MAKE JRPG Great again? – ein Essay
MAKE JRPG Great again? – ein Essay zur Platzierung des japanischen Rollenspiels in der aktuellen Videospiellandschaft
Endlich ist es soweit. Aufgrund momentanem Bewerbungschaos und damit verbundener Planungsunsicherheit, kann ich meine Abhandlung mit Schlussfazit nach der JRPG Challenge 2018 erst jetzt stellen. Ich bitte dies zu entschuldigen und hoffe nach wie vor auf eine angeregte Diskussion in diesem Thread, da es einige Schlussfolgerungen gibt, die ich nun nach der Challenge und den Erfahrungen der letzten Jahre zu Papier bringen kann. Ich versuche hierbei auch, mich kurz zu halten – also in etwa 3500 Wörtern Essay.
1. Das japanische Rollenspiel – ein Auslaufmodell?
Noch zur Playstation-2-Zeit konnte ich das japanische Rollenspiel als mein Lieblings-Genre betrachten. Das lag wahrscheinlich auch daran, dass ich viel jünger war, aber auch daran, dass ich gut erzählte Geschichten in Videospielen bevorzuge – damals vor allem in Fantasy Genre. Und da konnten europäische Rollenspiele den Japanern bei weitem nicht das Wasser reichen. Entweder waren diese Spiele sehr auf Action (Diablo-Reihe) oder ausladende Welten (Gothic) bedacht. Aber das größte Problem war das Storytelling – bedingt durch ein nicht vorhandenes Charakterdesign. Die Rahmenhandlung war sehr spärlich und das Quest-Design repetitiv (= „Da sind ein paar Räuber, die überfallen immer die Dorfbewohner., Räuchere sie aus!“ – über „Kaufe mir im nächsten Dorf einen Bogen und bring ihn mir!“ – bis hin zu „Suche meine verlorene Ziege!“). Es gibt keine Geschichte hinter den Quest-NPCs, auch keine Persönlichkeiten und die Figuren sahen auch meistens alle gleich aus. Zwar hat man die Dialoge meistens mit sehr blumiger Sprache eingefärbt, um eine Atmosphäre zu schaffen. Aber erzählerisch haben die zwischenmenschlichen Konflikte als Triebfeder zur Handlung gefehlt.
Nicht so die japanischen Rollenspiele. Sie hatten zwar in der Regel keinen frei erstellbaren Helden, dafür erzählen sie seit ihrer Zeit auf dem Super Nintendo abwechslungsreiche und mitreißende Geschichten und das im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr gekonnt: Kefkas Verrat am Kaiser und die neue Weltordnung und ganze Espersache in Final Fantasy VI; Maxims und Selans Selbstopfer in Lufia 2, um die Todesfestung kontrolliert abstürzen zu lassen oder als Ark in Terranigma herausfindet, dass er nur eine Kopie des Lichtkriegers ist... Da hat man in Rollenspielen aus Europa und Amerika als emotionalen Höhepunkt noch den Stall ausgemistet - vorzugsweise durch Kampfhandlungen.
Mitte bis Ende der 90er entwickelte sich das japanische Rollenspiel zum narrativen Spielegenre Nummer 1. JRPGs entwachsen der Nische und Spiele wie die Final Fantasy Reihe werden das erste Mal in Europa auf den Markt geworfen. Gerade Final Fantasy VII schaffte es, auch die Europäer in seinen Bann zu ziehen und das Genre zählte dann auch zum Mainstream. Klar, die Playstation 1 und der PC ermöglichten es erstmals, dass Spiele eine cineastische Erfahrung boten und die Handlung im Umfang eines Buchs wurde fast wie im Film in Szene gesetzt. Es gab zwar immer noch Entscheidungen bestimmte Titel nicht in Europa zu veröffentlichen, aber die USA bekamen beinahe jedes Rollenspiel aus Fernost. Viele bedeutende Serien entstanden damals – wie Grandia, Wild Arms oder Suikoden. Auch die Tales Serie – noch ein Ausläufer des SNES-Zeitalters – ist bis heute vor allem eine wirtschaftlich rentable Serie und elf der 17 (!) Ableger schafften es sogar nach Europa – zehn davon sogar mit deutschen Texten.
