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Yareth schaute hoch zu dem Fenster und sah den blauen Gargoyle, den sie glaubte schon auf der Brücke gesehen zu haben. Sie waren also auch zu dem Herrenhaus gekommen. Wenn sich ihr Verdacht bestätigte musste der Mann, den sie suchte und der Mensch auf der Brücke ein und die selbe Person sein. Doch darüber konnte sie später noch genug grübeln. Ihr Arm schmerzte schon etwas und wenn sich der Kleine da unten noch schwerer machte, würde er ihr die Schulter auskugeln.
Sie meinte also spöttisch zu ihm: "Ne du, wir hängen hier lieber noch etwas rum und genießen die Aussicht und den erfrischenden Regen. Mach dir keine Umstände!" Dabei versuchte sie noch etwas die Augen zu verdrehen, was aber in ihrer komischen Körperhaltung und dem nach oben gewendeten Blick nicht ganz ankam.
Da fing Claufius schon wieder an zu zappeln und machte ein paar sarkastische Kommentare, die sie beflissentlich überhörte. Es ging wohl ums flirten oder so was. Wie sie diese neumodischen Wörter hasste. Hoffentlich wurde sie bald aus dieser unbequemen Situation befreit und hing mit ihm nicht mehr so nah zusammen. Sie fragte sich langsam, ob es wirklich so gut gewesen war ihn als begleiter auszuerkoren.
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Von einer Sekunde auf die andere hatte der Blaue vollkommen die Übersicht über die gesamte Situation verloren. Er hatte nur eine einfache Frage gestellt, und die Riesin hatte direkt irgendeinen schnippischen Kommentar gemacht. Dabei hatte er es doch nur gut gemeint. Warum war sie direkt so zickig zu ihm? Während der Blaue sich nach und nach in seine Gedanken reinsteigerte, hingen die Riesin und der seltsam gekleidete Junge weiterhin am Fenster und beobachteten den verträumten Gargoyle skeptisch. Als der Junge etwas sagte - allem Anschein nach ebenfalls ein sarkastischer Kommentar -, schüttelte der Blaue den Kopf, schloss kurz die Augen und war augenblicklich wieder bei der Sache.
"Wartet", sagte er, "ich helfe euch. Irgendwie." Der Blaue ergriff den freien Arm der Riesin und zerrte unbeholfen daran.
Nach kurzer Zeit verdrehte die Riesin die Augen, holte kurz schwung und warf den Jungen dem Blauen entgegen, der ihn ganz knapp auffing und ins Innere des Gebäudes zog. Anschließend zog sich die Riesin selbst mit beiden Armen in den Raum.
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Claudius schüttelte seinen Haarschopf wie ein nasser Hund.
"Danke, Kleiner.", meinte er grinsend und hielt dem Gargoyle in Blau seine Hand hin, "Es würde mich inzwischen nicht mal mehr wundern, wenn ich keinen einzigen Menschen mehr in L.A. sehen würde."
Hinter ihm stieg Yareth in den Raum und schaute sich um. Die Örtlichkeit war edel ausgestattet, aber außer den drei Gargoyles war niemand zu sehen, obwohl der riesige Kronleuchter ein sanftes Licht durch den Raum warf.
"Vielleicht sollten wir uns erstmal ein wenig umschauen, um mehr über euren Gönner herauszufinden. Wie es scheint, habt ihr einen mächtigen oder zumindestens einen verdammt reichen Freund.
Der Junge rang den Zipfel seines Pullovers aus und blickte dann zu dem einzigen noch kleineren Gargoyle, den er je gesehen hatte.
"Mein Name ist Claudius, wer bist du?"
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Der Blaue schüttelte total verunsichert den Kopf, sah sich um, wie um sich zu vergewissern, ob der graue Junge, der sich eben als Claudius vorgestellt hatte, wirklich ihn meinte, dann tippte er sich mit dem Zeigefinger auf die Brust und machte ein Gesicht, als hätte man ihn eben nach der binären Quadratwurzel vom Sinn des Lebens gefragt.
Claudius, die Rechte immer noch zum Gruß ausgestreckt, kratzte sich mit dem Zeigefinger der Linken am Kopf. "Alles in Ordnung bei dir, Bruder?" fragte er lächelnd. "Ich will dir doch nur die Hand schütteln."
"Oh ja", sagte der Blaue hastig nickend, "natürlich." Er streckte seine Rechte aus und schüttelte Claudius formell die Hand. "War's das dann jetzt?" fragte der Blaue direkt im Anschluss und zog die Hand zurück.
"Ich wollte doch eigentlich noch was wissen", sagte Claudius, und ein verschmitztes Lächeln huschte über seine Lippen.
"I-ich ... weiß aber nicht viel", entgegnete der Blaue. "Ich bin ... äh ... neu hier, ich denke mal nicht, dass ich Euch großartig helfen kann."
"Mir genügte dein Name", sagte Claudius und versuchte, so freundlich wie möglich zu lächeln.
"Ich ... habe keinen Namen. Haben wir alle nicht." Diese Tatsache schien dem Blauen irgendwie peinlich zu sein.
