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Lilith blickte den Hexenjägern nach, bis sie tief im Wald verschwunden waren. Da es hellichter Tag war, redete sie sich ein, dass es nichts gab, worum man sich Sorgen machen brauchte, aber trotzdem spürte sie einen Anflug von leichter Nervosität. Immerhin waren gut die Hälfte aller Dorfbewohner nicht einmal anwesend, wer konnte ahnen, wo sie sich gerade herumtrieben... oder in welcher Gestalt.
Um sich abzulenken, trat Lilith auf Lester zu, der immer noch etwas gedankenverloren in den Himmel starrte. "Was... was habt Ihr nun vor?" ,fragte sie ihn etwas schüchtern, da er plötzlich respekteinflößend wirkte, seit er Hauptmann geworden war.
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"Ich muss den restlichen Dorfbewohnern von dieser Prophezeiung erzählen damit auch sie sich von den Wellen der Hoffnung hinvortragen lassen können. Wenn sie verzweifeln werden wir nur den Wölfen zum Opfer fallen. Zwar werde ich damit auch diese Untiere darüber in Kenntniss setzen, dass noch andere Mächte hier am Werk sind, aber solange sie sich nicht offenbaren dürften sie keiner größeren Gefahr ausgesetzt sein als wir andern.
Vielleicht finde ich während ich die Nachricht verbreite noch Hinweise wer die Werwölfe sein könnten. Momentan finde ich jedoch Diran sehr verdächtig. Er lässt sich kaum im Dorf blicken, wollte gestern ursprünglich niemanden wählen und hat sich plötzlich anders entschieden und als ich gestern zu seinem Haus ging hätten mich dort angebrachte Fallen fast umgebracht.
Also haltet die Augen auf! Jeder noch so kleine Hinweis kann unsere Rettung sein. "
Aufmunternd klopfte er ihr auf die Schulter und ging die restlichen Dorfbewohner aufsuchen.
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Isabellas Verhalten verwirrte Andreas. Abgesehen davon, dass sie nach ihrer "gemeinsam verbrachten Nacht" eigentlich etwas weniger gut auf ihn zu sprechen sein sollte, wirkte ihr Verhalten, als befände sie sich im Urlaub und nicht in einem Dorf, das angeblich von Werwölfen heimgesucht wurde. (Was auf äußerst unangeneme Dinge implizierende Weise wieder Sinn machte, wenn man bedachte, dass er bisher keinen einzigen Beweis für die Existenz eines Werwolfs gesehen hatte...)
Was er laut sagte, als er ihre Frage hörte, war hingegen:
"Ich denke nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt ist, sich an Gedichten oder Legenden zu erfreuen. Schon allein aus Respekt für den armen Mann, der gestern den Tod gefunden hat."
Plötzlich runzelte er verwundert die Stirn.
"Da fällt mir ein, wart ihr nicht zu viert? Wollt ihr nicht auf euren Kameraden warten, bevor wir losgehen?"
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Seit Winfried von dem Tode Konrads erfahren hatte, war er sehr nachdenklich geworden. Das ständig schwankende Wetter und die Beerdigung Konrads hatten dem Tage einen seltsam traurigen Scheier verliehen, dem sich auch Winfried nicht erwehren konnte, und so zog er es vor, die anderen Bewohner beim Treiben zu beoachten und eigene Mutmaßungen anzustellen. Es dauerte auch nicht lange, bis er zu einem ersten Schluss gekommen war und einen potenziellen Täter bereits in Gedanken vor Augen hatte.
"Mein Herr und mein Gott, ich fürchte, die Werwolfspest hat denjenigen heimgesucht, von dem man es am wenigsten hätte erwarten mögen. Meine Überlegungen haben ausgerechnet unseren Hauptmann Lester in den Mittelpunkt der Verdächtigen gerückt.
War nicht ER es, der uns Dorfbewohner glauben machen wollte, Ralf sei ein Schuldiger, und uns so einen der stärksten Streiter genommen hat? War nicht ER einer der größten Rufer, als es galt, Ralf zu hängen?