Jedes Spiel hatte eine besondere Geschichte zu erzählen. Zwar gab es hie und da schon Gemeinsamkeiten, doch die meisten Spiele hatten noch einen kreativen Umgang. Und eine glaubwürdige Spielewelt: Bei Final Fantasy VII, VIII und IX machten die Entwickler sich sogar die Mühe den Alltag der Spielewelten zu beleuchten. So gibt es in FF VII einen riesigen Vergnügungspark bei denen sich die Charaktere in verschiedenen Situationen näher kommen – als Abwechslung zur Action oder der schwerverdaulichen Lebensstrom-Philosophie. Apropos Philosophie: So galt es zwar in jedem Final Fantasy oder Tales-Of die Welt zu retten, aber andere Spiele wie Shadow Hearts beschränkten sich auf die eher persönlichen Themen ihrer Protagonisten oder experimentierten mit neuen Erzählansätzen...
Doch mit dem Ruhm war es auch irgendwann mal vorbei. Zwar rettete sich dieses Genre noch in der PS2-Zeit sehr erfolgreich. Die meisten Spiele wurden sogar ins Deutsche lokalisiert, ein paar erhielten sogar deutsche Sprecher wie Ark – Twilight of the Spirits oder die ersten beiden Kingdom Hearts-Ableger. Doch spätestens mit PS3, Xbox 360 und Wii verschwand das Genre natürlich abseits der großen Spieleserien wie Final Fantasy wieder in der Nische. Diese Schlussfolgerung ziehe ich vor allem daraus, dass abseits der bereits etablierten Spieleserien wie eben Final Fantasy fast keine neuen IPs mehr erscheinen (Sakaguchis Xbox- und Wii-Spiele mal ausgenommen), was während der PS2-Ära ständig der Fall war. Was war passiert? Und sollte es so weiter gehen?
In den letzten drei Jahren erscheinen wieder verstärkt JRPGs – mit dem kleinen Unterschied, dass ein Groß meist ziemlich nischige Titel sind (wie diese „Atelier Kulleraugen-Übertrieben-Blow-Up-The-House-Because-Of-Being-An-Alchemist“ oder Shounen-Waifu-Zicke-Zacke-Hühnerkacke) und diese von hauptsächlich kleinen Publishern wie Nippon Ichi Software America unlokalisiert dem europäischen Markt überlassen werden. Die Verkaufszahlen gelten dabei als solide. „Man kann davon leben“. Aber reich wird man damit nicht. Dann gibt es Spiele die wie ein Paukenschlag – tung! – 5 Millionen Verkäufe erzielen, z.B. Final Fantasy XV wegen des Namens. Oder Remakes früherer Spiele wie Secret of Mana über dessen Qualität ich hier keine Worte verlieren möchte. Und es gibt als Ausnahme wieder ganz wenige unabhängige Millionenseller wie Xenoblade Chronicles 2. Der Markt scheint sich wieder etwas zu erholen. Doch trotzdem ist das gemeine JRPG gegenüber dem Mainstream etwas abgehängt. Und zwar nicht nur in den Verkaufszahlen, sondern auch in spielerischen Aspekten.
2. Storytelling und erzählerische Immersion in West-Rollenspielen
Welche Rollenspiele sind am besten erzählt? In welchen finden sich die stärksten Charaktere und spannendsten Handlungen. Ich würde diese Frage aktuell mit „The Witcher 3“ beantworten, aber auch mit „Kingdom Come: Deliverance“ (wo man das sich gedachte Spiel vom tatsächlichen Ergebnis trennen muss), der Bioshock- als auch der Dishonored- als auch der Mass-Effect-Reihe und natürlich Biowares One-Hit-Wonder „Dragon Age: Origins“. Was fällt auf?
Ja, es sind alles Spiele aus dem Westen. Die die Stärken von japanischen Rollenspielen aufgegriffen haben und konsequent weiter entwickelt haben. Beispiel Witcher 3: Ich habe eine ziemlich unique Story mit sehr persönlichen Schicksalen und tragfähigen Persönlichkeiten in einer glaubwürdigen Spielewelt. Zudem ist jede Quest mit einer tiefgründigen Hintergrundgeschichte ausgestattet und die NPCs kehren teilweise wieder und bestimmte Quests wirken sich auch auf den Handlungsverlauf aus. Dazu kommt, dass man nicht mehr durch Zufallskämpfe aus dem Geschehen gerissen wird und auch die Kämpfe nicht rundenweise in eigenen Kampfarenen bestritten werden müssen. Man läuft durch das Spiel in Echtzeit und Bedrohungen und Kämpfe laufen „nebenbei“ ab – alles verschmilzt zu einem gesamten Spielerlebnis. Und das ist natürlich nicht nur im Witcher so, sondern auch in anderen Spielen.
