Sadrith Mora / Taverne "Zum Torbogen"
"Der Junge mag eine Rotznase sein", meinte Malukhat und runzelte die Stirn, während er die verschlossene Tür zu Zaregs Zimmer betrachtete. "Aber einen gesunden Schlaf hat er, das muss ich ihm lassen. So denn!" Er wandte sich zu Draven um und blickte ihm in die Augen. "Wir sollten nun wirklich nach unten gehen, ansonsten verpassen wir noch alles - und eigentlich will ich mir das lieber nicht entgehen lassen."
Draven schien noch einen kurzen Moment zu brauchen, es mit seinem zu vereinbaren, Zareg einfach so zurück zu lassen, aber schlussendlich besann er sich dem Anschein nach dann doch noch darauf, dass er es immerhin vorgeschlagen hatte, und gemeinsam verließen die beiden Magier den Südflügel der Taverne zum Torbogen. Die Taverne, Malukhat musste es sich einfach mal eingstehen, war einer der luxuriösesten Orte, die der Erzmagier in seinem Leben je zum Schlafen aufgesucht hatte. Es bestand aus mehrern Stockwerken, einem Süd- und einem Nordflügel. In den verschiedenen Flügeln befanden sich jeweils auch noch ein Aufenthaltsraum und - wer hätte es anders vermutet? - die Gästezimmer.
Im untersten Stockwerk, wenn man es denn so nennen konnte, denn immerhin lag es direkt über dem großen Tor, von dem aus man entweder zu den Docks oder in die Stadt hinein gelangen konnte, befand sich die eigentliche Taverne - und umso näher die beiden Männer jenem kamen, umso lauter wurden die Geräusche von Feierlichkeiten.
Malukhat drückte Draven vorsichtig zur Seite und starrte ein Stück die Treppe hinab in den großen Tavernensaal.
"Lasst mich erst mal schauen", meinte er dann noch nachträglich. Natürlich wollte er damit nicht Draven Autorität oder dergleichen in Frage stellen, aber er musste auch nicht weiter darüber nachdenken, denn er war sich vollkommen sicher, dass der Erzmagister genau wusste, dass der Erzmagier von Natur aus neugierig veranlagt war.
Und da erkannte Malukhat ihn, diesen schmierigen, kleinen Pseudo-Nachtmenschen, wie er dort in der Mitte an einem Tisch saß, mit einem überheblichen Lächeln im Gesicht in die Runde blickte. Nur dass er plötzlich gar nicht mehr so schmierig war, wie er sich zuerst gegeben hatte. Was ihn aber noch eher unheimlicher als vertrauenswürdiger erscheinen ließ.
"Diese Augen", sagte Malukhat, blickte allerdings nicht in Richtung Dravens. "sind mir nicht geheuer."
Sadrith Mora / Taverne "Zum Torbogen"
Wir benehmen uns wie die Kleinkinder, dachte Malukhat und musste grinsen, als er sich auf den Stuhl setzte. Beinahe wäre das Grinsen sogar in ein lautes Lachen ausgebrochen, aber immerhin konnte er sich in dieser Hinsicht zurück halten. Plötzlich schlang jemand die Arme um seinen Hals, eine Skooma-Fahne wehte ihm beinahe Übelkeit erregend ins Gesicht. Ein Dunmer hatte sich an ihn „ran geschmissen“, wie man so schön sagte, aber irgendwie mochte dem Erzmagier das nicht recht gefallen. Immerhin war der Dunmer ja kein Mädchen. Wenn er wenigstens hübsch gewesen wäre…
Nein, er als Erzmagier hatte einen Ruf zu verteidigen, da konnte er sich doch nicht von einem der eher homosexuell veranlagten Truppe antatschen lassen!
„Ähm, Bro?“ Malukhat tippte ihm angebiedert auf die Schulter, aber der Mann ließ ihn nicht los. Alles in allem war die Umgebung eher untypisch für ein solches Verhalten. Besonders für das Verhalten eines Magiers. Auch Draven schaute ein wenig verwirrt aus der Wäsche. Nun, war ja auch nicht zu übersehen, dass hier etwas vor sich ging, was ohne Alkoholeinfluss wohl kaum in dieser Weise zustande gekommen wäre.
„Beten wir zu Malacath“, sprach der fremde Betrunkene aus vollem Halse, dass es dem belästigten Dunmer schon fast in den Ohren wehtat.
„Ach, tust du?“, war Malukhat einzige, verwunderte Antwort, während er irgendwie versuchte, den Kopf des anderen ein wenig von sich weg zuschieben.
