Anvil => Goldküste, Hinterland
Erynn zuckte heftig zusammen, als die Stimme des Beschwörers sie erreichte, und fuhr herum. „Arranges? Was zum Geier machst du hier? Du solltest dich ausruhen...“ Verdammt, verdammt, verdammt! Diese Diskussion will ich jetzt echt nicht führen.
„Ich, äh... ja. Ich habe noch etwas zu erledigen. Ich muß ein paar Bärenfelle für die Kriegergilde besorgen. Ungefähr vier... oder fünf.“ Sie beobachtete, wie sich das Gesicht des Kaiserlichen verfinsterte und beeilte sich nachzuschieben: „Aber das kann ich auch allein erledigen. Hatte ich ohnehin vor. Du könntest schon nach Skingrad vorausreiten. Ich kommen dann nach.“ Bitte, bitte, mach jetzt einfach keine Szene...
Normalerweise wäre Arranges dem Vorschlag Erynns sofort nachgekommen, aber die Umstände schränkten ihn in dieser Hinsicht ein und so blieb ihm nichts anders, als weiterhin bei der Dunmer zu bleiben... Obwohl das eigentlich anders herum laufen sollte. Dass sie ihr Vorwärtskommen jetzt mit soetwas wieder behinderte, gab den Ausschlag. Er tippte sich mit dem Finger wortlos an die Stirn. 'Nichts da... weder das eine, noch das andere wird passieren, wir reiten zusammen und zwar ohne weitere Verzögerung nach Skingrad...!'
Was fällt dir ein, mich so herumzukommandieren!? "Sag mir gefälligst nicht, was ich zu tun habe", fauchte die Kriegerin. Sie hatte sich vor diesem Gespräch gefürchtet, und daher einfach nicht die Nerven, zumindest einigermaßen ruhig zu bleiben. "Ich werde dafür höchstens zwei oder drei Tage unterwegs sein. Wie gesagt, reite voraus. Ich kann dich für die Jagd ohnehin nicht gebrauchen." Sie funkelte ihren Begleiter unnachgiebig an. Gerade wieder auf den Beinen und schon wieder ne dicke Lippe riskieren... vergiß es, Magier!
'In viellerlei Hinsicht kann ich dich auch nicht gebrauchen und beschwere mich trotzdem nicht... Warum überhaupt braucht die Kriegergilde jetzt Bärenfelle und warum musst du diese besorgen? Dafür gibts doch Jäger, die dafür vermutlich ohnehin besser bezahlt werden...'
Erynn seufzte genervt. "Warum hast du dann gefragt, ob ich dich begleite?" schoß sie giftig zurück. Im nächsten Moment tat es ihr schon wieder leid. "Vergib mir... nun, die ansässigen Jäger wagen sich aufgrund der Tore nicht mehr aus der Stadt, darum hat die Gilde den Auftrag bekommen. Ich konnte dem Befehlshaber ja schlecht sagen, weshalb ich eigentlich keine Zeit zum Jagen habe, oder? Hör zu, ich kann und will mich da nicht einfach drum drücken. Noch habe ich ein halbwegs normales Leben, und ich werde alles tun, das so lange wie möglich zu erhalten. Keine Diskussion." Sie zog den Sattelgurt um Falchions Bauch fest. "Ich werde jetzt losreiten, um diese Felle zu besorgen, ob es dir paßt oder nicht."
Und da soll noch einmal jemand sagen, der Herr Arranges hätte wohl das umsorgteste und einfachste Leben innerhalb der Gathering... ich will denjenigen sehen, der es länger als zwei Tage mit Frauen aushält, wie ich sie seit Jahren um mich habe... das wird noch sehr spaßig, ich glaube, ich überlasse den neuen Mentor einfach Meisterin Marie... in spätestens einem Jahr dürfte sich das Problem von allein gelöst haben... 'Wenn du glaubst, dass ich das aus irgendeinem anderen Grund als dem des Zwangs machen, hast du dich geschnitten...' Damit rückte er ebenfalls den Sattel seines Rotfuchses zurecht und saß auf.
