Sadrith Mora - Taverne "Zum Torbogen"
Mit all seiner durch Malukhat wieder zurück gewonnen Kraft, rammte er dem anderen Bretonen, der gerade versucht dem Dunmer ebenfalls Eine mit dem Stuhl zu verpassen, auf dessen Stuhl. Es machte einen Riesenkrach, der Stuhl des anderen zerbarst unter der Wucht von Zaregs Schlag und der andere Bretone wurde unter zahlreichen Holzstücken und Splittern begraben. Unterdessen hatten sich auch einige andere Gäste der Schenke bemerkbar gemacht. Zareg ignorierte den Schenk mit dem wütenden Blick, der auf ihn zu kam und meinte locker zu dem am Boden liegenden, der wahrscheinlich schon unter Bewusstseinsschwund litt und dies gar nicht mehr mitbekommen würde „Also, was du kannst…kann ich schon lange!“
Dies schuldete er dem Dunmer, der auch als „neuer“ Erzmagier bekannt war, mindestens.
Mehrere Wochen hatte dieser den Bretonen versucht zu heilen und schließlich hatte es auch geklappt.
Wochen voller Leiden, voller Schmerz, voller Hilflosigkeit hatte Zareg hinter sich. Dies war mehr als ein tiefer Einschnitt in sein Leben, dies konnte er, würde er nie wieder vergessen und doch tat er sich jetzt schon schwierig, sich an diese Zeit zu erinnern. Langsam verblassten die Erinnerungen. Doch was waren dies schon für Erinnerungen. Schmerz und diese schrecklichen Vision, sonst nichts. Äußerlich war er vielleicht wieder gesundet, doch in seinem Körper hatten die Wochen eine tiefe Wunde, eine Kluft hinterlassen, die er sein Leben lang mit sich tragen werden müsse.
Und doch waren es nicht nur die Qualen, an die er sich erinnern würde. Diese Visionen, die grausamen Visionen hatten ihn die Wochen lang geplagt. Wie of hatte er durchleben müssen, dass Malukhat und Draven vor seinen Augen starben, in Stücke gerissen wurden, alles übersät mit Blut……Nein, diesen Anblick würde er nie wieder vergessen, dabei war sich der Bretone sich.
„Verdammt, wer bezahlt jetzt meine Einrichtung!“, schallte es aus dem Mund des Tavernenbesitzers, der vermutlich vor ihm stand. „Einer von diesem aufgeblasenen Kaiservolk!“, dachte sich Zareg abwertend.
„Nimm das Geld und geh mir aus den Augen!“, wagte der Bretone in scharfem Tonfall zu sagen. Er blickte den Tavernenwirt gar nicht einmal an. Dieser, anscheinend zufrieden, sein Geld wieder zu haben, verschwand augenblicklich wieder.
„Niemals werde ich diesen Anblick vergessen!“, dachte sich Zareg nochmals.
Wohlwahr, er hatte Malukhat sein Leben zu verdanken. Es war noch immer nicht Freundschaft, die sich zwischen den beiden Magiern eingestellt hatte, es mehr ein Respekt vor einander. Zumindest konnte das der Meister der Telvanni sagen.
Für Freunde hatte er einfach keinen Platz in seinem Leben.
Sadrith Mora - Taverne "Zum Torbogen"
Malukhat war unzufrieden. Ja, er war sogar mehr als das: Er war sauer. Glücklicherweise mal nicht sauer auf sich selbst und sein Verhalten, was ihm in der letzten Zeit zur Gewohnheit geworden war. Er war sauer auf Draven, diesen dreisten Einmischer. Nein – schon klar. Diesmal hatte er sich ja so gesehen nicht eingemischt, aber er hätte es getan, wäre die Sache nicht vorher bereits abgehakt gewesen. Der Kerl hatte scheints einen Riecher für solche Situationen, in denen er mal den Erzmagister raushängen lassen konnte. Machte ihm wohl besonders viel Spaß, Malukhat in Verlegenheit zu bringen, indem er ihn immer und immer wieder durch seine Auftritte in den Hintergrund zu verdrängen versuchte. Oder eher: Draven war wohl der Meinung, Malukahts heißes Blut ein wenig abkühlen zu müssen. Und genau das machte den Erzmagier sauer, verdammt sauer sogar. Und hätte er nicht Ramo-Dings gesehen, der dabei war die Taverne zu verlassen, hätte er gleich noch eine Tavernen-Prügelei begonnen – allerdings mit Draven.
„Ich hab da noch was zu erledigen“, meinte Malukhat und schenkte dem Erzmagister nur einen „Du-wirst-schon-noch-sehen-Kumpel“-Blick. „Hey, du Mistkerl!“, rief er, als Ramo-Dings schon beinahe aus der Tür war, und zeigte, als dieser sich noch einmal umwandte, mit dem Finger auf ihn. „Ja, genau du!“ Er kam geradewegs auf den Rothwardonen zu, der ihn nur grimmig anstarrte.
„Ey, Alter. Lass mich in Ruhe, klar?“, knurrte er dem Erzmagier entgegen, doch dieser erbrachte dieser Aussage nur einen Schlag in des Sprechers Gesicht. Während der andere ein weitres Mal an diesem Abend zu Boden ging, schüttelte Malukhat mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand, mit der er zugeschlagen hatte. Man… dieser Ramo hatte echt einen verdammten Dickschädel… Flugs kamen die Wachen wieder angelaufen, mit gezogenen Schwertern, um Malukhat davon abzuhalten, noch weiteren Ärger zu machen. Ein paar weitere Wachen packten ihn unter den Armen und hielten ihn zurück, bevor dem Schlag noch ein Tritt in die Seite hatte folgen können.
„Man, der Kerl ist doch total übergeschnappt!“, rief Ramo und hielt sich seine leicht blutende Nase, „sperrt den weg, der ist doch nicht mehr klar!“
„Ist wohl besser…“, meinte einer der Wachen, die den Dunmer festhielten, im Flüsterton zu der anderen. Das versetzte Malukhat nur noch mehr in Rage, da er sich vollkommen im Recht fühlte.
„Gib dem alten Sack dahinten sein Schwert zurück oder es setzt was!“, brüllte er also leidenschaftlich und verschaffte seinem aufgestauten Zorn somit ein Ventil. Es ging weniger darum, dem alten Cyrodiil wirklich das Schwert zurück zu beschaffen, sondern um Malukahts persönlichen Stolz. Und nur Lorkhan allein wusste, was für ein Stolz das bitteschön war…
„Der Trottel spinnt doch!“, rief Ramo wieder dazwischen. Momentan erschien er dem Erzmagier eher wie ein kläffendes Hündchen als ein ernstzunehmender Gegner. Die Wachen, die sich um ihn herum aufgebaut hatten, waren weitaus ernst zu nehmender. Der Griff der beiden Wachen, die ihn hielten, wurde ein wenig lockerer bei der offensichtlichen Anklage durch den Erzmagier. In Ordnung, er hatte sie mit einem Faustschlag in das Gesicht des anderen Mannes nicht sonderlich vornehm kommentiert, aber Diebstahl blieb Diebstahl.
„Ist das wahr?“, fragte eine Wache mit einem gewissen Maß an Zweifel in der Stimme.
„Klar, ich lüge nicht. Nicht, was solche Dinge angeht.“
„Und welchem ’älteren Herrn’ hat er die Waffe gestohlen?“
„Das kann ich Euch zeigen, wenn ich mich mal bitte umdrehen dürfte.“
Tatsache. Die beiden Männer ließen ihn los. Ihre Hände schwebten zwar immer noch skeptisch über den Schäften ihrer Schwerter, aber dass sie ihn einfach so aus dem forschen Griff entlassen hatten, war schon mal ein Anfang. Der Erzmagier ließ seinen Blick durch die Taverne schweifen und blieb schließlich an dem Tisch hängen, an dem Cyrodiil immer noch mit Dackelblick saß. Malukhat streckte einen Arm aus und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn. Er sagte: „Dem da hat er das Schwert geklaut.“
„Ach… dem also…“ Die Wache kratzte sich allein der Symbolik am behelmten Hinterkopf und wandte sein Wort abermals an den Dunmer: „Der sollte kein Schwert haben, glaubt mir. Weil Ihr dies nicht wissen konntet, werden wir noch einmal ein Auge zudrücken, macht aber keinen Ärger mehr.“ Damit verließen die Wachen den immer noch wütenden, nun aber total verwirrten Malukhat. Tja, doof… Da war der Cyrodiil wohl selbst ein Verbrecher. Na ja, eigentlich egal. Darauf kam es dem Dunmer irgendwie nicht an. Er war ja selbst einmal ein Verbrecher gewesen, ja – sogar ein total richtiger Mörder! Solche Leute mussten doch zusammen halten, auch wenn er zwischenzeitlich zu einem Veteran degradiert worden war. Zuerst aber mal musste er abwarten… und die Sache vielleicht sogar freundlich klären. In irgendeiner Weise freundlich jedenfalls, man musste ja nicht gleich übertreiben. In Sachen Freundlichkeit war Malukhat immer noch ein Anfänger, da wollte er sich nicht sofort überanstrengen. Ramo hatte sich zwischenzeitlich wieder erhoben, das Nasenbluten hatte langsam aufgehört. Der Erzmagier kam langsam und bedrohlich näher, bedachte den anderen mit einem gemeingefährlichen Blick, auf den er Jahre später noch stolz sein sollte.
„So, Freundchen“, meinte er im Flüsterton, wissend, dass das Augenmerk aller Tavernengäste und des Besitzers auf ihn gerichtet war, bereit, ein weiteres Mal die Wachen zu rufen, falls es zu Ausschreitungen kommen sollte. „Hör mir mal ganz genau zu: Entweder, du rückst jetzt das Messerchen raus, oder…“
„Oder was?“, wollte Ramo wissen und reckte trotzig das Kinn vor. Tja, hm… Darüber hatte Malukhat noch gar nicht nachgedacht. Boah… Was sollte er denn machen, wenn Ramo ihm das Schwert nicht geben wollte? Noch mal drauf hauen konnte er ja schlecht, das würde mächtig Ärger geben. Erstmal war er als Erzmagier ohnehin dazu prädestiniert, seinen „guten“ Ruf wenigstens halbwegs zu erhalten und nach der zweiten Ermahnung durch die telvannischen Stadtwachen Würde zu zeigen. Zweitens hatte er auch keine Lust mehr, sich zu schlagen, obwohl er zugeben musste, dass die kleine Prügelei lustig gewesen war. Sie war zwar von kurzer Natur gewesen, aber sie hatte schon was gehabt. Mit Draven konnte man sich eben… nett… unterhalten und mit Zareg konnte man wunderschön Prügeleien anzetteln. Ah, Mist… Er war schon wieder vom Thema abgekommen. Worum ging’s noch gleich? Ach ja, was passieren sollte, wenn Ramo das Schwert des alten cyrodiilischen Verbrechers nicht rausrückte.
„Tja… ähm… also… ich“, dachte der Dunmer laut und legte den Daumen unters Kinn. „Warte mal kurz, ich muss denken. Bin aber sicher bald fertig…“ Er selbst konnte Ramo nicht mehr überzeugen; weder mit Worten noch mit seinem Rang als vvardenfellscher Erzmagier. Mit letzterem wollte er einfach nicht um sich werfen, das war nicht sein Stil. Na ja, eigentlich schon, aber wenn Draven so sehr mit seinem Rang als Erzmagister protzte, dann würde Malukhat eben genau das Gegenteil tun. Draufschlagen ging ja aber nun nicht… doofe Sache, das… Was sollte er nun sagen? Vielleicht ’Wenn du das Schwert nicht endlich rausrückst, werde ich dich an die gegenüber liegende Wand quasseln’? Boah, nee… So ging das nicht…
Geistesblitz!!
Ein fieses Grinsen zeichnete sich auf Malukhats Lippen ab, als er sagte: „Wenn du jetzt nicht sofort das Schwert des Alten raus gibst, dann“ – er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf Zareg – „verhaut der dich.“ – Ein weiterer Fingerzeig auf Draven – „und der da auch.“
Zareg, der die Worte gehört hatte, spielte wohl ein wenig widerwillig mit. Aber er spielte mit und verschränkte die Arme vor der Brust, betrachtete Ramo mit bedrohlichem Blick. Draven schüttelt nur mit hochgezogener Augenbraue den Kopf und schien sich ernsthaft zu fragen, ob dieser dunmerische Idiot noch was anderes im Kopf hatte als Flausen. Ramo war weiterhin trotzig und fügte dem gereckten Kinn eine nach vorn geschobene Unterlippe hinzu. Zähneknirschend aber gab er nach, als er noch einmal Malukahts fordernden Blick sah.
„Ja, man… schon klar, ey. Alter…“ Er gab das Schwert raus und verzog sich. Ein Grinsen breitete sich auf des Erzmagiers Gesicht aus, seine Schultern zuckten. Dann drehte er sich zu seinen beiden Kumpanen um.
