Solstheim, Westlich des Isìld Flusses, Moesring Berge, Pass
Gegen Mittag waren sie wieder am Fuße der Berge angelangt und hatten auch gleich eine kleine Höhle gefunden, die sie für eine Rast vor dem tobenden Schneesturm schützte. Die kleine Eisgrotte maß gerade einmal zehn mal zehn mal fünf Schritte und bot ihnen genug Platz, damit sich jeder einmal hinlegen konnte. Immer zwei hielten aber dennoch Wache, während sich die anderen schlafen legten. Ein Feuer brachten sie nicht, da ihre Rüstungen sie auch so zum Schwitzen brachten. Mit Dunkelheit hatten sie auch keine Probleme. Am kleinen Eingang fiel ein schmaler Lichtkegel in die Grotte und das Eis trug die Helligkeit in jeden Winkel. „Ich hoffe das nächste Mal haben wir eine weniger unheimliche Jagd, als die Letzte es war“, brummte Brândil, der zusammen mit Thorin Wache hatte.
„Was meinst du?“, fragte er mehr beiläufig. Er hatte nicht wirklich zugehört. Seine Gedanken streiften durch das Land und seine Augen schienen durch das Eis der Höhle zu sehen.
„Ich meine, dass ich beim nächsten Mal nicht wieder in ein solches Blutbad hineinrennen will, das kein normales Tier veranstalten würde“, murmelte der ältere Jäger. Danach schwiegen sie wieder. Es gab nicht wirklich etwas zu sagen zu dieser Thematik. Jeder wusste, das es ein Zeichen sein musste. Nur keiner wusste, ob ein Gutes, oder ein Schlechtes. Neben sich hörte er das leise, regelmäßige Schnarchen von Rulmgar, der anscheinend die wenigsten Probleme hatte einzuschlafen. Wenn er da an seine Versuche zurückdachte. Er und Brândil waren die Ersten, die sich schlafen legen durften. Nur war sein Geist so aufgewühlt, dass es beinahe ewig gedauert hatte, bis er eingeschlafen war. Die üblichen Gedanken quälten immer noch seinen Geist. Erinnerungen, Fragen und die Ereignisse und Aufregung der neuen Jagd beschäftigten ihn. Manchmal beneidete er Rulmgar fast. Irgendwie konnte er immer und überall schlafen.
Der Lichtkegel am Eingang war mittlerweile so schwach, dass er sich fast sicher war, dass es der Mond war, und nicht die Sonne, der ihnen ein wenig Licht spendete. „Ich geh‘ mal kurz frische Luft schnappen“, sagte er aus dem Mundwinkel zu seinem alten Freund und stand aus seiner sitzenden Position auf. Brândil brummte wieder nur. Also lief er auf den kleinen Lichtschein zu und trat einen Augenblick später wieder ins Freie. Hatte er noch vor wenigen Augenblicken mit schweren Schneefall und sturmartigen Windgeschwindigkeiten gerechnet, wurde er nun überrascht. In ihrer kleinen Raststätte hatten sie nicht bemerkt, dass sich der Sturm wieder gelegt hatte und nun sanften, flockigen Schneefall gewichen war und der Mond durch einige Lücken in der recht dünnen Wolkendecke schien. Die Luft war klar, wie immer, und es war traumhaft ruhig. Ein wenig zu ruhig. Vielleicht. Aber eigentlich war er es nur nicht mehr gewohnt ohne ein festes Dach über dem Kopf für lange Zeit fern ab jedweder Zivilisation zu sein. Und wenn er nun genauer darüber nachdachte, gefiel es ihm sehr. Die Ruhe. Die Einsamkeit. Und der Frieden, der allem irgendwie inne zu wohnen schien. Hier in den endlosen Schneefeldern gab es keinen Krieg, keinen Kampf um Solstheim. Nur die wilden Tier und die Rieklinge, die dieses Gebiet bewohnten. Und selbst diese schienen in der letzten Zeit nur in ihren Landstrichen zu bleiben und nicht mehr die Berge zu passieren. Oder zumindest hatte es keine Zwischenfälle mehr gegeben in denen Nord aus dem Skaaldorf auf Rieklinge in den Wäldern gestoßen waren. Keine von denen er wusste.
Sein Blick schweifte noch einige Augenblicke über den ebenen Schnee, der an Steinen zu kleinen Haufen angeweht wurde und ansonsten ruhig und bretteben dalag. Er atmete noch einige Male die frische Luft tief ein, dann wandte er sich wieder um und stapfte in die Höhle zurück. Rulmgar war inzwischen wieder aufgewacht und saß nun neben Brândil und auch Hulfgar und Gondrim schienen allmählich wieder ins Reich der Realität zurückzukehren. „Wie ich sehe, können wir bald wieder aufbrechen“, sagte er dann ein wenig vorfreudig zu den beiden Männern, die daraufhin ihre Blicke von ihren Füßen hoben und ihn nun anschauten. Rulmgar grinste breit.
„Sicher, wenn diese beiden lausigen Schlafmützen endlich ihre Augen aufkriegen können wir weiterziehen“, entgegnete dieser dann und die drei Männer mussten wieder lachen. Thorin näherte sich ihnen und setzte sich dann etwa zwei Schritte von ihnen entfernt auf den kalten Boden der Grotte, auch wenn er von der Temperatur nichts mitbekam. „Wir sollten die beiden Schnarchnasen mal ein wenig abkühlen. Die scheinen es zu warm zu haben“, grinst Rulmgar und nickte in Richtung eines kleinen Schneehaufens in der Nähe des Eingangs.
„Ich hab‘ nichts dagegen, solange du das Echo vertragen kannst. Du weist ja, wie Nord reagieren, wenn man sie unsanft weckt. Oder zumindest diese beiden Nord“, lachte Brândil und der jüngere Jäger machte ein Gesicht, als wären unliebsame Erinnerungen zurückgekehrt.
„Ich lasse euch beiden dann doch lieber den Vortritt“, gab er gespielt großzügig zurück und wieder mussten sie lachen. Sie lachten wohl laut genug, um die beiden anderen ihrer Gruppe nun aus dem Schlaf zu holen. Leise grummelnd und müde stöhnend richteten sie sich auf und schauten noch ein wenig verloren aus. Sie rieben sich beinahe synchron den Schlaf aus den Augen und schauten sie dann an.
„Wie spät ist es, dass ihr hier so eine heitere Runde habt?“, fragte Hulfgar verschlafen und die drei Jäger mussten sich ein weiteres Lachen verkneifen. Eigentlich wären ihre Pläne ganz witzig gewesen und ein anschließender Schneekampf wäre auch eine gute Unterhaltung gewesen. Nur niemand wollte sich freiwillig opfern für einen Kampf mit Hulfgar oder Gondrim.
„Es ist bereits dunkel und wir wollten gerade aufbrechen und euch zwei Schnarchnasen zurücklassen“, erwiderte Brândil.
„Was du nicht sagst“, kam es von Gondrim säuerlich zurück. „Das würdet ihr nicht wagen!“ Wie als Unterstützung seiner drohend gesprochenen Worte schlug er die Linke als Faust in die hohle Rechte. Wieder mussten die Drei lachen.
„Ach komm schon, Gondrim. Bist du etwas zu müde für einen derben Scherz?“, lachte nun Thorin und auf dem Gesicht des anderen Jägers breitete sich ein Grinsen aus.
„Ihr habt meinen Scherz nicht verstanden“, erwiderte er nun auch lachend. „Obwohl …“, fügte er dann todernst an.
„Was?“, fragte Thorin vom plötzlichen Ernst in der Stimme seines Kumpanen erschrocken und überrumpelt.