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Dies kann kein Zufall sein, gewiss wollte er lediglich Jene beseitigt wissen, die ihm hätten gefährlich werden können. ER ist doch stets einer der Ersten, wenn es darum geht, jemanden an den Pranger zu stellen.
Waren die Pferde der Zwillinge nicht im Stall neben SEINER Taverne getötet worden?
Dies würde erklären, warum niemand von diesem Verbrechen eine Notiz hat nehmen können.
Betrachtet seinen Bauch, er ist noch viel rundlicher als sonst. Woher wohl bloß?
Voll von kleinen Kindern, oder vielmehr, von dem Fleische unserer verstorbenen Kameraden?
Habt ihr nicht sein teuflisches Blitzen in den Augen bemerkt? Selbst sein Haar wirkt um einige Stufen röter als sonst. Der TEUFEL hat ihn zu seinem Werkzeug gemacht. Warum wohl haben die Werwölfe nicht IHN getötet, sondern einen unschuldigen Söldner?
Kein Zweifel!"
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"Ja Andreas, ihr habt Recht. Wir waren zu viert - unser Kamerad, der Fährtenleser Konrad, ist heute Nacht im Kampf mit Bestien gestorben. Wir haben ihn heute mittag beerdigt und brauchen deswegen einen anderen Ortskundigen, der uns zum Felsen der Hexe führt. Sein Tod scheint jedoch nicht umsonst gewesen zu sein - der Hauptmann hat uns Aufzeichnungen gezeigt, die anscheinend etwas mit den Geschehnissen zu tun haben und auf etwas schicksalhaftes hindeuten. Ich wurde allerdings noch nicht sonderlich schlau daraus. Was die Legenden betrifft, so scheint in ihnen doch manchmal die Wahrheit deutlicher sichtbar als in dem Gerede der Dorfbewohner."
Sie zwinkerte ihm kurz liebevoll zu, auch um das nachdenkliche, verwirrte Gemüt wieder milde zu Stimmen.
"Ausserdem würde ich einfach gerne eure Stimme hören, sie hat mir gefehlt in den letzten Tagen. Verzeiht das ich euch vorletzte Nacht so rasch verlassen habe, in eurem Zustand dachte ich vor allem an eure Gesundheit."
Grade als sich die Gruppe bereit zum gehen machte erscholl hinter ihnen die Stimme von Winfried, dem Schreiber. Laut machte er seinem Unmut Platz und rief die erste Anschuldigung des Tages über den Marktplatz. Eine Anschuldigung, die in Isabellas Ohren wie ein Echo aus den Tagen der spanischen Inquisition klang.
Rote Haare, getötete Kinder, der TEUFEL hat ihn zu seinem Werkzeug gemacht
Ein wütendes Zischen entwich Isabellas Kehle als sie sich nach dem Schreiber umsah. So ein Narr; er hatte doch gestern gesehen das solcherlei Anschuldigungen nichts bewirkten. Beunruhigt sah sie sich um und wartete ab ob die übrigen Dorfbewohner sich zu einem Mob mit Fackeln und Mistgabeln formierten oder einen kühlen Kopf behielten.
Wehe ihnen wenn nicht...
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Lilith, die gerade noch neben Lester gestanden hatte, erschrak, als Winfried wie aus dem Nichts auftauchte. Nicht nur das, das einzige was er zu tun hatte, war den Hauptmann zu beschuldigen, der einer der stützenden Pfeiler war, die das Dorf davor bewahrten, in sich zusammen zu fallen.