„Ja, tu ich! Nur er allein kann uns in dieser misslichen Lage noch helfen!“
„Ach, kann er das?“ Dem Erzmagier fiel einfach nichts besseres darauf hin ein. Es war schon ein wenig merkwürdig, dass hier noch jemand zu Malacath betete, besoffen oder nicht besoffen, das machte keinen Unterschied. Und man pflegt ja zu sagen, dass Saufköppe und Kinder generell immer die Wahrheit sagen.
„Ja, das kann er!“ Der Betrunkene schwenkte seinen Becher, wobei die Hälfte des Inhalts über den Rand schwappte und auf den Tisch klatschte. Malukhat sah langsam auf die Flüssigkeit, die im Licht der dämmrigen Beleuchtung schwach schimmerte, dann neigte er seinen Kopf hinüber zu Draven, der einfach nur den Kopf schüttelte und mit den Schultern zuckte, und schlussendlich betrachtete der Erzmagier dann den Fremden, der einfach immer weiter sprach: „Und ob! Und er ist der schönste und größte Daedra weit und breit! Er hat rabenschwarzes, blond gelocktes Haar! Diese grünen, blauen Augen und dieser sinnliche Mu-„
Patsch! Malukhat hatte seine Hand hinter den Kopf des Dunmers erhoben und ihm am Hinterkopf schwungvoll auf die nasse Fläche des Tisches gedrückt. Mit vollkommen ausdruckslosen Augen, die in Richtung des Norden starrten, der sich immer noch glänzend amüsierte. Dann machte er so komische Schrubbbewegungen, als wollte er den Kopf seines betrunkenen Opfers als Wischlappen nutzen.
„Vielleicht solltet Ihr das lassen, Erzmagier“, schaltete Draven sich ein und wies mit dem Zeigefinger seiner rechten behandschuhten Hand auf den Kopf des Dunmers. Verwundert sah Malukhat ihn an. Irgendwie war er grad nicht so ganz da, das merkte er inzwischen selbst, und als er hinab auf den sch wehrenden Mann sah, ließ er nur ein pikiertes: „Ooops“, vernehmen.
„Ich bin wohl nicht ganz bei der Sache heute, muss ich eingestehen, aber ich denke die ganze Zeit über eine bestimmte Sache nach…“
Draven machte einen Gesichtsausdruck, der nicht etwa fragend war sondern eher aussagte: „Ähm… Und was? Sprecht schon!“
„Nun… In der Nähe des Aschlandes gibt es doch auch einige… He!“ Der Besoffene ließ einfach nicht locker! Was dachte der sich eigentlich dabei?! Und da –
Malukhat fasste sich an seine rechte Wange, natürlich mit weit aufgerissenen Augen. Der… Der Typ… Er hatte ihm eine gepfeffert! Mitten ins Gesicht… Konnte doch nicht wahr sein.
„Du wirst noch von meinem Anwalt hören!!“, brüllte er dem Mann nach, der wankend wieder zu seinen Saufkumpanen torkelte. Grummelnd lehnte sich der Erzmagier dann wieder in seinem Stuhl zurück. „Also… so was… Nun ja… Auf jeden Fall… Lasst uns bei der… bei der verdammten Sache bleiben, Lorkhan noch mal!“
Er brauchte wohl noch einen kurzen Moment, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
„Also… diese blöden Aschländer… Ich meine, da gibt’s doch auch ’ne Vampirburg oder desgleichen in der Nähe soweit ich weiß. Jedenfalls war sie mal von Vampiren bewohnt. Wie haben die es denn geschafft, sich vor ihnen zu schützen? Immerhin nutzen sie ja primitivere Mittel als wir.“
Sadrith Mora / Taverne "Zum Torbogen"
"Ich denke nicht an Schutz... gewiss nicht...", dachte Malukhat laut und schaute seinen Gegenüber nicht einmal an. Dies war so seine Art, nachzudenken, ohne sich von irgendwelchen äußeren Einflüssen dabei stören zu lassen - und das passierte auch nur dann, wenn er wirklich haarscharf nachdachte. "Die Aschländer-Clans sehen es als ihr Recht an, andere Clans und auch Gebiete, die nicht von Aschländern eingenommen werden, zu plündern. Darin könnte, wie Ihr zu Recht vermutet, ein Bündnis zwischen Vampiren und Aschländern hervor gegangen sein. Wenn sie sich schon ein Gebiet teilen, dann können sie auch zusammen 'jagen'. Aber sicher bin ich mir natürlich nicht. Es kann auch so sein, dass sie sich einfach in Ruhe lassen. Wer weiß das schon?"