„Wenn ich es mir recht überlege, war es kein Scherz“, erklärte er dann mit einem wahnsinnigen Grinsen auf den Lippen und ehe sie reagieren konnten, stürzte Gondrim nach vorn und riss Rulmgar aus seiner sitzenden Position zu Boden. Dieser konnte nicht sich nicht einmal zur Hälfte umdrehen und wurde vom Schwung des stämmigen Mannes überrumpelt und hart zu Boden gerissen. „Jetzt wirst du für deine heimtückischen Pläne büßen“, grummelte dieser mit kaum zu verhehlender Belustigung in der Stimme, als er dem jüngeren, schwächeren Mann eine Hand voll Schnee ins Gesicht drückte. Erst jetzt fiel die unterschwellige Anspannung von ihm und scheinbar auch von allen anderen um Thorin herum ab und wich lautem Gelächter. Nachdem Gondrim seinem Opfer noch etwa drei weitere Hände voll Schnee ins Gesicht gerieben hatte löste er sich von ihm und nahm den Druck von Rulmgars Schultern, den er mit seinen Knien ausgeübt hatte, um ihn unter sich zu halten. Als er neben ihm stand reichte er dem jungen Jäger die rechte Hand und als dieser einschlug, half er ihm auf die Beine.
„Das bekommst du zurück, das schwör ich die beim Barte meiner Großmutter!“, knurrte ihr Freund mit knallrotem Gesicht und wütendem Ton. Wasser tropfte aus seinem kurzen Bart und rann über seine Wangen. Einige Strähnen seines langen, blonden Haares klebten ihm im Gesicht und verliehen ihm ein merkwürdiges, verrücktes Aussehen.
„Lasst uns aufbrechen, bevor uns die Beiden hier noch auf dumme Gedanken kommen“, schlug Thorin schließlich vor und alle stimmten zu, wenngleich Rulmgar noch einen bösen Blick in Gondrims Richtung abließ. In wenigen Augenblicken waren sie dann aber alle auf dem Weg nach draußen. Im Freien angekommen wandten sie sich wieder in ihre Reiserichtung und stapften los. Der Neuschnee reichte ihnen teilweise bis zu den Knien und erschwerte das Vorankommen stark. Sie mussten den Anführenden öfters als sonst wechseln, damit sie ihre Geschwindigkeit halten konnten. Während einer an der Spitze eine Spur zog, folgten die anderen in dieser aufgefädelt, wie eine Perlenschnur. Das sparte Kräfte. Dass es keinen Sturm mehr gab, erleichterte das Vorwärtskommen wieder ein wenig. Der Mond erleuchtete ihren Weg und tauchte ihre malerische Umgebung in sein silbriges Licht.
Sie liefen eine ganze Weile schweigend durch den tiefen Schnee, bis sie auf neuerliche Tierspuren trafen. „Was haben wir dieses Mal?“, fragte Hulfgar und löste sich aus dem hinteren Teil der Gruppe, um nach vorne zu gehen und selbst einen Blick auf den Fun zu werfen. Brândil und Thorin standen bereits neben ihm und die anderen reihten sich an ihrer Seite ein.
„Ein Bürstenrücken“, murmelte Brândil und fuhr mit einem Finger die Konturen eines Fußabdrucks ab, der sich in einer tiefen Furche im Schnee befand. „Kein Rieklingreiter, sonst würden wir bei der geringen Höhe des Tieres Spuren von den Füßen finden und die Spuren sind frisch. Sehr frisch“, sprach er dann bedächtig weiter und musterte die Spuren, die sie ein wenig weg von den Bergen führen würden, aber immer noch nach Südwesten.
„Also ein einzelner Bürstenrücken. Wenn ihr mich fragt, dann würde ich sagen: worauf warten wir noch?“, mischte sich Gondrim ein.
„Bürstenrückenstoßzähne eignen sich gut zum Schnitzen. Und ich mag Schnitzen“, gab Hulfgar seine Meinung kund.
„Wir alle wissen, dass du das Schnitzen liebst, Hulfgar. Dein ganzes Haus ist voll von geschnitzten Figuren“, lachte Thorin und fing sich einen bösen Blick von dem starken Jäger ein. „Ich habe auch nichts gegen eine Bürstenrückenjagd einzuwenden. Eine kleine Abwechslung zwischen der ganzen Wolfsjagd tut auch mal ganz gut“, sprach er dann weiter und die anderen nickten zustimmend.
„Sehe ich auch so“, kam es von Rulmgar. Und Brândil liebte es Bürstenrücken zu jagen. Also brauchen sie nicht einmal mehr auf seine ausgesprochene Meinung warten. Sie machten sich einige Augenblicke später an das folgen der frischen Spuren. Ihr Weg war nun auch etwas leichter, da sie lediglich der bereits gezogenen Spur folgen mussten. Zwischendurch hielten sie immer einmal wieder an, um sich davon zu überzeugen, dass sie aufholten. Die Menge an Neuschnee auf den Abdrücken, der durch den sanften Schneefall kam, wurde weniger. Somit konnten sie sich sicher sein. Zumindest wenn sie ihr bisheriges Tempo hielten. Unwillkürlich griff er auf seinen Rücken und löste den langen, dunklen Ebenholzspeer aus seiner Halterung. Seine Finger schlossen sich um das Holz und hielten es fest umschlossen. Vor sich tat es ihm Hulfgar gleich und hinter sich hörte das leise Reiben von Holz auf Leder, als auch die hinteren Drei ihre Speere zogen.
Die Spuren machten letztlich einen Bogen, als sie sich der Erhebung um Hrothmund’s Grab näherten und führten sie nun direkt auf den nördlichen der beiden Pässe in den Mösringbergen zu. Dabei kreuzten sie mehr als einmal den zwar von tiefen Schnee überschütteten, aber immer noch erkennbaren Weg der von diesem aus den Grabhügel umrundete. Je näher sie den Bergen, und somit dem Pass kamen, desto mehr große Steine oder Eisbrocken fanden sich um sie herum. Sie waren überrascht, dass sie auf keine Rieklinge trafen. Allerdings freuten sie sich mehr darüber, als dass sie sich Sorgen machten. Die kleinen Blauen konnten sehr zäh und biestig sein. Vor allem wenn man sich in ihren Gebieten aufhielt. Und da sie meistens in größeren Gruppen zusammen waren, waren sie auch für Jäger oftmals tödlich.
Ohne eine Vorwarnung hielt Hulfgar an und Thorin wäre beinahe in ihn hineingelaufen. „Was bei …“, entfuhr es ihm, doch der Jäger vor ihm fiel ihm mit einem „Sch!“ ins Wort und brachte ihn augenblicklich zum Schweigen. Zumindest für einige Augenblicke der Überraschung, dann flüsterte er mit höherem Puls und angespannteren Sinnen: „Was ist los?“
„Irgendetwas stimmt nicht“, bekam er zur Antwort. Er konnte sich nicht viel aus der Erwiderung zusammenreimen, also bahnte er sich einen Weg neben seinen Freund, um selbst sehen zu können. Und das war nicht wirklich viel. Zwar schien der Mond durch die dünne Wolkendecke oder durch Lücken in dieser, aber dennoch hielt die Nacht alles mit ihrem dunklen Griff gefangen und gab nur wenige Details preis. Dennoch konnte er einige Dinge erkennen. Zum einen war der urplötzlich beschleunigte Schritt ihres Opfers etwas, dass ihn beunruhigte. Für gewöhnlich rannten Bürstenrücken nicht. Dieses Tier hier schon. Zum anderen waren dort die unzähligen Spuren von Zweibeinern die alle, ohne Ordnung, in eine Richtung gerannt waren. Ihnen war es erst jetzt aufgefallen, weil die Steine sowohl nach rechts, als auch nach links die Sicht raubten und nur geradeaus einen kleinen Abschnitt zeigten. Die Spuren verliefen von rechts, nach links und kamen aus der Richtung des Passes. „Was bei allen Göttern ist das?“, entfuhr es ihm entsetzt, aber leise. Er merkte, wie sich sein Puls beschleunigte und seine Finger das Holz zusammenpressten. Oder zumindest zu versuchen schienen. Ohne weitere Worte pressten sie sich in den Schatten eines der großen Felsen und schlichen bis zu seiner Kante und Thorin spähte um sie herum.
