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Hui, lang hats gedauert. Eigentlich wollte ich ja wieder vom Review-Stil weg, aber für Suikoden III bietet es sich einfach zu gut an.
Gebt mir ruhig Feedback, was euch besser gefällt, wenn ihr in die Texte reinschaut ~vielen Dank im Voraus! ^___^
Heute:
108 Freunde müsst ihr (mal wieder) sein - Suikoden III
Wow. Mindblown...! Die Japaner können es ja doch!
Und ich sage ganz bewusst NICHT "Die Japaner können es ja doch noch", denn seien wir mal ehrlich: Eigentlich konnten sie es noch nie. Die Rede ist von einer wirklich guten Story und wirklich guten Charakteren. Ok - klar - es gibt unterhaltsame Geschichten (wie etwa in den meisten Final Fantasys), und es gibt auch hin und wieder mal eine durchgedrehte, arschcoole oder tragische Figur. Aber interessante, überraschende Erzählstrukturen sucht man in östlichen Rollenspielen eher vergeblich. Genau so selten sind menschliche, vielseitige und einfach glaubwürdige Figuren, die über die standardisierte gespaltene Persönlichkeit und das laute Schreien von Namen hinausgehen. Selbst bei den besseren Spielen hier auf der PS2 fällt inhaltlich bisher nur GrimGrimoire aus der Reihe, charaktertechnisch ausschließlich Persona 3. Kurzum: Würde man durchschnittliche RPG-Stories mit den Maßstäben von Literatur bewerten, hätten wir einen gewaltigen, muffenden Haufen an Schundliteratur.
Dann kommt Suikoden III in den Raum und tritt erstmal Ärsche.
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Zuerst ein kleiner Disclaimer: Dieses Spiel gibt es nicht in PAL-Gefielden. Es ist in Amerika als NTSC-Version erschienen, hat ausschließlich englische Sprache und ist die 15-25€, die es gerade auf Ebay kostet, absolut wert. Sofern man eine NTSC-fähige Ps2 hat, natürlich. So, zum Thema.
Die Anatomie eines guten Arschtritts (Story und Inszenierung)
Die epische Fantasy-Geschichte um Krieg, Frieden, Lebenswege, Freundschaft und ähnliche Themen erfindet das Story-Rad zwar nicht neu, verwebt die einzelnen Aspekte aber so dermaßen geschickt mit dem Videospiel-Medium, dass es eine Freude ist. Ohne ernsthaft zu spoilern: Das Ganze wird aus sechs Perspektiven erzählt (na gut... sagen wir fünf, der Hund zählt nicht). Die ersten Kapitel zeigen den jungen Stammeskrieger Hugo, die Armeekommandantin Chris und den Söldnerführer Geddoe, die jeweils auf verschiedenen Seiten eines Konflikts stehen. Der jugendliche Schlossbesitzer Thomas gerät zwischen die Fronten. Begleitet werden diese Protagonisten jeweils von Freunden, Untergebenen und ähnlichem Gesocks, was dazu führt, dass man im Laufe der Geschichte bis zu 108 Charaktere ansammelt. Aber dazu später mehr, denn schon dieser Perspektivwechsel ist bemerkenswert.
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Nicht nur ist es wirklich spannend, zu sehen, wie sich die Ereignisse von verschiedenen Sichtwinkeln aus entfalten, auch die Glaubwürdigkeit der Motivationen wird auf diesem Wege gewahrt. Nimmt man alle Perspektiven mit (und dafür muss man letztendlich sämtliche Charaktere finden!), verbleiben in Suikoden III nur noch wenige Figuren, die wirklich als "Schurken" durchgehen. Dankenswerterweise verzichtet das Spiel dabei sogar auf die peinliche Art von "nachvollziehbaren“ Antagonisten, die einem japanische Medien sonst so leidenschaftlich aufdrängen wollen – ich rede von den pseudophilosophischen Emo-Bastarden, die am Ende eigentlich doch bloß vollkommen wahnsinnig sind (generisches Zitat: „Ich rotte die Menschheit natürlich NUR aus, damit sie nicht mehr leiden muss!! HARHARHAR!!11elf“ –leiden my Ass). Und dabei lässt Suikoden III den Spieler doch für eine ziemlich lange Zeit in einem anderen Glauben... Aber gut, zurück zum Text. Auch die Inszenierung dieser Story funktioniert. Man sieht meistens nur das, was interessant ist, und immer dann, wenn das Spiel droht, einen zu langweilen, passiert wieder irgendetwas An-den-Bildschirm-Fesselndes.
Von der Struktur her basiert das Ganze übrigens extreeem lose auf der chinesischen Erzählung Water Margin, wie auch die Vorgänger. Spielern der anderen Teile sei kurz gesagt, dass Nummer Drei als Einzelspiel wunderbar funktioniert, aber trotzdem so einige Anschlusspunkte hat, was Story-Stränge, Welt und Charas angeht.