„Das war lustig“, kicherte er, schob sich an den Männern vorbei, überbrachte schnell dem alten Cyrodiil das Schwert und erklärte ihm kurz darauf, dass es nicht sehr männlich war, vor aller Augen von einem Mann einen Kuss auf beide Wangen zu bekommen. Nun war er ein wenig müde und bemerkte zugleich, dass auch seine Nase bei der Prügelei etwas abbekommen hatte. Immerhin blutete er nicht mehr, aber waschen musste er sich das Gesicht schon. Aber erstmal ein wenig schlafen… Vampire konnten später immer noch gejagt werden. Und da Zareg wieder quietschfidel zu sein schien, konnte er sich dieses Mal in ein gemütliches Bett zurückziehen.
In seinem Zimmer zog Malukhat sich erst einmal seine Schlafhose aus weißem Leinen an und verstaute seine Kleidung wohl ungeordnet auf dem Boden des gesamten Raumes. Neben dem Bett auf dem hölzernen Nachttisch stand immer noch die Eisenschüssel mit Wasser, welches er in Zusammenhang mit einem Lappen dazu benutzt hatte, Zaregs Fieber abzuschwächen. Der Dunmer wrang den Lappen aus, legte ihn neben das Gefäß und tauchte seine Hände in das kalte Nass. Er hob sie heraus, wischte sich damit über das Gesicht und entfernte die letzten Blutreste von seinem Kinn und der Nase. Alles, was er nun wollte, war zu schlafen. Und wenn es nur für ein paar Stunden sein sollte. Mal ehrlich: Malukhat hegte nicht sonderlich viele Sympathien zur Zauberei. Dies hätte ihn als Erzmagier Vvardenfells eigentlich vollkommen unmöglich gemacht, hätte er diese Zauber zu einem Großteil nicht beherrscht. Oh ja, der Dunmer kannte sich mit der Magie aller Arten aus, jedoch war die Schule der Zerstörung immer noch am Interessantesten für ihn gewesen. Praktische Zauber die Levitation hatte er sich genau eingeprägt und sie so oft geübt, bis er sie gut beherrschte. Alles andere hatte er nur mit geringer Aufmerksamkeit betrachtet. Die meisten der ihm gängigen Zauber hatten nur eine schwache Wirkung. Es musste nur so wirken, als würde er wirklich gut mit ihnen umgehen können. Seine wahre Liebe gehörte der Nekromantie – und dem Schwert. Beschwörungs- und Zerstörungszauber, ein paar Zauber der Krecken – das waren seine speziellen Fähigkeiten. Und genau aus diesem Grund war es gut zu wissen, dass diese Tatsache kaum auffiel. Und es blieb nur zu hoffen, dass Ranis Athrys so schnell nicht Lunte riechen würde, was die Magiergilde sich da angelacht hatte…
Ein Ruck, ein stechender Schmerz im Rücken – und Malukhat lag auf dem Boden. In dem Schrecken des plötzlichen Stoßes hatte er mit einem Arm die Wasserschüssel vom Tisch gerissen. Scheppernd fiel sie neben ihm auf den Boden. Das beschäftigte ihn jedoch weniger, als der Mann, der sich nun über ihn gebeugt hat. Ein irrer Blick aus kalten, weißen Augen, ein Grinsen, welches die langen Eckzähne des Mannes entblößte. Ein Vampir!, schoss es Malukhat durch den Kopf. Zu spät bemerkte er, dass der Kopf des Untoten in Richtung seines Halses sauste, doch er erkannte es noch schnell genug, um seine Arme nach oben zu reißen und sie gegen des anderen Schultern zu drücken, ihn davon abzuhalten, seine Beißer in das weiche Fleisch zu jagen.
„Verdammt!“ brüllte Malukhat, als der bretonische Vampir dieses Kräftemessen zu gewinnen drohte. Seine Arme zitterten, sie schmerzten vor Anstrengung. Niemals in seinem Leben hätte er mit einem Angriff gerechnet, insbesondere nicht mit einem Angriff aus dem Hinterhalt. Der Vampir musste sich in das Zimmer geschlichen haben, als die drei Gefährten in der Schenke gewesen waren. Und Malukhat hatte ihn nicht bemerkt. Dies könnte nun seinen Tod bedeuten. Schlagartig ließ der Untote seinen Oberkörper nach oben rucken, hob eine Hand, deren Finger mit scharfen Eisenkrallen versehen war, und ließ sie auf die nackte Brust des Erzmagiers niedersausen. Dort, wo er getroffen hatte, zeichneten sich fünf hässliche Striche ab, die sich schnell mit Blut füllten. Die Wunden waren nicht tief, hatten nur die Haut und das obere Gewebe durchtrennt, aber manchmal schmerzten die kleinsten Wunden am Stärksten.
Ein gequälter Schrei entstieg der Kehle des Erzmagiers. Sein Oberkörper bäumte sich auf. Und nun wusste er, dass ihm das Ende bevorstand. Der Vampir würde ihn töten. Welch eine Ironie des Schicksals, dass gerade er, der Nekromantiker, von einem Untoten ausgelöscht werden sollte. Bei diesem Gedanken breitete sich ein Lächeln auf dem dunkelhäutigen Gesicht aus. Er wehrte sich nicht mehr. In seinem momentanen Zustand hatte es keinen Sinn, sich länger an das Leben zu hängen. Er wollte nicht mehr kämpfen.
„He, mal leise hier. Ich will schlafen, verdammt!“ Ungeachtet ihres kleinen Kampfes schauten beide Kontrahenten unwillkürlich auf. In der Tür stand ein Bosmer mittleren Alters, und rieb sich die Augen. Und als er damit fertig war, und den spitzzähnigen Mann erblickte, war er vollends wach. „Oh Mist…“, stöhnte er und rannte in den Gang hinein. Malukhat würde diesem Mann niemals dankbar sein, aber es war unbestritten, dass er sein Leben gerettet hatte. Der Erzmagier reagierte nämlich schneller als der Vampir und rammte ihm sein Knie in den Bauch. Das Zurückschlagen des Erzmagiers war nicht allzu hart gewesen, verfehlte seinen Effekt aber nicht. Der Bretone krachte auf den Rücken und Malukhat hatte nun freie Handlungsgewalt. Er beugte sich über den ungebetenen Gast und schlug ihm direkt ins Gesicht. Die Idee, sein Schwert zu ergreifen, welches nahe bei ihm an der Wand lehnte, und den Vampir zu töten, verwarf er sofort wieder. Sie brauchten ihn, also musste der Dunmer ihn irgendwie bewusstlos machen. Etwas Besseres als Faustschläge fiel ihm dabei nicht ein.
Wenigstens dieser Versuch gelang und bald schon lag der Untote reglos am Boden. Ihm erging es demnach also besser als Malukhat, denn dieser fühlte sich nun wieder an die Anfangsphase seiner Genesung von dem Bluttransfusionszauber versetzt. Er lehnte sich an die Wand, sein Atem ging schnell und rasselnd. Während er eine Hand an seine rechte Seite drückte, sucht er mit der anderen die Wand nach seinem Bloody Shine ab. Als er es fand, legte er es in die Waagerechte und umkrallte den Griff, um das plötzliche Herzstechen und die Seitenstiche besser aushalten zu können, welche ihn mit plötzlicher Heftigkeit befallen hatten. Den Tod finden würde er nun wohl nicht – glücklicherweise, wie nebenbei anzumerken ist. Doch jetzt war er in der Tat am Ende seiner Kräfte.
Lautes Getrampel auf dem Flur ließ Malukhat aufschrecken. Oh Lorkhan… Der Mann fasste sich an den schmerzenden Kopf. War er etwa ohnmächtig geworden? Und wie lange hatte er in diesem Zustand verbracht? Wohl noch nicht allzu lange, wie er bemerkte. Die Tür zu seinen Gemächern stand speerangelweit offen, weshalb irgendwer, der den Gang entlang gekommen wäre, den bewusstlosen Mann und sein vampirisches Opfer entdeckt hätte. Die Geräusche aus genau jenem ließen nun aber vermuten, dass eine ganze Armada an Wachen den Raum zu stürmen gedachte. Selbst, wenn dies nicht der Fall sein sollte, musste Malukhat handeln. Wenn die Wachen den Vampir fanden, würden sie ihn töten, egal was er, Draven oder auch Zareg dagegen einzuwenden hätten. Schwerfällig erhob sich der Erzmagier, schlurfte hinüber zu dem Ohnmächtigen und machte sich daran, ihn vom Boden aufzuheben, indem er dessen einen Arm um die eigene Schulter legte und den Kerl hinüber zum Bett schleifte. Dort ließ er ihn nieder, schob die Beine des Vampirs nach und breitete über alledem eine Bettdecke aus. Die Schritte wurden immer lauter, kamen immer näher, und noch ehe Malukhat die Schüssel vom Boden hatte aufheben können, erschienen vier Wachen in der Tür und ein Bosmer. Dieser schrie aufgeregt: „Der ist es! – Nein, doch nicht der!“ Letzteres hängte er noch dran, als die Telvanni-Wachen drauf und dran waren, Malukhat ein paar magische Schönheiten namens Feuerkugeln entgegen zu schleudern.
„Wo ist er?“ Der Bosmer trat zögernd ein, dann rannte er zum Bett, als er die liegende Gestalt erblickt hatte. „Das ist er! Ja, genau – der hier! Das ist der Vampir, ich hab’s genau gesehen!“
„Nun mach mal halblang, Kleiner“, meinte Malukhat beschwichtigend und packte den Bosmer mit sanfter Gewalt am Arm. „Und schrei nicht so rum. Mein Freund hier ist krank und er braucht unbedingt Schlaf. Ich bin Heiler und werde nicht zulassen, dass jemand ihn weckt. Das könnte schwere Schäden nach sich ziehen, da ich ihn in eine Art Trance versetzt habe, die ihn erstmal am Schlafen hält. Daraus darf man ihn nicht wecken.“
Die Wachen, die zwischenzeitlich wussten, dass Malukhat zwar ein Idiot, aber der Erzmagier Vvardenfells war, ließen sich die Argumentation einmal durch den Kopf gehen, und Malukhats ernster Blick brachte sie schließlich zu der Überzeugung, dass der nun wild herumtobende Bosmer schlichtweg Gespenster gesehen hatte. Auch, wenn die Atmosphäre sich entspannt hatte, so gab es immer wieder irgendwelche Fehlmeldung darüber, dass irgendwo irgendein Vampir gesichtet worden war. Der Bosmer hatte sich verguckt, der Erzmagier pflegte nur einen Kranken und alles war schön. Hieß also Feierabend.
Die versammelte Mannschaft zog nun ab, eine Wache schleifte den Bosmer hinter sich her und schloss die Tür zu Malukhats Zimmer. Erst jetzt schlich sich ein Grinsen auf dessen Gesicht, dann blickte er auf den ohnmächtigen Vampir… Mal sehen, was Draven und Zareg dazu sagen würden…
Sadrith Mora - Taverne "Zum Torbogen"
„Verdammt, was hat dieser Malukhat schon wieder vor?“, fragte sich Zareg. Anscheinend war dieser nur auf Ärger aus, denn mit hochrot angelaufenem Gesicht stieß der Erzmagier wieder eine Provokation gegen den Rothwardon aus.
„Was will der überhaupt?“, wunderte sich der Bretone und blickte mit verschränkten Armen stehend und einer für ihn normalen ernsthaften Miene, gespannt, was wohl geschehen würde in die Richtung der zwei Schreihalse. Zareg zuckte ein klein wenig zusammen, als auf einmal Malukhats Faust in das erstaunte Gesicht des Rohtwardons vor schoss. Es überraschte ihn aber nicht, als die Wachen auch noch kamen und ihn festhielten.
Zareg folgte weiterhin der Auseinandersetzung, hörte aber nicht wirklich auf die Worte. Zweifelsohne wurden wieder Beleidigungen ausgetauscht. Dann ließ eine Wache plötzlich den Erzmagier los und der Rothwardon wurde zweifelhaft angeschaut. Irgendwas wurde diskutiert, doch wieder lauschte der Bretone den Worten nicht. Es kam ihm so vor, als würde sich bald wieder die Stimme in seinem Kopf ankündigen, die ihn schon lange nicht mehr belästigt hatte und sogar Visionen und krankhaft verrückte Ausbrüche hervorrief. Das Ganze ließ ihn nicht los und er war gefangen, ihm war es unmöglich, seine Konzentration auf sein reales Umfeld zu richten.
…und es geschah etwas eigenartiges: Es war so, als befände er sich plötzlich in einem anderen Raum und er spürte die Präsenz des „anderen“, um wen es sich auch immer beim „anderen“ handelte, doch niemand meldete sich zu Wort. Dennoch war dem Bretone klar, dass irgendwo die gleiche Person oder Kreatur auf ihn wartete, die ihm auch mit diesen schrecklichen Stimmen plagte. Es war für Zareg auch neu, dass sich dieser Zustand nicht nur mit den Stimmen zeigte, sondern auch noch visionär.
Er befand sich urplötzlich in einen schwarzen Raum, der nur durch komische rote kleine diabolische Statuen beleuchtet wurde und das in einem schrecklichen Rotton. Rauch hüllte die ganze dunkle Atmosphäre zusätzlich noch ein. Es war kein Ende des Raumes zu sehen, man konnte nur annehmen, dass die Wände in der tiefen Schwärze waren, es konnte sich auch um eine riesige Halle handeln, aber auch alles andere sein. Der Meister der Telvanni konnte nur Schlüsse ziehen. Ein kalter Wind ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren, doch er fühlte sich unnatürlich und schäbig an und das eigenartige war, dass kein Geräusch die Dunkelheit zerriss und auch der Nebel verformte sich, ob des Windes nicht.