Der Anblick ließ ihn einige Momente lang, wie gelähmt, einfach stehen bleiben. Der Schnee vor ihm war dunkel. Der spärliche Licht gab nur wenige Farben preis, aber auch ohne genaue Details wusste er, dass die dunklen Stellen, die eine enorme Fläche einnahmen, von Blut stammten. Der Geruch, der nun in der Luft lag, war eindeutig. Die Spuren im Schnee kamen von etwa sechs Personen. Thorin vermutete , dass es Rieklinge waren. Aber wovor würden Rieklinge in solcher Zahl wegrennen?, fragte er sich. Als er keinen Hinweis auf einen potenziellen Angreifer erkennen konnte, trat er um die Ecke des Felsens und stapfte leicht geduckt und bis aufs Äußerste angespannt durch den Schnee auf die dunklen Stellen zu. In dem Wirrwarr aus Abdrücken verlor er schon bald die Spur des Bürstenrückens. Allerdings brauchte er nicht lange suchen. Ihr Opfer war bereits tot. Seine Eingeweide waren angefressen und teilweise im Umkreis von einigen Schritten verteilt. Die Kehle war zerfetzt und auf dem Rücken fanden sich einige tiefe Schnitte.
Als er näher kam, stieg ihm der beißende Gestank von Exkrementen in die Nase. Offenbar war auch der Magen ein Opfer des Angriffs geworden und aufgeplatzt. Sein Inhalt hatte sich dann verteilt und verströmte nun seinen intensiven Geruch. Hinter sich hörte er ein leichtes Stöhnen, als auch die anderen in die Dunstglocke eintauchten. Thorin kniete sich neben den Kadaver und beschaute sich die Wunden am Rücken. Es waren mehrere lange Schnitte, die an den Wundrändern leicht ausgefranzt waren. Es war also kleine Klinge, die diese Wunden gerissen hatte, sondern Klauen. Wieder tauchten Bilder der Vergangenheit vor ihm auf. Seine Eltern. Zerfetzt von Klauen. Dann die Pranke des Werwolfs. Und er glaubte beinahe, den Schmerz von damals zu fühlen, als ihm diese über den Rücken fuhr.
„Das müsst ihr euch ansehen“, hörte er die recht laute Stimme von Rulmgar einige Schritte von ihm entfernt, die ihn aus seinen Gedanken riss. Er schaute auf und sah den jungen Jäger ein dutzend Schritte von ihm entfernt einfach dastehen. Der Speer gesenkt in seiner Rechten. Er gesellte sich zu ihm und auch die Anderen kamen. Der Anblick der sich ihnen nun bot, war markerschütternd. Der Schnee vor ihnen war großflächig niedergetrampelt und vollkommen mit Blut getränkt. Auf ihm lagen die Leichen von fünf Rieklingen und zwei weiteren Bürstenrücken. Jede einzelne von ihnen verstümmelt und übel zugerichtet. Der Schock überkam seine Anspannung auch er merkte, wie sich seine Waffe senkte und der Griff um sie lockerte. Aber er konnte absolut nichts dagegen unternehmen. Auch wenn er die kleinen Blauen nicht wirklich mochte, empfand er bei diesem Anblick doch ein wenig Mitleid mit ihnen. Die Waffen der Rieklinge waren mit Blut getränkt. Ob mit ihrem Eigenen, oder dem des Angreifers, konnte er nicht sagen. Der Geruch in der Luft erregte jedenfalls Übelkeit und die Dampfschwaden, die von dem Massaker aufstiegen, deuteten daraufhin, dass das Ganze noch nicht allzu lange her war.
Ein leises Gurgeln oder Knurren neben ihnen ließ ihre Köpfe herumfahren und die Anspannung und Wachsamkeit zurückkehren. Im Schatten eines großen Eisblocks lehnte ein weiterer Riekling, dessen kleiner Brustkorb sich schnell hob und senkte, als würde er nach Luft ringen. „Hulgar, Gondrim, Rulmgar. Habt ein Auge auf die Umgebung und sucht nach Spuren des Angreifers. Brândil und ich schauen uns den Blauen an“, sagte Thorin schließlich und löste sich aus der Gruppe, um auf den Überlebenden zu zu stapfen. Hinter sich hörte er das Geräusch von Schritten auf festem Schnee. Brândil folgte ihm. Nach einigen Schritten erreichten sie den Riekling und er kniete sich neben ihn. Die kleinen Augen des Rieklings verfolgten jede Bewegung, die er machte. „Ich will dir nichts Böses. Ich kann dir helfen, wenn du uns ein paar Fragen beantwortest“, sprach er dann in einem beruhigenden Tonfall und legte den Speer neben sich in den Schnee.
Von dem kleinen Blauen kam nichts weiter, außer einem leisen, gurgelnden Geräusch. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die langen, blauen Haare des Schnurrbarts nur schwach, aber erkennbar, feucht glänzten und auch das Kinn eine dunklere Farbe, als der Rest der Haut hatte. Mit einem unguten Gefühl wanderten seine Augen weiter nach unten und hielten dort an, wo eigentlich die Kehle sein sollte. Anstatt dessen sah er jedoch nur ein dunkles, stark blutendes Loch und Fleisch- und Hautfetzen. Die Fellkleidung des Rieklings war vollkommen mit dessen Blut getränkt. Ein letztes Mal gab der tödlich verletzte ein Gurgeln von sich, dann erschlaffte sein Körper merklich. Die Augen fielen zu, der Kopf sackte nach vorn und der Brustkorb blieb ruhig. „Er ist tot“, verkündete er unnötiger Weise. Dann griff er sich seinen Speer und stand wieder auf.
Gerade, als er sich wieder zu dem Massaker umdrehte, kamen die drei Jäger auf Brândil und ihn zu. „Etwas gefunden?“, fragte der alte Jäger.
„Wolfspuren“, verkündete Gondrim. „Drei Tiere. Ein Größeres und zwei kleinere“, erklärte er dann weiter …
Ebenherz, Schloss Ebenherz, Ratskammer
In der Burg hatte sich seit seinem letzten Besuch vor zwei Jahren eigentlich kaum etwas verändert. Es waren immer noch die gleichen Bilder, Wandteppiche und auch die gleiche Einrichtung. Aufgrund viel die offensichtlichste Veränderung sofort ins Auge. Das Aufkommen an Wachen, war entsprechend viel höher. Früher patrouillierte eine relativ kleine Gruppe der herzoglichen Garde durch die Burg, doch jetzt waren es auffallend mehr geworden, die scheinbar jeden Millimeter unter Bewachung hielten. Tarrior überkam ein Frösteln. „Die Lage muss wirklich schlimm sein, wenn der Herzog die Garnison und die Bewachung von Ebenherz derart verstärkt hat“: dachte er, doch die Gedanken wollten ihm nicht wirklich gefallen. Er musste unbedingt herausfinden wie es um die Situation hier auf Vvardenfell bestellt war. Wenn es so schlecht stand, wie er befürchtete dann musste er schneller als geplant zu seiner Plantage zurückkehren. Er hatte zwar keine Ahnung wie er sie gegen eine Horde Deadra verteidigen sollte, doch zumindest konnte er dann so rechtzeitig einen Teil seines Besitzes in Sicherheit bringen. Doch er hoffte inständig, dass die Lage nicht so schlimm sein würde. „Ich habe einen Termin bei Herzog Dren. Die Wachen lassen nur noch angemeldete Besucher zu ihm vor. Also werdet ihr wohl nicht mit ihm sprechen können. Aber ihr wolltet euch ja sowieso über die Lage hier auf Vvardenfell informieren. Da werdet ihr im Rat sowieso mehr Glück haben. Als bei Herzog Dren. Sprecht am besten mit den Vertretern von Haus Redoran, ihr Herrschaftsgebiet wurde von den Deadra am schlimmsten in Mitleidenschaft gezogen. Aber nebst den Deadra haben wir ja auch noch andere Probleme, aber da sprecht mit unseren Hlaalu-Abgesandten, ich bin schon spät dran. Dann bis nachher Serjo“: sagte Dram Bero und verabschiedete sich. Tarrior schaute ihm kur nach, dann wurde er von zwei Kaiserlichen durch eine Tür begleitet und war verschwunden. Die Beiden tauchten nach wenigen Augenblicken wieder auf und bezogen vor der Holztür wieder Stellung. Er schüttelte den Kopf. In gewisser Weise konnte er zwar den erhöhten Sicherungsbedarf verstehen, doch das hier war doch ziemlich übertrieben. Zumal der Herzog ja auch noch über einen Leibwächter verfügte. Er wandte sich dann ab und ging dann in Richtung der großen Halle weiter. Zunächst schien es so, als würden, die auch dort positionierten, Legionäre versuchen ihn aufzuhalten, doch die sie ließen es sein und ihn einfach passieren. Dann stand er auch schon im größten Raum des Schlosses. Umgeben von Wandteppichen und Gemälden, die Szenen aus der Geschichte Morrowinds und große Schlachten des Kaiserreichs zeigten, stand hier in der Mitte des Raumes ein großes Tischkonstrukt. Die große Tischreihe bildete das Zentrum der Halle und wand sich sogar um zwei Säulen. Sie wurde flankiert von Stühlen und auf ihr standen Teller und Körbe mit Früchten und Brot und einige Krüge, wohl mit Wasser oder Wein. Zwischen dem, über den Tisch verteilten, Aufgebots an Nahrung, lagen Karten, Lagepläne, Briefe, Berichte, Bücher und etliche andere Schriftstücke. Es war die reinste Unordnung. „Der Rat muss in letzter Zeit wohl täglich tagen und beraten“: dachte er. In diesem Moment sah es jedoch nach Pause aus.