Nicht umsonst ist mein Lieblingsspiel der kompletten Konsolengeneration bisher Uncharted 4. Klar, die Story ist jetzt dort nicht so philosophisch wie sie beispielsweise in einem Lost Sphear gemeint war. Aber Uncharted 4 ist durch seine Charaktere, spannende Handlung und die spielerische Abwechslung und seinen zugegeben echten Charme einfach unschlagbar – für mich und für viele andere westliche Spieler. Wieso Uncharted 4? Das hängt damit zusammen, dass ich ein glühender Verfechter des Abenteuer-Genres bin. Genauso könnte hier auch Red Dead Redemption 2 oder Horizon – Zero Dawn stehen. Je nachdem, welches Genre man präferiert. Aber mit dem Vergleich genau dieser (nicht Rollen-)Spiele offenbaren sich die Schwächen des JRPG-Genres am meisten. Dabei stehen die PS1-JRPGs den heutigen westlichen AAA-Produktionen gar nicht in so vielen Dingen nach.
Um wieder ein Beispiel für ein Spiel zu bringen, das einen echt abholen kann, wäre Final Fantasy VII zu nennen. Die spielerische Abwechslung ist hier nach wie vor enorm und die auch Story, Charaktere und Handlung tragen. Im ersten Drittel befindet man sich hauptsächlich in den Marginalbezirken der Metropole Midgar. Dort gibt es verschiedene Sektoren, die je nach Wohlstand entweder aus verklinkerten Altbauten oder zusammengenagelten Bretterbuden besteht. Man lernt in einem relativ gemächlichen Tempo die Situation der Protagonisten und auch der Bevölkerung kennen, schleicht sich in ein Bordell, um den Besitzer zu erpressen oder jagt mit seiner Umweltschutzorganisation Avalanche die umstrittenen Mako-Reaktoren in die Luft, um die Welt zu retten.
Im Hintergrund entwickelt sich langsam die Rahmenhandlung und man erfährt einiges übewr die Schicksale der Protagonisten. Im Grunde hat man aber – trotz linearem Spielprinzip – immer das Gefühl, die Handlung durch die Spielfiguren selbst mitzutragen. Am Ende steht eine spektakuläre Flucht aus der Stadt und die Spielewelt öffnet sich. Immer wieder gibt es handlungstechnische Verschnaufpausen wie den Vergnügungspark und erst gegen Ende offenbart sich das wahre Ziel des Spiels.
Das ist auch im Nachfolger so und im Nachfolger des Nachfolgers erst recht – dabei aber noch zusätzlich in „schön“. Diese drei Spiele holen den Spieler ab. Kämpfe betrachte ich dabei als notwendiges Übel, aber diese bieten aufgrund der dominanten Story einerseits ein strategisches Gegengewicht und kommen andererseits auch nicht ununterbrochen vor.
Teil 10 konnte dann den hohen Erwartungen nach Teil IX nicht mehr ganz gerecht werden – ist aber auch noch meilenweit davon entfernt ein schlechtes Spiel zu sein. Allerdings zeichnen sich hier schon erste Probleme des Genres ab. Anstelle eines nicht vorhersehbaren Spielzieles, vielen Verschnaufpausen und dem Spielaufbau wie ein Buch wurden die japanischen Rollenspiele ab der sechsten Konsolengeneration (Playstation 2 und Konsorten) mehr zu einem Filmerlebnis. Das eigentliche Ziel war relativ schnell festgelegt (Sin aufhalten), es ist alles ein langer Weg ohne großartige Verschnaufpausen (die Städte sind Durchgangsstation und nicht mehr handlungsrelevant) und das ganze Spielerlebnis wird dadurch spürbar linear. Die Charaktere und ihr Handeln hat keinen direkten Einfluss mehr auf die Handlung.
Das ist nicht nur das Problem von Final Fantasy, sondern von vielen Spielen wie bei den Xenosaga-Spielen, wenngleich nicht allen – (Tales of the Abyss ist da z.B. eine rühmliche Ausnahme.) Perfektioniert hat diese ruhelose aneinandergereihte Acttion dann aber Final Fantasy XIII. Auch wenn es immer wieder Enthüllungen und Geheimnisse zu lüften gibt, aber das Spiel gibt einem das Gefühl, dass man es in einem Zuge durchspielen soll. Bei Final Fantasy VII war man mal im Cosmo Canyon und konnte nach der Episode – die einen etwas von der Hauptgeschichte abgelenkt hat – wieder entspannt in die eigentliche Hatz auf Sepiroth zurückkehren. Bei XIII hängt man eigentlich ständig in der Luft. Und das wird bei den meisten Spielen heutzutage eigentlich nicht besser.
