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Besser gesagt: eine Schwester. Die dunkle Priesterin Suëss. Gesegnet mit der Gabe ihre Feinde gegeneinander auszuspielen und schwächen frühzeitig zu erkennen, galt sie gemeinhin als gefährliche Gegnerin. Ihre Waffe war jedoch auch weniger subtiler Natur. Mit sich brachte sie ihren treuen Bogen, der ihr schon bei so mancher Gefahr beistand.
Ihr Element war die Natur, ihre Verbündeten die Geschöpfe des Waldes, die sie korrumpiert und verunstaltet hatte, ihre Heimat war die Finsternis.
Salia schrie, als Suëss’ Essenz in ihren ätherischen Körper floss und ihre eigene Persönlichkeit tilgte. Ihr Körper veränderte sich. Ihre Augen wurden hart, ihre Züge grausam, ihre Ausstrahlung hässlich. Sie war nun in eine lange schwarze Robe gewandet, eine Kapuze bedeckte ihren Kopf und der Bogen hing um ihre Schulter. Sie verbeugte sich vor Villon und lächelte ein kaltes, herzloses Lächeln.
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Villon schmetterte die Schatulle in eine Ecke und verstaute das zusammengerollte Pergament. Er bebte vor Wut, konnte sich aber noch beherrschen und nicht laut losbrüllen. Schwer atmend und mit Zornesröte im Gesicht drehte sich der Wüstengeist ganz langsam um. „Und wo, wenn ich fragen darf, ist dann der Weise des Waldes?“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch die unausgesprochenen Drohungen ließen seine Stimme zittern. Suëss schien weiter zu schrumpfen, als die den funkelnden Blick ihres Bruders ertragen musste. Ihre Finger suchten nach einer Beschäftigung und fanden ihren Bogen. „Ich... weiß es nicht. Woher auch? Dieses Mädchen wurde gerufen um ihn zu ersetzen und dich in eine Falle zu locken. Der Weise ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr hier. Ich denke, er verschwand bevor der Kampf im Keller anfing.“ Villon begann auf und ab zu wandern. Das stetige Klacken seines Stabes hallte von den Wänden wider und allmählich wich die Röte aus seinem Gesicht. Er atmete tief durch und erinnerte sich, dass es in der Wüste fatale Folgen haben konnte, die Beherrschung zu verlieren und nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein. Er steuerte einen Haufen Trümmer an und lies sich auf den Stein fallen. Den Stab über die Knie gelegt faltete er die Hände und stützte seinen Kopf auf ihnen. „In Ordnung. Mal angenommen, sie wüssten von mir und meinem Vorhaben, dann unterschätzen sie mich aber ganz gewaltig, wenn sie nicht mehr schicken, als dieses kleine Kind. Sie haben also den Weisen abgeholt, diese Mädchen hier gelassen und darauf gehofft, dass es mich erledigen wird, was es ja auch fast geschafft hat. Die große Frage ist also: Wo haben sie ihn hingebracht und wer sind sie?“ Suëss kam langsam näher und hielt sich bereit, das Weite zu suchen, wenn es nötig sein sollte. Sie hatte Villon noch nie gesehen, wusste aber immer um seine Existenz, wie es bei Geschwistern üblich war. Behutsam näherte sie sich ihm und setzte sich dann neben ihm. Villons Blick war jedoch in weite Ferne gerichtet, sodass er das hier und jetzt nicht wirklich mitbekam und nur am Rande seiner Aufmerksamkeit mitbekam, dass sich Suëss an ihn lehnte. „Die Halle der Weisen...“ sagte er langsam zu sich selbst und tippte dabei mit den Fingerspitzen aneinander. Das war es. Dort musste er und vielleicht auch alle anderen sein. Nun, es hatte einen gewissen Vorteil, dass musste Villon zugeben. Doch ein Blick auf seinen rechten Handrücken verriet ihm, dass es immer noch ein kleines Problem darstellte.
Das Dreieck pulsierte wieder angenehm und durchströmte seinen Körper mit wohliger Wärme. Er hatte das Gefühl immer schläfriger zu werden und merkte plötzlich, wie erschöpft er war. Der Kampf gegen Salias´ Geist, der nun den Geist der dunklen Priesterin als Gefäß diente, schien stärker an seinen Kräften gezehrt zu haben, als er es für möglich gehalten hatte. So war es kaum verwunderlich, dass Villon der Wärme nachgab und der wispernden Stimme in seinem Kopf völlig unterlag. Er spürte wie er weiter und weiter wegrutschte, die Realität verlies und dorthin ging, wo Träume entstanden und auf die Welt geschüttet wurden.
Oder mit anderen Worten: Er schlief ein.
Doch nur sein Geist. Sein Körper befreite sich unsanft von Suëss´ Gewicht und stand auf. Seine Augen waren schwarz, nicht mehr perlgrau und Äderchen pulsierten in einem mitternachtsschwarz über seinen Körper. Sie verschmolzen mit den Tätowierungen gaben ihm ein grässlicheres Aussehen, als es schon war. Sein Stab in der rechten Hand wurde ebenfalls von schwarzen Äderchen durchzogen, sodass es aussah, als sei der Stab lebendes Fleisch, was atmete und wachsen wollte. Ein dumpfes Pochen erklang und Villon erkannte ihn als den Herzschlag des Stabes an. Während sein Körper sich anschickte den Tempel zu verlassen und seiner Mission nach zu gehen, wand sich sein Geist und versuchte seinen Körper wieder zu gewinnen, doch musste erschrocken feststellen, dass es ihm nicht möglich war. „Suëss, ich werde weiterziehen und die anderen Tempel aufsuchen. Bleib du hier. Halte die Aura der Finsternis aufrecht und schädige den Deku-Baum. Richte soviel Schaden wie nur möglich an. Ich kümmere mich währenddessen um den verschwunden Weisen.... Wir werden ja sehen, ob die Jünger meiner Schwestern ihn lange vor mir verstecken können.“
Suëss wusste sofort, wer dort sprach. Dies war nicht mehr Villon. Niemals hätte jemand mit iener solch alten Autorität sprechen und dabei den Verstand behalten können. Dies war älter als Suëss und viel gefährlicher, soviel war sicher. Die dunkle Priesterin verneigte sich vor ihrem ehemaligen Bruder und schritt zurück in die Tiefen des Waldtempels, während Villons Körper, von schwarzen Ranken getragen, auf den Boden der Waldlichtung zurückkehrte und dabei zusah, wie eine schwarze Wolke über den Wald entstand. Villons Körper lächelte, als der Wind auffrischte und den Geruch von Schwefel und Fäulnis mit sich brachte. Unter seinen Füssen verdarb das Gras und mit jedem Rascheln der Blätter schienen die Bäume ihr Leben auszuhauchen. Die Verderbnis begann am Waldtempel, würde jedoch schnell die Verlorenen Wälder in ihren Sog des Todes ziehen.
Als Villon die Lichtung verlies, dass Labyrinth hinter sich hatte und sich die schier unendlichen Wälder vor ihm auftaten, begann der Regen auf die Erde niederzuprasseln. Er vergiftete das Wasser und pflanzte Wut, Angst und Schmerz in die Köpfe der Tiere. Menschen, die dem Regen ausgesetzt waren, mussten schnell erkennen, wie ihr Körper sich zusammenkrampfte und versuchte, sich die Lunge aus dem Leib zu husten.