"Gut, dann wäre das ja geklärt", antwortete Erynn ungerührt. Sie schwang sich in den Sattel und lenkte ihren Wallach auf die Goldstraße Richtung Norden. Kurz vor der Brinakreuzherberge würde sie ins Hinterland abbiegen und sich dort an einem geeigneten Ort auf die Lauer legen. Sie beschloß, Arranges so weit wie möglich zu ignorieren, doch um die Wahrheit zu sagen, bereitete seine Antwort ihr einigen Kummer. An einem Tag sagst du, daß du gern mit mir unterwegs seist, am nächsten würdest du mir am liebsten den Hals aufschlizen, sobald etwas nicht nach deinen Vorstellungen läuft. Kann es für dich denn nichts anderes als Extreme geben? Kannst du nicht einmal über deine eigenen Interessen hinaussehen? Was muß ich tun, um auch nur einen kleinen Funken Menschlichkeit in dir zu wecken?
Die Sonne stand bereits tief im Westen, als sie bei der Herberge in die Wildnis abbogen. Der Kaiserliche hatte während der ganzen Zeit entweder wütend vor sich hingeknurrt und dabei auf seine zerstörten Armschienen gestarrt und daran herumgefingert oder aber die Umgebung beobachtet. Als der Sonnenuntergang das Himmelszelt schließlich in feuriges Rot tauchte, beendete Arranges das Schweigen: 'Wie gedenkst du dieser Bären habhaft zu werden? Ich sehe nämlich nicht ein jedem einzelnen Tier eine halbe Ewigkeit nachzustellen, bevor wir es erlegen und abziehen können...' Er klang weder versöhnlich, noch verärgert.
Sie ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort. Meine Güte, du hast wirklich gar keine Ahnung. Aber ich bin blöde, was? "Es wird ausreichen, nur einen zu finden. Der Kadaver wird die übrigen anlocken. Es sollte auch nicht lange dauern. Bärenspuren sind leicht zu lesen." Sie zögerte einen Augenblick, aus der Sorge heraus, Arranges könnte ihren nächsten Satz wieder in den falschen Hals bekommen. "Und bitte, überlaß es mir, die Tiere zu erlegen. Die Felle müssen möglichst heile bleiben, sonst sind sie wertlos."
'Jaja, ich hab schon verstanden... der grobschlechtige Fleischwolfnekromant soll bloß die Finger aus dem Spiel lassen...' Arranges sagte dies fast ein wenig zu beleidigt, als dass es ernst gewirkt hätte.
"Arranges, ich meine doch nur..." sie brach ab, als sie seinen Gesichtausdruck bemerkte. Verflucht, er schafft es doch immer wieder... "Schon gut. Wir lagern hier. Ich werde das restliche Tageslicht nutzen, um mich ein wenig umzusehen." Erynn glitt von Falchions Rücken und machte sich daran, ihm Zaum und Sattel abzunehmen. Dann klaubte sie so viel Feuerholz zusammen, wie sie finden konnte. "Sobald ich das erste Fell hierher zurückbringe, muß das Feuer die ganze Zeit brennen. Sonst könnte es sein, daß der Geruch wilde Tiere anlockt, die wir hier definitiv nicht haben wollen."
Grafschaft Skingrad => Valenwald
Erynn drückte ihrem Braunen die Fersen in die Flanken und jagte hinter Arranges her. Tief über die Hälse ihrer Pferde gebeugt, ritten sie in halsbrecherischem Tempo strack nach Süden, weiter in das Hinterland der Grafschaft Skingrad herein. Die Elfin holte das Letzte aus ihrem Reittier heraus, um den Anschluß nicht zu verlieren – Falchion war ein Gebrauchspferd, kein hochbeiniger Blüter wie der Fuchshengst. Nach einer Weile jedoch fand der Wallach seinen Rhythmus, streckte Hals und Rücken und griff mehr Raum. Außer dumpfem Hufschlag und dem Schnauben der Tiere war lange Zeit nichts zu hören.