Rühmliche Ausnahmen: Ni No Kuni Eins hatte noch die Möglichkeit während der Reise immer mal wieder nach Motorville zurückzukehren oder bei den Trails of Cold Steel-Spielen darf man neben Heimatbasis (Akademie, Courageos) auch noch richtig nachforschen darf, wer denn eigentlich jetzt was vorhat, was im Grunde die Spannung trotz peinlich übertriebener Mecha-Action trägt. Aber genauso hat man oft genug belanglose Heldenreisen, vor allem in Lost Sphear, Tales of Xillia 2 oder Grandia 2 und selbst im ersten Teil von Dragon Quest XI – wobei das Spiel ab der zweiten Hälfte so richtig einen Zahn zulegt und die klassische, immer gleich aufgebaute Formel, abschüttelt.
3. Spielerisches Abstellgleis
Neben einer oft immer gleich aufgebauten Handlung und einer langen Reise kranken JRPGs – vor allem neuere Vertreter – aber vor allem an einem: Spielerische Abwechslung. Das fehlt einigen Vertretern komplett. Den größten Nachteil macht mangelndes Leveldesign aus:
Während Witcher 3 und Kingdom Come vor allem in realistischen Umgebungen spielen und somit wesentlich intuitiver und spontaner in der Abenteuergestaltung sind, da sie keinen Wert auf die Unterscheidung zwischen Verließ und Oberwelt legen, macht beinahe jedes JRPG den gleichen Fehler.
Schlimmstes Beispiel, welches mir gerade einfällt: Grandia 2. Man kommt in ein Dorf, muss dort das Problem lösen und spielt ein nebenan liegendes Labyrinth. Zwar gibt es auch hier einen Plottwist am Ende, aber naja... Dazu kommt, dass die Dungeons alle ähnlich aufgebaut sind. Man läuft durch – metzelt einen Obermotz und kommt dann als Retter wieder heraus und darf dann weiter in das nächste Dorf ziehen. Allerdings sind die Probleme der Dörfer meist ohne Bewandtnis für die Helden oder die Handlung. Dieses Problem haben deutlich mehr Spiele. Dragon Quest 11 zum Beispiel.
Doch das Schlimmste daran ist, dass die Dungeons alle ohne Abwechslung sind. Man muss einfach ein Ziel in dem Dungeon erreichen und sich durchkämpfen. Und das immer und immer wieder. Es gibt keine Rätsel, keine Begleiter, keine unvorhergesehenen Überraschungen. Die Dungeons sind nicht in die Story eingebunden. Und das Design stinklangweilig. Man läuft nur durch und kämpft. Gelegentlich gibt es vielleicht mal ein Schalterrätsel. Bei Dragon Quest 11 hat man – gerade wegen der langweiligen Dungeons – verschiedene Reittiere eingesetzt, die man benutzen kann, um andere Etagen zu erreichen oder Wassergräben zu überwinden. Doch auch hier: Immer das gleiche. Vom ersten Dungeon bis zum Schloss von Mordegan. Nur an ganz wenigen Stellen gibt es Abwechslung: Und zwar, wenn man mit seinem stummen Helden Siegfried und Erik aus dem Schloss flüchtet und sich dann vor Rittern und einem schießwütigen Drachen in Acht nehmen muss. Oder bei Ni No Kuni 2, wo man auf Rätsel vollkommen verzichtet – nur in dem Mechbaum-Dungeon nicht – wobei das Rätsel eher richtiggehend nervt. Und selbst das storytechnisch abwechslungsreiche Trail of Cold Steel hat immer den gleichen Dungeonaufbau mit minimalen Variationen in Schalterrätseln für Dumme. Nicht nur im alten Schulhaus.
Witzigerweise waren die Dungeons früher deutlich besser in die Handlung integriert und boten spielerische Abwechslung. Um wieder einmal die PS1-Final Fantasies zu nennen: Man hatte immer irgendwelche zusätzlichen Bedingungen, als einfach ein Ziel zu erreichen und einen Endgegner zu besiegen. So stürmte man in FF VIII eine Raketenbasis mit ungewissem Ausgang, muss in FF VII an einer Militärparade teilnehmen, musste in Final Fantasy IX aus einem verhexten Wald entkommen... Alle Dungeons waren in die Handlung eingebaut und es geschahen handlungsrelevante Dinge. Man musste nicht nur ein Ziel erreichen und gegen einen Endgegner kämpfen, sondern bestimmte Aufgaben erfüllen. Teilweise änderten sich ständig die Rätsel und man kam in bestimmten Räumen ein paar Mal vorbei oder man teilte die Gruppe und untersuchte zwei unterschiedliche Teile. Oder man wusste gar nicht was jetzt los war – wie im Zinnengebirge in FF IX. In FF X wurde das ganze Konzept dann mehr oder weniger über den Haufen geworfen, in Teil XII lief man sich nur noch kämpfend durch. FF XIII war dann ein einziges Dungeon – also das ganze Spiel.
