihm in den Kopf fuhren, waren allerdings zu schwer und kompliziert für ihn, dafür war er einfach noch zu unerfahren, und seine magische Energie würde höchstwahrscheinlich auch nicht dafür ausreichen. So musste er sich mit dem Entschluss abfinden, direkt gegen dieses Monster zu kämpfen. Der Schwarze Mönch atmete noch ein paar mal tief durch, dann sprang er hervor und stürmte auf seinen Gegner los.
Die Kreatur war recht träge, und wich dem ersten Schwertstreich nicht aus. Die Silberklinge schnitt tief in die Schulter hinein. Mithrandil zog die Waffe zurück und setzte zu einem neuen Schlag an, da griff das Monster an. Der Mönch duckte sich unter dem Angriff hinweg und rammte seinem Gegenüber die Klinge bis zur Parierstange hinein in den Bauch, was nicht schwer fiel, da das Fleisch des entstellten Wesens unnatürlich weich war. Ein weiterer Schlag seines Gegners folgte und Mithrandil musste die Klinge loslassen, um mit einem Rücksprung auszuweichen. Dann griff er wieder nach seinem Schwert und zog es mit einem Ruck nach oben, wobei er die Kreatur aufschlitzte. Blut spritzte auf die Kleidung des Mönches, und dann auf seine Haut. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn dabei, und seine Bisswunde begann zu brennen. Der Mönch warf sich auf die Knie und drückte mit seiner Hand so fest es ging auf die schmerzende Stelle. Er zog den Stoff zurück und betrachtete die Wunde. Die seltsamen grünen Adern schienen leicht zu wabern, bis sie sich langsam beruhigten, wieder zum stehen kamen und ein leichtes Pochen an Stelle des Schmerzes trat.