Zareg wusste nicht, was geschehen war und ob er sich hier nur in einem Geisteszustand befand, oder ob dies real war. Irgendwoher ertönte plötzlich ein markerschütternder Schrei und das tiefe Schwarz des Bodens wurde von einer roten Flüssigkeit überzogen, die sich dem Bretone näherte, aber ihn nicht mit seiner plötzlich ausstrahlenden Ekelhaftigkeit besudelte. Er versuchte zurückzuweichen, doch er konnte sich nicht bewegen. Auf einmal vernahm er ein Geräusch, ein Geräusch, das sich ihm näherte. Er erkannte die Stimme sofort wieder, als er sie vernahm. Es war so, als würde sich diejenige Gestalt immer weiter nähern und immer einen Satz vor sich aufsagen. Der Ton drang näher und wurde lauter, doch noch immer konnte Zareg nicht verstehen, was die Stimme sagte. Er bekam es mit der Panik zu tun, Wut erfüllte ihn, seiner scheinbar ausweglosen Situation, doch es war so, als wäre er zu einer Steinsäule geworden.
Du wirst mir nicht entkommen. Die Stimme war laut, nah und fraß sich direkt ins Zaregs Hirn. Schreckliche Schmerzen waren die Folge…
…und plötzlich war alles aus.
Es war zu Ende, und noch immer hallte die Stimme durch den Kopf des Bretones. Er stand wieder in der Taverne in Sadith Mora neben Draven. Das Gespräch Malukhats hatte sich anscheinend weiter entwickelt und auf einmal zeigte dieser auf ihn….
„….dann, verhaut der dich.“, kam aus dessen Mund und Zareg nickte nur geistesabwesend, er konnte sich noch immer nicht erklären, was da gerade vor sich gegangen war. Dennoch blickte er denjenigen an, der neben den Erzmagier stand und um wenigstens ein bisschen bei dem ohnehin für Zareg unverständlichem Vorgang mitzuspielen und machte dies so bedrohlich, wie er nur konnte. Malukhat bekam ein Schwert ausgehändigt und Zareg war schon wieder mit dem Gedanken bei dem Vorfall gerade eben. „Was war das schon wieder….! Nimmt das nie ein Ende?“, fragte er sich ein wenig verzweifelt. Eins war für ihn klar, irgendwann, wenn das Ganze hier vorbei und er wieder unabhängig war, würde er sich auf die Suche nach dem Ursprung der Visionen und seiner Krankheit, denn anders konnte man es nicht nennen, machen und seine Suche würde am Roten Berg beginnen.
Malukhat schien inzwischen schlagartig wieder fröhlichen Gemütes zu sein und ging an Draven und Zareg vorbei. Dann, nachdem sich der Bretone umdrehte, war Malukhat schon weg und übrig blieb ein komischer glücklicher Mann mit dem Schwert, dass der Erzmagier zweifellos vorher ergattert hatte. Zareg verstand nicht, was da grad abgelaufen war, aber es war ihm auch relativ egal. Sofern es dem Erzmagier, dem er ja sein Leben verschuldete, nicht schadete, würde er sich nicht darum kümmern. Er empfand für den Mann Dank, denn er niemals zugeben würde, und Respekt und das, obwohl er wusste, dass dieser wohl eine eigenartige, verrückte Ader hatte, aber das hatte er ja auch. Trotzdem kümmerten ihn die alten Geschichten und die Vergangenheit Malukhats kaum.
Er wurde wieder aus den Gedanken gerissen, als Draven vorschlug, weiterhin in der Taverne zu bleiben und es sich bei einem Tisch mit Getränk gemütlich zu machen.
Die beiden Telvanni unterhielten sich ein wenig und schließlich bekamen sie die Getränke, die sie schon vor einiger Zeit bestellt hatten. Es dauerte nicht lange, als diese leer waren und plötzlich fiel den beiden auf, dass ein aufgeregter Bosmer von den oberen Stock herunter kam und hektisch nach zwei Wachen verlangte. Danach stürmte er wieder hinauf. Die zwei Telvanni schienen das gleiche zu denken und sagten fast zeitgleich „Malukhat!“
Dann stürmten sie los und beide waren gespannt, was ihnen wohl bevorstand. Auf den Weg ins Zimmer kam ihnen dann auf einmal wieder der Bosmer mit den zwei Wachen entgegen.
„….aber ich schwöre, ich habe den Vampir gesehen….!“, versuchte der Kleinwüchsige den Wachen zu erklären die darauf nur „Jaja!“, meinten und schon gar nicht mehr auf die Worte des Bosmers zu hören schienen.
„Verdammt, ein erneuter Vampirangriff!“, dachte sich der Bretone und als er in das Zimmer kam und den reglosen Körper auf dem Bett liegen sah, wusste er es mit Sicherheit. Er betrachtete Malukhat und sah, dass dieser ziemlich angeschlagen zu sein schien, sich aber anscheinend noch gut auf den Beinen halten konnte. Die Frage war nur, wie lange.
„Was ist passiert?“, kam Draven dem Meister der Telvanni zuvor.
Während Malukhat anfing zu erzählen, ging Zareg zum Körper und erkannte nach näherem Betrachten, dass es sich wirklich um einen Vampir hielt. Inzwischen lauschte er den Worten des Erzmagiers. Dieser war anscheinend völlig von dem Vampir überrascht worden und dies machte den Telvanni nicht nur stutzig sondern es machte sich ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend breit. Der Erzmagier rühmte sich nicht falscher Magie, schließlich hatte er ja den alten Erzmagier in einem fairen Duell getötet und wenn dieser von einem Vampir überrascht worden war, so würde dies Zareg zweifellos auch werden, wenn er nicht genauestens acht gab. Schließlich wollte er auf keinen Fall noch einmal so etwas Schreckliches durchmachen. Außerdem würde es ihm seine Selbstachtung und seinen Stolz vollends zerstören. Sich einmal das Leben retten zu lassen, konnte er noch mit sich vereinbaren aber zwei mal vor dem gleichen Magier in diesem elenden Zustand zu sein und sich noch von ihm heilen zu lassen, würde er nicht aushalten.
Die Geschichte Malukhats war noch nicht zu ende und der Bretone wollte gerade den Körper berühren, als ihn Malukhat von hinten an der Schulter berührte und meinte „Das würde ich lieber lassen. Nur weil er hier so ruhig liegt, muss er nicht gleich tot sein.“, meinte dieser mit vollem ernst, bevor sich ein Grinsen auf dessen Gesicht breit machte.
„Scheinbar ist er nicht noch tot!“, stellte Zarge fest und fragte dann „Was machen wir mit ihm?“
Es war Malukhat, der meinte „Ich habe ihn nur bewusstlos geschlagen, damit die Wachen keine Fragen stellen.“ Darauf folgte Schweigen. Zareg war gespannt, wer wohl als erster eine Idee hatte, wie es weiter ging.
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Der Bretone ist gewiss ein Quarra…, dachte sich Malukhat. Jedenfalls hoffte er dies, denn somit hatten sie den vermeintlichen Obervampir Lestat schon so gut wie aufgespürt. Ob sie ihn dann auch töten konnten, war eine andere Frage. Der hier war sicherlich nur einer der niederen Handlanger, wenn überhaupt, und dennoch hatte er den Erzmagier überraschen und mit Leichtigkeit verletzen können. Außerdem hatte er wieder einen erheblichen Teil seiner Kraft verloren; er fühlte sich gar noch schwächer als vorher. Eigentlich hatte er angenommen, dass sein Mana-Haushalt insoweit wieder hergestellt war, dass er sich furchtlos mit zu den Aschländern hätte begeben können. Der vampirische Bretone hatte ihn allerdings eines Besseren belehrt: Der Kampf eben hatte dem Dunmer alles abverlangt. Unwillkürlich fuhr er sich mit der rechten Hand über den verletzten Brustkorb, erwischte dabei eine der Wunden unglücklich und zuckte leicht zusammen, als ein stechender Schmerz durch seinen Körper fuhr. Jene Hand, auf die er nun starrte, war verklebt von rotem Blut; ebenso sein Körper. Die rote Flüssigkeit hatte sich ihren Weg hinab zu seiner weißen Schlafhose gesucht und den oberen Rand rot verfärbt. Trotzdem sah es schlimmer aus, als es eigentlich war. Malukhat kannte seinen Körper und war Verletzungen durch sein aufregendes Verbrecherleben gewohnt, sodass er gut einschätzen konnte, ob eine Wunde gefährlich war oder nur so wirkte als ob.
„Ich denke“, begann Malukhat bestimmt, „dass ich mich erstmal um meine Wunden kümmern sollte. Die machen sich nicht so gut auf meiner starken Männerbrust.“ Na ja, jedenfalls solange sie keine Narben waren. Fünf schöne, breite, gezackte Narben verstärkten seine Männlichkeit zu einer wahren Augenweide. Hm… falscher Moment, um darüber nachzudenken. Vielleicht war es nun an der Zeit, mal ein paar Anweisungen zu geben. Seltsamerweise verspürte er diesmal nicht das triumphierende Gefühl, jemanden beherrschen zu wollen, sondern wollte einfach nur, dass die ganze Sache nicht schief ging.
„Der Vampir muss hier weg. Es ist schon ein verdammtes Glück gewesen, dass sie ihn nicht vorsichtshalber untersucht haben, um herauszufinden, ob meine Aussage stimmt. Ich habe keine Ahnung, wo wir den hinbringen sollen, aber dort darf auf keinen Fall jemand Zugang haben, außer uns dreien. Zareg… du wirst dir da sicherlich schon was einfallen lassen, nehme ich an.“ Oder besser: Hoffte Malukhat. Zareg traute er immer noch nicht so recht über den Weg, obgleich er ganz in Ordnung zu sein schien. Irgendetwas an ihm machte den Erzmagier stutzig. Es war die Art, wie der Telvanni-Meister manchmal vor sich hinstarrte, insbesondere aber immer noch die Sprüche, die er während seines Fiberwahns von sich gegeben hatte. Eine ominöse Aura umhüllte den Mann, und Malukhat hatte nicht schlecht Lust, ihn zu töten und aufzuschneiden. Ein kranker Gedanke in Anbetracht der Tatsachen, das wusste er selbst, aber vor sich selbst verbergen konnte der Nekromantiker ihn nicht. Er konnte sich beherrschen, dazu brauchte er nicht einmal Mühe, denn schon oft waren ihm Leute über den Weg gelaufen, die er nur zu gern zu einem seiner untoten Diener gemacht hätte; er hatte es immer gelassen. Klar, er war der geborene Nekromantiker und Mörder – aber sinnlos töten? Dazu hatte er sich nie imstande gefühlt.
„Draven… du könntest…“, begann Malukhat und knirschte mit den Zähnen, „mir vielleicht…“ helfen, die Wunden zu reinigen und einen Verband anzulegen. Wer weiß, ob sich dieser Virus, der sich bei einem Biss durch einen Vampir im Körper ausbreitet, ansonsten auch mich befällt… nur auf andere Weise entstanden. Der Erzmagier konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Es war zu erniedrigend, von diesem Mann Hilfe zu erbitten. Ein Armutszeugnis sondergleichen. Aber er musste Draven nun fragen… In Sachen Heilung, so dachte jedenfalls Malukhat, besaß Zareg in etwa die Sanftheit eines Fuhrknechts. Zudem war er immer noch ein wenig krank und würde, wenn er sich zu konzentrieren gezwungen war, wahrscheinlich höllisch zittern.
„Kannst du bitte Wasser kochen? Du musst es über meine Wunden schütten, um den Virus auszukochen, den ich durch den Angriff eventuell in mir tragen könnte. Die Wahrscheinlichkeit ist zwar gleich null, aber ich möchte ungern ein Risiko eingehen. Wenn du dann noch Verbandszeug auftreiben könntest, wäre ich dir schon sehr dankbar.“
Erst einmal musste Malukhat sich setzen. Er ließ sich auf dem weichen Bett unlängst des Vampirs nieder und legte beide Hände über die immer noch blutenden Wunden. Dass er die beiden Bretonen gerade freundschaftlich geduzt hatte, interessierte ihn dabei kein bisschen.