Auch bei Retro-Stil-Spielen wie Octopath Traveler oder Lost Sphear sind die Dungeons ein schlechter Witz. Einfach ein paar verzweigte Gänge mit Kämpfen – ohne Abwechslung und Handlungsrelevanz. Wie die Nebenaufgaben in früheren West-RPGs der Machart Gothic. Langweilig. Ununterhaltsam. Da sind Spiele, die einen hanldungstechnisch durch das Konstrukt führen, schon von Vorteil. Wie die Assassins Creed-Reihe, die neben ihrer gut erzählten Story Abwechslung in die Missionen bringt. Zwar gibt es hier nicht unbedingt eine Heldenparty mit der man sich auf lange Sicht „unterhalten“ kann und teilweise ist die Handlung schon arg konstruiert, aber moderne JRPGs wirken vom Stil her schon wesentlich altbackener. Und weniger dynamisch.
4. Final Fantasy XV – Fast ein Schritt in die richtige Richtung
Während sich sehr viele JRPGs auf diesen altbackenen Mechaniken ausruhen (Tales-Of *hust), gibt es immer wieder Bestrebungen, JRPGs zeitgemäßer werden zu lassen. Und somit dynamischer. Ein Spiel, dass sich sehr ambitioniert an das herangewagt hat, ist Final Fantasy XV. Und ja, es hätte diesen Schritt schaffen können – zumindest mit den Ideen, die es mitgebracht hat. Die Story wäre nicht schlecht gewesen – auch wenn es sich hier wieder um einen langen linearen Weg gehandelt hat. Aber man hätte die ganzen Hintergründe aus Film und Anime ins Spiel integrieren müssen PLUS einfach mehr Handlung schreiben. So hätte es in Altissia und Tenebrae deutlich mehr Nebenereignis bedurft. Und Luna und Noctis hätten zusammen was erleben müssen – vielleicht hätte Noctis sie sogar vor Ravus in Altissia retten sollen, was dann zu einer Verfolgungsjagd durch die Grachten und Kanäle der wunderhübschen aber bumsleeren Lagunenstadt geführt hätte... So unfassbar viel verschenktes Potenzial, vor allem sind die Gebiete ja fertig. Und die Figuren und das Writing sind – bis auf die Nebenaufgaben, die man sich besser komplett gespart hätte – exzellent. Dialoge sind spitze und die Protagonisten nahbar, nachvollziehbar und liebenswert.
Das Kampfsystem wäre auch nicht schlecht – wenn man sich die Mühe gemacht hätte und den Spieler anders da herangeführt hätte – nicht über ein Kampftutorium während der Installation, das einfach durch Textboxen alles erklärt. Gut gewesen wäre so was wie in Kingdom Come, wo man mit verschiedenen Figuren trainiert z.B. und somit jede Finte und Möglichkeit nach und nach erarbeitet.
Vor allem gelungen sind die Dungeons in Final Fantasy XV: Jeder Dungeon hat eine andere Thematik, die Jungs sind ständig am Quasseln und man hat das Gefühl einer richtigen Herausforderung. Am Anfang muss man mit Taschenlampen ein altes Königsgrab mit Kasematten erkunden und hat teilweise das Gefühl eines angenehmen Horror-Adventures der Marke Resident Evil.
Außerdem bricht nach einem Plottwist im letzten Viertel des Spiels die postapokalyptische Epoche der ewigen Nacht an und man geht mit gealterten Protagonisten in das belagerte Insomnia... So viele – wirklich geniale Ideen. Richtig gute Dialog-Regie, tolle Figuren, eine sehr eigene, da an den mittleren Westen des USA angelehnte Spielewelt. So unfassbar viel Potenzial... Und dann sooooo verkackt. Nicht falsch verstehen: FF XV ist beileibe kein schlechtes Spiel und spielt immer noch ein paar Ligen über Lost Sphear oder FF XIII, aber es gibt so viele Dinge, die einfach mal... fehlen. Dazu kommt auch noch, dass sie die einzigen für mich relevanten Story-DLCs gecancelt wurden, namentlich die Episode Lunafreya und Episode Noctis. Diese hätten mich halt wirklich interessiert. Aber nein, nach den eher actionlastigen DLCs der drei Mitstreiter und Ardyn zieht man den Stecker! Wieso gerade jetzt?