Es befanden sich zwar noch einige Ratsmitglieder im Raum, doch der Großteil war wohl dabei sich die Füße zu vertreten. Doch zu seinem Glück gehörten die Leute, die noch im Raum waren, zu Haus Hlaalu und Haus Redoran. Sie hatten zwei Grüppchen gebildet und berieten unter einander. Erkannt hatte er sie an den auffälligen Gestalten in den prachtvollen Knochenrüstungen die je das Zeichen eines der Häuser trugen. Denjenigen der bei den Mitgliedern seines Hauses stand, hatte er auch erkannt. Es handelte sich bei ihm Garabas Tronin, einen der militärischen Kommandanten von Haus Hlaalu. Soweit Tarrior wusste, war er auch Kommandant der Stadtwache von Balmora. „Vermutlich ist er hier um über die Verteidigung unseres Territoriums zu beraten“: dachte er. Daneben standen der Abgesandte des Hauses für den Rat von Vvardenfell, Tersius Mercutarius und zwei weitere Hausmitglieder, die er jedoch nicht kannte. Der eine ein Dunmer, der andere auch ein Kaiserlicher. Er ging zu ihnen hinüber und blieb neben ihnen stehen. Er schnappte dabei einige Dinge auf, die sich tatsächlich um Strategien zur Verteidigung von Städten und Landstrichen und Truppenverlegungen drehten. Die Vier bemerkten ihn gar nicht, so vertieft waren sie in ihr Gespräch. Er räusperte sich kurz und laut, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der Abgesandte fuhr wie von einem Blitz getroffen zusammen und wandte sich ihm blitzschnell zu. Tarrior konnte noch den kurzen Schreck im Gesicht des Kaiserlichen erkennen, der dann jedoch schnell in Ärger umschlug. „Was hat er denn gedacht? Das die Deadra Ebenherz gestürmt haben und sich nun ausgerechnet an ihn heranschleichen?“: dachte er mit einem innerlichen Kopfschütteln. Er verstand zwar sehr gut den bestehenden Ernst der Sachlage, doch diese Schreckhaftigkeit war nun wirklich übertrieben und lächerlich. „Was wollt ihr“: keifte ihn der Abgesandte seines eigenen Hauses an. „Das ist Tarrior Gildres, Tersius“: antwortete Garabas, noch bevor er es konnte. Die Augen des Kaiserlichen verengten sich, die beiden anderen Hausmitglieder sahen neugierig zu ihm hinüber. „Das beantwortet nicht meine Frage“: sagte Mercutarius immer noch verärgert. „Also was wollt ihr?“: fragte er nochmals. „Ich bin gerade aus Cyrodiil zurück und habe von der Invasion gehört. Ich wollte mich über die derzeitige Situation informieren und fragen ob und wie ich helfen kann“: erklärte er. Letzteres war zwar eine Lüge, aber es sah besser aus, als wenn er nur verlangte. „Pah seht ihr nicht, dass wir hier zu tun haben? Wir haben keine Zeit uns mit euch zu beschäftigen es muss noch viel geplant werden“: sagte der Kaiserliche, mit einem Tonfall der keinen Widerspruch zu ließ, der ihm aber auch nicht sonderlich gefiel.
Der Krieger schien das zu spüren und nahm ihn beiseite. Der Kaiserliche zog zwar eine Augenbraue nach oben, wandte sich aber zusammen mit den anderen Beiden wieder seinen Papieren zu. „Herr Gildres nehmt es Tersius nicht Übel. Er ist sonst eigentlich ein freundlicher Zeitgenosse, doch er hat wie wir die letzten drei Tage kaum ein Auge zugetan. Ständig treffen Boten ein, mit neuen Informationen oder neuen Forderungen, um die sich gekümmert werden muss. Ich weiß nicht ob ihr mich kennt, ich bin Garabas Tronin, militärischer Abgesandter Haus Hlaalus für den Rat und eigentlich Kommandant der Stadtwache von Balmora“: erzählte ihm der Krieger. Er fand das Verhalten des Abgesandten zwar trotzdem noch unangemessen, doch er ließ es dabei bewenden. „Ja ich habe schon von euch gehört. Ich glaube sogar, dass wir uns auf einer der Ratssitzungen bereits begegnet sind. Aber woher kennt ihr mich? Ein kleines Ratsmitglied von einer Plantage mitten in der Westspalte ist ja nun wirklich niemand, an den man sich einfach so erinnert“: fragte Tarrior, froh darüber, dass zumindest Garabas seine Manieren scheinbar noch nicht verloren hatte. „Ja vielleicht habt ihr Recht, aber ich bin ein Freund von Serjo Bero. Er scheint euch zu mögen. Er sagt ihr wäret zuverlässig und loyal. Etwas das man in einem Haus, welches aus geschickten Dieben und gewitzten Händlern besteht, nicht allzu oft findet. Ihr sagtet ihr wollt euch hier über die Lage auf Vvardenfell informieren?“: fragte Garabas. „Ja ich war, wie ihr dann auch sicher wisst, in Cyrodiil gewesen“: erzählte er. „Nun dann seid ihr hier richtig. Außer in den Ratshallen der einzelnen Häuser, laufen hier alle wichtigen und leider auch unwichtigen Informationen zentral zusammen. Es ist fast so, als würden die Leute erwarten der Rat könne, die sich immer stärker häufenden, Probleme in Sekunden lösen. Über die Deadra kann euch wohl das Haus Redoran am ehesten etwas erzählen. Auf ihrem Territorium begann die Invasion und hat es außerordentlich hart getroffen. Hlaalu und Telvanni haben die Deadra noch nicht erreicht.