Als der Wirt selbst nichts sagte, erhob die zögerlich ihre Stimme und meinte etwas stotternd: "Lester genießt das volle Vertrauen der Hexenjäger. Wäre er eines der Ungetüme, hätte er sicher keinen von ihnen getötet. Er hätte sie ausgehorcht und wäre ihnen somit immer einen Schritt voraus gewesen. Es wäre ein Nachteil für ihn gewesen, einen Feind zu verlieren, der ihn als Verbündeten sah." Sie war selbst verwundert über ihre überlegten Worte, aber die Hitze stieg ihr etwas ins Gesicht, da es sie innerlich furchtbar aufregte. Gerade hatte das Dorf zwei starke Verbündete verloren, einen Kämpfer und einen Jäger, nun wollte Winfried auch noch die Führungsperson sterben sehen?
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"Ach, beachtet den Kerl nicht weiter. Wir alle wissen doch, dass er mich nicht ausstehen kann und was käme ihm da gelegener als mich endgültig loszuwerden?
Aber Winfried, wenn ihr mich beschuldigen wollt, dann denkt euch doch bitte sinnvolle Begründungen aus und nicht das mein Bauch plötzlich runder oder meine Haare roter geworden. Damit macht ihr euch nur selbst verdächtig. "
Wie kam der Kerl überhaupt auf rot? Seine Haare sind seitdem er in Düsterwald aufgetaucht ist schneeweiß. Wahrscheinlich hat was er auch immer er vor seiner Anmesie geschehen ist dazu beigetragen.
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"HA! Ihr versteckt euch doch nur hinter unsinnigen Ausreden und vergesst das Wesentliche.
MICH könnt Ihr nicht täuschen! ERST habt ihr für Ralfs Tod gesorgt, euch DANN über einen wackeren Kameraden aus dem Bunde der Hexenjäger gemacht. Wer soll als NÄCHSTES euren schändlichen Machenschaften zum Opfer fallen?
Eure Nähe zu den Hexenjägern ist nichts als eine Farce. Mit der einen Hand haltet ihr einen Schild, um sie vor der Missgunst der Dorfbewohner zu schützen und ihr Vertrauen zu erhaschen, doch in der anderen haltet ihr in Wirklichkeit einen Dolch, vielmehr noch, eine Begabung SATANS, um sie die Hexenjäger hinterrücks anzufallen und zu verschlingen!
Sehen wir es doch von der praktischen Seite:
Wenn ihr sterbt und ein Werwolf seid, so haben wir einen Gegner weniger im Kampf gegen die Kreaturen.
Seid ihr jedoch unschuldig, so müssen wir eure stinkende Pisse, die ihr ausschenkt, nicht mehr ertragen.
Seht euch doch nur mal seine schneeweißen Haare an. Die sind ja sogar noch weißer als Liliths Wäsche, die sich doch so aufs Waschen versteht. Diese Haare müssen ein GESCHENK DES TEUFELS sein!"
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"Ihr vergesst auch etwas wesentliches, nämlich das ihr keine Beweise dafür habt, dass ich irgendwas mit den Morden zu tun habe. Oder habt ihr etwa auch irgendwelche hellseherischen Fähigkeiten wie sie der Hexenjäger Konrad laut diesem Buch scheinbar gehabt hat? Ich bezweifle es.
Und ich muss die Hexenjäger vor gar nichts schützen, immerhin sind sie eine der wenigen Pfeiler der Hoffnung an die wir uns klammern können um diese Krise zu überstehen. Ich versuche nur so gut wie möglich dazu beizutragen, immerhin sollt ihr mich nicht umsonst zum Hauptmann gewählt haben.
Aber angenommen ich wäre ein Werwolf, dann macht es keinen Sinn einen der Hexenjäger zu töten, denn im Gegensatz zu euch vertrauen sie mir und warum sollte ich sie opfern wenn sie mir lebendig wesentlich mehr nützen würden?
Ihr könnt wirklich nicht abstreiten, dass ihr mich einfach nur loswerden wollt. Das ihr meine Getränke beleidigt und meine Haarfarbe, für die ich schließlich nichts kann, als Beweis heranzieht zeigt doch wieder einmal, dass ihr eine Abneigung gegen mich hegt."