5. Sind JRPGs jetzt „Great Again“?
Im Moment sind JRPGs in meinen Augen noch weit davon entfernt, um ihren früheren Stellenwert als Triple-A-Narrations-Genre zurückzuerobern. Das liegt an den erörterten Unzulänglichkeiten. Wenn man das Genre mit Spielen wie einem „Witcher 3“ vergleicht, dann sind JRPG-Spiele zu altbacken und zu undynamisch. Es gibt zwar Bestrebungen, das zu ändern und tatsächlich wenige Titel, die ich sogar als zeitgemäß erachten würde. Xenoblade 2 ist so ein Ausreißer. Es bringt zwar ein sehr klischeehaftes Shounen-Animekostüm mit, aber es modernisiert behutsam einiges Altbackenes wie das Missions-Design, hat eine glaubwürdige Spielwelt, sehr gute Charaktere und Dialoge und erfüllt den Tatbestand eines kleinen Meisterwerks. Einzig und alleine das letzte Drittel des Spiels (ab dem Baum) läuft wieder linear und der Schluss erweist sich stellenweise als vorhersehbar. So wie die letzten zwei Drittel in FF X. Dennoch ist die Charakterzeichnung so gut und das spielerische Design bringt einiges an Abwechslung mit (Nebenaufgaben größtenteils nicht) sowie die toll erzählte Geschichte und die erstklassige Spielwelt... Für mich der beste Vertreter des Genres der letzten Jahre und zusammen mit Zelda mein Lieblingsspiel für die Switch.
Doch andere moderne Titel haben nicht ganz diese Qualitäten. Zu FF XV habe ich mich ja schon ausgelassen. Bei den angefangenen Spielen wie Star Ocean 4 und 5 muss ich leider sagen, dass ich sie sehr langweilig finde. Dragon Quest VII auf dem 3DS motiviert mich auch kaum zum Weiterspielen. Und dann bin ich doch in meiner Challenge bei den abgeschlossenen Spielen öfter mal enttäuscht worden. Gerade wenn man dann noch Spiele wie Read Dead Redemption 2 oder Horizon Zero Dawn oder Kingdom Come spielen kann, merkt man, dass japanische Rollenspiele meistens einfach nicht die Strahlkraft entfachen wie westliche narrative Spiele. Auch die beiden Southpark-Spiele sorgten für durchweg super Unterhaltung und hatten einfach spielerisch viel mehr Abwechslung zu bieten.
Es ist aber nicht alles schlecht. Bei Dragon Quest XI konnte mich der starke Anfang sowie der Plottwist ab der zweiten Hälfte und die wirklich guten Charaktere sowie das konsequent klassische Zeichentrick-Setting in seinen Bann ziehen. Den Inception-mäßigen Ansatz des White Chronicle in Radiant Historia empfand ich als spannende Spielerei, der die mittelmäßige Handlung ganz gut umrahmt. Ni No Kuni 2 war für mich in erster Linie kein Rollenspiel, aber bot dafür Befriedigung für den Sammeltrieb. Octopath Traveler lässt sich immer mal wieder kurz spielen, auch wenn es komplett zusammenhangslos und teilweise unmotivierend vor sich hinplätschert. Und Trails of Cold Steel ist der Auftakt zu einer sehr interessanten Spielereihe, die mich tatsächlich – vor allem aufgrund der vielen nahegehenden Charaktere – dazu bringt, das Spiel weiterzuverfolgen und den zweiten Teil immer besser zu finden. Dialoge und Figuren sind exzellent und der zweite Teil bügelt bereits vieles, was mir am Vorgänger noch missfallen hat, aus.
6. Ausblick
Ich werde auch 2019 wieder in eine Challenge starten, da es doch noch einige Spiele im JRPG-Genre gibt, die mich interessieren und über die ich mir meinen Überblick über das Genre erweitern kann. So habe ich noch nie ein Kingdom Hearts gespielt. Auch noch nie ein Persona, obwohl ich die CD von Teil 5 für die PS4 besitze. Ich werde in den nächsten Wochen meinen 2019er-Thread eröffnen. Bis dahin hoffe ich auf angeregte Diskussionen über das Genre und mein Essay in diesem Thread. Ich denke, dass ich zumindest genug Einblick in die Materie gesammelt habe, um das Genre größtenteils als solches beurteilen zu können. Außerdem habe ich mich über viele Dinge erkundigt und recherchiert unter anderem auch die Verkaufszahlen.