Die Zöglinge Mehrunes Dagons befinden sich im Inneren der Insel und werden von den Redoranern noch in Schach gehalten. Wie gesagt fragt am besten nachher einen der redoranischen Generäle die hier sind, zu dem Thema. Was ansonsten die Lage angeht, sie ist nunja … angespannt. Die Deadra haben sich eindeutig, den für sie besten, Zeitpunkt ausgesucht um uns zu überfallen. Es ist fast so, als hätten sie die Eskalation des Bürgerkriegs hier auf der Insel abgewartet. Die Spannungen unter den Fürstenhäusern hatten sich ja verstärkt gehabt, dass wisst ihr. Und die Bauern und einfachen Leute wollte das Ganze ausnutzen. Sie waren die Bevormundung des Tempels leid und natürlich auch die Politik der Häuser. Dres und Indoriil hat es am schlimmsten getroffen. Indoriil steht kurz vor seinem Ende. Hier auf Vvardenfell haben wir daher mit Versorgungs- und Absatzeinbußen zu rechnen. Die Bauern und Bergleute proben den Aufstand. Teile der Ascadia-Inseln und der Westspalte sind betroffen. Auch das nicht von den Deadra kontrollierte Territorium Redorans ist mittlerweile Niemandsland, da die Redoraner keine Möglichkeit mehr haben außerhalb der Städte und Außenposten noch irgendetwas unter ihrer Kontrolle zu halten. Wir haben glücklicherweise weniger Probleme und der Handel mit Waffen ist sogar gestiegen. Aber auch wir spüren die verringerte Versorgung und das auch der Handel mit übrigen Waren zurückgeht. Zum Glück ist es bei uns kaum zu Eskalationen gekommen. Das kürzlich veranstaltete Fest in Balmora hat die Leute vorerst zufrieden gestellt. Dennoch haben wir wie erwähnt eine Krise auf den Ascadia-Inseln. Zwischen Pelagiad und Suran haben die Bauern einen Aufstand verursacht und verweigern die Gefolgschaft. Und in den beiden Städten brodelt es auch schon, vor allem wegen der ganzen Flüchtlinge. Die Telvanni haben ihre Probleme radikal gelöst. Bei Aufständen der Sklaven und Bauern, haben sie bisher aufs brutalste durchgegriffen. Die Aufstände wurden einfach mittels Magie aufgelöst. Sprich es gab Tote und Verletzte, denn die Magier verwandten ohne zu zögern auch Zerstörungsmagie. Die Lage in ihrem Gebiet ist dafür recht ruhig. Seit dem großen Sklavenaufstand von Tel Aruhn, hat es keiner mehr gewagt sich gegen die Magierfürsten zu stellen. Es sollte wohl das endgültige Exempel sein. Bei den Opferzahlen dort kann ich mir das gut vorstellen. Die Magier und Wachen haben die aufständischen Sklaven einfach mittels Magie niedergemäht und die überlebenden Rädelsführer noch an Ort und Stelle hingerichtet.
Im Rat hatte dies kurzzeitig einen Schock ausgelöst, doch das war dann auch schon schnell wieder vergessen, andere Probleme waren dringender. Ihr seht Vvardenfell, aber auch Rest-Morrowind haben sich in ein Tollhaus verwandelt. Sollten die Deadra jedoch auf unser Territorium vorrücken, wird das Chaos perfekt werden. Die Ordnung die im Moment bei uns noch besteht ist trügerisch. Bürger und Bauern sind verunsichert. Wenn letztere uns die Gefolgschaft endgültig verweigern und die Nahrungsmittelversorgung einstellen, dann dauert es, im Angesicht der drohenden Gefahr, nicht mehr lange und es brechen Aufstände in den Städten aus. Die Nerven sind blank und alles bewegt sich am Rand der Panik. Ich denke ihr solltet nach Balmora gehen. Ihr wolltet ja helfen und dort ist gewiss etwas zu tun. Außerdem kann es nicht schaden dort Flagge zu zeigen. Die obersten unseres Rates haben sich auf die Städte in unserem Herrschaftsbereich verteilt um den Bürgern zu zeigen, dass alles in Ordnung wäre. Das wäre so insgesamt die derzeitige Lage unseres Hauses hier auf Vvardenfell“: berichtete er und Tarrior hörte aufmerksam den Ausführungen zu. „So wie ihr es sagt, klingt es so, als wären die Deadra vorerst gestoppt, greifen die über ihre Tore nicht in der Fläche an?“: fragte er, in Erinnerung an die Situation in Cyrodiil, wo der Feind über die feurigen Tore an jeder Stelle und zu jeder Zeit zuschlagen konnte. „Ich nehme mal an ihr denkt jetzt an die Lage in Cyrodiil. Tatsächlich haben sich auch hier Tore flächendeckend geöffnet, doch etwas ist bei uns anders. Die Deadra tauchten im Zentrum der Insel, am Fuße des Roten Berges, erstmals auf. Sie sprudelten aus den dortigen Toren und schon bald stand ein Heer direkt auf Vvardenfell. In der Zwischenzeit öffneten sich überall weitere Tore, aus denen zwar auch Deadra kamen, aber keine Streitmacht. Doch dann setzte sich das Heer in Marsch. Und da erkannten wir den Zweck der Tore. Als die Armee kurz vor Ald’ruhn stand, wo die Redoraner ihre Verbände zusammen gezogen hatten, spuckten die Tore dort noch weitere Entsatztruppen aus und lieferten Verstärkung, aber auch Nachschub für Gefallene.
Der Rest war eine kurze Belagerung und dann ein Sturmangriff der die Stadt endgültig in die Knie zwang. Ich bin mir sicher die Redoraner können euch mehr darüber erzählen. Anhand dessen könnt ihr wohl erkennen, dass die Deadra mit ihrer Streitmacht vorrücken. Nach Ald’ruhn hat sie sich jedoch aufgeteilt. Der Hauptteil belagert derzeit verbissen Mar Gaan die verbleibenden Teile durchstreifen das Aschland und Molag Amur und vernichten die dortigen Außenposten, ihr kennt ja sicherlich die Velothi-Türme. Und solange Mar Gaan noch nicht gefallen ist, können wir uns noch relativ sicher fühlen. Was passiert, wenn die Stadt genommen wird, will ich mir lieber gar nicht erst vorstellen“: erklärte Garabas das Vorgehen des deadrischen Feindes. Tarrior nickte bedächtig. In seinem Kopf arbeitete es. Es kostete ihn langsam Mühe die vielen Informationen, die hier auf ihn einströmten, zu verarbeiten. Seltsamer- aber auch glücklicherweise bekam er davon jedoch keine Kopfschmerzen. Da er ja sowieso zurück auf seine Plantage wollte, besser gesagt musste, käme er ja sowieso durch Balmora. Die Situation beunruhigte ihn dennoch. Die Bauern stellten jetzt zu Großteilen die Versorgung sicher. Käme es zu Aufständen ihrerseits und oder der Bürgerschaft, dann würde diese zerbrechliche Ordnung in pures Chaos übergehen. „Fürst Dagoth wäre überglücklich gewesen“: dachte er in Anbetracht dessen zynisch. Schließlich hatte Dagoth Ur in jahrelanger Planung und Vorarbeit versucht einen Bürgerkrieg vom Zaun zu brechen um das Tribunal zu stürzen. Und nun schafften die Deadra, dass wozu er Jahrzehnte gebraucht hatte, in einigen wenigen Monaten. Doch die größte Ironie daran war, dass der Nerevarine, der damals die sogenannte Vvardenfell-Krise beendet und somit den Bürgerkrieg verhindert hatte, nun selbst den Anstoß für den jetzt tobenden Bürgerkrieg gegeben hatte. Sein Verschwinden hatte das Ganze erst ausgelöst und nun profitierten die Deadra von den Missständen im Land.
Hätte er sich weit weniger unter Kontrolle gehabt, hätte er laut gelacht, ob dieser wirklich schon schreienden Ironie. Doch er konnte sich beherrschen und ließ es, allein schon um unbequemen Fragen und dergleichen zu entgehen. Das Letzte was er jetzt brauchte, wäre das sie ihn noch für verrückt halten würden. Kurz glomm in seinen Gedanken die Überlegung auf, dass eigentlich jeder in gewisserweise seinem ganz persönlichen Wahnsinn verfallen war. Aber er erstickte die innerliche Diskussion darüber im Keim. Es war nicht wirklich der passende Moment um über philosophische Dinge nachzudenken. Das konnte er tun, wenn das hier vorbei und er ein alter Mann wäre. Und bis dahin war es ja noch einiges an Zeit. Noch so in Gedanken daran, wurde er durch ein lautes Räuspern, diesmal seines Gegenübers, zurück in das Hier und Jetzt geholt. Er bemerkte, dass er wohl eine ganze Weile vor sich hingestarrt haben musste. „Ähh...“: setzte er an, doch Garabas kam ihm zuvor. „Ich denke ihr solltet jetzt noch mit den Redoranern sprechen, wenn euch die Einzelheiten der Invasion interessieren. Ich muss mich jetzt wieder an den Besprechungen zur Planung der Verteidigung unseres Territoriums beteiligen“: sagte der Stadtwachenkommandant und wandte sich, nach einem Nicken Tarriors, wieder den Ausführungen Mercutarius zu. Tarrior selbst verharrte noch einen kurzen Moment, um die erhaltenen Informationen endgültig in seinem Kopf zu ordnen. Dann ging er zu den Redoranern hinüber.