Sadrith Mora - Taverne "Zum Torbogen"
Ruhig war es die letzte Zeit gewesen und dem Erzmagister kam es nun so vor, als hätte das Schicksal den Gefährten im Gegenzug dafür alles mögliche an Ereignissen auf den heutigen Tag gelegt. Sofern es so etwas wie Schicksal überhaupt gab, aber um sich darüber auf philosophischer Ebene ein paar Gedanken zu machen, war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Nein, diese Ruhe war trügerisch gewesen und die unheilige Vampirbrut hatte die Zeit scheinbar genutzt, um etwas über ihre drei Verfolger in Erfahrung zu bringen und so einen Hinterhalt vorzubereiten, nachdem sie sich zunächst still verhalten hatten, damit Draven, Malukhat und Zareg unaufmerksamer wurden. Natürlich könnte dieser heimtückische Angriff auf den Erzmagier Vvardenfells auch purer Zufall gewesen sein, aber daran wollte der Magier nicht glauben. Sie hatten es mit einem höchst intelligenten Gegner zu tun und einer dessen Handlanger hatte versagt. Dieser lag nun halb unter einer Decke versteckt scheinbar schlafend in dem Bett und am liebsten wäre Draven sofort auf ihn zugestürmt und hätte in windelweich geprügelt, um den Aufenthaltsort der Sippe zu erfahren. Ok, der Vampir war sicher kein schwacher Gegner, sonst hätte man ihn nicht auf den Erzmagier gehetzt, aber mit Zareg und Malukhat im Rücken, wobei letzterer deutlich vom Kampf gegen das Unwesen gezeichnet und daher sicherlich nicht in guter körperlicher Verfassung war, hätte dies durchaus klappen können. Gerade wollte er dies auf die Frage Zaregs antworten, als Malukhat ihm zuvorkam.
„Der Vampir muss hier weg. Es ist schon ein verdammtes Glück gewesen, dass sie ihn nicht vorsichtshalber untersucht haben, um herauszufinden, ob meine Aussage stimmt. Ich habe keine Ahnung, wo wir den hinbringen sollen, aber dort darf auf keinen Fall jemand Zugang haben, außer uns dreien. Zareg… du wirst dir da sicherlich schon was einfallen lassen, nehme ich an.“
Bei genauerer Betrachtung gefiel Draven das nicht so gut wie das stumpfe Prügeln und Foltern des Unwesens, aber im Grunde genommen war es sehr viel schlauer. Wenn die Wachen wieder auftauchen würden, wäre selbst er als Erzmagister ein wenig in Erklärungsnot. Vielleicht würde er sich rausreden können, aber es wäre definitiv besser, sich gar nicht erst in diese Situation zu begeben. Nun gut, Zareg sollte sich also darum kümmern, was blieb dann für Draven? Moment, wieso gibt eigentlich Malukhat hier die Befehle hier? Kurz wollte Draven seinem leichten Zorn Luft machen, jedoch unterließ er es sofort, da er wieder an die bisherige große Hilfe des anderen in dieser Sache dachte, aber hauptsächlich wohl, weil ihm wieder einfiel, dass die Idee des Dunmers besser gewesen war als seine eigene. Mist...
Draven… du könntest…“, begann sein Gegenüber und der Erzmagister wartete auf die folgenden Worte, die aber vorerst nicht den Mund des Dunmers verließen. Erst nun wegen der Pause fiel ihm das „du“ von Malukhat auf. „Nanu? Die Verwundung muss ihn verwirren, vielleicht hat er zu viel Blut verloren und wird nun konfus“, dachte der Bretone, der seine momentane Verwirrung hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit versteckte und mit ausdruckslosem Gesicht auf weitere Worte Malukhats wartete. Scheinbar wollte er etwas von ihm und brachte es nicht heraus. So gut kannten sich die beiden immer noch nicht, aber irgendwie passte es zu dem Charakter des Erzmagiers, wenn er ihn richtig einschätzte. Und ganz ehrlich musste Draven sich eingestehen, dass ihn diese Situation trotz der totalen Ernsthaftigkeit insgeheim zumindest ein wenig belustigte.
Sofort aber wurde er wieder vollkommen ernst, als Malukhat endlich mit seiner Bitte herausrückte und gleich darauf verließ Draven nach einem kurzen Nicken in Richtung des Dunmers und einem Seitenblick zu dem Vampir auf dem Bett das Zimmer, um den Wirt der Taverne um Wasser zu bitten. Auf dem Weg in den Tavernenbereich dachte er über die Worte des Erzmagiers nach, welche ihm einen kalten Schauer über den Nacken jagten. Nach allem, was der Bretone über Vampire wusste, war es tatsächlich sehr unwahrscheinlich, dass sich der Virus auf Malukhat übertragen hatte, aber was, wenn dem doch nicht so war? Malukhat als Vampir, was für eine groteske und grausige Vorstellung. Nein, das durfte einfach nicht passieren.
Im Bereich der Theke saßen einige Leute, während die Tische nur spärlich besetzt waren, und inzwischen waren auch die letzten Spuren des Kampfes zwischen dem Erzmagier und dem Draven unbekannten Schwertklauer beseitigt worden. Mit anderen Worten: Die Taverne wirkte wie jeden anderen Tag auch, als wäre an dem heutigen Tag nichts besonderes passiert. Wobei, für die Leute war ja auch nichts besonderes passiert, immerhin kam es immer wieder vor, dass in irgendwelchen Tavernen irgendwelche Raufbolde aufeinander einschlugen. Na gut, dass der Erzmagier Vvardenfells auf jemand anderen einschlug, war wohl schon eine Besonderheit, aber da die „freundliche“ Ablösung von Trebonius durch Malukhat sich wohl noch nicht in allen Ecken und Enden des Landes verbreitet hatte, war dies wohl auch gar nicht so aufgefallen. Auch Draven wusste, dass er immer noch nicht von allen Telvanni als Erzmagister angesehen wurde, weil sein Gesicht einfach noch zu unbekannt war. Die Leute wussten nur, dass der alte Gothren durch einen Schützling Aryons das Zeitliche gesegnet hatte. Aber dies war nun alles egal, der Wirt hatte glücklicherweise bereits kochendes Wasser vorrätig, was für ein Glück.
„Was kann ich für euch tun, werter Erzmagister?“, fragte ihn der Dunmer, welcher den bisherigen Wirt scheinbar vertrat. Er stand hinter der Theke und musterte Draven mit seinen roten Augen. Zum Glück wusste dieser über seinen Rang Bescheid und machte auch noch den Eindruck eines Schleimers. Da sollte es ja ein leichtes sein, ihm etwas von dem kochenden Wasser abzuschwatzen.
„Ich brauche dringend etwas von dem kochenden Wasser da hinten“, antwortete er und zeigte auf den Topf, welcher sich auf einer Herdflamme befand. Es hätte auch sonst eine kochende Flüssigkeit sein können, eigentlich war das nicht zu erkennen, aber Wasser war nun mal am wahrscheinlichsten und warum sollte Draven nicht auch mal einfach Glück haben, wenn er mit seinen Gefährten bei der Vampirjagd schon so schlecht vorankam.
„Ja, einen kleinen Moment, mein Herr“, sagte der Dunkelelf und Draven lächelte triumphierend in sich hinein. Fertig gekochtes Wasser, der Typ ist unterwürfig und Malukhats Wunden werden behandelt, so dass er kein Vampir werden kann. Wunderbar.
„Was soll das? Das ist mein Wasser! Ich warte schon seit Ewigkeiten auf den Tee für meine Runde“, rief eine sichtlich sehr alte Dunmerfrau von einem der Tische mit einer Lautstärke, die den Erzmagister kurz zusammenzucken ließ.
„Erzmagister hin oder her, das ist mein Wasser und ich werde es diesem Bengel nicht hergeben!“, wetterte sie weiter. BENGEL? Der Blick des Magiers verfinsterte sich und wenn Blicke töten könnten, hätte die Frau den Satz gar nicht beenden können. Leider blieb es nicht nur dabei, nein, sie kam nun auch noch auf ihn zu und fing an zu schimpfen, mit ihm und dem Wirt. Es war ein solcher Wortschwall, dass Draven schon nach ein paar Sätzen abschaltete und nicht mehr zuhörte. Er sah nur noch die Mundbewegungen der Dunmerfrau, welche vielleicht vor 1000 Jahren einmal eine Schönheit gewesen war, und hörte nur einzelne Wortfetzen, die doch bis zu seinem Gehirn durchdrangen. Nun wurde es ihm eindeutig zu bunt, was bildete diese Frau sich eigentlich ein? Na gut, sie hatte vielleicht wirklich das Vorrecht auf dieses vermaledeite Wasser, aber er hatte einen wichtigen Grund. Einen Grund, den er nicht nennen durfte, denn so eine Verwundung passte irgendwie nicht zu der Geschichte mit der Krankenpflege im Zimmer Malukhats.
“Genug ist genug!“, dachte Draven sich, ging hinter die Theke und nahm sich den Topf mit dem kochenden Wasser. Was für ein Glück, dass er gerade die Handschuhe seiner Rüstung trug, sonst hätte er sich die Finger verbrannt und ziemlich blamiert, was ihm aber auch erst einfiel, als er mit dem Topf davonging. Im Vorbeigehen warf er dem Dunmer an der Theke einen dunklen Blick zu, der diesem deutete, dass er selbst mit der Frau fertig werden sollte und dann begab er sich schleunigst wieder nach oben, wobei er die – von ihm liebevoll so titulierte - Gewitterziege „versehentlich“ leicht anrempelte. Wegen ein wenig Wasser und Tee für ihre Runde alter Damen, von denen einige dem Aussehen nach schon den Anbeginn der Zeit erlebt hatten, so ein Theater zu machen, konnte er nun wirklich nicht nachvollziehen. Die Frau hatte scheinbar sonst wirklich nichts zu tun und als Erzmagister des in dieser Stadt herrschenden Fürstenhauses hatte er sich so was nicht gefallen zu lassen. Eigentlich war er sogar noch viel zu freundlich gewesen, wenn er genau darüber nachdachte.
Als Draven wieder das Zimmer betrat, fand er Malukhat auf dem Bett sitzend vor, wie er seine Wunden betrachtete, es war zwar augenscheinlich keine lebensbedrohliche Verletzung, aber sie ließ erahnen, dass sein Gegner nicht zu unterschätzen war. Erst nun fiel dem Magier auf, dass er das Verbandszeug in dem Stress vergessen hatte, wie peinlich. Um sich keine Blöße zu geben, musste er sich nun schnell eine Ausrede einfallen lassen und dann noch einmal heruntergehen. Hmmm...
„Hier ist schon einmal das kochende Wasser,“ begann er. „Das Auskochen des Virus, der dich möglicherweise befallen haben könnte, geht sicherlich vor. Ich mach’ mich nun auf die Suche nach dem Verbandszeug und Zareg kann sich ja zwischenzeitlich um das Wasser kümmern.“
“Ja, das klang doch ganz gut, oder? Das Wohl des Erzmagiers ging vor, Verbandszeug konnte man auch später besorgen, das sollte gut geklappt haben“, dachte der Erzmagister, als er die Treppen wieder hinunterlief, um den Dunmer nach Verbandszeug zu fragen. Der dort immer noch im Tisch sitzenden Damenrunde warf er ein gespielt freundliches Lächeln zu, was ihm mit einem funkelnden Blick quittiert wurde, der Tod verhieß.
“Na ja, die sollten sich mal nicht so haben, ihren Tee werden die schon noch bekommen.“
Nicht sehr viel später kehrte Draven mit dem Verbandszeug, welches ihm der Wirt überlassen hatte, in das Zimmer des Erzmagiers zurück. Als Begründung hatte dem ehrfürchtig zum Erzmagister aufschauenden Dunmer an der Theke einfach gereicht, dass dieses Verbandszeug Vorrat für die folgenden Unternehmungen gegen die Vampire darstellte.
Sadrith Mora - Taverne "Zum Torbogen"
„Soll er sich doch selbst um das Wasser kümmern!“, fluchte Zareg innerlich und musste seine auflodernde Wut unterdrücken. Er vergaß so schnell, dass Draven ja der Erzmagister der Telvanni war und sein eigener Zorn war dieses Mal unbegründet. So seufzte er und wollte sich gerade an die Arbeit machen, als er Malukhat zu ihm sagen hörte „Das mit dem Wasser kann Draven auch selbst machen. Er ist kein kleines Kind mehr, das sich vor allen unangenehmeren Aufgaben drücken kann. Deine ist weitaus wichtiger!“
Da der Bretone froh war, sich um was anderes und wichtigeres zu kümmern und er den Ermagier eigentlich respektierte, hegte er keinen Groll wegen dem Befehlston, so freundlich er auch ausgesprochen wurde. Dennoch, froh darüber war er nicht, aber es war immerhin eine gescheite Idee.
Das Zimmer hatte er schnell verlassen, doch dann, als er ihm Gang war, fragte er sich, wo er doch anfangen solle, nach einem geeigneten Ort für den Vampir zu suchen. Ihm kam es irgendwie so, als wäre Sadith Mora nicht wirklich der sicherste Platz, er wusste ja, dass Vampire miteinander Kontakt aufnehmen konnten und die Stadt war ja vermutlich der Ursprung der ganzen Bestien. Also müsste es weiter weg sein. Im gleichen Moment fiel ihm ein Ort ein, wo sicher niemand mehr war. Zumindest glaubte dies der Bretone, den das letzte Mal hatte er dort einen Vampir getötet. Er handelte sich um eine nicht unbedingt sehr weit von Sadith Mora entfernte Stadt, die aber noch immer weit genug weg war. Es handelte sich um Tel Aruhn. Er wusste, dass in den Tiefen unter der Stadt, einige verlassene Höhlen und Zimmer waren, wo er, es musste schon ein Monat her sein, ein Vampirlager ausgelöscht hatte.