[insert another witty pun including "108"] (Charaktere)
Die Charaktere schaffen einen absolut beeindruckenden Spagat:
- Beinah alle japanischen Archetypen sind vertreten, aber kaum einer nervt :eek: (Auch wenn's wahrscheinlich wieder Ansichtssache ist... :D)
- Dazu kommt, dass in Suikoden III über 30 (!!) Figuren eine relevante Rolle innehaben. Das sind also NUR die, die neben Spielwerten auch wirklich Charakterzüge entwickeln. Und nicht zu wenige von ihnen wachsen dem Spieler durch ihre Menschlichkeit ans Herz.
- Doch damit nicht genug. Selbst die angesprochenen „laufenden Spielwerte“ sind durch kurze Auftritte, die Inszenierung im Kampf, ihre Kommentare im Hauptquartier und ähnliche Details absolut liebens- und sammelnswert. Am Ende des Spiels gibt es zu jedem Charakter auch nochmal eine Textbox bezüglich seiner Zukunftspläne. Herzlich. <3
Sozusagen stellt Suikoden III in diesem Bereich das komplette Gegenteil von Radiata Stories mit seinen „Charakteren“ [/Zynismus] dar. Und wenn ich an der Stelle sagen wollte, dass RS wenigstens auf eine unterhaltsame Art und Weise bescheuert war… tja, der Konkurrent kann auch hier mithalten. Das Raster bietet unter anderem:
- einen fanatischen Sportlehrer im schicken Jogging-Anzug
- Detektiv Conan (wenn auch unter anderem Namen)
- einen zeitreisenden Charakter, den man praktisch zweimal hat - einmal als Kind und einmal als junge Frau
- ein Cowgirl, das einen zum Wettreiten einlädt (dirty thoughts not intended)
- einen heterophoben Gentleman-Ladenbesitzer, der sich nur der Gruppe anschließt, wenn man keine Frau dabei hat
- ein zuckersüßes kleines Mädchen, das mit ihrer Looney-Toons-artigen Handpuppe spricht, damit kämpft, und gelegentlich auch ihre überbordenden Aggressionen an ihr auslässt (Hehe, sehr geil :hehe:)
- zudem: Enten. Donald-Duck-artige Enten als Charaktere. Eine davon ist ein wichtiger Charakter. Sie hat eine Hellebarde und Vietnam-Komplexe. :eek: :A
Und das waren ledidlich die auffälligsten. Suikoden III nimmt sich halt doch nur meistens ernst, manchmal ist es zum Schreien komisch, und manchmal dringt auch ein überraschend subtiler Humor durch die Textboxen (Geddoes Team ist hier mein Favorit :p).
Positiv sei noch zu erwähnen, wie vorbildlich das Spiel mit der gewaltigen Anzahl an Figuren umgeht, was die Organisation der eigenen Party angeht. Die ersten beiden Teile der Reihe hatten ja das Problem, dass man sie praktisch mit 6 Charakteren durchspielen konnte, obwohl es 108 gab. In Part Drei sieht das anders aus; durch die ständigen Perspektivwechsel und ein klug designtes Endgame kann man sich nicht nur 6, sondern über 20 Lieblings-Charaktere aussuchen –und es stört kein Bisschen!
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Uralte Überbleibsel vergangener Zivilisationen (Technik)
Alles toll in den Grasslands? Nein, es gibt durchaus Schatten. Technische Schatten, allen voran. Oder noch besser, es gibt keine Schatten, wenn man minutenlang mit klobigen Figuren durch merkmalslose Gebiete läuft. Die Grafik ist nicht nur altbacken, wenn man sie neben FFX, Rogue Galaxy & Co. stellt, sie ist auch ziemlich mopsig und ein wenig steril. Aus diesem Grund kommt die Welt nicht ganz so lebendig rüber, wie man es ihr vielleicht wünschen würde, und auch die Charaktere leiden darunter (was allerdings durch die wunderschönen Manga-Bilder relativiert wird).
Die musikalische Seite sieht nicht viel besser aus. Abgesehen vom wunderbaren, atemberaubenden Anime-Opening mit afrikanisch angehauchten Klängen… Oke, Oke, Youtube-Time.
http://www.youtube.com/watch?v=fA_gDnwcdZ8
*___*;;;
Äh, ja, ich wollte kritisieren. Abgesehen davon jedenfalls, und abgesehen von der nur gelegentlich schönen Background-Musik, fällt der Ton kaum auf. Dieses Phänomen geht so weit, dass es in den Zwischensequenzen oftmals GAR KEINE Musik gibt –ich war total verwirrt, weil ich dachte, jeden Moment passiert irgendetwas Überraschendes bei diesem Spannungsaufbau! :D Tut es aber nicht. Die Story, und mit ihr auch das Figurenraster, ist komplett stumm. Was ich wirklich jammerschade finde. Suikoden III ist einer der wenigen Titel, bei denen ein HD-Remake mit Vertonung fucking Wunder wirken würde.