Ich glaube daher nicht, dass ich mit meiner Meinung alleine dastehe. Ich hätte wahrscheinlich gar kein JRPG angerührt, wenn ich dieses Genre nicht seit dem Super Nintendo kennen würde. Aufgrund seiner angestaubten Natur. Außerhalb Japans sieht man das auch an den Verkaufszahlen, dass das Genre bis auf einige Leuchttürme wie Final Fantasy in einer Nische sein Dasein fristet. Natürlich gibt es immer wieder Anstalten das zu ändern. Ich zocke gerade fleißig Vesperia (welches mich nach 12 Stunden im Moment noch maßlos enttäuscht und nicht das laut Werbung „Tales mit der besten Story“ erhoffte geniale neue Switch-JRPG ist) und Cold Steel 2 (das ich nach abgeschlossenem Intermission Chapter nun wirklich sehr mitreißend finde – trotz übertrieben japanischer Mecha-Action und Dragonball-Z-artigen Drohgebärden vor jedem Bossfight). Und Kingdom Hearts und Persona 5 sind auch vorgemerkt. Damit sollte mein Überblick wachsen. Mein Bewertungssystem werde ich erhalten und zudem noch einige Titel aus 2018 in 2019 mitnehmen.
Schließen möchte ich mit einigen Bewertungen von JRPG-Spielen, die ich in den letzten Jahren durchgespielt habe – inklusive denen aus der aktuellen Challenge.
Die Referenz:
Final Fantasy IX (2000) – PS1, iOS, PS4, PC, Android, Switch ➊➋➌➍➎➏➐➑➒➓ legendär:
Einfach unbeschreiblich schönes Spielerlebnis mit enormer Spieltiefe, starken Figuren und einer der liebevollsten Spielewelten überhaupt.
Die neuen JRPGs:
Eigene Erwartungen in etwa erfüllt:
Tales of Zestiria (2015) – PS4 ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉ gut:
Solides Abenteuer mit überdurchschnittlicher Story, die sich sehr viel Zeit lässt, bis sie in Fahrt kommt und einer Geschichte über Freundschaft mit guten Charakteren.
Tales of Berseria (2017) – PS4 ➊➋➌➍➎➏➐➑➈➉ sehr gut:
Kurzweiliger als Zestiria, etwas spannendere Haupthandlung und endlich mal abwechlsungsreichere Dungeons. Starke Protagonistin, Rache als Motiv (:A).
Tales of Xillia (2013) – PS3 ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉+ gut, Tendenz sehr gut:
Kein weltbewegender Plot, dennoch für einige Überraschungen und spannende Geheimnisse gut unterhalten. Spielerisch eher fade, relativ kurz.
Miitopia (2017) – 3DS ➊➋➌➍➎➅➆➇➈➉+ durchwachsen, Tendenz okay:
Zu erwartendes Ergebnis. Das Spiel lief oft einfach nur so nebenbei und war immer mal wieder für einen Lacher gut. Es spielte sich fast von alleine und war sehr seicht. Aber für das was es ist ganz nett. Macht in der U-Bahn Spaß.
Xenoblade Chronicles 2 (2017) – Switch ➊➋➌➍➎➏➐➑➒➉ hervorragend:
Mitreißendes Meisterwerk mit kleinen Schwächen, einem gigantischen Umfang und einem grandiosen Soundtrack.
Lost Sphear (2018) – Switch, PS4 ➊➋➌➍➎➏➆➇➈➉+ okay, Tendenz gut:
Unbeholfenes Storytelling, rudimentäres Level-Design. Dennoch relativ verträglich, da abwechslungsreich in Handlung und flott spielbar – abwechslungsreiches Kampfsystem. Die pseudo-philosophische total verunglückte Story und die schlecht geschriebenen Dialoge gewinnen aber keinen Blumentopf.
Radiant Historia_ Perfect Chronology (2018) – 3DS ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉+ gut, Tendenz sehr gut:
Nicht das erhoffte perfekte RPG, aber eine unglaublich motivierende und raffinierte Zeitreise.
Dragon Quest XI – Streiter des Schicksals (2018) – PS4, PC ➊➋➌➍➎➏➐➑➈➉ sehr gut:
Ein charmantes Spiel wie alte schöne Fantasy-Animes. Für die konservative Rahmenhandlung wurde hier handlungs- und figurentechnisch alles Machbare herausgeholt. Dungeons sind in der Regel stinklangweilig. Und die Musik kann man wegschmeißen. Dies führt schließlich zur deutlichsten Abwertung dieses Fast-Meisterwerkes.
Bravely Default (2012) – 3DS ➊➋➌➍➎➏➆➇➈➉+ okay, Tendenz gut:
Zähes Spiel, etwas langweilige Figuren, aber sehr schöne Spielwelt. Sehr konservatives an die alten FF-Teile erinnerndes Spiel. Nichts besonders.
Bravely Second: End Layer (2016) – 3DS ➊➋➌➍➎➏➆➇➈➉+ okay, Tendenz gut:
Zähes Spiel, bessere Figuren als im Vorgänger, sehr schöne Spielwelt. Immer noch sehr konservatives an die alten FF-Teile erinnerndes Spiel. Nichts besonders.
