Vvardenfell; Vos; Varo Handelshaus
Arranges stapfte weiter über den von Blut, Innereien und einzelnen Extremitäten übersäten Boden. Die Schlacht hatte also nicht nur in den Totenlanden übel gewütet. Eine ganze Gruppe von Feldschern stürmte an ihm vorbei in die andere Richtung. Die Reihen vor einem der beiden Tore waren gegen Ende der Schlacht doch noch durchbrochen worden. Das große Tor war keine Sekunde zu spät geschlossen worden...
Während der Magier einen Heiltrank von seinem Gürtel losmachte und seine Handfläche damit benetzte um sich umständlich über die Verletzung am Rücken zu streichen, damit zumindest die Blutung gestoppt würde, hoffte er in Gedanken, dass Erynn ihr Versprechen gehalten hatte. Nur gut, dass ich ihr nicht mein Wort auf ihre Bitte gegeben habe... Dachte er, als er den Heiltrank wieder an den Gürtel hängte und die eine Hand einmal kräftig schüttelte um sie notdürftig von Schweiß und Blut zu befreien. Das hier hätte auch ganz anders enden könnte.
Er fand Erynn und Dreveni mehr zufällig wenig später zwischen dem wuselnden Haufen aus Kriegern. Erleichtert ließ er ein knappes Lächeln aufblitzen. 'Schön euch beide an einem Stück zu sehen.' Bei diesen Worten ruhten seine Augen jedoch ein bisschen länger in denen Erynns. Mit einer kurzen Geste gab er zu verstehen, dass er in Ordnung war, auch wenn er eher aussah, als hätte man ihn durch einen Fleischwolf gedreht. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zum Lager um ihre Sachen zu holen. Um sie herum brach schon kurz nach dem Sieg hektisches Treiben aus. Vereinzelt wurden Tische und Bänke aufgestellt um Verwundete nicht im Dreck versorgen zu müssen. Soldaten, die unverletzt waren, arbeiteten mit der Grundbesatzung des Lagers bereits daran, das gesamte Lager weiter nach Tel Vos zu verlegen. Karren, vor denen Guare liefen und Männer mit voll beladenen Armen kamen ihnen vom Lager aus entgegen. Bleibt nur zu hoffen, dass unsere Guare nicht zwangsverpflichtet wurden. Waren sie nicht, jedoch spannten die drei Reisenden der Gefälligkeit halber einen Karren an eines der Tiere. Was den zahlreichen Prellungen, Blutergüssen und Schnittwunden, vor allem der am Rücken, zugute kam, war der federleichte Tritt der Echsen. Erst jetzt merkte Arranges, dass er doch einiges abbekommen hatte, zwar waren es keine schwerwiegenden Verletzungen, aber das Kettenhemd, das er im Lager abgenommen hatte, bevor sie sich auf den Rückweg nach Vos machten, hatte nicht so viele Hiebe abgefangen, wie er gehofft hatte. Ich werde zu alt für soetwas... Dachte er sich grimmig.
Es war gerade Mittag, als sie sich endlich durch das postapokalyptische Schlachtfeld vor dem flachen Berg auf dem Tel Vos stand, gekämpft hatten. Das ganze Bild hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Flüchtlingslager, angesichts der mittlerweile zahlreich unmotiviert aufgestellten Zelte und den Schreien der Schwerverletzten in den Lazaretts. Auch die Straße zu der Festung hinauf blieb von dem Ansturm nicht verschont, überall hatten sich Söldner zusammengerottet und stimmten bereits erste Siegesfeiern an oder warteten darauf, offiziell von der Legion oder den Telvanni entlohnt zu werden. Ein Stück über ihnen wurde das Bild auf Tel Vos und die etwas darunterliegende Stadt Vos deutlicher. Zwischen mehr oder minder zerstörten Mauern schlängelten sich riesige Pilze empor, die Arranges sogleich mit einem bitteren Nachgeschmack wieder an die Zitternden Inseln erinnerten. Vor Vos kamen sie an eine Absperrung, die wohl erst vor wenigen Stunden errichtet worden war. Im einzigen Durchlass der Barrikade, auf denen stumm einige Dunmer in der Rüstung des Hauses Telvanni standen, hatte sich ein Mann aufgebaut. Arranges erkannte nur an den ungepanzerten Händen, dass es wohl ein Dunmer sein musste, denn er trug keine klassische Knochenrüstung, noch einen Helm, an dem man irgendeine Zugehörigkeit hätte festmachen können. Der Kopf wurde von einem massiven Brillenhelm mit Sonnenschild geschützt. Das Gesicht blieb unter einer Kettenbrünne verborgen. Der Rest des Körpers hüllte sich in eine ziemlich gut gearbeitete Bänderrüstung.
Als Arranges und die beiden Dunmer näherkamen, hob er nur die Hand und sagte mit lauter, durchdringender Stimme: 'Halt!' Die drei Reisenden stoppen. 'Was wollt ihr in Tel Vos?'
'Wir wollen nicht nach Tel Vos, sondern nach Vos um uns eine Unterkunft zu suchen.' Antwortete Arranges. Was nur zur Hälfte stimmte. Nach den Argonieren, von denen ich jetzt seit Ende der Schlacht komischerweise keinen einzigen mehr gesehen habe, müssen wir auch noch fragen...