Ich merke gerade, das klingt jetzt alles etwas schlimmer, als es tatsächlich ist, aber man sollte sich darauf gefasst machen, wenn man von anderen Ps2-Spielen oder gar aus der aktuellen Generation (hngh!) kommt. Stellt euch vor, ihr fahrt über die Autobahn nach Polen... und plötzlich seid ihr auf einem Feldweg. Ohne Auto. Schön ist es aber trotzdem.
Runenwerfen (Gameplay)
Suikoden hatte schon immer ein recht eigenes Kampfsystem, und diese Tradition wird hier fortgesetzt. Man hat drei Charakterpaare im Team, denen man jeweils gemeinsam Befehle gibt. Zauber sind extrem mächtig, können aber, wenn man unvorsichtig ist, auch mal die eigene Gruppe zu feiner Asche verbrennen. Überraschenderweise hat ein sehr detailliertes Charakterentwicklungs-System mit Skills, einigen Ausrüstungsteilen und den altbekannten Fähigkeits-Runen seinen Weg in Suikoden III gefunden - es ist also durchaus möglich, die sowieso schon sehr zahlreichen Figuren auch noch im Detail zu individualisieren. Das Ganze geht echt gut von der Hand, weil man sich ein paar kluge Mechanismen ausgedacht hat, um 108 Charas zu verwalten. Es sollte jedoch erwähnt werden, dass ein Teil des Rasters im Kampfsystem nur eine unterstützende Funktion einnimmt (etwa, indem besiegte Gegner in einen leckeren Eintop gekocht werden, oder indem das Team mithilfe eines heißen Bades geheilt wird - und ja, das sind tatsächliche Beispiele).
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Zwischen den Kämpfen kommt es oft zu ausgedehnten Laufwegen zwischen Punkt A und B - übertrieben, wie etwa in Radiata Stories (jdklmlkm~ARGH), wird dabei jedoch nur sehr selten, zumal die Charakterentwicklung das Grinden durchaus sinnvoll macht. Auch in das eigene Schloss, das man bald kriegt, führt der Weg immer wieder zurück. Dort kann man wunderschön Zeit verplempern; meine 80 Spielstunden hingen nicht zuletzt an den unterhaltsamen Textzeilen der Einwohner, dem guten Dutzend Minispielen und dem ausschweifenden Sammelkram, dem man sich hingeben kann. Selbst das Finden der 108 Figuren wird durch zuvorkommende Unterstützung bekräftigt; es handelt sich dabei also, im Gegensatz zu Teil 1 und 2, nicht mehr nur um abgefuckten Endgame-Kram für die allerschlimmsten Nerds. ;)
Letztendlich gibt es auch noch taktische, rundenbasierte Armeeschlachten und Schere-Stein-Papier-artige Duelle. Diese Extra-Modi sind allerdings eher Kleinkram, weil sie (zu) selten vorkommen und (im Fall der Taktikkämpfe) auch meistens etwas zu einfach waren. Spaß gemacht hat die Abwechslung trotzdem. Generell ist der Schwierigkeitsgrad von Suikoden III aber ziemlich perfekt für ein nettes Rollenspielerlebnis: Immer etwas herausfordernd, aber niemals so richtig schwer. Die freundlich gesetzten Speicherpunkte unterstreichen das. Der einzige Punkt, an dem die Schwierigkeit etwas... seltsam wird, ist das Endgame. Dann passiert es nämlich öfter mal, dass Kämpfe - und sogar Bosskämpfe! - dadurch entschieden werden, welche Seite als erste ihren Mega-Kampfzauber werfen kann. Außerdem wäre ein Tutorial zu den verschiedenen, doch sehr komplexen Seiten des Spiels nett gewesen.
Packt man all diese Aspekte zusammen, entsteht man ein Japano-RPG, das auf eine bemerkenswerte Weise klassisches Gameplay mit innovativer Nutzerfreundlichkeit und einem riesigen Haufen an nettem, liebenswertem Zusatzscheiß verbindet.
Faaaaazit!
Machen wir's kurz: Nicht mal die Altbackenheit kann Suikoden III davon abhalten, zum bisher besten hier angesprochenen Ps2-Rollenspiel zu werden. Es ist mit soviel LIEBE gemacht, dass Square-Enix-Programmierer wohl augenblicklich zu Staub zerfallen würden, und es ist so wunderschön vollgepackt mit tollen, ernsten, komischen und unterhaltsamen Inhalten, dass man es einfach lieb haben muss.
Drei Daumen und ein Extra-Herz! ^___^
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