Letzteres war eine rein rhetorische Frage gewesen und darauf hin folgte eine bedrückte, nachdenkliche Stille, die nur von den langsam verebbenden Jubelrufen und unkenntlichen Lauten einiger letzter noch nicht gegangener oder bereits auf den Tischen schlafender Tavernen-Gäste unterbrochen wurde. Mit einem Blick auf den Nordmann war die Sache auf jeden Fall für Malukhat klar: Der Typ wusste etwas, was Draven und Malukhat nicht wussten. Nur wie den Mann dazu überreden, sie von seinem Wissen in Kenntnis zu setzen? Einfach hinüber gehen und fragen sollte wohl nicht viel bringen. Und ihm außerhalb der Taverne aufzulauern und zu vermöbeln schloss der Erzmagier ebenfalls kategorisch aus, da das wohl kaum mit Dravens eher diplomatisch gestimmten Gewissen zusammen passte.
Eigentlich verwunderlich. Draven, der Erzmagister des Hauses Telvanni, sollte eigentlich ebenso sein wie die anderen oberen Mitglieder dieses Hauses. So gesehen hätte dem Bretonen alles vollkommen egal sein sollen. Für ihre Kaltschnäuzigkeit waren die Telvanni doch bekannt, und es wunderte schon sehr, dass einer wie Draven es mit seiner Moral bis in die obersten Ränge geschafft hatte. Andererseits durfte man wohl ebenso über Malukhat denken: Wie konnte ein solch schwachsinniger Rüpel nur Erzmagier der Magiergilde werden? Gute Frage, wirklich gute Frage.
„Lasst mich Euch eine kleine Geschichte erzählen, Draven“, sagte Malukhat schließlich nach einer geraumen Weile des Schweigens, während der er sich nicht einmal ein Skooma bestellt sondern in der Tat einfach nur nachgedacht hatte. Dieser Bretone, Draven, brachte ihn auch dauerhaft zu solch für ihn untypischen Verhalten. „Ich kannte mal einen Dunmer – Echozar hatte er geheißen, ein im Fremdland geborener Dunmer, wie man namentlich unschwer erkennen kann – der ist verdammt stolz gewesen auf alles, was er sich erarbeitet hatte in seinem Leben. Stellt Euch vor, ein Abtrünniger Priester hatte es geschafft sich in den Tribunalstempel einzuschleichen. Hätte man ihn erwischt, man hätte ihn auf der Stelle getötet. Dieser Dunmer war von Balmora nach Vos gezogen, mitsamt seiner Frau und seinen beiden Kindern – einem Jungen und einem Mädchen. Er hatte ein wenig über die Aschländer aber auch über die Vampire in Erfahrung bringen wollen. Damals waren wieder die ersten Unbilden mit letzterer Rasse aufgetreten. Wie ich Euch ja bereits erklärt hatte, galten die Vampire eine gewisse Zeit als ausgestorben. So hatte Echozar sich zum Zainab-Lager der Aschländer aufgemacht, hatte dort einige Tage verweilt, bis er sich dann auf seine Suche nach den Vampiren konzentriert hatte. Zwischendurch war er noch einmal bei seiner Familie gewesen. Er war ein guter Mann, anders kann ich es nicht sagen, streng insbesondere zu seinem Sohn, aber kein wirklicher schlechter Elf. Als er allerdings sieben Monde nach seinem Verschwinden wieder aufgetaucht war, war er ein vollkommen anderer Mensch gewesen und über die Dinge, die er gesehen hatte, hatte er nichts berichtet. Andauernd hatte er gesagt, er hätte nichts gesehen…“
Malukhat machte eine kurze Pause, als die Bedienung sich dann schließlich doch zu ihnen hinüber bewegte um die Bestellungen aufzunehmen. Er selbst bestellte sich ein Skooma, und als Draven sich wahrscheinlich einen cyrodiilischen Brandy bestellen wollte, gebot Malukhat ihm mit einer einzigen Handbewegung Einhalt und gab dem Bretonen, dem einzigen Mann, der jemals seinen Respekt erhalten und auch verdient hatte, einen weiteren aus.