Die Monde standen voll am Himmel, warfen ihr Licht auf die hügelige, grasbewachsene Landschaft. Dennoch blieb ihr Manöver tückisch. Mehr als einmal gelang es ihnen nur knapp, halb überwachsenen Steinen auszuweichen, die ihren Pferden leicht hätten die Beine brechen können. Mitternacht war vorüber, als sie an der Quelle des Strid vorüberflogen. Als sie die Stelle erreichten, an der Cyrodiil an die Grenzen von Elsweyr und Valenwald stieß, dämmerte bereits der Morgen. Die Landschaft veränderte sich zuehends, das Grasland wich mehr und mehr einem schattigen Laubwald. Arranges zügelte den Rotfuchs und orientierte sich kurz, korrigierte die Richtung nach Südwesten und stetzte den Weg im flotten Trab fort. Das Blätterdach von Valenwald schloß sich über ihnen, während sie sich jetzt rasch ihrem Ziel näherten. Auf ihrem ganzen Weg waren sie noch keiner Menschenseele begegnet. Sie erreichten einen schmalen, überwachsenen Weg, der sich in leichten Windungen ausfwärts schlängelte. Erynn entdeckte hier und da plattgetretene Pflanzen und abgeknickte Zweige.
Plötzlich parierte der Beschwörer sein Pferd zum Halt und hob warnend eine Hand. Erynn hielt ihr Tier ebenfalls an und lauschte. Es war still – zu still für einen mit Leben gefüllten Wald. Sie glaubte, von irgendwoher Rauch riechen zu können.
Langsam setzten sie sich wieder in Bewegung und folgten dem Pfad ein Stück weiter. Die Bäume lichteten sich, der Brandgeruch wurde stärker. Dann konnten sie bleiche Qualmsäulen sehen, die sich träge in den Himmel schraubten und im Wind zerfaserten.
Nach einigen weiteren Minuten erreichten sie den Ort des Geschehens und blickten fassungslos auf die Szenerie. Verbrannte Erde, die Bäume im näheren Umkreis von Feuer geschwärzt, die Holzpalisade um das Anwesen herum fehlte zum großen Teil. Nur wenige der Pfosten, so hoch wie zwei Mann, reckten sich noch wie stumme Mahnwachen in die Höhe. Der obere Teil des hölzernen Frieds in der Mitte der Befestigung war weggerissen worden, die Trümmer lagen versteut und noch immer qualmend im Innenhof verstreut, hatten sich wie Schrapnelle in den Boden und umliegende Gebäude gebohrt. Die Reste des turms ächzten bedenklich und schienen jeden Moment einstürzen zu wollen.
Die Elfin glaubte, in dem Chaos eine Bewegung ausmachen zu können. Nur einen Herzschlag später fegte ein Schockzauber heran, verfehlte die beiden Reiter nur knapp und schlug in ein schon ziemlich mitgenommenes Gebüsch ein, das sofort Feuer fing. Arranges fluchte kreativ, brüllte etwas von holzköpfigen Idioten und gab sich als Mentor zu erkennen.
Stille. Für eine Weile regte sich nichts, dann kamen mehrere, arg abgerissen wirkende Gestalten aus der Deckung hervor. Zehn, vielleicht fünfzehn, alle jung und völlig erschöpft. In ihren müden Augen lag Mißtrauen, aber auch so etwas wie vorsichtige Hoffnung. Sie lenkten ihre Pferde zu dem zerschmetterten Tor, als sich ein Rothwardon aus der Gruppe löste und auf sie zukam, ihnen die Handflächen in einer beschwichtigenden Geste entgegenstreckend. Er war noch kaum ein Mann, in dem schmalen, faltenlosen Gesicht zeigte sich gerade der erste, spärliche Bartflaum.