Cyrodiil, Kaiserstadt, Kaiserstadt-Hafenbezirk
"Es ist immer das Gleiche" dachte Tantchen, als sie sich erhob und von dem schwer kranken Mann abwandte.
Immer, wenn sie versuchte jemanden zu helfen und dabei keine Wiederherstellungszauber benutzte, bekam sie Probleme. Einer der Schaulustigen, die um den Unfallort herumstanden, war gerade dabei, die Wache zu rufen. Sobald jemand an dem Arm eines Anderen ein Messer hielt, galt das gleich als versuchter Mord. "Wie erbärmlich".
Ihre Laune verbesserte sich allerdings hinsichtlich der Tatsache, dass keine Wache kam. Zwar standen zwei davon am nicht weit entfernten Tor zum Barracken-Viertel, aber die grinsten nur.
Tantchen war schließlich als Heilerin bekannt, wenn auch als solche, die ungewöhnliche Methoden benutzte.
Sie drehte sich um und sprach zu dem Hafenarbeiter, der hinter ihr stand:"Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn ich Ihren Mitarbeiter jetzt mit mir nehmen könnte. Es steht nicht besonders gut um Ihn und ihn hier zu behandeln verspricht keinen Erfolg. Ich werde mich darum bemühen, ihn bald wieder gesund hierher schicken zu können."
"Natürlich, wenn es ihm hilft." Tantchen versuchte den Mann hochzuheben, was trotz seiner Größe und Schwere mit einiger Müh und Not auch gelang. Sie musste ihn nicht weit schleppen, vor den Toren des Bezirkes wartete ihr Pferd. Viele Leute hatten die Angewohnheit, ihren Reittieren einen Namen zu geben, aber Tantchen nannte ihres einfach nur "Pferd". Das war auch sinnvoll, denn es gab garantiert mehr als eine "Henriette", aber garantiert keine fünf "Pferd".
Komm Pferd, wenn du dich jetzt noch ein wenig runterbeugst, hätten wir das schon hinter uns, bevor dieser wütende Mob bei uns ist.
Sie sah zu den Docks zurück, von wo eine Masse Menschen auf sie zuströmte.
Da er bei den Wachen keinen Erfolg gehabt hatte, schien der Mann kurzerhand selbst dei Verfolgung aufzunehmen. Tantchen wusste auch warum: Er bekam Aufmerksamkeit.
Dies schien auch die Menschen hinter ihm anzutreiben, denn unter ihnen befanden sich Einig, die weder beim Unfall noch unter den Schaulustigen gewesen waren.
Sie hiefte den Mann auf das Pferd, er war immer noch bewusstlos, und wäre dabei beinahe zusammengebrochen.
Mit dem Rest ihrer Kraft schwang sie sich nun auch selbst auf das Tier und trieb es an.
Sie musste sich kaum die Mühe machen es zu lanken, "Pferd" kannte den Weg. Es war ihn schließlich schon oft genug geritten.
Es ging nach Skingrad.
Solstheim, Moesring Berge
Der Schock über das Massaker saß ihnen noch tief in den Knochen, als sie sich an die Verfolgung der Wolfsabdrücke gemacht hatten. An sich waren diese wenig besonders. Wölfe hatten unterschiedliche Größen. Und diese hier lagen definitiv im normalen Bereich. Aber die Tatsache, dass die Spuren von dem Blutbad ausgingen, machten sie mehr als nur verdächtig. Besonders für Thorin. Ihre Speere hielten sie stets fest umschlossen an ihren Seiten und ließen die Blicke schweifen. Das Gebiet um den Pass hatten sie bereits seit einer Weile hinter sich gelassen. Abgesehen von ihrer Stimmung, hatte sich auch ihre „Jagdformation“ geändert. Von einer Reihe hatten sie sich nun so angeordnet, dass sie zwei Reihen bildeten. Eine Erste, die aus Dreien bestand und leicht gebogen war. Sprich mit einem, an der Spitze und zwei, die einen Schritt weiter hinten flankierten. Und eine Zweite, die aus den anderen Zweien bestand. Thorin, Brândil und Gondrim befanden sich in der ersten Reihe, wobei Gondrim die Spitze bildete, und Hulfgar und Rulmgar bildeten die zweite Reihe.
So aufgestellt liefen sie durch den knietiefen Schnee. Zwar kamen sie langsam voran, aber die Spuren würden so schnell nicht verschwinden. Immerhin fiel nur sehr wenig Schnee auf sie. Und wie Thorin mit einem Blick zum Himmel feststellte, riss die ohnehin schon dünne Wolkendecke auch noch auf. Zu ihrer Linken befanden sich die hohen Gipfel der Moesring Berge, die sich als dunkle Linien vor den helleren Wolken abzeichneten. Oder gelegentlich auch als schwarze Schatten vor dem mit hellen Lichtpunkten übersäten, dunkelblauen, fast schwarzen Himmel. Ein solcher Anblick ließ jedes Mal seinen Magen ein wenig in sich zusammen sinken. Wie klein und unwürdig sie doch waren im Vergleich zur Größe der Mutter Natur und ihrer majestätischen Schönheit. Auch sein Herz machte einige unruhige, aber irgendwie auch freudige Zusatzschläge – nicht das es ohnehin schon schnell schlug, aufgrund der Umstände. Aber in gewisser Weise verschaffte es ihm gleichzeitig eine neue, innerliche Ruhe. Sollte sich sein unterbewusster Verdacht das Massaker betreffend bestätigen, würde er wenigstens eins mit dieser Schönheit werden. Oder in die ewigen Hallen der Krieger einziehen. Aber als Jäger bevorzugte er Ersteres.
Während er so in seine Gedanken versunken war, ließ er dennoch nicht seine direkte Umgebung aus den Augen. Auch wenn er manches Mal durch sie hindurch zu sehen schien, würde ihm doch sofort jede Bewegung zurück in die Wirklichkeit holen. Oder jedes Geräusch, das nicht zu ihnen gehörte. Und so kam es dann auch, dass ihn ein leiser, reißender Laut aus seinem starren Blick riss und seinen Kopf schnell in alle Richtungen herum zucken ließ. Es kam von irgendwo vor ihnen, hinter einer kleinen Hügelkuppe verborgen. Sofort hielten sie an und rührten sich nicht eine Haarbreite weit. Ihre Anspannung zeichnete sich symbolisch als ihre Dampfwolken des Atems in das silbrige Mondlicht. Sie verschwanden so schnell, wie ihre Nerven zuckten. Dann waren sie wieder da – und verschwanden erneut. Scheinbar endlose Momente vergingen, ehe sie über die Hügelkuppe gelangten und ihnen erneut der Atem in den Lungen stecken blieb. Einer der Wölfe lag mit Blut übergossen und mit zerfleischter Bauchdecke im Schnee. Ein anderer hatte seine Schnauze in die Eingeweide gegraben und war ebenfalls mit einigen, aber weitaus weniger gravierenden Wunden geziert. Vom dritten Wolf fehlte jedwede Spur. Das weißgraue Fell des lebenden Wolfes war teilweise mit dem roten Lebenssaft des Anderen – oder auch seinem Eigenen – beschmutzt. Das Schauspiel befand sich gute zwanzig Schritte vor ihnen. Im tiefen Schnee vielleicht auch das Doppelte. Seine Muskeln spannten sich und seine Nerven waren bis auf das Äußerste gereizt. Das fressende Tier hatte sie scheinbar noch nicht bemerkt. Zu sehr schien es mit Fressen beschäftigt zu sein. Erst als er neben sich ein leises Klicken hörte, das auch ihn zusammenfahren ließ, schaute der Wolf auf.
Thorin wandte seinen Kopf nach rechts, von wo er das Geräusch gehört hatte, und schaute auf die gespannte Armbrust von Hulfgar. Mit einem weiteren Klicken löste sich der Haltehaken, der sie Sehne zurückgehalten hatte, und die Bolzen schoss mit einem schneidenden Pfeifen davon. Nur wenige Augenblicke später härte er ein gequältes Jaulen und danach ein dumpfes Plumpsen. Sein Kopf wanderte wieder herum und er erblickte den nun leblos am Boden liegenden Körper des zweiten Wolfes. Aus seiner Schädeldecke, ein wenig seitlich hinter dem Auge eingedrungen, ragte der Schaft des todbringenden Geschosses. „Guter Schuss“, flüsterte Thorin mehr atmend, als eigentlich sprechend. Vorsichtig und stets umsichtig näherten sie sich den beiden toten Wölfen.