Der Erzmagier schwieg, bis sie endlich die Spirituosen vor sich stehen hatten, dann nahm er einen kräftigen Schluck und sprach weiter. Draven konnte nicht wissen, wie schwer ihm seine Worte fielen, er konnte nicht wessen, wer Echozar gewesen war. Zu Lebzeiten ein Mann von wahrlicher Größe, doch im letzten Abschnitt seines Lebens ein grausamer, hasserfüllter Sklaventreiber. Und der Erzmagister konnte ebenso wenig wissen, wer dessen Sohn gewesen war…
„Natürlich hatte keiner ihm geglaubt, ich am Wenigsten, aber ich habe nicht weiter nachgefragt, auch wenn es mir immer brennend unter den Nägeln gelegen hat. Doch Echozar hatte sich verändert. Er war nicht mehr der liebevolle, wissbegierige Familienvater, nein, ihm ist alles egal gewesen – von seiner Arbeit als Spion der Abtrünnigen Priester im Haus Hlaalu, über seine Frau bis zu seinen Kindern. Alles, was er geschaffen hatte, hatte er mit einem Male zerstört. Aber könnt Ihr Euch das vorstellen, Draven? Da wird ein Mann von den Aschländern als Freund akzeptiert, sucht nach den Vampiren, verschwindet über sieben Monde und ist dann wie ausgewechselt? Er ist kein Vampir gewesen, er hatte keinerlei Bissspuren gehabt… Nur etwa einundzwanzig Jahre später war er gestorben, als gebrochener alter Mann. Was er gesehen hatte, musste derart schrecklich gewesen sein, dass er nicht mehr hatte so leben können wie früher – und das musste unweigerlich mit den Vampiren in Kontakt gestanden haben! Und mit den Aschländern natürlich. Anders kann ich mir das nicht erklären, egal wie sehr ich darüber nachgegrübelt habe.“
Malukhat musste schmunzeln bei dem Gedanken, wie lange er bereits darüber nachdachte. Vierhundert Jahre? Bestimmt. Auch wenn man es ihm nicht ansah, er selbst war eben auch nur ein alter Mann, wahrscheinlich besonders in den Augen eines Bretonen, eines Menschen, die so kurzlebig waren, dass man sie entweder beneiden oder bemitleiden musste. Der Erzmagier fragte sich, was schlimmer sein konnte… Zu sterben, ohne seine Ziele erreicht zu haben oder lange zu leben und zu merken, dass man sie niemals erreichen wird. Aber das würde man wahrscheinlich erst wissen, wenn man auf dem Sterbebett lag.
„Die Aschländer im Zainab-Lager haben übrigens bis zum Ende hin bestritten, einen Mann, der Echozar auch nur entfernt ähnelte, je gesehen zu haben. Dort sei nie jemand vorbei gekommen. Und diese Aussage steht bist heute.“
Und wieder nahm Malukhat einen kräftigen Schluck von seinem Skooma, dann ließ er den leeren Becher krachend auf den Tisch sausen und wischte sich mit der rechten Hand über den Mund. „Was meint Ihr, Draven“, begann er noch ein letztes Mal, bevor er den anderen sprechen lassen wollte, einen Glanz in den Augen, der zum Fürchten war. „Sollten wir die Erinnerungen dieser Aschländer mal ein wenig auffrischen, uns dort umhören? Bedenkt nur eines: Ob dieses Unterfangen scheitern wird, liegt vollkommen bei Euch. Alles liegt in Euren Händen, Ihr habt eine gewaltige Last zu tragen. Ihr trefft hier die Entscheidungen, ich bin nur Euer mehr oder weniger aufgezwungener Ratgeber, mehr auch nicht. Natürlich hoffe ich, dass ich Euch in irgendeiner Weise behilflich sein kann, Erzmagister Draven, aber am Ende liegt es doch bei Euch. Doch wie Ihr auch entscheiden mögt, ich stehe da voll und ganz hinter Euch. Ihr wisst ja selbst, dass ich in dieser Runde der Draufgänger bin, ich hab nichts zu verlieren – Ihr seid der Diplomat!“
Ort: Vivec, Arena - Hauptquartier der Morag Tong
Erschöpft fiel der Grossmeister der Morag Tong auf sein Bett. Zwar hatte der Wiederherstellungszauber seine Lebensenergie wiederhergestellt, doch gegen seine Müdigkeit wirkte er nicht. Irgendwie war es aber keine physische, sondern eine psychische Müdigkeit, welche den Dunmer heimsuchte.
Bald wachte Revan auf. Genug geschlafen, dachte er. Sofort machte er sich zum Schrein der Azura auf. Die Reise dauerte nur kurz, was angesichts der grossen Distanz eher verwunderlich war. Die grosse Statue der Königin der Nacht ragte hoch auf und schien über das Meer zu wachen. Im Sockel der Statue führte eine Tür ins Innere des Felsens. Vorsichtig trat der Grossmeister ein. Die Statue in diesem Tempel stand dieser ausserhalb grössenmässig in nichts nach.
Endlich kommt Ihr, mein Held
ertönte eine weiche, freundliche Stimme, die von allen Wänden wiederhalte.
Ihr habt den Seelenhammer geborgen, Revan Baenre. Gebt Ihn mir.
Der Grossmeister war zu keiner Regung fähig, fast apathisch stand er da, fasziniert von der Milde der Stimme seiner Königin.
Gebt mir den Hammer, Revan. Jetzt.
Immer noch war der Dunmer nicht fähig, etwas zu sagen. Plötzlich wandelte sich die Stimme, versehen mit einem bedrohlichen Unterton.
Den Hammer, Revan. Sofort!
Wie gelähmt stand der Ratsherr der Redoran vor der riesigen Statue. Er konnte sich nicht bewegen, geschweige denn, den Hammer hervorzunehmen.