„Seid gegrüßt, Mentor Arranges“, sagte er „und vergebt uns die unfreundliche Begrüßung. Wir hatten nicht mehr damit gerechnet, daß noch Hilfe eintreffen würde. Wie ihr seht, haben die Verräter nicht viel übrig gelassen. Sie kamen vor zwei Nächten, ohne Vorwarnung, und griffen sofort an. Ich weiß nicht, wie viele es waren, aber es war mindestens ein Botschafter darunter. Uns blieb nicht einmal die Zeit, die Palisaden zu bemannen. Sie fegten durch die Anlage wie Mehrunes Dagons Zorn, brandschatzten und brachten alle um, die sich nicht schnell genug verstecken konnten...“ seine Stimme brach. „Zwölf von uns sind tot, zwei Schülerinnen haben sie weggeschleppt. Ich weiß nicht, was sie mit ihnen vorhaben. Dann... verschwanden sie so plötzlich, wie sie gekommen waren.“
Arranges’ Gesicht versteinerte, während der Junge sprach. „Was ist mit Meister Parlovar?“ verlangte er zu wissen. „Ich... ich weiß es nicht. Der Meister war nicht hier, als der Angriff stattfand, und wir haben noch nichts von ihm gehört. Wir harren hier aus und warten darauf, daß irgendwas geschieht. Wenn der Meister nicht bald wiederkommt, werden die Verräter noch einmal angreifen, befürchte ich. Aber dann werden wir sie nicht abwehren können...“ Der Rothwardon schluckte hart und kämpfte gegen die Tränen. „So wie es aussieht, konntet ihr das auch schon beim ersten Mal nicht“, gab der Kaiserliche kühl zurück. „was würde Meister Parlovar wohl dazu sagen wenn er erfährt, was für Jammerlappen er sich hier herangezüchtet hat?“ Er schwang sich aus dem Sattel. „Ich will mit den anderen Überlebenden sprechen.“
Erynn ließ sich ebenfalls vom Rücken ihres Pferdes gleiten und schlüpfte wieder in die Rolle der Schülerin. Sie verneigte sich knapp vor dem Beschwörer, griff nach den Zügeln des Fuchses und führte die beiden schweißnassen Reittiere trocken, während Arranges dem Jungen in die zerstörte Festung folgte.
Bei allen Göttern, dachte sie und ließ ihren Blick über die Verwüstung schweifen. Welche Kräfte müssen hier gewirkt worden sein, um fast alles dem Erdboden gleichzumachen? Sie bemerkte, daß ein paar der jüngeren Schüler sie beobachteten. Die zwei Khajiitmädchen und ein Nord mochten vielleicht fünfzehn Jahre alt sein, auch wenn sie sich bei den Katzenwesen nicht ganz sicher war. Erynn wandte den Blick ab und konzentrierte sich wieder auf die Pferde.
Grafschaft Skingrad; Hinterland
Drei weitere Tage stolperten sie durch das Hinterland der Grafschaft Skingrad, während das Wetter zunehmend schlechter wurde. Bald schon sanken sie knöcheltief in die aufgeweichte Erde ein, und niemand hatte auch nur mehr einen trockenen Fleck am Körper. Der jüngste ihrer Schützlinge, ein zierlicher Bretone, begann nach einer Weile heftig zu husten. Am Abend fieberte er. Dieser Umstand zwang Tujenne und Kal-Leesha, die letzte im Bunde, die ganze Zeit selber zu laufen. Es machte sie noch langsamer, selbst Arranges’ ungehaltenes Gefauche vermochte nicht, sie dauerhaft zu einem höheren Tempo zu treiben. Sie mochten vielleicht noch einen halben Tag von der Goldstraße entfernt sein, als der Junge wie ein nasser Sack aus dem Sattel fiel. Erynn kniete neben ihm nieder und tastete nach dem Puls, versuchte Anzeichend für Atmung und Herzschlag zu finden. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Nichts mehr“, verkündete sie dann und bemühte sich dabei, ihrer Stimme einen emotionslosen Klang zu geben. Der Kaiserliche schwang sich aus dem Sattel, webte einen starken Feuerzauber und verbrannte den Körper zu Asche. „Weiter“, blaffte er.