Dies Versteck war wahrscheinlich auch von den Vampiren aufgegeben worden, da eben Zareg dort gewütet hatte. Der Bretone war sich sicher, dass das Versteck von den Biestern nicht mehr als solches angesehen wurde, weil eben jemand dort gewesen war. Es war aufgeflogen…
Er ging wieder zurück in das Zimmer, wo noch immer Malukhat auf dem Bett sitzend, seine Wunden behandelte. Bevor er jedoch den Vampir angriff, nahm er noch seinen Stab und schlug dem vermeintlich bewusstlosen Vampir noch einmal ordentlich auf dessen Schädel. „Der würde sicher lange nicht mehr aufwachen!“, war sich der Meister der Telvanni sicher. Da er nicht wusste, ob er wirklich die Kraft hatte, den Vampir auch die ganze Zeit mit sich zu tragen, setzte er seine magischen Fähigkeiten ein, um dem Bewusstlosen einen Feder-Zauber aufzulegen. Schon lange hatte er das kribbeln nicht mehr gespürt, als die Mana-Stränge auf eine einzige Energiequelle gebündelt wurden und dann der Zauber aus den Spitzen seiner Hände heraus gewirkt wurde. Ihm wurde kurz schwindelig, als er die Ströme verlor und der Zauber misslang. Also versuchte er es noch mal und wieder funktionierte es nicht. Der Körper des Vampirs wurde kurz von einer Aura eingehüllt, wurde dann aber wieder normal. Der Bretone hätte gleich wissen müssen, dass man nicht einfach einen Körper mit einem Zauber leichter machen könnte „…das wäre ja noch schöner.“, murmelte Zareg. Danach warf er sich den reglosen Körper über die rechte Schulter und er wollte gerade gehen, als er von Malukhat zurück gerufen wurde „Es wäre nicht schlecht, wenn du mir erzählen würdest, wo du hin gehst, bevor du so stürmisch abhaust?“
Die Frage klang recht normal. Von triefendem Sarkasmus wie sonst, spürte man nichts. Zareg verstand und erklärte Malukhat, wo sich das Versteck, tief unter der Erde Tel Aruhns befand. Dann machte er sich schließlich auf den Weg und verließ das Zimmer. Er folgte den Gang, stieg die Treppe herab und nachdem er in den Schankraum, die von regem Treiben beherrscht wurde, gelangte, durchschritt er auch diese und verließ schlussendlich die „Taverne zum Torbogen“, um in das Freie Sadith Moras zu kommen.
Zwischen Sadith Mora und Tel Aruhn.
Die Stadt Sadith Mora war im Nebel versunken und man konnte kaum ein paar Meter sehen. Nicht gerade das beste für einen Magier, der auf weite Entfernungen ein tödlicher Gegner war. Zareg wanderte so durch die Straßen, immer den bewusstlosen Vampir auf den Schultern tragend. Während er mit der rechten Hand den Körper stütze, benutzt er den Stab als Wanderstock und dennoch tat er sich schwer beim Tragen des Gewichts. Schließlich war er ein Magier, der nicht auf Stärke aus war. „Ein Krieger würde wohl weniger Probleme damit haben.“, dachte er sich so im Stillen.
Die ganze Stadt schien beinahe Menschenleer, es war eigenartig.
Zareg versuchte nicht daran zu denken und setzte einfach seinen Weg fort. Lang hielt er sich nicht mehr auf den Straßen auf und ging abseits davon. Die Küste nahte und schließlich stand er so vor dem Wasser. Der Telvanni hatte keine Lust nass zu werden, deshalb legte er den Vampir nicht gerade sanft auf den Boden und wirke einen Zauber, der es ihm möglich machte, auf Wasser zu laufen. Der Zauber misslang und der Bretone fluchte. Er war kein Beherrscher dieser Künste der Veränderung, es interessierte ihn auch nicht und doch musste er zugeben, dass diese Zauber sehr oft nützlich waren, wenn man im Freien unterwegs war. Erst nach dem dritten Versuch, gelang ihm der Spruch und nachdem er den Vampir wieder über die Schulter geworfen hatte, ging es weiter.
Es war immer wieder ein lustiges Erlebnis auf dem Nass zu gehen. Der Bretone versuchte unter die Oberfläche des Wassers zu schauen, um vielleicht einen Fisch oder dergleichen zu sehen, doch es war irgendwie zu dunkel dafür. Nach der Zeit wurde das Gehen langweilig, der Telvanni hielt sich einfach nur mehr westlich und umging Felsen und Hindernisse, außer die Insel, die zu umgehen viel zu viel Zeit auf sich nehmen würden. Das Besteigen der Hügel, die auf den Insel waren, gestaltete sich wieder einmal als Kraftanstrengung und der Magier machte eine Pause. Es passierte ohne Vorwarnung, als sich eine leise, höhere und grässliche Stimme in seinem Kopf meldete. Zareg verstand nicht, was es oder er sagte, aber dem Tonfall der Stimme nach, konnte er feststellen, dass es sich zweifelsohne nicht um denjenigen handelte, der sich in letzter Zeit wieder öfters gemeldet hatte. Jene Stimme war tiefer und es fühlte sich anders an. Dennoch, er wusste genau, um wen es sich handelte, wer sich wieder meldete, obwohl es aus sein sollen hätte. Der Vampir, der ihm die letzten Wochen so gehörig verletzt und gedemütigt hatte. Jener Vampir war schuld daran, dass er sich so elend gefühlt hatte, dass er sich von dem Erzmagier heilen hatte lassen müssen. Zareg fühlte, wie in ihm eine Wut entflammte, eine schreckliche Wut, die größer und größer zu werden schien. Die Stimme war zwar schlagartig weg, doch der Zorn war nicht vorbei und war an ein Limit gekommen, an dem der Bretone ihn nicht mehr unterdrücken konnte. Gedanken an sinnlose Zerstörung keimten in ihm auf und er sah vor sich den Vampir liegen. Es kostete mühe, nicht gleich die ganze Wut an ihm auszulassen und doch schaffte er es nicht, sich wieder zu beruhigen. Er konnte den Zauber nicht steuern, der plötzlich von seiner Wut geschürt, gewirkt wurde. Sein ganzer Körper sträubte sich dagegen, doch es war schon zu spät. Mit einem kleinen Funken begann es und dann schoss ein riesiger flammender Ball aus den Fingerspitzen des Telvanni. Als der Bretone wieder klar sehen konnte, sah er die Explosion, an einem weit entfernten Strand. Zareg hatte nicht mehr selbst denken können und nun war seine Wut verraucht. Er war froh darüber, sich mit dem Feuerball selbst geschadet zu haben und plötzlich fiel eine Müdigkeit über ihn, die ihn zu überwältigen drohte. „So ist es gut!“, hörte er die Stimme des Vampirs auf einmal wieder, jetzt ein wenig deutlicher sagen. Grausames Lachen folgte darauf. Der Telvanni hatte jedoch keine Zeit für so etwas und schüttelte den Drang für Ruhe und den Drang neu aufkeimender Wut ab.
Die Last des Vampirs, denn er trug war nicht die einzige, die ihm während des Weges auferlegt wurde. Auch gedanklich war er wieder einmal verstört. Er wusste nicht, was passiert war, warum sich der Vampir wieder gemeldet hatte. Er dachte, es war vorbei, endlich vorbei mit dem Leid, doch es war ganz anders, hatte er feststellen müssen. Wieder einmal fühlte er sich hilflos und belastet.
Mit düsterer Stimmung folgte er weiterhin seinem Orientierungssinn und merkte gar nicht, wie rasch sich die ersten Türme Tel Aruhns in der Ferne näherten. Es war ihm momentan aber ohnehin egal, gedanklich war er ganz wo anders.
Zwischen Sadith Mora und Tel Aruhn -> Tel Aruhn
Das Gewicht, das auf Zaregs Schulter lastete war schon bald ziemlich unerträglich und er entschied sich für eine erneute Pause. Er fühlte sich nach dem Wutausbruch ziemlich ausgelaugt. Man konnte ihn in diesem Zustand fast „friedlich“ nennen, doch wenn man dies als Gegner glaubte, würde dieser das bitter bereuen, denn notfalls war Zareg immer kampfbereit.
Inzwischen war er der Insel, auf der Tel Aruhn war, schon ziemlich nahe. Gerade erreichte er eine kleine Insel. Der Grund war steinig und ein paar Felsen ragten aus dem Boden heraus. Außerdem befanden sich ein paar Schlammschwammstöcke und vereinzelte kleine Sträucher und Bäume auf ihr, aber dennoch war die Insel schon winzig und spärlich besiedelt, was für die klimatischen Bedingungen dieses Gebietes hier eher typisch war. Hier dominierten, wenn überhaupt, keine Bäume sondern die riesigen Pilze, aus denen die höchsten der Telvanni auch ihrer kunstvollen eigenen Häuser errichteten. Der Telvanni legte den bewusstlosen - zumindest hoffte er das - Vampir auf den Boden und lehnte sich an eine der Stöcke. Er machte es sich ein wenig zu gemütlich und schon bald fiel ihm auf, dass er ziemlich müde und fertig war. Um ein Haar wären ihm die Augen zugefallen, so müde war er. Er schwor sich nur mehr ein bisschen Zeit auf der Insel zu verbringen und vernahm plötzlich, als er so ganz ruhig an den Stock angelehnt war, Geräusche, die aus dem nahen Ufer in der Nähe von ihm kamen. Sicherheitshalber stand er auf und wollte gerade einen Zauber wirken, um ihn dem ahnungslosen Gegner entgegen zu werfen, brach aber ab, als er sah, mit welchem Tier er es zu tun hatte: Ganz gemächlich und ruhig krabbelte eine Schlammkrabbe aus dem Wasser. Während man anfangs nur den Panzer sehen konnte, gab das Tier schon bald den ganzen Körper preis. Der Bretone wusste, dass die eher harmlose Erscheinung und das friedliche Auftreten nur täuschten, denn die Viecher waren aggressiver, als man glauben würde. Dennoch, Zareg müsste nur einen Zauber aus dem Handgelenk wirken, dessen Magieverlust er kaum spüren würde und das Tier wäre des Todes. Doch der Bretone hielt nichts von komplett sinnloser Zerstörung, zumindest in jenem Zustand, in dem er sich gerade befand. Naja, zu Forschungszwecken der Nekromantie würde er auch keine Sekunden davor zurückschrecken, ein wehrloses Tier um zu bringen, doch im Moment sah er einfach keinen Nutzen darin. Also hievte er sich wieder den Vampir über die Schulter und hob danach den, an einen Fels gelehnten, Stab wieder auf. Die Krabbe war viel zu langsam, als dass sie Zareg erreichen würde, der inzwischen sowieso schon wieder die Insel verlassen hatte. Der Telvanni würde sich gar nicht wunden, wenn ihm das Tier gar nicht registriert hatte, den Schlammkrabben zählten auch nicht unbedingt zu den intelligentesten Lebewesen.
Er bemerkte schon langsam, dass sein Zauber, mit dem er auf Wasser gehen konnte, nachließ und war froh, als er die Ufer der Insel entdeckte, die sein Ziel war. Zareg wusste nicht, wie lange der Spruch noch anhalten würde, deswegen beeilte er sich.
Schon bald hatte der Bretone die Trockenheit der Insel erreicht und schon sein wirkliches Ziel angepeilt: Tel Aruhn. Es war noch die wirklich letzte richtige Kraftanstrengung, als er den doch recht steileren Hügel, auf dem sich die Stadt befand, erklimmen musste. Schließlich hatte er es geschafft, er befand sich in Tel Aruhn. Die Stadt war viel kleiner und unspektakulärer als Sadith Mora, aber das interessierte Zareg nicht, denn er war ja zu einem ganz anderen Zwecke hier. Das erste Rundtor, das in den Hügel und den Untergrund führte, war bald erreicht und betreten. Es stank typisch nach Untergrund: Modrig, erdig und irgendwie faul. Außerdem war das Tageslicht gleich weg, als das Tor wieder geschlossen war. Gedimmte Lichter erzeugten eine ganz eigene Atmosphäre. Genau richtig für Zareg, der den Untergrund und die Dunkelheit mochte. Viele Tage seines Lebens hatte er unter der Erde bei seinen Experimenten und nekromantischen Tätigkeit verbracht. Der Telvanni hatte sich an alle dem gewöhnt und das Tageslicht oftmals gescheut, bis er sich wieder näher mit dem Hause Telvanni beschäftigt hatte und sein Dasein nicht nur nach seinen eigenen Plänen gerichtet hatte. Er verbannte die Gedanken an früher wieder, denn sie schweiften wieder zu weit zurück in die Vergangenheit und das wollte er vermeiden.