Narr! Freiwillig hättet Ihr mir dienen können. Doch Ihr wählt den Weg des Schmerzes!
Die Stimme verstarb, stattdessen füllte ein unheimliches Summen die Halle. Immer lauter wurde der Ton, immer lauter. Für die empfindlichen Ohren eines Dunmers wurde es langsam zuviel. Wie auf einen Schlag war jedes Geräusch verstummt. Nichts war mehr zu hören.
Dann wurde der Raum in ein rotes Licht getaucht, gleichzeitig in ein blaues und grünes. Feuer, Eis, Blitz und Gift schoss im selben Moment auf den Grossmeister zu und raubte ihm den Atem.
Schweissgebadet wachte Revan auf. Ein Traum. Ein Albtraum.
Oder nicht? War Azura vielleicht wirklich darauf aus, ihm den Seelenhammer abzunehmen?
Nur ein Besuch bei ihrem Schrein konnte diese Frage klären.
Entschlossen stand Revan auf, packte seine Sachen zusammen und verliess das Hauptquartier der Morag Tong.
Ort: Vivec, Schrein der Azura
Am einfachsten war sicherlich die Reise per Schlickschreiter nach Molag Mar. Deshalb schlenderte der Grossmeister der Morag Tong relativ gemütlich durch die riesige Stadt Vivec, die den Namen des Gottes selbst trug. Gott war Vivec. Doch einer der falschen Götter, wie Revan ihn anschaute.
Könnte er der Versuchung wiederstehen, der Vivec, Almalexia und auch Sotha Sil verfallen waren? Vivec bereut es ja inzwischen, wie er dem Grossmeister bei ihrem einzigen Treffen verraten hatte. Ein solches Treffen zwischen einem „normalen" Bürger und dem Gott Vivec war eigentlich ganz und gar nicht üblich, dank der guten Beziehungen Revans aber doch zustande gekommen.
Danach konnte der Grossmeister den Gott einigermassen verstehen, auch wenn er um den Fürsten Nerevar trauerte. Ebenso war Dagoth Ur verrückt geworden, alles wegen dem Herzen Lorkhans.
Die kaiserliche Invasion war dank Vivec einigermassen gesittet abgelaufen, sofern man dies von den niederen Menschen behaupten konnte.
Während er so nachdachte, hätte Revan die Ecke, welche das seitliche Ende des Fremdenviertels markierte, fast nicht bemerkt und wäre unversehens ins Meer gefallen. Zwei Passanten schüttelten den Kopf und wandten sich ab. Den Grossmeister interessierte das überhaupt nicht. Er legte ein wenig an Geschwindigkeit zu und erreichte bald den Schlickschreiter, welcher unweit des Fremdenviertels stand und somit optimal erreichbar war.
Der Ratsherr der Redoran grüsste den Schlickschreiterführer, der zu dem grossen, kaum überschaubaren Netz aus Agenten, welche für Revan arbeiteten, gehörte. Freundlich grüsste dieser den Grossmeister seiner Gilde, und wünschte ihm eine angenehme Reise.
Ein weiteres Mal war der Dunmer von der Geschwindigkeit überrascht, die diese schwerfällig anmutenden Ungetüme erreichen konnten. Die Beine des Schreiters setzten geschickt auf dem Untergrund auf und brachten den Grossmeister sicher durch das Wasser, welches Suran von den Ascadia-Inseln abgrenzte.
Wie automatisch wurde der Fahrgast auf den hiesigen Schlickschreiter umgeladen, damit der vorherige nach Vivec zurückkehren konnte.
Im gleichen monotonen Rhythmus schritt das riesenhafte Wesen durch die kahle Landschaft, die das Bild östlich von Suran beherrschte. Die Dunmerfestung Telasero umging der Schlickschreiter nördlich und marschierte weiter. Der Kandberg ragte hoch auf und zog unweigerlich die Blicke der Personen, welche durch diese Gegend wanderten, auf sich. Von Molag Mar würde man dann den Assarnibibiberg bewundern können, der den Kandberg mit seiner puren Grösse in den Schatten stellte.
Langsam tauchte der Assarnibibiberg hinter dem Kandberg auf, was dem Dunmer im Schlickschreiter signalisierte, dass Molag Mar nur noch einen Guarsprung entfernt sein musste.
So war es auch. Molag Mar, das von der Architektur dem Vorbild Vivec glich, tauchte am Horizont auf. Obgleich es nicht annähernd so gross wie die Hauptstadt war, konnte auch der Bau der einzigen Wohninsel Molag Mars beeindrucken.
Nachdem der Grossmeister den Schlickschreiter verlassen hatte, und nun endlich wieder festen Boden unter den Füssen spürte, machte er sich unverzüglich nach Osten auf.