Für die Argonierin war das zu viel. Sie brach in hysterisches Weinen aus, schien nicht dazu in der Lage, einen weiteren Schritt zu tun. Verdammt! Das können wir uns jetzt beim besten Willen nicht leisten... wir müssen alle aus diesem Regen raus, und das so schnell wie möglich. Sie warf Arranges einen fragenden Blick zu – alles wozu er sich herabließ, war eine unwillige Geste. Erynn war mit zwei schnellen Schritten bei der Schülerin, holte aus und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Sie verachtete sich selbst dafür. „Was für ein Totenbeschwörer bist du eigentlich?“ zischte sie. „Du hast den Mentor gehört. Los, weiter!“ Kal-Leesha gelang es, ihr durch die tränenverschleierten Augen einen haßerfüllten Blick zuzuwerfen. Der Ausdruck ‚Sklaventreiber’ war eindeutig darin zu lesen. Die Dunmer deutete wortlos über ihre Schulter auf Falchion, und sie setzten den Weg fort. Am Nachmittag erreichten sie die Goldstraße. Zwei- wie Vierbeiner atmeten auf, als sie das schwierige Gelände endlich verlassen konnten. Jetzt haben wir es bald geschafft – und keinen Augenblick zu früh. Wir können den Schülern nicht noch mehr zumuten...
Goldstraße (östlich von Skingrad)
Kalte Nässe schlug dem Nekromanten ins Gesicht wie eine ordentlich geschwungene Faust. Das Gefühl wollte so gar nicht zu der warmen Stube passen, in der er bei Kerzenschein über einige Bücher gebeugt saß und völlig ungestört seinen Studien nachging. Die seltsame Wahrnehmung zerriss dieses Bild jedoch und noch bevor Arranges sich überlegen konnte, warum das so war, löste sich das Zimmer bereits auf...
... Prustend kam der Magier aus dem Schlaf zu sich. Kaltes Wasser rann ihm in den Nacken und war überall im Kragen, in Mund und Nase... Ein Reflex ließ ihn hochfahren und mit der Hand übers Gesicht wischen, während er hustend um sich blinzelte. Erynn stand vor ihm, einen der Wasserschläuche in der Hand und schaute ungeduldig auf ihn herab. Es war später Vormittag, zur Abwechlung schien die Sonne vom Himmel und als er sich nach ein paar Augenblicken wieder gefangen hatte, sah er hasserfüllt zu der Dunmer auf. 'Aber sonst gehts dir gut oder... was fällt dir eigentlich...' Der nächste Schwall Wasser traf Gesicht und Oberkörper, sodass er erst wieder nicht sprechen konnte, sondern nur mehr husten musste. 'Verdammt nochmal, ich bin doch schon WACH!!!'
'Ja... und jetzt bist du auch wieder ein wenig gewaschen...' Antwortete sie sichtlich unbeeindruckt. Arranges sprang wütend auf und riss ihr den Wasserschlauch aus den Händen. 'Was hat dich heute Nacht eigentlich gestochen... hör auf mit diesem Schwachsinn... das gereicht nichteinmal zu einem Schmunzeln...!' Tatsächlich fiel ihm direkt auf, dass er sich nur noch an den Ritt von Skingrad weg auf der Goldstraße in Richtung Kaiserstadt erinnern konnte. Allerdings hatte er auch keine Kopfschmerzen. Er schloss direkt ersteinmal aus, dass er betrunken war... Vielleicht war ich nur zu erschöpft...