The Legend of Heroes – Trails of Cold Steel (2015) – PS3, VITA ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉ gut:
Insgesamt ein sehr textlastiger spielbarer Animefilm mit überzeugendem Kampfsystem, redundantem Dungeon Design, einem außergewöhnlichen Fokus auf die Charaktere und dem etwas anderen Schulalltag.
Eigene Erwartungen nicht erfüllt:
Final Fantasy XV (2016) – PS4, XBoxOne, PC ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉ gut:
Sympathischer Roadtrip, bei dem einfach mal die Hälfte fehlt. Und das nach über 10 Jahren Entwicklungsdauer!
Xenoblade Chronicles X (2015) – Wii U ➊➋➌➍➎➏➆➇➈➉+ okay, Tendenz gut:
Viel zu wenig Story auf viel zu viel Spiel. Viel viel zu schwierig.
Pandora’s Tower (2012) – Wii ➊➋➌➍➎➏➆➇➈➉ okay:
Untypisches JRPG. Insgesamt eher durch sein Level-Design und durch minimale Abwechslung in den verschiedenen Türmen ein fast reiner Dungeon Crawler. Die Rahmenhandlung entwickelt sich frei zum Verhalten des Protagonisten.
Secret of Mana Remake (2018) – VITA, PS4, PC ➊➋➌➍➎➅➆➇➈➉ durchwachsen:
Ausgesprochen schlampiges Remake des zeitlosen Klassikers.
Adventure of Mana (2016) – VITA ➊➋➌➍➎➅➆➇➈➉ durchwachsen:
Annähernde 1:1-Umsetzung von Mystic Quest für den Gameboy. Leider kaum verändert und um einige spielerische Unzulänglichkeiten ergänzt. Grafik wie von einem Billig-Smartphone-Spiel.
Ni No Kuni 2 (2018) – PS4 ➊➋➌➍➎➏➐➇➈➉+ gut, Tendenz sehr gut:
Leider kein Paradebeispiel für mitreißendes Story-Telling, aber für abwechslungsreiches Gameplay. (Meine Enttäuschung des Jahres)
Eigene Erwartungen übertroffen:
Tales of the Abyss (2006, 2013) – 3DS ➊➋➌➍➎➏➐➑➈➉+ sehr gut, Tendenz hervorragend:
Richtig gut erzählte und abwechslungsreiche, wenn auch an den Haaren herbeigezogene Geschichte. Mit Abstand das beste Tales-Of. Geniale Charaktere, schon alleine Colonel Jade Curtiss (:bogart:).
Xenoblade Chronicles (2010) – Wii ➊➋➌➍➎➏➐➑➒➉ hervorragend:
Total interessantes Spiel mit faszinierender Spielwelt und wendungsreicher Handlung. Musik und Level-Design vom Feinsten.
The Last Story (2011) – Wii ➊➋➌➍➎➏➐➑➒➉+ hervorragend, Tendenz legendär:
Abwechslungsreiches und sehr atmosphärisches Meisterwerk aus der Feder von Hironobu Sakaguchi. Mitreißende Charaktere und beste Unterhaltung bis zum Schluss des etwas zu kurz geratenen Abenteuers.
Ni No Kuni (2013) – PS3 ➊➋➌➍➎➏➐➑➒➉ hervorragend:
Unfassbar schönes und mitreißendes sowie sehr trauriges Meisterwerk mit interessanter Sammelmechanik, sehr detaillierter Spielewelt und schön anzuschauendem Almanach.
Spiele für die JRPG-Challenge 2019:
Neue Titel:
Tales of Vesperia: Definitive Edition (SWI)
Tales of Hearts R (VITA)
Trails of the Cold Steel 2 (VITA)
Town (SWI) – Gamefreak
Pokemon Switch (SWI)
Persona 5 (PS4)
The Last Remnant Remastered (PS4)
Kingdom Hearts 3 (PS4)
FF Crystal Chronicles (SWI)
Nicht gespielte Titel aus 2018:
Rogue Galaxy (PS4)
Dark Chronicle (PS4)
Dragon Quest 5 – Hand der Himmelsbraut (DS)
Noch nicht abgeschlossene Titel aus 2018:
Star Ocean – The Last Hope 4k// 6:41 – vsl. Noch ca. 32 Stunden (PS4)
Dragon Quest VII – Fragmente der Vergangenheit// 20:58 – vsl. Noch ca. 70 Stunden (3DS)
Octopath Traveler // 21:36 – vsl. Noch 25 Stunden (SWI)