Er wusste genau, welche Stiegen er hinab gehen und welchen Schalter er betätigen musste, um an sein Ziel zu gelangen. Schließlich war er wieder dort, wo er schon einmal vor Wochen gewesen war. Ein kleiner Gang, der zu beiden Seiten in tiefster Dunkelheit, nur durch eine Infavisionszauber richtig zu sehen, von ein paar Türen durchzogen war. Zareg konnte sich noch an die eigenartige Tür erinnern, die er das letzte Mal so umständlich, nur durch Drücken eines Schalters, hatte betreten können. Wieder wählte er diese Tür und betrat dann den Raum, noch immer den bewusstlosen Körper auf der Schulter. Nachdem er den Vampir auf den Boden geschmissen hatte, blickte er sich erst genauestens um und kam glücklicherweise zum Schluss, dass hier schon länger keine mehr gewesen war. Der alte Raum mit der spärlichen Einrichtung war voller Staub: Die alten Schränke, Kommoden und das Bett, die Kisten, einfach alles, war von einer dicken Schicht Staubs überzogen. Leider waren es auch Knochen und Schädeln, die so herumlagen und die Einrichtungsgegenstände waren, gleich wie letztens total auseinandergerückt und teilweise zerstört. Auch das Blut, das hier überall mal gewesen war, hatte seine Spuren hinterlassen. Der Telvanni machte sich erst gar nicht daran, irgendwas aufzuräumen, sondern legte den Vampir irgendwo so hin. Erst danach fiel ihm ein, dass er nichts hatte, um den Körper zu fesseln. Auf die Gegenstände, Schnüre, Seile, was sich auch immer in den Kisten und Schränken befand, wollte er sich gar nicht verlassen. Der Bretone musste schnellstens irgendwo ein Stück Seil oder Schnur herbekommen und was anderes als die Stadt über ihm fiel ihm im Moment nicht ein. Er wusste genau, dass es ein Wagnis war, den Vampir einfach so unbewacht da liegen zu lassen, aber er machte das Gleiche wie das letzte Mal. Sein Stab diente als Keule und der Bewusstlose bekam einen erneuten Schlag auf den Kopf, welcher ihn hoffentlich wieder ruhig stellen würde. Danach schloss er eilig das Zimmer und löste den geheimen Mechanismus aus. Nach einem „Klick“ beeilte sich Zareg so gut es ging, nach oben zu gelangen.
Sogleich hatte er die oberste Etage erreicht. Der Lidreflex setzte sofort ein, als er wieder das Tageslicht erblickt und im selben Moment geschah etwas, dass den Bretone überraschte. Es meldete sich wieder die Stimme in seinem Kopf. „Du wirst meinen Befehlen gehorchen!“, vernahm er die Stimme des Vampirs, zuckte zusammen und vermochte sich nicht mehr zu bewegen…
Sadrith Mora - Taverne "Zum Torbogen"
“Du musst langsam gießen, am Besten nah über der Wunde…“, sagt der Erzmagier schweren Herzens. Ihm ist nicht so, als würde er gleich jede Eventualität auf einen vampirischen Virus in seinem Körper auslöschen, sondern eher so, als sähe er seinem eigenem Tode entgegen, zitternd wie ein Guar auf der Schlachtbank. „Nicht zu viel Wasser auf einmal… Wage es einmal, mir den halben Bottich über den Körper zu schütten und ich leg’ dich um – darauf kannst du dich verlassen!“ Wahrscheinlich sieht Draven das anders. Vor sich auf dem Bett liegend erkennt er doch nur einen geschwächten Dunmer, der sich Erzmagier nennen darf, mit fünf blutenden Wunden im Fleisch. Noch ein paar hübsche Verbrühungen mehr als notwendig, und er ist zu gar nichts mehr zu gebrauchen. Und das weiß Malukhat selbst.
„Wenn du noch irgendwas auftreiben kannst, um mich an das Bett zu fesseln, wäre ich dir äußerst dankbar. Das erleichtert dir selbst auch die Arbeit.“
Und der Erzmagier findet etwas, womit er den Totenbeschwörer fesseln kann: Zwei breite, feste Stricke. Ja, das soll wohl reichen…, denkt Malukhat und lässt sich ohne zu Murren an dem Bett fesseln. Zuerst die Arme, dann die Beine. Wir wollen doch nicht, dass Draven während des Eingriffes einen Tritt in die Magenkuhle kassiert. Ein bisschen Mondzucker sei auch nicht übel, sagt der Verletzte weiterhin, aber da könne Draven wohl nichts machen. Momentan muss er dem Erzmagister wie der Inbegriff hochrangiger Korruption erscheinen, aber das macht nichts. Hauptsache er kommt nicht auf die Idee, den Bottich senkrecht von oben her kippen zu lassen. Mehr will Malukhat gar nicht. Ein mit Drogen mariniertes Hirn hätte ihm zwar auch extrem weiter geholfen, was die Schmerzbekämpfung angeht, aber da hätte man früher dran denken müssen. Und wer denkt schon daran, dass ein Vampir sich so mir nichts dir nichts von der Zimmerdecke stürzt, so was gibt’s eigentlich nur im Theater.
„Du hast doch sicher noch etwas anderes dabei, wenn du schon keinen Mondzucker kriegen kannst“, meint der Erzmagister, wohl in Gedanken an die unzähligen Fläschchen und Beutelchen, die Malukhat mit sich führte. Nein, habe er nicht, entgegnet dieser, nur ein wenig Heidekraut, aber das solle auch nicht sonderlich hilfreich sein; es würde schon irgendwie gehen.
„Gib’ mir doch mal bitte den Dolch, den ich in meiner Tasche habe. Es ist ein altes Ding mit Holzscheide, aber diesen Eingriff sollte es selbst zwischen meinen Zähnen noch irgendwie überleben“, bittet Malukhat. Na ja, die Scheide sollte wohl ein wenig lädiert aus der Affäre hervortreten, aber das Teil hat ihm nie gefallen. Wegwerfanlage. Wo hat er ihn noch gleich her? Keine Ahnung. Der Dunmer sagt Draven, wo der Dolch zu finden sei, und kurz darauf klemmt er auch schon zwischen den Zähnen des Mannes. Malukhat schließt die Augen, atmet einmal tief durch. Das ist der Moment, Draven weiß es auch. Er nimmt den Bottich, der Erzmagier kann es hören. Wo bleibt der Schmerz? Gleich… gleich muss es beginnen…
Ein unterdrückter Schrei erstirbt in der Kehle des Mannes…
Dunkelheit…
Der Erzmagier erwachte in einem abgedunkelten Raum. Nur schwerlich bekam er seine Lider auf, verschaffte sich einen Überblick über sein Umfeld. Neben ihm auf einem Hocker stand der Bottich. Malukhat konnte zwar nur den oberen Teil der Innenseite und sonst nur den Rand sehen, doch er wusste, dass er leer war. Die Vorhänge waren zugezogen. Da erst merkte der Mann, dass der Raum gar nicht abgedunkelt, sondern dass es draußen bereits dunkel war. Nur zwei Kerzen erhellten den Raum mit schwachem Licht. Hatte er etwa so lange in seiner Ohnmacht verharrt? Nun war es aber langsam Zeit, sich aus dem Bett zu erheben, der Umwelt ein neues „Hallo“ entgegen zu schmettern und ganz der Alte zu sein. Langsam war er dieses Schwächeln Leid. Er fand, dass es ihm nicht stand. Und Hilflosigkeit war einfach kein Gefühl, mit dem er sich anfreunden konnte. Er, der Erzmagier, war im Moment nur ein Häufchen Elend, welches abermals mit der Nase auf die eigene Sterblichkeit gestoßen worden war. Und das gefiel ihm überhaupt nicht.
Mit einem Ruck versuchte er, sich hoch zu hieven, ein plötzlich durch seinen Körper rasender Schmerz hinderte ihn allerdings daran und ließ ihn nach wenigen Zentimetern bereits wieder mit verzerrtem Gesicht in die Kissen zurück sinken.
„Boah…“, sagte er und betrachtete verwirrt die Decke. Nicht nur, dass sein Körper schlimmer schmerzte als nach einer unfreiwilligen Netchbullen-Massage, er war auch unglaublich geschwächt. „Was ist nur mit meinem Körper los?“, fragte er sich des Weiteren laut. Eine Hand lag auf die Wunden gepresst, die Draven mit heißem Wasser ausgekocht hatte. Sie taten höllisch weh.
„Du bist endlich wach geworden“, meinte eine Stimme von der gegenüber liegenden Seite des Zimmers und Malukhat wusste auch ohne hinzusehen, dass es der Erzmagister der Telvanni sein musste. In diesem Moment schoss ihm nur ein einziger Gedanke durch den Kopf, welchem er auch sofort lauthals Ausdruck verlieh: „Sagt mal… Wann habe ich Euch denn bitteschön das ’Du’ angeboten?“
Draven antwortete nicht, aber der Erzmagier war sich sicher, dass der Mann seufzend den Kopf schüttelte. Malukhat hätte sich nun noch stundenlang über dieses Thema ereifern können, doch jagte ihm urplötzlich ein anderer Gedanke durch den Kopf.
„Wo ist der Vampir? Hat Zareg ihn weggeschafft? Wisst Ihr, wo die beiden Hübschen jetzt sind?“
Draven wusste es nicht. War ja mal wieder klar. Da plante man etwas bis ins kleinste Detail und dann vergaß Zareg mal so nebenbei zu erwähnen, wo er denn nun hinzu gehen gedachte. Ein geheimes Versteck, bestimmt, also würden Draven und Malukhat es wohl kaum ohne irgendeinen Hinweis finden. Und dass der Telvanni-Meister einen solchen hinterlassen hatte… Nun, der Dunmer wagte dies in Abrede zu stellen. Warum konnte eigentlich nie irgendwas so laufen, wie er es sich vorstellte? Aber als wenn man eine Vampir-Jagd überhaupt in die Sparte „es kommt, wie es kommen muss“ einordnen könnte…
Halt!
Mooooooment!
Einmal nachdenken. Nur ein ganz kleines bisschen. Da war doch was gewesen, Zareg hatte doch irgendwas gesagt, als er sich den Vampir auf der Schulter zum Wegtragen zurecht gelegt hatte. Bah… Irgendwie konnte er in dieser Haltung nicht denken. Es war, als wäre sein gesamtes Hirn vom liegen in die hinteren Gefilde gesackt und hatte auch nicht die Absicht, jemals wieder in den vorderen Teil zurück zu kehren. Malukhat hätte damit leben können, aber dank seiner körperlichen Verfassung zählte er ganz besonders auf seine nun versagende Intelligenz und sein Erinnerungsvermögen. Da lag er nun kränklich vor sich hin, kniff die Augenlider zusammen und drückte sich einen Daumen gegen die rechte Schläfe. Denken, Kumpel, dann wird das schon. Du musst nur die grauen Zellen ein wenig zur Arbeit antreiben, dann würden die schon den Rest erledigen…
„Ich hab’s!“, rief er plötzlich und setzte sich schwungvoll auf. Mehr als ein als solches zu verstehende „Uark!“ war nicht zu verstehen, als der Erzmagier abermals seinen Weg in die Waagerechte suchte. Ein wenig vor sich hinröchelnd vor Schmerz konnte er wenige Minuten die Antworte geben: „Zareg hat den Vampir nach Tel’Aruhm verschleppt. Na ja, an irgendeinen Ort, der darunter liegt. Man muss irgendeinen Schalter betätigen oder so… An mehr kann ich mich nicht erinnern.“
Nun würden sie also dank der ungenau wieder gegebenen Ortsangabe Malukhats doch noch suchen müssen.
Wie doof…
Sadrith Mora - Malukhats stilles Kämmerlein
„Kein Problem, auf nach Tel Aruhn und suchen wir diesen Schalter, so schwer kann das doch nicht sein“, sagte Draven zu dem Erzmagier, während er aufstand und näher an das Bett herantrat. Den leicht sarkastischen Unterton in seiner Stimme vermochte er nicht zu unterdrücken, wobei er das eigentlich auch gar nicht wollte.
Ein paar Minuten hatte es gedauert, bis Malukhat endlich mit der Sprache rausrückte, nachdem er scheinbar einen Geistesblitz gehabt hatte. Voller Ungeduld hatte der Erzmagister abgewartet, bis die Schmerzen des Dunmers nachließen und dieser von Tel Aruhn erzählte. Minuten, die man sich gut hätte sparen können, wenn Malukhat einfach mal ruhig liegengeblieben wäre. Aber nein, er musste sich ja unbedingt aufrichten, obwohl er seinen Zustand selbst eigentlich besser hätte kennen müssen und dann auch noch vor Schmerzen wieder zurücksacken, was den Nerven des Bretonen nicht gerade zuträglich gewesen war. Aber gut, ein Schalter in Tel Aruhn. Draven dachte noch einmal kurz darüber nach. Dieser Hinweis taugte im Grunde genommen nicht mehr als die Wegbeschreibungen, welche er als junger Magier bekam, als er niedere Aufgaben für gewisse Telvannimeister ausführen musste – nämlich fast gar nichts. Tel Aruhn war zwar lange keine Stadt in einer Größenordnung wie beispielsweise Sadrith Mora, aber es war ein großer Pilzturm, wo sich ganz viele kleine Schalter an ganz vielen verschiedenen Stellen befinden konnten. Ob Malukhat nun nicht richtig zugehört oder Zareg nicht richtig ausführlich genug in seiner Eile erzählt hatte, war nun nicht von Belang. Es war einfach nur eine blöde Situation. Aber was sollte es, sie mussten nun das Beste daraus machen und Tel Aruhn war immer noch besser, als überhaupt keinen Anhaltspunkt zu haben.