Sie lagen in einer kleinen Senke zwischen einigen kleinen Hügeln. Sie waren hier nicht nur vor momentan nicht vorhandenem Wind geschützt, sondern auch vor neugierigen Blicken. Oder – und das beunruhigte ihn mehr – neugierige Beobachter vor ihnen. Die perfekte Falle. „Verdammt!“, entfuhr es ihm leise, aber dennoch von seinen Freunden hörbar.
„Was ist?“, fragte Brândil, der sich gerade neben die Wölfe kniete und mit den Fingern über den Schnee fuhr. Thorin stellte sich angespannt neben ihm, den Speer neben sich in den Schneegerammt, und sich misstrauisch umsehend. Nichts. Er konnte nichts sehen. Keine verräterischen Spuren, kein noch so leises Geräusch, das nicht von ihnen stammte. Einfach nichts. Und doch … Er war sich so sicher. Er konnte den Blick beinahe auf seinen Schultern spüren. Eine ungreifbare Last, die ihn zu erdrücken versuchte …
Aber es passierte nichts. Es blieb still um sie herum und das Einzige, das er hörte, war sein Atmen und das Knirschen des Schnees unter den Stiefelsohlen seiner Kumpane. „Nichts … Ich habe nur laut gedacht“, erwiderte er dann. An sich war es nicht einmal eine Lüge. Er hatte laut gedacht. Nur hatte sich sein verdacht am Ende nicht bestätigt. Warum also unnötig Unruhe stiften?
„Ich hab‘ hier ‘was“, kam es irgendwo hinter ihm von Gondrim. Schnell wandte er sich um, griff nach seinem Speer, zog ihn mit einem Ruck aus der Erde, und lief dann zu seinem Freund.
„Was hast du?“, fragte er dann, da immer noch nichts passiert war, nun ein wenig entspannter. „Nein, warte. Lass mich raten. Du hast Spuren?“, fragte er dann in einem Tonfall, der eine leise Wahrsagerimmitation sein sollte, um ihn ein wenig lockerer zu machen.
„Richtig. Spuren einer Art Wolf. Und ich sage bewusst nicht eines Wolfes“, erwiderte Gondrim seinen Blick nicht vom Boden anhebend. Der Ernst und der Wortlaut in seiner Stimme ließ Thorin den Atem anhalten. Er hockte sich neben seinen Freund und schaute auf die Abdrücke im Schnee. Tatsächlich passten sie nicht zu einem Wolf. Nicht ganz, zumindest. Es wunderte ihn, dass sie es nicht eher festgestellt hatten. Aber jetzt wo sie eine einzelne Spur hatten, war es deutlicher zu sehen. Die Hinterläufe waren die, eines normalen Wolfes. Nur etwas größer und man konnte die Abdrücke der Krallen deutlich im Schnee erkennen. Die Abdrücke der Vorderläufe waren schwer zu identifizieren. Es waren längere Zehen. Kräftig und ebenfalls mit langen Krallen besetzt. Es waren vier Lange und an einer Seite sah es so aus, als wenn dort eine Fünfte wäre. Allerdings hinterließ diese keinen kompletten Abdruck im Schnee. Thorin wusste nur zu gut, was das für Spuren waren. Er sah sie nicht zum ersten Mal. Unwillkürlich schlossen sich seine Finger wieder fester um den Speer in seiner Rechten. Seine Kiefermuskulatur spannte sich und die Zähne knirschten, als sie gegeneinander gedrückt wurden. Alte Gefühle kochten in ihm auf. Wut, Hass, Schmerz … und Trauer. Er schob sich an Hulfgar vorbei, der ebenfalls nahe an die Spuren gerückt war, und folgte ihnen. In der bereits gezogenen Spur fiel es ihm leichter zu laufen und so zog er das Tempo ein wenig an. „Thorin! Wo zum Henker willst du hin?“, hörte er von hinter sich und einen Augenblick später hörte er die schweren Schritte der beiden Männer, die mit ihm an den Abdrücken gehockt hatten, im Schnee knirschen. Als er auf der Kuppe eines der umliegenden Hügel angekommen war, blieb er stehen und schaute sich um. Nichts. Die Spuren verloren sich vor ihm Richtung Süden zwischen Felsen und großen Eisbrocken. In der Ferne konnte er de südlichen der beiden Pässe in den Moesringbergen erkennen. Nur schwach, als eine Art Kerbe in der sonst glatten Linie der Gipfel.
„Was ist los mit dir?“, fragte Gondrim ein wenig unsicher klingend, als er Thorin erreicht. Er hörte es zwar, reagierte nicht. Seine Gedanken rasten. Sie waren so dicht an seinem Erzfeind. Und nun doch so fern. Unerreichbar. Im endlosen Weiß verborgen und auf sie wartend. Gerade als er nun doch zu einer Antwort ansetzen wollte, hörten sie hinter sich ein tiefes, bedrohliches Knurren und anschließend einen lauten, entsetzten Schrei. Rockartig fuhren die Köpfe der drei Männer herum, Speere nach oben gerissen und wurfbereit. Doch als sie nach unten in die Senke starrten, sahen sie nur Rulmgar am Bodenliegen und einen dunklen Schatten schnell und springend zwischen den gegenüberliegenden Hügelkuppen verschwindend. Von Brândil fehlte jede Spur. „Was bei allen Göttern?!“, entfuhr es Hulfgar, der nur einen Lidschlag später den Hang hinab rannte und sich neben Rulmgar auf die Knie fallen ließ. Thorin und Gondrim folgten nur einen Moment später.
„Was ist passiert?“, fragte Gondrim leise und legte dem am Boden liegenden Mann eine Hand auf die Schulter. Rulmgar stöhnte leise und schüttelte dann den Kopf, als wenn er etwas abschütteln wollte. Thorin vermutete, dass es die Benommenheit war. Für einen kurzen Moment wanderten Rulmgars Augen umher, dann fixierten sie sich auf Gondrim, der sich über ihn gebeugt hatte.
„Ich … weis es nicht. Ich hörte dieses Knurren und wollte mich gerade umdrehen, da hat mich ‘was im Rücken erwischt und ich bin geflogen. Dann hörte ich Brândil schreien, aber ich konnte mich gerade so auf den Rücken drehen und konnte so nichts sehen. Alles hat sich gedreht, du verstehst?“, erklärte der junge Jäger. Man merkte seine Benommenheit noch. Die Zunge war ein wenig schwer.
„Bist du verletzt?“, mischte sich nun Thorin ein. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Hulfgar nun einen Blick auf ihre Umgebung geworfen hatte, wandte er sich wieder an den am Boden Liegenden.
„Nein, ich denke nicht. Ich wurde von etwas stumpfen erwischt. Nichts Scharfes, was eine schwere Wunde hätte reißen können. Eher etwas Hartes, dass in etwas Weiches gehüllt war“, sprach er dann weiter und mit einem weiteren, leisen Stöhnen drückte er sich dann mit den Ellbogen etwas hoch. „Ja, definitiv keine Wunde. Aber ein blauer Fleck wird‘s werden“, sagte er dann ein wenig gequält grinsend. „Oder auch zwei.“ Man konnte ihm ansehen, dass der Schlag heftig war. Und die anschließende Landung im Schnee, trotz dessen Tiefe, nicht sehr angenehm gewesen war. Ohne zu antworten reichte Thorin ihm einen Arm und Rulmgar schlug ein. Thorins Hand um seinen Unterarm und Rulmgars Hand um Thorin’s. Mit einem kleinen Ruck und nachdem Gondrim sich zurückgelehnt hatte, zog er ihn nach oben und wieder auf die Füße.