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Godfrey warf eben missbilligende Blicke in Isabellas Richtung, deren unerschütterlicher Mut und Lebenswille den Bann der Tränen schon durchbrochen hatte und dafür bewunderte er sie im Stillen, würde es jedoch niemals offen zugeben, dazu fühlte er sich zu sehr als...
...ihr Anführer?
...ihr Beschützer?
...moralische Instanz?
Er wusste es nicht, aber er war mittlerweile froh, seine Prinzipien gebrochen zu haben und zusammen mit anderen Jägern zu jagen.
Plötzlich brach der Tumult aus, als er im Begriff war, den Abmarsch zu befehlen und schnellen Schrittes hielt er auf die Menge zu, wo er von der Anklage auf Diran und auf Lester hörte.
Breitschultrig und unheilvoll baute sich der massige Schotte vor Winfried auf und seine Stimme war grollend, doch versöhnlich.
"Ob schuldig oder nicht - wir sind keine Tiere und keine Sarazenen. Er ist dein Anführer Bursche, ihm gebürt nicht deine Liebe, wohl aber dein Respekt."
Er legt den Kopf schief und blinzelte in die Sonne.
"Wenn ich mir als gestandener Mann mit über 40 Sommern und einem Brief des Bischofs zu Metz nicht zu schade bin, dem Hautpmann Mundschenk mit Achtung zu begegnen, dann solltest auch du es nicht sein."
Dann sah er sich um und murrte.
"Darüberhinaus muss ich dir deinen Versuch zu handeln hoch anrechnen, Geduld hat nur Luzifer. insofern hast du Recht. Aber ich gebe Eines zu bedenken.
Wer von einem Wolf infiziert wird, verändert sich. Bruder Nicolo kann dazu mit Sicherheit mehr sagen, aber wir wissen, dass Menschen sich unter dem Einfluss des wütenden Blutes wandeln, wir sollten uns also auf Menschen und Bewohner konzentrieren, die unserer Mitte schon länger fern blieben, die sich in ihren Häusern verstecken, aus Angst, was wir finden und sehen könnten und aus Feigheit, ihre Schande einzugestehen."
Dabei wurde sein Blick hart und er streifte die Umstehenden.
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Roland war gerade zu Hause angekommen, als er auch schon das laute Geschrei vom Marktplatz hörte. Scheinbar gingen die Anschuldigungen wieder los, wobei auch Roland wieder einfiel, dass es bei weitem nicht genug Beweise gibt, die jemanden überführen konnten. "Da scheint es ja heiß her zu gehen. Vielleicht sollte ich doch nochmal vorbei schauen, ich befürchte ohnehin, dass es mir heute nichts bringt, noch zum Berg zu gehen..." Mit diesen Worten verließ er erneut seine Hütte und begab sich richtung Marktplatz. Dort angekommen, sah er wie sich Winfred und der Hauptmann mal wieder wüst beschimpften. "Manche Dinge ändern sich nie, was?" Nach diesem Kommentar sah Roland, dass die Hexenjäger scheinbar vor hatten, sich in der Umgebung umzusehen. Die einzige Möglichkeit, die sich daraus ergab, war dass sie ebenfalls die Spuren entdeckt hatten und nun auf den Weg zum Berg waren. Roland entschloss sich, sie nach ihrer Rückkehr einmal aufzusuchen, für den Fall, dass sie etwas entdeckt hatten.
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Isabella spürte einen stechenden Blick in ihrem Rücken und wandte sich zu Godfrey um als das Zetern lauter wurde. Sie wandte sich mit einem "Entschuldigt mich kurz ich muss mich kurz mit meinen Leuten beratschlagen wie wir weiter vorgehen" von Andreas Seite ab und schritt auf Godfrey zu.
"Ihr habt Recht wenn ihr den Wirt in Schutz nehmt, Godfrey, immerhin hat dieser Mann alles in seiner Macht stehende getan um die Nachforschungen voranzutreiben. Aber solange wir nicht wissen wer die Mörder sind sind alle verdächtig."