Wieder aus dem Reich seiner Gedanken in die Realität zurückkehrend – das Zimmer in dem Gasthaus, welches nur schlecht von einigen Kerzen ausgeleuchtet wurde -, sah Draven ein leichtes böses Funkeln in den Augen Malukhats, aber er schwieg, da er sich wahrscheinlich selbst darüber ärgerte, sich nicht an mehr erinnern zu können. Der Erzmagister musste sich auch eingestehen, dass er selbst auch nicht daran gedacht hatte, Zareg nach dem genauen Ort seines Zieles zu fragen. Es lag wahrscheinlich einfach an der Hektik durch den unerwarteten Angriff auf Malukhat und ebenfalls an dem Stress der letzten Tage und Wochen, so was konnte einfach nicht spurlos an den dreien vorübergehen. Trotzdem nahm der Magier sich vor, in Zukunft sein Hirn mehr zu beanspruchen, denn in dieser Vampirjagd konnten Fehler tödlich sein.
Kurz dachte der Bretone nach und legte seine Stirn in Falten, bevor er das Wort an den Erzmagier wandte: „Ich würde sagen, Ihr ruht euch jetzt aus und schlaft die Nacht über. In Eurem jetzigen Zustand können wir sowieso nicht aufbrechen, weil ich ehrlich gesagt keine Lust habe, Euch den ganzen Weg über zu schleppen. Außerdem hat Zareg so noch Zeit bis morgen früh zur Rückkehr, vielleicht ist ja alles in Ordnung, zumindest hoffe ich das für ihn. Falls er kommt, brauchen wir ihn ja logischerweise auch nicht suchen.“
Der Telvanni hoffte innerlich auf ein wortloses Nicken und Zustimmung des anderen, aber er wusste ziemlich genau, dass dies wohl nur Wunschdenken war. Oder? Der Erzmagier bewegte seinen Kopf in die Richtung Dravens und ... nickte? Nein, Mist, er öffnete den Mund. War ja klar... Aber hey, vielleicht würde er ja trotzdem sagen, was für eine tolle Idee das doch war. Immerhin war es doch nun mal das beste, das musste er doch auch wissen. „Mal sehen“, dachte der Bretone und hörte stumm zu, als der Erzmagier das Wort an ihn richtete. Bereits die ersten Worte deuteten an, dass Malukhat seinen Zustand ganz anders deutete.
„So, Ihr denkt also, mein Zustand wäre hinderlich und Ihr müsstet mich tragen, ja?“, meinte der Erzmagier. Er wirkte dabei ganz ruhig, aber auch wenn seine Stimme keinerlei Ärger vermuten ließ, so funkelten seine roten Augen bedrohlich. Wenn Blicke töten könnten – was ja zum Glück nicht funktionierte – wäre Draven jetzt wahrscheinlich so nach hinten gefallen und nie wieder aufgewacht. Hätte er das vielleicht doch diplomatischer formulieren sollen? Nun, es war jetzt eh zu spät, aber kurz dachte er trotzdem darüber nach, vorsichtshalber einen Reflektzauber zu sprechen, falls Malukhat sich entscheiden würde, im vor Wut einen Feuerball oder ähnliches zu verpassen, körperlich konnte er ihm ja nicht grad gefährlich werden in seinem momentanen Zustand, auch, wenn er selbst dies anders sah.
„Wir brechen jetzt sofort auf. Ich bin zwar ein wenig angeschlagen, aber mit ein paar Vampiren kann ich es immer noch aufnehmen! Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sprach der Dunmer weiter und sein Oberkörper begann damit, sich aufzurichten.
Und dann passierte es. Obwohl Malukhat sich langsamer als vorhin aufrichtete, zwangen ihn die Schmerzen wieder zurück in die liegende Position. Einen beißenden Kommentar à la „Hab ich’s nicht gesagt?“ verkniff Draven sich an dieser Stelle lieber, rollte stattdessen eher unbewusst nur leicht mit den Augen und hoffte, dass der Erzmagier dies nicht gesehen hatte. Immerhin, er hatte Recht behalten und im Grunde genommen wollte er nur das Beste für den Dunmer, auch wenn er es ... nun, sagen wir... etwas unglücklich formuliert hatte. So angeschlagen konnte er im Kampf nicht nützlich sein und das musste er auch einsehen. Dass sein eiserner Wille ihn zum Handeln zwingen wollte, konnte Draven jedoch gut verstehen und bewunderte dies sogar etwas. Innerlich fragte sich der Bretone, ob Malukhat ihm immer noch böse war. Vielleicht hatte er sich ja auch schon wieder abgeregt und eingesehen, dass er momentan noch zu angeschlagen für eine lange Wanderung und mögliche Kämpfe war.
„Stirb!“, röchelte es ihm als einzige Erwiderung seiner Gedanken aus der Richtung des Bettes von dem Dunmermagier entgegen, der das Rollen seiner Augen scheinbar sehr wohl zur Kenntnis genommen hatte.
„Wir brechen gleich morgen früh auf, heute Nacht ist es wegen der Vampirbedrohung sowieso zu gefährlich, Malukhat. Immerhin haben sie schon hier gelauert, sie scheinen zu gut über unsere Aktionen Bescheid zu wissen, wir dürfen nichts riskieren“, sagte Draven etwas beschwichtigend und war froh, dass ihm noch ein weiteres Argument eingefallen war, welches wahrscheinlich zugänglicher für den manchmal recht eigenwilligen und sturen Erzmagier war.
Dann zog er sich wieder in die dunkle Ecke des Gästezimmers zurück und setzte sich auf den unbequemen Holzstuhl. Es war wohl besser, die Nacht über Wache zu halten, zudem war der Erzmagister sowieso nicht sonderlich müde.
Dunkler Raum im Untergrund Tel Aruhns
Zareg wusste nicht, ob er sich das Geräusch nur eingebildet oder ob er wirklich gerade ein Säuseln vernommen hatte. Langsam richtete er sich auf und lauschte genauestens auf jeden Ton im Umfeld.
Zuerst war es wieder still, dann auf einmal wieder dieses Geräusch zu hören. „Nur Einbildung…?“, schwirrte die Frage durch den Kopf des Telvanni-Meisters. Stille kehrte ein, unheimliche Stille. Zareg wollte sich selbst beruhigen, setzte sich wieder hin und schloss die Augen, doch die Pause wehrte nicht lange. Leicht ängstlich erhob sich der Bretone, als er ein erneutes Mal etwas zu hören geglaubt hatte, und marschierte durch das Zimmer, um vielleicht dem Ursprung des Geräusches auf den Grund zu kommen.
Er entdeckte nichts, nicht einen Hauch einer Präsenz und auch als er sich in sich selbst hineinversetzte und versuchte, etwas in seiner Umgebung zu spüren, wollte sich nichts offenbaren, nicht einmal die kleinste Spur. Gedankenverloren wischte er den Staub, der sich über lange Zeit auf einer Kommode im kleinen Raum gelegt hatte, ab und fuhr dann schnell um, da er glaubte zu wissen, woher das Geräusch stammen konnte. Die Vermutungen sollten sich gleich als falsch erweisen, als er den Vampir noch immer gefesselt und ohnmächtig am Boden liegen sah. Unruhig lehnte er sich an die Kommode und schaffte es irgendwie einzuschlafen.
Dunkle Träume suchten ihn heim und als er aufwachte hätte er fast aufgeschrieen, da ihn die plötzliche Dunkelheit erschrak. Die Erinnerungen an den Traum wollten sich einfach nicht verflüchtigen und als er dann wieder einmal das Geräusch hörte, breitete sich ein ungutes Gefühl im Magen aus. Er lauschte und lauschte und ihm schien es so, als vernehme er etwas aus weiter Ferne. Es hörte sich an, wie ein Säuseln, doch als es lauter wurde, fand sich Zareg schlagartig in einen Panikzustand mitten im Zimmer stehend wieder:
Die Stimmen, sie flüsterten zu ihm. Beleidigungen, Perversitäten, Abartigkeiten über sich ergehend, drückte er sich schon bald die Hände an die Ohren, um nichts mehr hören zu müssen, doch das einzige, was dies bewirkte war, dass das Gesprochene mit einem dumpfen Summen unterlegt wurde, als dann schließlich die Ohren zufielen. Weiterhin wurden die Stimmen lauter, bis sie sich zu Rufen steigerten, die manchmal zu grausamen Tonfällen, Wutschreien oder gutturalen Lauten anschwollen. Verzweiflung, Angst sowie Schmerz breiteten sich im Körper des Bretonen aus und raubten ihm schlichtweg die Luft. Zareg brach zusammen, warf sich auf die Knie und versuchte die Tränen zu stoppen, die unaufhaltsam auf den Boden rannen, doch es war zwecklos…die Qual wollte nicht enden, nicht weniger werden. Mit dem letzten Rest seines Verstandes richtete er sich noch einmal, am ganzen Körper zitternd, auf und wagte den Versuch noch einmal letzte Berührungen mit seinem Umfeld zu machen. Doch selbst dies blieb ihm verwehrt…die Wände schmolzen als er sich ihnen näherte und alles um ihn wurde Schwarz.
Auf einmal näherte sich ihm etwas, etwas Böses, er konnte es spüren, wusste aber nicht, was es war, von woher es kam. Die Stimmen verschwanden auf einmal, doch er merkte es gar nicht, denn er war völlig darauf konzentriert einen riesigen Feuerball-Zauber zu wirken, den er dann dem vermeintlichen Feind entgegenschmettern würde. Der Geist hatte schon ein Ziel ausgesucht und Zareg wartete nur mehr auf den richtigen Moment. Er bewegte sich nicht und dann auf einmal meldete sich die grausame Stimme wieder in seinem Kopf „Wirf den Ball! JETZT!“
Der Telvanni-Meister ließ die Kugel los, doch es geschah was Unerwartetes: Nicht weit vor ihm traf der Feuerball auf ein Hindernis und der Bretone wurde nach hinten geworfen. Der Aufprall schmerzte nicht so sehr, wie die unbarmherzige Hitze die sich schlagartig auf der Haut und am ganzen Körper Zaregs breit gemacht hatte. Er öffnete seine Augen und sah erst jetzt, dass er unter Flammen stand und sich noch immer in dem Raum befand, wo der Vampir irgendwo lag. Ein Schrei voller Verzweiflung und Schmerz entfleuchte seiner Kehle. Die Gedanken wurden zunehmest verwirrender. Er dachte an den roten Berg und an „seinen Meister“ und mit einem erneuten Schrei fiel er zu Boden und rollte sich verzweifelt hin- und her, um der sengenden Hitze zu entgehen, obwohl er wusste, wie zwecklos es war. Noch einmal vernahm er die Stimme, woraufhin noch ein Lachen, ein grausames und höhnisches Lachen folgte…dann verklang der Schmerz, die Stimmen verschwanden und es wurde ganz still…es war vorüber…
Sadrith Mora / Taverne "Zum Torbogen"
Als Draven das Zimmer betrat und den Erzmagier ansprach, blickte dieser auf. Er saß am Rand seines Bettes und bewegte die Arme in rudernden Bewegungen hin und her. Dies sollte die Dehnbarkeit der Haut testen, die durch das Auskochen seiner Wunden äußerst gelitten hatte. Beim Blick in das Gesicht des Erzmagisters legte er seine Hände in den Schoß. Irgendwie sah der Alte etwas angefressen aus… Aber, wie auch immer – endlich schien der auch endlich den Ernst der Lage verstanden zu haben. Schnelles Handeln war angesagt. Aber…
„Ehm… Ihr wollt doch nicht echt in dieser Rüstung losrennen, oder?“, meinte Malukhat und betrachtete den Gefährten eingehend. Eine Rüstung bestehend aus schwarzem Leder, darüber ein für diese Reise unpassender Umhang. Piekfein angezogen, wie es einem Erzmagister wohl gebührte. Tse… diese Telvanni. Wenn sie starben, sahen immerhin ihre Leichen noch hübsch aus. War wohl auch so gewollt. Vornehm ging die Welt zugrunde… heißt es nicht so?
„Also, Draven. Schaut Euch mal Eure Rüstung an. Bei dem Regen werdet Ihr eine richtige Freude mit dem Leder haben, welches bei Nässe über Eure Haut… na… schubbert. Oder wie nennt man das noch? Ach, auf jeden Fall wird das für schöne Entzündungen und wunde Stellen sorgen. Und Euer Umhang? Meine Güte – die Vampire werden sich halbtot lachen. Dank dem Orange werden wir auffallen wie eine Horde Kampfkrabben mit leuchtend grüner Kriegsbemalung in Balmora.“
Tja, ja… Malukhat wusste eben Bescheid. Er war zwar in keinster Weise vorbereitet, aber immerhin wusste er schon mal, was Draven falsch machte. Der Erzmagier selbst musste wohl oder übel auch noch mal nach Balmora in die Magiergilde, denn dort hatte er seine ganzen Sachen gebunkert. Eigentlich hatte er vorgehabt, es Trebonius gleich zu tun und seinen Hauptsitz in Vivec zu nehmen, aber… die balmorsche Gildenvorsteherin Ranis hatte ihm da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nicht, dass die Malukhat unbedingt jeden Tag um sich haben wollte, nein, aber Malukhat fand es einfach belustigend, jedes Mal aufs Neue mit ihr in die Haare zu geraten. Ranis hatte eine große Klappe, war immer sauer und dazu noch hochmütig. Außerdem versuchte sie den Erzmagier aus seinem Amt zu vertreiben. Malukhat könnte sie für ihre nutzlosen Bemühungen immer wieder aufs Neue drücken – wüsste er nicht, dass sie ihm dann wahrscheinlich einen Dolch in den Bauch rammen würde.