Es folgte eine kleine Halbinsel, welche er mit einem Levitationszauber überwand.
Hier waren die kleinen Kuppeln, welche meistens bösartige Nekromaten und allerei Untote beherbergte, nichts seltenes. Revan spielte mit dem Gedanken, Resdayn von einem dieser Übel zu befreien, besann sich aber gleich wieder, weshalb er hier war.
Die kahle Landschaft war mittlerweile einer fruchtbareren gewichen, zahlreiche Blumen und Pflanzen säumten die Wege. Am Horizont tauchte schon die riesenhafte Statue der Azura auf, so schön, wie in Revans Traum. Sie hielt einen Stern in der Hand, den Abendstern, das Symbol Azuras. Ein gefährlicher Abstieg war das Ende der Reise. Nun trat Revan durch die Tür, welche ins Innere des Tempels führte.
Trotz der Tatsache, dass hier vermutlich schon lange niemand mehr gewesen war, erschien der Tempel keineswegs verlassen oder heruntergekommen. Nein, es war sauber und die Luft mit einem angenehmen Duft versehen.
Die riesige Statue, ähnlich gross wie diese an der freien Luft, stand am Ende der Halle und sah auf die Besucher herab, so schien es.
Es war der schönste Tempel einer Daedra, den Revan je gesehen hatte.
Irgendwie wusste der Dunmer nicht so recht, was er nun eigentlich tun sollte. Um Azura zu beschwören, war eine Priesterin vonnöten.
Seinem Verstand folgend kniete der Grossmeister vor die Statue und versuchte es mit der profanen Methode, welche auch für sterbliche Wesen gebräuchlich war.
Verehrte Göttin Azura. Königin des Nachthimmels, Mutter der Rose. Wahre Göttin Resdayns.
Eine Zeit lang war alles still. Erst jetzt, als Revan angestrengt horchte, bemerkte er, dass kein Geräusch den Raum erfüllt hatte, seit er eingetreten war. Er wartete. Nichts geschah.
War die Vision in Vemynal vielleicht doch nur geträumt? Hatte er sich das Erscheinen der Göttin nur eingebildet?
Er kniete weiter, darauf vertrauend, dass ihm Azura keinen Streich gespielt hatte.Willkommen, Revan. Was ist Euer Begehr?
Die Stimme erschall freundlich von allen Seiten des Raumes. Er hatte Azura beschwören können... Und sie kannte seinen Namen.
Verheerte Azura. Ihr seid mir am roten Berg erschienen, wie ich den Aschenvampir Dagoth Venym bekämpfte. Ihr sagtet, Ihr leitet mich..
[font=Verdana][/font]Ein weiteres Mal herrschte Schweigen. Schliesslich gab die Göttin zur Abtwort.
Das ist richtig, Revan, mein Held.
Da war es schon wieder: Sie bezeichnete den Dunmer als Helden.
Held, Azura?
Lasst mich Euch eine Geschichte erzählen, Revan.
Vor langer Zeit, als die Dunkelelfen noch Chimer waren und gegen die Dwemer gekämpft hatten, erhob sich Fürst Nerevar des Hauses Indoril, um den Krieg zu beenden.
Nerevar hatte mit einer Frau zwei Kinder, zwei kleine Chimer, welche sein Erbe weitertragen sollten. Eines dieser Kinder starb im Krieg gegen die Dwemer. Ein anderes überlebte. Doch es wusste nicht, dass es der Nachkomme des berühmten Nerevar war, denn früh schon wurde es seinen Eltern entrissen. Doch es machte seinen Weg fernab des Krieges. Nachdem die Dwemer verschwunden waren und ich die Chimer zur Strafe für den Verrat der drei falschen Götter in Dunmer verwandelt habe, fand das Kind seinerseits eine Frau. Aktiv kämpften sie gegen die später einkehrende Ordnung des Kaiserreiches.
Fasziniert von der Schönheit von Azuras Stimme lauschte der Redoraner aufmerksam den Worten der Göttin. Weshalb sie ihm das wohl erzählte? Als Azura nicht weitersprach ergriff Revan das Wort wieder.
Was hat es mit jenem Kind des Nerevar auf sich?
Nun, Revan, es wurde getötet, nachdem es einen Sohn in die Welt gesetzt hatte, oder viel mehr: seine Frau es in die Welt gesetzt hatte.
Es ist einer der beiden letzten Nachfahren des grossen Fürstenhauses Indoril. Ihr kennt beide.
Ja, elpede ist ein Indoril. Doch wer ist der Andere?
Erneut trat ein Schweigen ein.
Nein.
Der Andere ist mein Held und steht unter meinem Schutze, Revan. Der Nachfahre Nerevars. Die einzige Person, ausser dem Nerevarinen, der in unbekannter Zeit erscheinen wird, die unter meinem Schutz steht.