"Kein Name? Das kann ich mir ja nur vorstellen."
"Wieso?" Jetzt war der Blaue leicht beleidigt. "Muss alles einen Namen haben?"
"Nun", entgegnete Claudius und steckte die Hände in die Taschen, "nicht alles, aber es erleichtert die Sachlage zumindest erheblich."
"Quatsch", sagte der Blaue und verschränkte die Arme. "Du kannst mir nicht erzählen, dass ... dieses Ding da einen Namen hat."
"Die Toilette?"
"Und ... das da?"
"Die Badewanne. Entschuldigung, fast schon Whirlpool. Wow, gar nicht schlecht."
Der Blaue geriet in Argumentationsnot. "Und ... der Ort, an dem du geboren wurdest?" Ja! Damit hatte er ihn! Eine Bruthöhle konnte keinen Namen haben!
"Mein Geburtsort? Das war Newark. Ist an der Ostküste, weißt du."
Es folgte ein längeres Schweigen, ein weiteres Lächeln von Claudius, dann meinte der Blaue beleidigt: "Meinetwegen ... dann nenn mich eben Newark. Claudius."
Dann schüttelten sich die beiden nochmal die Hände, und dieses Mal lächelten beide.
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[FONT="Century Gothic"]Die Bestien aus Stein - Kapitel II
Rabitz breitete seine Schwingen aus und streckte sich im Raum. Zar verspürte er noch einen ziehenden Schmerz in der Schulter, aber dies war nicht weiter schlimm, zumal der Schmerz in der nächsten Nacht sowieso verflogen sein würde. Allein stand der Riese von einem Gargoyle in dem menschen- und gargoyle-leeren Raum und begann sich vorsichtig umzuschauen. Alles kam ihm höchst merkwürdig vor – so was hatte er selbst bei Arminius und den Germanen nicht gesehen. „Magie…?“ der Pechschwarze runzelte die Stirn als er mit seiner linken Pranke zögerlich ein Foto von der Komode hob, das ihm drei unbekannte Leute zeigte. Doch das schien nicht das einzig ungewöhnliche an diesem Bild zu sein: im Hintergrund sah man das gewaltige Anwesen, wobei auf den einzelnen Felssäulen Gargoyles in ihrer Gesteinsform zu stehen schienen. „Hrm…,“ er murmelte skeptisch und betrachtete das Foto für einen Augenblick ungläubig, ehe er es, recht verwirrt, wieder zurückstellte, als sich hinter ihm auch schon die Türe öffnete und der alte Mann von der Brücke den Raum betrat: „Ah Rabitz, lang, lang ist es her…“ – „Alter Mann…“, entgegnete ihm der Gargoyle, „…was geht hier vor sich…?“
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[FONT="Century Gothic"]Die traurige Wahrheit
Es war die unglaublichste Geschichte die Rabitz je gehört hatte. Da versuchte ihm der Alte doch tatsächlich weiß zu machen, dass seine Gefährten und er sich augenblicklich im Jahr 1986 befanden. „Mein Klan…meine Freunde,“ der pechschwarze Gargoyle schluckte schwer und seine Augen sprangen wild von einem Punkt zum anderen. Unwillkürlich packte Rabitz den alten Mann an den Schultern und rüttelte unsanft an ihm. „Wie…wie ist die Schlacht ausgegangen…? Haben wir gewonnen…? Was ist aus meinen Leuten geworden…?!“
Adelbert Kreuz, so war der Name, den der alte Kerl in dieser Zeitepoche angenommen hatte, ließ das Prozedere über sich ergehen – er konnte seinen Freund, den er seit mehr als 1 Jahrtausend nicht mehr gesehen hatte, gut verstehen. Es schmerzte ihn sehr, als er sich klarmachte, das er Rabitz beichten sollte, das er und diejenigen, die mit ihm durch das Zeitloch gefallen sind, die letzten Überlebenden seiner Rasse sein sollten.
In all den Jahren tauchten ab und an Gerüchte über Gargoyles im Weltgeschehen auf und jedes Mal ging Adelbert reister er ihnen hinterher in der Hoffnung, dass er auf Rabitz stoßen würde – doch sie alle haben sich falsch herausgestellt. Seit jener Schlacht vor fast einem Millennium hatte er nun keinen Gargoyle mehr gesehen.
Rabitz war ratlos – was sollte er jetzt tun? Und vor allem: wie sollte er es den anderen erklären, wenn er selbst Probleme hatte, das alles zu begreifen. Die Schlacht war gewonnen, doch sein Klan wurde wenige Jahre später in einer einzigen Nacht dahingemetzelt als die römischen Legionen das unbeugsame Germanien am Ende doch noch versklaven konnten.
Sie waren die letzten ihrer Art – sie waren die letzten Gargoyles…
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„Gut das wir das geklärt hätten. Mich darfst du übrigens Yareth nennen, Kleiner.“ Und zu Claudius Überraschung schüttelte sie dem frisch benannten Gargoyle die Hand. „Danke für die Rettung. Auch wenn ich das irgendwie schon geschafft hätte. Notfalls wäre der da hinten etwas auf die Nase gefallen.“ Sie zwinkerte ihm zu und man merkte richtig, wie Newark wieder furchtbar nervös wurde. „Jetzt sollten wir aber mal sehen, dass wir aus diesem Badezimmer kommen.“ Ihr Blick glitt noch einmal durch den Raum und dann machte sich daran die einzige Tür zu öffnen.