Sie warf Godfrey einen vielsagenden Blick zu, den nur er sehen konnte und neigte ihren Kopf kurz in die Richtung der Bäckerin.
"Auch wenn ihre Haut noch so reinweiß und duftend ist wie eine Sommerwiese. Ich nehme mich da nicht aus. Aber von mir aus kümmern wir uns erstmal um die vermissten Dorfbewohner und sehen nach wo sie geblieben sind. Und bis dahin sollten wir unsere Herzen vor falscher Missgunst verschließen und versuchen uns nicht wie alte streitsüchtige Männer zu verhalten."
"Oder wie liebestolle Narren.", flüsterte sie Godfrey leise im vorbeigehen zu, als sie wie zufällig etwas Schmutz von seinem Mantel wegwischte.
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Als er vom Tod des 4. Hexenjägers hörte, erschrak er. Sollte an ihren Behauptungen doch etwas wahres dran sein? Doch was er als nächstes hörte, entsetzte ihn regelrecht. In einem Satz erklärte Isabella, dass einer ihrer Kameraden tot war, und im nächsten versuchte sie schon wieder mit ihm zu flirten? Entweder war diese Frau leicht verrückt oder... noch herzloser, als die Kreaturen, die sie zu jagen behauptete! Sicher war er sich der Tatsache bewusst, dass Frauen nicht, wie es ihnen oft nachgesagt wurde, ständig in Tränen ausbrachen, aber dieses Verhalten war ganz bestimmt nicht normal. Nein, die schlimmsten Monster, denen sich das Dorf gerade gegenübersah, waren defintiv keine Fabelwesen...
Im nächsten Moment durchfuhr es ihn. Er war im Begriff, mit diesen Menschen in den Wald zu gehen. Völlig allein. Unbewaffnet. Wehrlos. Er schluckte schwer. Er verfluchte seine Phanatsie, als in diesem Moment ein Bild vor seinem inneren Auge entstand, wie ihm Isabella ein Messer in die Brust stach - und dabei immer noch so unbekümmert lächelnd, wie in diesem Moment.
Wären diese Hexenjäger dazu in der Lage? Ja, ganz bestimmt. Und sie brauchten nichteinmal lange nach einer Ausrede zu suchen. Sie würden die Schuld den angeblichen Bestien in die Schuhe schieben, und dadurch sogar noch mehr Zwietracht unter der Bevölkerung säen.
Was bezweckten sie damit? Wollten sie...
In diesem Moment durchbrach ein Ruf die Stille. Winfried beschuldigte Lester, ein Diener des Teufels zu sein. Obwohl er diesen Kreislauf aus Beschuldigungen und Rechtfertigungen für puren Wahnsinn hielt, mochte er jetzt seine Rettung bedeuten. Ja, jetzt ging einer der Hexenjäger zu Winfried hinüber. Einen Moment später folgte ihm Isabella. Sollte sich die Debatte noch hinziehen, könnte er erklären, dass es zu spät wäre, noch den Felsen aufzusuchen und wäre so zumindest bis zum nächsten Tag in Sicherheit...
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Godfreys Kopf zuckte nach vorne, als er Isabella anstarrte und für den Bruchteiler einer Sekunde den ernsten Schimmer ihrer Augen wahrnahm, trotzdem empörte ihn die Zurechtweisung augenscheinlich zutiefst und er holte tief Luft, um seinen Unmut auszudrücken, als ihm Isabella auch schon den Finger an die Lippen legte, was den gestandenen Hünen schneller verstummen ließ als ein Schlag in die Magengrube.
Er wandte sich schnell ab, wobei die Samtweiche der zarten Haut ihrer Fingerkuppe ein fast schon unangemessen unangenehmes Kribbeln auf seinen Lippen hinterließ und brummend stapfte er die ersten Schritte auf den Wald zu.
"Kommt bald, der Felsen hat Geheimnisse zu offenbaren.", grollte er und in seiner Magengegend begann es zu grummeln, als er sich die Worte seiner Gefährtin durch den Kopf gehen ließ.