Sadrith Mora / Taverne "Zum Torbogen"
Irgendwas stimmte da nicht, sogar ganz und gar nicht. Malukhat wusste noch nicht, was es war, aber er hatte so ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Als wenn da was vorgefallen wäre, was verdammt Wichtiges. Es war, als hätte man ihm einen mentalen Tritt in sein Hinterteil versetzt, so angespannt war er in jenem Moment. Und auch ein säuerlicher Gallegeschmack entstieg seiner Kehle, setzte sich in seinem Rachen fest und rief eine schier unüberwindbare Übelkeit in dem Erzmagier hervor. Mit all seiner Kraft versuchte er seine Gedanken zu ordnen, den Brechreiz niederzuringen, und es gelang ihm auch ganz gut – aber auf das, was er eigentlich wissen wollte, kam er natürlich nicht. Wie auch? Es war ja immerhin eher ein Gefühl als ein Gedanke. Unbeschreiblich in seiner unendlichen Tiefe und der körperlichen Präsenz, die es hervor rief.
Nein, da stimmte was nicht. Es musste etwas geschehen sein, was so nicht geplant gewesen war. Natürlich nur „nicht geplant“ im Sinne von allem, was Draven, er selbst und Zareg besprochen hatten. Der Kopf des Dunmer ruckte auf, seine Augen waren weit aufgerissen und er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn – Zareg! Wieso war er nicht früher darauf gekommen? So einen festen Schlaf konnte doch kein normaler Mensch haben, dass er es nicht hörte, wenn man lauthals nach ihm schrie.
Sofort war Malukhat auf den Beinen; der hinter ihm rasch umkippende Stuhl ließ ein polterndes Geräusch im Raume stehen, welches, unbeachtet von allen Beteiligten außer Draven, verebbte und gleich einem Schatten in tiefster Dunkelheit schließlich verschwand.
Die ersten drei Stufen in Richtung der Schlafgemächer, die sie bewohnten – Sofort…
Die nächsten Stufen – Keine Zeit…
Plötzlich stolperte der Erzmagier über seine eigenen Füße, direkt am obersten Treppenabsatz angekommen, und legte sich lang, mit dem Gesicht direkt auf die letzte, oben gelegene Stufe. Doch selbst die Tatsache, dass seine Nase zu bluten anfing, kleine Rinnsale der roten Flüssigkeit sich den Weg zu seinen Lippen suchten, sie feucht und warm benetzten, konnte ihn nicht aufhalten. Warum er so versessen darauf war, nachzusehen, ob es dem Bretonen dort oben in seinem Zimmer gut ging, das vermochte er nicht zu sagen. War eben wieder mal eine seiner Ahnungen, die er nicht beschreiben konnte.
Flugs rappelte er sich auf und stolperte mehr oder weniger zu Zaregs Zimmer. Die vorher noch verschlossene Tür war einen kleinen Spalt geöffnet. Malukhat riss sie auf und starrte in den dunklen Raum. Kein Licht brannte in der Finsternis.
„Zareg?“, fragte er in das Zimmer hinein. Keine Antwort. „Seid Ihr wach?“
Vorsichtig machte der Erzmagier einen Schritt nach vorn. Konnte ja immerhin niemand garantieren, dass sich nichts Bösartiges in der Dunkelheit verbarg. Er spürte nichts, aber dennoch wollte er in diesem Fall seinem Waghals einen Abbruch tun. Es war einfach zu gefährlich. Sein rechter Fuß schlitterte leicht, fast unmerklich, über den mit Holzbohlen verkleideten Boden. Malukhat neigte seinen Kopf gen Boden und erkannte im schwachen Licht der Flurbeleuchtung etwas bräunlich Rotes auf den Dielen schimmern. Von einer düsteren Ahnung beschlichen bückte er sich hernieder und strich mit Zeige- und Mittelfinger seiner rechten, behandschuhten Hand über die feuchte Stelle. Dann hob er die Finger direkt vor seine Augen, betrachtete sie mit der übertriebenen Genauigkeit eines Schulmeisters, bevor er seinen Mund leicht öffnete und die dickflüssige Seime probierte.
Geschockt zog er die Hand von seinem Gesicht weg, betrachtete die Flüssigkeit wohl wissend, dass seine Vermutung sich bestätigt hatte – es war Blut!
„Zareg?“ Malukhat wusste, es hatte keinen Sinn den Bretonen zu rufen. Außer seinem eigenen war kein astraler Körper, kein weiteres Bewusstsein auszumachen. Mit einer einzigen, weitreichenden Handbewegung entflammten sämtliche Leuchter in dem Raum, schwarze Schatten entsprangen den Wänden als kamen sie aus dem Nichts; sie zuckten durch das Zimmer wie unter Todesqualen; die Figuren, die aus ihnen entstanden, glichen den Bildern eines Rohrschachtests.