Erst als er stand, schien er zu bemerken, dass sie nur noch zu viert waren. „Wo ist Brân- …“, setzte er an, brach dann aber ab, als es ihm zu dämmern schien. „Oh, Scheiße!“, fluchte er dann und sein auch ein wenig „frech“ wirkendes Grinsen verschwand von einem Augenblick zum Nächsten. „Ihr verarscht mich jetzt, oder?“
Thorin schüttelte betrübt den Kopf. „Leider nein.“
„Du willst mir sagen, dass, was auch immer es war, es Brândil mit sich genommen hat?“ Rulmgar wirkte ein wenig aufgebracht. Er konnte es nachvollziehen. Auch er selbst, und sicherlich auch Hulfgar und Gondrim, war ebenfalls unruhig. Besorgt oder auch wütend, hätte es ebenfalls getroffen.
„Ich denke, Thorin kann dir sagen was es war“, knurrte Hulfgar mit einem wissenden Nicken in seine Richtung. Der kräftige Jäger kniete mittlerweile neben den neuen Spuren im Schnee. „Damit hätte sich unsere Frage auch erledigt“, sprach er dann weiter und richtete sich wieder auf.
„Was meinst du?“, wunderte sich Rulmgar und fuhr sich mit der Hand über den Rücken, als er nach seinem Speer suchte, der offensichtlich irgendwo im Schnee verschwunden war.
„Die Frage nach der Art der Zeichen. Ob sie Gute oder Schlechte waren.“ Als ihn Rulmgar einen weiteren fragenden Blick zuwarf, fügte er noch hinzu: „Schlechte Zeichen.“ Der jüngere Jäger schwieg nun. Sowohl mit Worten, als auch mit Gesten.
„Er ist in diese Richtung.“ Hulfgar deutete mit einer Hand in Richtung Süden. Näher an die Moeringberge heran. „Es wird schwierig die Spuren schnell zu verfolgen. Ich kann zwar sehen, wo unser unliebsamer Besucher gelandet ist, aber zwischen den Felsen sind die Abdrücke schwer auszumachen. Diese verfluchten Dinger springen so verdammt weit. Selbst mit der Last eines voll eingekleideten und gut genährten Jägers auf den Schultern.“
Thorin überkam eine Art Wutanfall. Am liebsten hätte er einfach in die Nacht hinausgeschrien. Dem inneren Druck Platz gemacht und nach außen abgelassen. Aber er würde sich die damit verbundene Stärke – solange er sich unter Kontrolle halten konnte – für jemanden ganz bestimmtes aufheben. Für einige Momente starrte Thorin einfach in den Schnee. Der Speer an seiner Seite gesenkt und mit festem Griff umschlossen. Erst als sich Gondrim neben ihn stellte und ihm eine Hand auf die Schulter legte, wurde er aus seiner Starre gerissen. „Wir werden ihn kriegen“, sprach er leise, aber entschlossen und drückte seine Schulter einmal fest. Dann wandte er sich von ihm ab.
„Das werden wir“, knurrte Thorin wütend und nicht weniger entschlossen. Auch er wandte sich nun um und schaute zu seinen drei Kameraden hinüber.
„Kannst du wieder ordentlich laufen, ohne dir alle drei Schritte den Rücken zu halten?“, fragte Hulfgar mit einem nicht deutbaren, schmalen Grinsen auf den Lippen. Rulmgar hatte seinen Speer inzwischen wiedergefunden und warf Hulfgar einen mörderischen Blick zu.
„Sicher kann ich das“, erwiderte er, als wolle er den kräftigeren Jäger niederschmettern. Murmelnd fügte er noch etwas an, das Thorin aber nicht verstand, weil er zu weit entfernt war und seine Schritte im Schnee es übertönten. Nach einigen Augenblicken erreichte er schließlich seine Freunde. Ihre Minen wurden schlagartig grimmiger.
„Bereit für eine richtige Wolfsjagd?“, fragte Thorin dann in die Runde und schaute von einem grimmigen Gesicht zum Nächsten. In den Augen und den Gesichtszügen seiner Freunde konnte er nicht das geringste Zeichen von Angst erkennen. Nur Entschlossenheit und die Bereitschaft für einen Freund zu sterben.
„Hm“, brummte Hulfgar begleitet von einem Nicken.
„Bereit“, kam es dunkel Rulmgar.
„Hol’n wir unseren Alten wieder“, knurrte Gondrim als Letzter.
„Dann auf die Jagd, Jäger …“
Bruma, Magiergilde, Taverne
Tarik blieb nicht viel Zeit sich von den letzten Minuten zu erholen. Er saß vielleicht eine Minute auf dem Stuhl, schon bat ihn Naasira ihrem Patienten noch etwas Branntwein einzuflößen. “Seinen Kopf möchte ich morgen nicht haben“, dachte Tarik und ein kurzes Grinsen zeigte sich in seinem Gesicht.
Die Heilerin betrachtete Gendrek. Sie schien zumindest zufrieden, wenn Tarik es richtig deutete das sie ihre Stirn nicht in Falten legte. Eine kurze Zeit herrschte Schweigen, dann wandte sich Naasira an Tarik und Nees: "Dieser Knochen, man nennt Ihn Kniescheibe, ist aus seiner Halterung, der Pfanne, rausgerutscht. Man kann das wieder einrenken. Dafür braucht es etwas Geschick und auch viel Kraft, da das Bein schon recht lange ausgerenkt ist und alles drum herum schon stark geschwollen ist. Solltet Ihr sowas mal selber machen, dann dürft Ihr den Knochen nie mit Gewalt drücken wollen. Ihr würdet damit den Knochen nur brechen. Habt Ihr erstmal den richtigen Winkel erreicht, geht es mit einmal wie von selbst...doch bis dahin ist es harte Arbeit. Doch bevor ich das mache muss ich die Knochenbrüche zusammenfügen, das erleichtert später das einrenken."
„Wir werden den Knochen vorher nicht mit Magie heilen können. Das wird später heiter. Da will man jemanden einrenken und man bricht ihm den Knochen“, der Kaiserliche hätte beinahe laut aufgelacht bei dem Gedanken, jedoch unterdrückte er diese Reaktion.
Naasira trat an Dunmer und begann mit ihrer Arbeit. Tarik wunderte sich das sie Gendrek nicht festhalten sollten. “Wahrscheinlich ist das ganze nicht mehr so schmerzhaft oder der Dunmer ist wirklich so voll das er gar nichts mehr mitbekommt“, überlegte er. Dann zeigte Naasira ihnen genau in welchem Winkel das Bein gehoben werden musste und wie sie schieben und drücken mussten um den Knochen in die richtige Position zu bringen. Bereits nach kurzer Zeit lief der Bretonin der Schweiß in Strömen. „Das Bein muss um einiges schwerer als sonst sein……und dann hievt eine zierliche Heilerin dieses Bein alleine“, die Arbeit muss wirklich hart sein“, dachte Tarik und schaute auf das Knie des Dunmers als er ein leises knacken vernahm.
Kurz darauf wandte sich Naasira von Gendrek ab und sie lächelte. „Das war’s dann. Der Patient ist versorgt. Hoffentlich schafft er es“, dachte Tarik und bekam das Gespräch zwischen Naasira und einer Person von der Magiergilde nur am Rande mit. Nach einem Nicken seitens der Heilerin verließ das Trio die Magiegilde und begab sich zur Taverne.
Dort angekommen setzten sie sich an einen freien Tisch. „Jetzt geht es an die Bezahlung. Ich hoffe sie verlangt nicht zu viel. Ansonsten gerät mein Zeitplan in Gefahr. Ich muss noch vor Sonnenaufgang Bruma verlassen“, dachte der Kaiserliche. Er war überrascht als er hörte das Naasira nur so viel verlangte wie Nees und er entbehren konnten. “Entweder ist sie bescheiden oder sie ist reich“, dachte Tarik als er ihr 300 Septime überreichte.
Danach bestellte Tarik etwas zu essen und entspannte sich. “Jetzt muss ich nur noch zurück in die Kaiserstadt, ich habe ein Versprechen einzulösen. Die Probleme werde ich irgendwie umgehen oder beseitigen müssen. Wie genau ich das anstellen werde, überlege ich mir morgen“, dachte er.
Nachdem Naasira den Tisch verlassen hatte, mietete Tarik sich ein Zimmer und ging nach oben. “Hoffentlich komme ich nicht zu spät“, war das letzte was dem Kaiserlichen durch den Kopf ging bevor er einschlief.