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"Isabella hat schon recht: Jeder ist verdächtig. Trotzdem sollten wir keine haltlosen Anschuldigungen in den Raum werfen wie Winfried sie zuhauf für mich übrig zu haben scheint. Jene von uns, die sich kaum blicken lassen, dürften mit am verdächtigsten sein, wobei es unter den Werwölfen sicherlich auch Personen gibt die schlau genug sind sich ihre Verwandlung nicht so offensichtlich anmerken zu lassen.
Wir müssen also mit Bedacht wählen, sonst wiederholt sich eine Tagödie wie wir sie bereits mit Ralf erlebt haben. Hätte er sich doch bloß nicht so verdächtig aufgeführt..."
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Die Deutschen sind schon ein seltsames Volk - Erst wählen sie sich einen Mann als Anführer und zwei Tage später wollen sie ihn hängen sehen.
"Godfrey!", Nicolo lief ein Stück hinter Godfrey her und packte ihn an der Schulter und sprach leise, "Wir können 'ier nischt weg. Jetzt wollen sie schon ihren 'auptmann tot se'en. Zuerst sollten wir 'ier für Ru'e sorgen, isch befürchte, dass wir sonst schon 'eute Nachtmittag weitere Tote 'aben werden."
Nun wandte er sich zu den Umstehenden: "Seid ihr jetzt alle verrückt geworden? Ihr 'abt diesen Mann zu eurem 'auptmann gemacht und nun wollt ihr ihn 'ängen? Beru'igt eusch ersteinmal!"
"Der 'err ist mein Lischt und mein 'eil; vor wem sollte ich misch fürchten. Der 'err ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen. Warum kann isch nischt einfach den Wölfen die Kehle durschschlitzen? Nun müssen wir auch noch eine Panik ver'indern. 'err, was 'ast du nur mit uns vor?"
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Raphael verfolgte den Streit zwischen Lester und Winfried bis zu den letzen Worten, während er einige seltsame Zeichen in seinen metallverstärkten Stab schnitzte. Er wendet sich an Lester:
"Doch welcher dickliche Werwolf, Verzeihung, würde schon gut und gerne durch ein größeres Gebäude, durch den großen Dorfplatz bishin zum Lager der erfahrenen Hexenjäger schleichen, nur um das Risiko einzugehen, aufgeschlitzt zu werden? Da gäbe es bei Morden an Wohungsmietern der Taverne bessere Umstände und Unschuldskarten. Vermutlich war der Mörder jemand, den Konrad persönlich kannte. Vielleicht einer der anderen Hexenjäger? Vielleicht aber auch der Papst höchstpersönlich, keiner von uns allen, offenen hebräischen Büchern, weiß es genau und darf auch niemanden beschuldigen. An deiner Stelle würde ich lieber anfangen, die Stuben von deinen Mietern zu durchsuchen, oder auch die Häuser aller anderen Bewohner. DU bist schließlich der Hauptmann. Wenn es um Leben und Tod geht, trägst du zu fast allem Recht und Verantwortung. Wenn sich jemand merkwürdig gegenüber dir verhält, musst du versuchen, ihm zu folgen und reine Beweise zu finden. Und wenn du uns sagst, was du oder andere beobachtet haben, so würde das Schattenauge zwar in die Todesliste der Speiser geraten, aber wir könnten den Listenschreiber erahnen." Raphael gibt Lester einen beschriebenen Zettel und geht:
"Der Hüter hocher und goldener Herzen kann auch scharf nach Schafen greifen. Wo auch immer du ihn findest, WENN du ihn überhaupt findest, wirke verzaubert und von seinen Worten interessiert, dass er dich als Dukatenesel sieht. Seine gierigen Worte sind der Schlüssel zum verschollenen Geheimnis unseres willigen Dichthelmträgers. Seine Interessen sollen auch deine sein, und die Türe wird sich dem grünen Himmel öffnen, welcher alles verändern wird. Denke an meine vorigen Worte, denke an tausend Sinne und fünfhundert Gedanken und lasse dich nach Eden führen. Wenn du meine Botschaft richtig deutest, wirst du dich durch dein erlangtes Wissen einen wollreichen Hirten nennen können. Doch merke auch Folgendes: Reden ist Silber, schweigen Gold. Jeder Henkersname kann dich von deinem reichen Ziel entfernen. Doch mehrdeutige Worte sagen sowohl viel Unschuld als auch Schuld aus. Zu diesen solltest du greifen. אלוהים יהיה עמך."