Das Bild, welches sich dem Erzmagier bot, war in seiner Schrecklichkeit kaum auszumalen. In seinem langen Leben hatte er bereits einige Schlachten geschlagen, hatte viele seiner Kampfkumpanen neben sich sterben sehen, der Anblick von Blut, die offensichtliche Anwesenheit des Todes war ihm mehr als bekannt. Generell machte es ihm nichts aus, doch der süßliche Geruch, der in der Luft lag, der Anblick des toten Zareg, der neben seinem Bett auf dem Boden lag, mit weit aufgerissenen Augen, ließen abermals eine überwältigende Übelkeit in ihm aufsteigen. Doch auch diese Woge konnte ihn nicht zu Boden reißen, stattdessen war er mit einem Satz bei dem Toten und kniete neben ihm nieder, betrachtete das aschfahle Gesicht des Todes, den leicht verzerrten Mund… Er musste sehr gelitten haben. Mit der linken Hand umfasste er den Hinterkopf des Bretonen, mit der anderen fuhr er sanft über dessen Augen.
Ein Schatten fiel von der Tür in das Gemach, füllten dessen Mitte fast vollkommen aus. Der Erzmagier schaute abrupt auf – und erkannte Draven.
„Der Kleine hat wirklich einen sehr, sehr festen Schlaf, mein Freund“, sprach er den Erzmagister bedauernd und freundschaftlich an. Schon merkwürdig, dass er langsam begann, sich für die Belange und Gefühle anderer Personen zu interessieren, aber so schlecht war das eigentlich nicht; jedenfalls nicht, solange solche Situationen nicht zur Norm wurden. An Draven hatte er sich bereits gewöhnt, begonnen ihn zu respektieren, daran ließ sich nun nichts mehr ändern und es schien tatsächlich so, als konnte sich zwischen den beiden eine Art Hass-Freundschaft entwickeln. Zareg hingegen hatte Malukhat nicht gemocht, wahrscheinlich aus dem Grund, dass er ihn nicht kannte. Aber auf eine solch bestialische Art getötet zu werden… Nein, das hatte der Bretone nicht verdient. Das war so einfach nicht richtig. Und es war nicht fair.
Der Dunmer konnte den Blick Dravens nicht einwandfrei deuten. Er war wie eine Wand aus Verwunderung, Schockierung und Gleichgültigkeit zugleich. Ein telvannisches Gesicht eben, welches nicht preisgeben wollte, welche Gefühle sich in Wirklichkeit dahinter verbargen. Draven mochte es vielleicht nicht gemerkt haben, aber in manchen Situationen war die „Is-mir-doch-latten“-Haltung der höheren Telvanni durchaus praktisch. Und Malukhat wusste auch, dass Draven auf gar keinen Fall wollte, dass der Erzmagier irgendetwas über sein Innenleben erfuhr. Sie waren sich eben viel zu ähnlich…
Ein lautes Röcheln uns Husten durchbrach die Stille, und als sich der „tote“ Körper Zaregs in Malukhats Händen vor Schmerz wand, fuhren der Erzmagier und der Erzmagister vor Schreck zusammen. Absolute Fassungslosigkeit vonseiten Malukhats, der auf den Bretonen hinabstarrte, dessen Leichenblässe immer noch nicht aus dem Gesicht weichen wollte.
„Kümmert Euch erstmal um ihn, Draven, ich hole die Heilmittel aus meinem Zimmer!“, rief Malukhat aufgeregt und wusste dabei nicht einmal, wo genau er anfangen, welche Kräuter und Tränke er nutzen sollte. Ein einfacher Heiltrank sollte einfach nicht genügen, da musste etwas Besseres, Stärkeres her – nur was?
Egal, darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn er erst einmal alles an Heilmitteln zusammen hatte, was er brauchte. Nein, alles. Nicht nur das, was er brauchte, denn was er brauchte, das wusste er ja noch gar nicht. Gnaa…
Zuerst einmal Zareg vorsichtig auf die harten Bohle niederlegen und anschließend… anschließend… zur… zur... Tür...
Als Malukhat sich erhob, wurde ihm schwarz vor Augen, ein dunkler Nebel verschleierte seinen Verstand. Er schaffte nur ein paar Schritte in Richtung Dravens, langsame Schritte auf wackeligen Beinen. Seine rechte Hand hob er an seine Stirn, schloss die Augen um das Schwindelgefühl abzuschütteln, welches von seinem Körper Besitz ergriffen hatte.
„Draven… ich…“, stotterte er, bevor er ohnmächtig zusammen brach.