Als sie die Tür öffnete, blickte sie in einen langen Gang mit hoher Decke, der geschmückt war mit Wandteppichen und alten Ritterrüstungen. „Nicht schlecht. Da fühlt man sich ja fast heimisch.“, meinte Yareth. Immer wenn sie gut gelaunt war, wurde sie etwas redseliger. Und jetzt war sie eindeutig gut gelaunt. Sie war endlich aus dem Regen, hatte die fremden Gargoyles gefunden und befand sich ganz offensichtlich in der Villa von dem Typen, den sie sowieso aufsuchen wollte. Drei Probleme hatten sich fast wie von selbst gelöst. Besser konnte es fast nicht laufen.
Sie betrachtete in Gedanken ein Gemälde von einem alten Mann mit Anzug und Krawatte. Das musste der angebliche Experte sein. Oder einer seiner Vorfahren. Sie hatte ein unscharfes Bild in einer Zeitung gesehen. Ob sie hier endlich ein paar Antworten auf ihre Fragen finden würde? Es war schon seltsam genug gewesen diese Gargoyles zu treffen. Sie hatte schon seit Ewigkeiten niemanden mehr von ihrer Rasse getroffen. Eigentlich seit sie in dieser neuen Zeit erwacht war. Und jetzt tauchten nicht nur diese Germanischen auf, sondern auch dieses Halbblut. Das waren ihr fast zu viele Zufälle an einem Tag…
„Na ja, immerhin besser, als der stressige Regen.“, unterbrach ein Kommentar von Claudius ihre Gedankengänge. Ihr fiel ein, warum sie eigentlich hierher gekommen war. Sie wollte Antworten und diese erhielt sie sicher nicht, wenn sie weiter hier herumstand und grübelte. Sie schaute Claudius noch einmal in die Augen mit diesem typischen kühlen Blick, der ihr zu Eigen war, und verfiel wieder in ihre ursprüngliche Rolle. Sobald ihr Blick wieder auf die Dinge fokussiert war, die sie verwirklichen wollte, fuhr sie wieder in den alten Schienen und war misstrauisch wie sonst. Auch wenn dazu jetzt kein Grund mehr zu bestehen schien. Aber sie konnte nun einmal nicht aus ihrer Haut.
Von dem Gang zweigten acht Türen ab. Jeweils drei an den Seiten und eine an den Enden. Sie waren rechts aus der Tür in der Mitte getreten. An den Wänden hingen noch weitere Gemälde und an der hohen Decke waren Kronleuchter. Eine ziemlich pompöse Villa für einen Professor, der auf seinem angeblichen Fachgebiet nicht gerade anerkannt war, da man ihn für etwas wunderlich hielt. Zugegeben die Welt war wohl noch nicht bereit für sie. Als sie am Ende des Ganges Stimmen hörte, bewegte sie sich vorsichtig auf die Tür zu und bedeutete den anderen zurückzubleiben. Leider kam sie zu spät bei der Tür an und konnte gerade noch die letzten Worte mithören, auf die Schweigen folgte. Es war an der Zeit mit den anderen in Kontakt zu treten. Ohne anzuklopfen oder sich sonst wie anzukündigen öffnete sie die Türe und gewahrte zweier Gestalten. Einer von Beiden, ein rabenähnlicher Gargoyle, zuckte erschrocken zusammen und dann breitete sich auf seinem Gesicht Erstaunen aus. Er schien mit allem gerechnet zu haben nur nicht mit diesem nächtlichen Besuch. Diese Reaktion war sie jedoch schon gewohnt, da sie sich selten ankündigte, bevor sie mit anderen in Kontakt trat. Doch diesmal schein die Überraschung etwas größer zu sein. Als gebe es noch einen Grund, der ungewöhnlich machte, dass ein Gargoyle auf einmal durch die Tür trat, den der Unbekannte nicht kannte. Er hatte sich jedoch schneller wieder gefangen als sie dachte. Er strahlte etwas aus, das sie schon lange nicht mehr wahrgenommen hatte. Eine seltsame Ausstrahlung, die nur wenige Personen verströmten. Wahrscheinlich war er der Anführer dieses Klans. Der andere war jener Mann auf dem Gemälde, oder sein Nachfahre. Bei ihm zeichnete sich nicht der erwartete Ausdruck von erstaunen auf dem Gesicht ab. Aber wenn sie ehrlich war hatte sie such nicht erwartet, dass ihre Ankunft unbemerkt geblieben war. Sie hatte mal wieder unglaubliches Glück gehabt und genau die Personen gefunden, mit denen sie reden hatte wollen. Ungewöhnlicherweise fühlte sie sich jetzt etwas unbehaglich und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Vor allem hätte sie viel darum gegeben dieses Schweigen zu beenden. Von hinten näherten sich ihre Gefährten…