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Verwirrt betrachtete Lester den Zettel. Vor allem aus dem Ende wurde er absolut nicht schlau. Sollte das ein Code sein? Wusste Raphael etwas über die Werwölfe und konnte ihm das nur in dieser Forum wissen lassen? Wenn ja war es nur zu blöd, dass er absolut keine Ahnung hatte wie er das knacken sollte. Vielleicht spielte Raphael auch nur mit ihm und der Zettel bedeutete gar nichts...
"Wenn es denn reichen würde einfach alle Häuser zu dursuchen, aber die Werwölfe werden kaum Hinweise auf ihre Verwandlung dort verstecken. Wobei Diran in der Hinsicht verdächtig ist, denn sein Haus ist nur so mit Fallen gespickt, wodurch es so gut wie unmöglich ist hineinzugelangen.", jedoch sagte Lester das mehr zu sich selbst als zu Raphael, denn dieser hatte sich mittlerweile schon längst enfernt.
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Lilith sah zu, wie Winfried sich immer mehr in Rage brüllte, während andere versuchten, ihn ein wenig zu beschwichtigen. Sie selbst war nicht der Typ, der einem anderen drein redete und versuchte, jemanden vehement von ihrer eigenen Meinung zu überzeugen, außerdem hatte sie ja schon gesagt, was sie grundsätzlich über die Sache dachte.
Trotzdem schüttelte die Bäckerin immer wieder den Kopf, unfähig, Winfrieds Handlung nachzuvollziehen. Was dachte er sich nur dabei? Jeder im Dorf wusste, dass der Schreiberling seit langer Zeit eine Abneigung gegen den Wirt hegte, und nun wirkte es, als würde er die Katastrophe, die das Dorf heimsuchte, benutzen um Lester los zu werden. Dabei hatte man am Vortag doch gesehen, dass einem die Sympathien nicht unbedingt zuflogen, wenn man seinen persönlichen Groll nicht zügeln konnte.
Selbst wenn Winfried einen Grund zur Annahme, der Wirt sei ein Werwolf, haben sollte, hatte er sich äußerst unklug verhalten. Der Klang seiner Stimme und die Worte, die er nutzte, waren so voller Abscheu, dass es weit über eine vorsichtige Verdächtigung hinaus ging, über die man ruhig diskutieren und beraten konnte. So allerdings würde niemand ihn richtig ernst nehmen.
„Zum Glück“, fügte Lilith gedanklich hinzu und sah nun zu Lester, der eher verwirrt schien, als sich ernsthaft angegriffen zu fühlen, zumindest blieb er relativ ruhig. Auch wenn es eine Fassade sein mochte, momentan waren die Art und das Vorgehen des Hauptmanns eine Stütze für das Dorf. Außerdem hatte die Bäckerin vor nicht allzu langer Zeit ein Versprechen abgegeben, wonach sie Lester ohnehin niemals in den Rücken fallen würde.
Statt nun weiter über den Wirt und den Schreiberling nachzudenken, schweiften Liliths Gedanken zum Vortag, an dem sie Diran am verdächtigsten gefunden hatte. Was hatte sich seitdem eigentlich geändert, außer ein paar Stimmen von Individuen, die sich immer den naheliegensten Sündenbock suchten?
Auch der Barde war ihnen durch sein Gebrüll schon lange nicht mehr auf die Nerven gegangen… und warum schlich sich der Bader oft hier herum, ohne aber ein Wort zu sagen oder etwas beizutragen?