Draven sagte erst einmal gar nichts. Dachte er nach? Na, egal. Bevor es hier noch zu einem Streit kam, sollte der Erzmagister doch tun oder lassen, was er wollte. Malukhat musste sich ja nicht mit den Konsequenzen herum schlagen. Obwohl… wenn der andere die ganze Zeit rumheulte, es täte so weh, wäre das schon eine Konsequenz, oder?
Bevor Draven noch etwas sagen konnte, meinte Malukhat schnell: „Nun, ich muss noch einmal nach Balmora. Ich hoffe, ich finde die Magiergilde, wenn ich erstmal in der Wolfenhalle bin. Das Teil ist verdammt groß und verdammt unübersichtlich. Ich hasse es, wenn ich das mal so anmerken darf. Aber sagt das Skink-im-Schatten nicht, der könnte sich dadurch irgendwie angegriffen fühlen. Ist zwar netter als die alte Ranis, hat aber auch ein recht angegriffenes Nervengeflecht. Die Prüfungen dürften inzwischen durch sein. Also muss ich mich nun auch noch um eine passende Vertretung kümmert, die offiziell die neuen Ränge ausruft. Und ich brauch’ eine andere Rüstung. Das indorilische Zeug wirkt etwas fehl am Platz.“
Malukhat erhob sich und nahm seinen Kräuter- und Tränkebeutel zur Hand, um nachzuprüfen, dass er von allem noch genug hatte. In dieser Hinsicht war er pingelig. Er war jahrelang auf der Flucht vorm starken Arm des Gesetzes gewesen und auch seine Ausrüstung in Sachen Heiltränke hatte ihm gute Dienste erwiesen, ohne die er wahrscheinlich jetzt nicht mehr wäre. Und wie erwartete musste auch hier ein wenig aufgestockt werden.
„Also, tut mir echt Leid, Draven, dass wir nun nicht sofort los können“, begann Malukhat ein weiteres Mal, als er den Beutel weglegte, zum Kleiderschrank ging und ein schwarzes Hemd daraus hervorzog. „So wird das nichts, ich meine… Ohne Heiltränke gehen wir nirgends hin. Ich jedenfalls nicht. Zwei Stück habe ich nicht, kleine Heiltränke. Im Fall der Fälle werden die uns auch nicht helfen. Und schaut mich jetzt nicht so an, als könnten wir uns die Zeit nicht nehmen. Für Euch ist schließlich vorhin so ein Typ schwer bepackt die Treppen hoch gewankt und hat Euren ganzen Kram in Eurem Zimmer abgeliefert.“
Sadrith Mora / Magiergilde -> Balmrora / Magiergilde
Was denn so freundlich heute?, fragte sich der Erzmagier und begann, sich ernsthaft Sorgen um den geistigen Zustand seines Begleiters zu machen. Er hatte doch sonst immer so ein freches Mundwerk… Tja, wahrscheinlich hatte Draven erkannt, dass Malukhat nun eben doch der Bessere, Gutaussehendere, Begabtere und eh viel Tollere von beiden war. Was der Telvanni wohl tat, wenn er ihm den Befehl: „Mach Männchen“ gab? Schade, dass für dieses kleine Experiment keine Zeit blieb. Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht und einem von sich selbst gestreichelten Ego legte er die Hand an die Klinke zur Magiergilde, wollte sich elegant zur Tür hindrehen und hindurch schreiten. Insgesamt gesehen wäre, das auch gar kein Problem gewesen, wenn nur – domp… die Tür nicht abgeschlossen gewesen wäre. Toll. Da stand Malukhat nun direkt vor dem Holz und kam sich vor, als hätte er das wortwörtliche Brett vorm Kopf.
„Draven… wehe Ihr lacht… ich warne Euch. Das ist kein Spaß“, grummelte der hochgewachsene Dunmer mit leicht angeknackster Würde und ging einen Schritt zurück, um sich die Stirn zu reiben. Warum war nur diese dämliche Tür zugeschlossen? Langsam wurde er echt sauer. Nach ein paar weiteren Schritten von der Magiergilde weg, stürzte er darauf zu und warf seinen Körper mit voller Wucht dagegen. Vergeblich. Er wiederholte dies, versuchte den Weg allein durch Gewalt aufzubekommen. Seine Schulter schmerzte, aber das machte nichts. Die Tür würde sich ihm schon noch öffnen… Ein letztes Mal trat er zurück, wollte gerade los sprinten, als…
„Malukhat?“
„Was ist?!“
„Öffnungszauber.“ Das war das einzige, was Draven sagte. Schlicht und ergreifend ‚Öffnungszauber’. Öffnungszauber? „Kommt schon, Draven. Das ist nicht der Moment für billige Scherze. Wenn Ihr wen beklauen wollt, dann diesen Tempelfreak. Der hat ja scheinbar genug, als dass er es vermissen würde.“
Draven schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Was hatte Malukhat denn nun schon wieder falsches gesagt? Und was, verdammt noch mal, wollte er mit diesem dämlichen Öffnungszauber nun aussagen? Dies und alles weitere erfahrt Ihr in der nächsten Folge, wenn es wieder einmal heißt: Der Erzmagier und die Suche nach seinem Hirn.
„Öffnungszauber!“, rief der Dunmer plötzlich und schnippte mit den Fingern seiner rechten Hand. Natürlich! Dann brauchte er sich nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen, als er ohnehin schon hatte. Dass er nicht gleich darauf gekommen war? Okay, manchmal war er vielleicht etwas langsam, aber im Endeffekt hatte er bis jetzt noch alles kapiert. „Wieso steht Ihr so dumm rum? Ihr hätte ja auch ruhig mal einen Ton sagen können. Öffnungszauber! Immer muss ich alles selber machen!“
Der Mann vollführte die notwendigen Handbewegungen und ging im Kopf eine kurze Formel durch. Seine Hände wurden getaucht in ein sanftes, weißes Licht, welches sich schließlich zu einem kleinen Ball verformte und blitzschnell Richtung Türschloss sauste. Ein kurzes Knacken verriet den beiden, dass der Zauber seine Wirkung getan hatte. Nun aber los, dachte sich Malukhat. Dass die einfach so die Tür abschlossen und niemand rein ließen, das war jawohl… Musste sich jetzt etwa selbst er, der große, erhabene Erzmagier, anmelden, bevor er diese mehr als heiligen Hallen betrat? Wutentbrannt riss er die Holztür auf, wollte in den Raum stürmen und brüllte dabei: „Was geht hier v –“ weiter kam er nicht. Mochte an dem Feuerzauber liegen, dem auszuweichen ihm und seinen Reflexen im Moment einfach wichtiger erschien. Die Kugel zerbarst an der Steinwand hinter der Tür und verwandelte sich in kleine, leuchtende Kügelchen, die langsam gen Erdboden schwebten.
„Oh je…“, vernahm der Dunmer nun eine Stimme und sah in das Gesicht einer jungen Bretonin. „Das… das tut mir Leid… Ich… Wir… dachten, Ihr wäret ein… Vampir oder Randalist…“
„Bitte?! Vampir? Randalist?“, entfuhr es dem Erzmagier. „Wenn Ihr Eure Türen verschlossen haltet und mich nicht davon in Kenntnis setzt, ist es eine Sache der Logik anzunehmen, dass ich irgendwie versuchen werde, rein zu kommen, wenn ich… na, wenn die Tür halt nicht aufgeht, verdammt.“
Mit einer wilden Glut in den Augen suchte er den Raum nach Skink-im-Schatten ab, einem Argonier in meist einfacher, brauner Robe. Wie gesagt, Argonier. Die verstanden einfach nichts von Mode. Das musste aber eigentlich kein Mitglied der Magiergilde, solange Malukhat wusste, dass er sich auf es verlassen konnte. Da erblickte er den anderen Mann auch schon. Okay, die Robe war nicht braun sondern grasgrün. Hm… nein, eher noch ein bisschen dunkelgrün. Aber so ein leichter Braunton war doch auch enthalten… matschig grün!, entschied Malukhat und trat auf den anderen zu, während Draven in den Raum hinein trat und die Tür hinter sich schloss.
„Entschuldigt, Erzmagier“, zischte Skink auf die für die argonische Rasse typische Weise. „Wir nicht wussten, dass Ihr kommt. Ansonsten hätten Tür nicht verschlossen gehalten.“
„Is’ mir klar. Ich will jetzt auch nicht streiten. Ist mir, um ganz ehrlich zu sein, zu doof. Die Prüfungen sind bereits vorbei, nehme ich an?“
Skink nickte einfach nur. Er spürte, dass mit dem Erzmagier was nicht stimmte und dass dieser eine äußerst schlechte Laune an den Tag legte. Nun, spüren musste man da auch nicht viel in Anbetracht der Tatsache, dass der Dunmer jetzt keine einstündige Predigt über das ungerechtfertigte Verschließen von Türen hielt. Normalerweise hätte er es sicherlich getan. Auf Skink wirkte der Erzmagier ein wenig Ernst. Nein, das war auch wieder falsch. Nicht ernst, sondern einfach mal ernst zu nehmend. Es war fast so, als hätte die Magiergilde in diesem einen Moment den Erzmagier, den sie unbedingt brauchte. Wie lange dieser Zustand allerdings anhalten würde, lag in den Sternen. Aber selbst aus diesen meinte Skink bereits lesen zu können: Nicht lange. Einfach nicht gegen an reden, dann ging wenigstens dieser Tag schnell vorbei.
„Nehmen wir mal an, dass ich zu dieser Feier nicht kommen kann, bei der die neuen Ränge offiziell bekannt gegeben werden… dann wäre doch Ranis Atrys die nächst liegende, die diese Aufgabe für mich übernehmen würde?“
Wieder nickte der Argonier. Bloß nichts sagen, was den Erzmagier verärgerte. Unter Umständen würde sein Wesen dann noch ein bissen länger so ernst bleiben. Hoffnungen… die Ranis Atrys eh zu Nichte machen würde. Sie und Erzmagier kamen sich doch alle Nase lang in die Haare und Skink durfte sich die etlichen Beschimpfungen der Gildenvorsteherin Balmoras anhören.
„Aha“, meinte Malukhat und kratzte sich versonnen am Kinn. „Ich kann leider diesmal wirklich nicht an dieser Feierlichkeit teilnehmen. Aber der alten Schachtel werde ich die Ehre, das für mich zu machen, bestimmt nicht erweisen! Das wäre ja noch schöner! Macht Ihr das mal, Skink. Ich werde dieser Zicke gleich selbst Bescheid geben, immerhin ist Balmora mein Ziel und das meines Begleiters. Wir wollen eben eine andere Rüstung für mich besorgen und…“ Hör auf, schalt er sich in Gedanken. Er kam wieder einmal ins Reden, quasselte sich um Kopf und Kragen und wusste letztlich doch, dass er die Zeit nicht hatte. Der Erzmagister und er mussten langsam mal in die Hufe kommen. Er gab Draven mit einem Handwink zu verstehen, dass er ihm zur Gildenführerin folgen sollte. Dieser kam auch bereitwillig, aber wohl ein wenig genervt, herbei.
Und ehe sie sich versahen, hatte die Gildenführerin sie bereits nach Balmora teleportiert.
Tja, und hier standen sie nun, in dieser kleinen, abgezweigten Ecke im Nebenraum, und die balmorsche Gildenführerin und die khajiitische Kämmerin sahen die Männer erwartungsvoll an. Minuten verstrichen, und die beiden warteten immer noch auf eine Reaktion. Aber Malukhat konnte jetzt nicht reagieren. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Dann öffnete er den Mund, machte eine weit schweifende Bewegung mit seinem Arm, klappte den Mund wieder zu und legte Daumen und Zeigefinger ans Kinn. Das Spiel wiederholte sich drei Mal, bis Malukhat dann doch einige Worte loswurde: „Sagt mal Draven…“ Pause. Dann: „Hier in der Magiergilde Balmoras herrscht ein reger Verkehr. Von hier und dort kommen die Leute und benutzen die Teleporter. Wie kommt es eigentlich, dass es nie einen Stau gibt?“
Der Ehrlichkeit halber: Der Erzmagier wollte das wirklich gern wissen. Nur leider interessierte das die wild herein stürmende Ranis Atrys nicht im Geringsten.
„Wo habt Ihr solange gesteckt?“ knurrte sie den Mann an und schien drauf und dran, ihn vom Teleporter-Plateau zu zerren. „Ihr hättet bei den Prüfungen zugegen sein müssen! Ist Euch klar, wie wir jetzt wohl dastehen? Euch kann doch nicht alles so vollkommen egal sein! Ihr wart auf Vampirjagd, was? Na, habt Ihr welche erwischt? Na?“
Anstatt einen verbalen Gegenschlag zu leisten, grummelte er irgendwas von wegen „nervige Kuh“, verließ die kleine Teleporter-Ecke und schob sich an der verhassten Gildenvorsteherin dezent vorbei. Draven folgte ihm nicht. Wozu auch…