'Söldner haben innerhalb der Stadt oder der Festung nichts verloren, zudem stellt Meister Aryon nur Unterkunft für seine eigenen Leute. Versucht es unten am Hafen im Handelshaus. Die Straße zurück und bei der nächsten Gabelung links runter zur Küste.' Stimme und Haltung des Elfs ließen keine Zweifel daran, dass er hier keine Ausnahmen machen würde oder auch nur zum Diskutieren aufgelegt war. Mal ganz davon abgesehen, dass Arranges selbst nach dieser Schlacht schlicht und einfach keine Muse mehr fand, seine Überredungskünste rauszuholen. Sie folgten der Wegbeschreibung und während sie unterwegs waren, wunderte sich Arranges noch, dass die Pilztürme überhaupt noch standen, eigentlich dürfte hier nichts weiter sein als verbrannte Erde. Als das große Handelshaus am Hafen in Sichtweite kam, schaute der Nekromant genauer hin. Ein für geübte Magieraugen erkennbares, nur ganz leichtes Schimmern war auf der Oberfläche der Pilzgewächse zu erkennen. Das Fürstenhaus macht seinem Ruf alle Ehre, wenn sie es tatsächlich geschafft haben, mit Magie ihre Türme vor der Zerstörung durch die Daedra zu schützen...
Es war... seltsam, eine besser zutreffende Umschreibung für das Gefühl, in einen Turm aus lebendigem Gewebe einzutreten, gab es wahrscheinlich nicht. Der Pilzturm wirkte im Innern ebenso fremdartig organisch, wie von außen. Allerdings roch es entgegen jeder Befürchtung nicht, das Warenhaus war eingerichtet wie jedes andere Gebäude aus Stein und Mörtel. Der Wirt, Burcanius Varo, begrüßte sie freundlich. Als sie nach Argoniern fragten, musste der Kaiserliche allerdings passen. Am Morgen, kurz nachdem die ersten Kundschafter hier angekommen waren und von dem Sieg kündeten, war eine ganze Gruppe der Echsen hier durchgekommen und hatte sich schwimmenderweise ziemlich schnell, ziemlich leise aus dem Staub gemacht. 'Die hatten wohl Angst, wieder als Sklaven zu enden, wenn sie sich hier länger als nötig aufhalten.' Varo überlegte noch einen Moment. 'Allerdings könntet ihr bis morgen hier warten, auf den Schiffen, die normalerweise zwischen Dagon Fel und Vos verkehren arbeiten seit einigen Wochen zwei Argonier. Schiffe müssten ab morgen wieder hier anlegen, Nachricht nach Dagon Fel ist bereits unterwegs.' Arranges Miene hellte sich auf. 'Habt ihr Zimmer frei?'
'Ja, aber,' der Mann blickte die drei kurz bedeutsam an, 'nur zwei mit jeweils einem Bett...' Klasse... und wieder eine Nacht im Stuhl... Arranges seufzte, sie nahmen aber die Zimmer. 'Habt ihr wenigstens einen Zuber?' Wieder schüttelte der andere mit dem Kopf. 'Nein die Bretter haben wir hergenommen um uns hier zu verschanzen...' Nach einigem Hin und Her bekamen sie die Zimmer dafür zum halben Preis.
Es war bereits später Nachmittag, als sie sich im Schankraum einfanden. Arranges hatte sich damit zufrieden gegeben, den gröbsten Schmutz loszuwerden mit Lappen und Waschschüssel. Für sein Kettenhemd müsste er sich noch etwas einfallen lassen. Mit einer annähernd frischen, tiefblauen Tunika, einer zur Abwechslung lochfreien Kniehose in Schwarz und Stiefeln an den Füßen, aber sonst keinem Rüstteil am Leib, saß er da. Sie waren nicht gänzlich alleine, die wenigen anderen Zimmer waren ebenfalls von ein paar Einzelkämpfer belegt worden, die jetzt schweigend in dem Raum saßen. Lauschte man angestrengt, konnte man leises Gegröhle in einiger Entfernung hören.
Die Tür schwang auf und im gerade beginnenden Abendrot trat ein Junge ein, der nach Stall roch und auch insgesamt aussah wie ein Stallbursche. Etwas hektisch blickte er durch den Raum, bis seine Augen an Arranges hängen blieben. Zielstrebig schritt er auf den Kaiserlichen zu und schob ihm einen Brief mit Siegel hin. Verwundert schaute Arranges auf. 'Arranges?' Der Magier blickte skeptisch. 'Ja?'
'Das soll ich euch geben...' Dann drehte der Bursche sich ohne ein weiteres Wort um und verließ die Taverne wieder, bevor der Kampfmagier etwas sagen konnte. Mit einem Stirnrunzeln griff Arranges nach dem Brief auf und betrachtete das Siegel aus dunkelgrünem Wachs. Ein dwemerisches G war darauf zu sehen. Nein! Verdammt, ich habe gerade wirklich andere Sorgen! Arranges warf Erynn einen gleichermaßen entschuldigenden, wie säuerlichen Blick zu, dann erhob er sich etwas ungeschmeidig ob der Blutergüsse, von denen sich einer sehr ungünstig an der Unterseite seines rechten Oberschenkels ausgebreitet hatte und trat aus der Taverne.
Kühle Abendluft schlug ihm entgegen. Schnell schritt er die wegartige, breite Ranke hinauf, die sich um den Pilz zu den oberen Stöcken wandte. In einer Richtung sah er eine dunkle Gestalt auf einem Guar, sich in südlicher Richtung entfernen. 'Mist!' Knurrte er, als er seinen Gedanken in der Taverne eben bestätigt sah. Beinahe hilfesuchend blickte er sich einmal um, setzte sich dann an den Rand der Ranke und brach schicksalsergeben das Siegel...