Westebene => Großer Forst => Ringstraße
Statt einer Antwort ließ sich Erynn fallen wo sie gerade stand. Nachdem ihr Zorn verraucht war, war sie tatsächlich nur noch unglaublich müde, schlief fest und traumlos bis zum frühen Nachmittag.
Dann sattelten sie auf und setzten die Reise in Richtung Kaiserstadt fort. Es wurde Abend, bis sie die ersten Ausläufer des großen Forstes erreichten, und unter seinem schattigen Blätterdach wandelte sich das Zwielicht rasch zur echten Dunkelheit. Keiner von beiden dachte ernsthaft darüber nach, in der Nacht noch einmal anzuhalten, auch wenn es so finster wurde, daß man die Hand kaum vor Augen sehen konnte. Die Zeit drängte – wenn man bedachte, daß der verheerende Angriff auf Parlovars Anwesen in Valenwald nur ein Beispiel unter vielen gewesen war, wurde es längst höchste Zeit, auch den letzten Siegelstein zu beschaffen. Also ritten sie schweigend weiter, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend.
Erynn fragte sich, wann die Abtrünnigen wohl ihre relative Heimlichleit endgültig aufgeben würden. Zuerst hatte man geglaubt, die Verräter würden keinen aktiven Konflikt mit der Gathering suchen wollen. Das hatte sich als falsch erwiesen. Wie lange mochte es dauern, bis sie dreist genug waren, auch in dichter besiedelten Gebieten zuzuschlagen und dort irgendwelche Personen verschwinden lassen? Selbst die Schläge gegen die abgelegenen, gut versteckten kleineren Häuser konnten nicht ewig unbemerkt bleiben. Erynn erinnerte sich an die Rauchsäulen, die sich bis weit über die Baumkronen des dicht bewaldeten Gebiets in den Himmel schraubten, an die zuckenden Reflektionen unzähliger Zauber am Nachthimmel. Irgend jemand mußte das einfach gesehen haben, hatte es vielleicht für Wetterleuchten und die Folgen eines Blitzeinschlages gehalten. Diesesmal. Aber was, wenn irgendwo Leute mißtrauisch wurden und zu der Stelle gingen, sei es in Valenwald oder sonstwo. Was, wenn sie in die geschwärzten Ruinen vordrangen und fanden, was auf ewig verborgen bleiben sollte? Was sollte geschehen, wenn jemand durch einen dummen Zufall die obskure Gathring ins Licht des Tages zerrte? Die Elfin fürchtete dabei nicht so sehr um den Nekromantenbund – er war und blieb etwas, das sie nicht gutheißen konnte, wenngleich sie sich daran gewöhnt hatte, seine Existenz zu akzeptieren. Doch was würde passieren, wenn den Leuten Tamriels aufgedeckt wurde wer sie waren, was sie taten, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlten? Sie wagte kaum, darüber nachzudenken. Die Pläne der Abtrünnigen zudem kannte nur Boethia allein. Wer konnte sagen, welche Ziele sie letztendlich verfolgen mochten. Wir sitzen auf einem Pulverfaß, und die Lunte brennt längst...
Das erste, zögerliche Sonnenlicht traf die Ruine Ceyatatar, als sie daran vorbeiritten, brachte den uralten, kunstvoll behauenen Stein zum Strahlen wie ein magisches Leuchtfeuer, das den Weg in andere, halb vergessene Zeitalter wies. Erynn wandte den Blick ab. Das bittersüße Symbol von Ewigkeit und Vergänglichkeit gleichermaßen machte ihr ihre eigene Sterblichkeit überdeutlich bewußt.
Nach einer Weile, während der Wald um sie herum erwachte und unzählige Vögel und Insekten ihre Lieder anstimmten, erreichten sie die Ringstraße. In wenigen Stunden würden sie in der Kaiserstadt angekommen und noch vor der Abenddämmerung vielleicht einen Schritt weiter sein. Ein letzter Stein, danach würden die Großmeister hoffentlich in der Lage sein, dem Wüten der Verräter Einhalt zu gebieten...